Kapitel 16
Wir sprachen nicht mehr über den Vorfall und bemühten uns, die Dinge zwischen uns locker zu halten. Ich schätze, einige Leute bemerkten, dass wir keine weiteren heftigen Auseinandersetzungen mehr hatten, aber das hieß nicht, dass alles glattlief. Sicher, wir stritten immer noch viel, aber jetzt ging es immer um die laufenden Vorbereitungen für die Halloween-Party.
Ich saß in meiner Kabine und tippte eine Unmenge von Antworten ab, da ich viel weniger Zeit hatte, meine E-Mails zu überprüfen, geschweige denn meine Briefe, die Lia in ihrer Freizeit abtippte und mir schickte, als Janie zu mir kam.
"Kann ich mit dir reden?", fragte sie mit einem leichten Stirnrunzeln.
"Ich denke schon. Ich brauche nur eine Minute.", erwiderte ich, neugierig geworden. Es kam nicht jeden Tag vor, dass die beste Freundin ohne triftigen Grund in deinem Büro auftauchte.
Während ich meine Antwort beendete, suchte ich in meinem Kopf nach möglichen Gründen dafür, die sie veranlasst haben könnten, dringend mit mir sprechen zu wollen. "Ich bin fertig.", sagte ich, nachdem mir ein Pop-up-Fenster verkündet hatte, dass die Nachricht versendet worden war und loggte mich aus. "Lass uns nach unten ins Café gehen, um zu reden.", lud ich sie ein.
"Das wäre toll. Ich glaube, ich brauche auch einen Kaffee.", erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln.
Wir fuhren mit dem Aufzug nach unten, ohne ein Wort zu wechseln, obwohl wir den Aufzug ganz für uns allein hatten, was in so einem großen Unternehmen eine Seltenheit war.
Wir saßen uns gegenüber, ähnlich wie beim ersten Mal, als ich sie letzten Monat das Gebäude betreten gesehen hatte, mit einem Schokoladenfrappé vor mir und einem Cappuccino vor ihr, und begannen zu reden.
"Bist du sicher, dass du nicht mit Zack ausgehst?", fragte Janie mich mit Nachdruck.
"Ganz sicher. Außerdem ist er ein Aufreißer, das wird immer wieder angedeutet, und du weißt, dass ich im Moment nicht an einer Beziehung interessiert bin. Nicht nachdem, was AA gemacht hat.", erklärte ich ein wenig verärgert. "Und warum solltest du das vermuten?" Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen.
"Wie oft hat er dich geküsst?" Janie wich nicht vor ihrem Gedankengang ab. Das war eine Frage, von der ich nie erwartet hätte, sie beantworten zu müssen.
"Und was hat das jetzt damit zu tun?"
"Einiges. Und jetzt hör auf, der Frage auszuweichen. Wie oft hat er dich geküsst?"
"Drei mal.", antwortete ich mit leiser Stimme. Ich schwöre, Janie hätte in einem anderen Leben meine Mutter sein können.
"Und wann war der letzte Kuss?", setzte sie ihr Verhör fort.
"Du gibst mir das Gefühl, dass ich hier vor Gericht stehe.", entgegnete ich und ließ etwas von der Verärgerung, die ich empfand, in meine Stimme fließen. Sie hingegen warf mir nur einen spitzen Blick zu. "Als wir die Kleider für die Halloween-Party reserviert haben."
"Okay.", antwortete sie nachdenklich und verzog das Gesicht.
"Jetzt bin ich dran mit fragen. Warum zum Teufel hast du beschlossen, mich auf diese Weise zu verhören?" Ich kämpfte darum, meine Stimme so normal wie möglich zu halten.
"Genau, warum? AA nervt mich schon eine ganze Weile damit, dass er dich zurückhaben will." Sie hielt inne, als wollte sie meine Reaktion studieren. Das war neu für mich und vielleicht war mir die Überraschung anzusehen, denn sie schien mit meiner Reaktion zufrieden zu sein und fuhr fort. "Anscheinend hat er gemerkt, wie sehr er dich liebt, als er sah, wie du von einem anderen Mann geküsst wurdest. Da ich keine Ahnung hatte, wovon er da redete, brauchte ich eine Weile, bis ich die ganze Geschichte aus ihm herausbekommen habe."
"Oh. Ach so." Wenn ich etwas von diesem Gespräch erwartet hatte, dann war es definitiv nicht das. Ich dachte, es wäre irgendwo durchgesickert, dass wir uns vor ein paar Wochen im Einkaufszentrum leidenschaftlich geküsst hatten, und die Frauen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten, angefangen hatten, sich mir gegenüber feindselig zu verhalten. Nicht, dass ich es nicht bemerkt hätte, dass einige Frauen das tatsächlich waren.
"Sag mir, was war das für ein Kuss?"
"Wie bitte?", ich dachte ich hätte mich verhört. Sicher, wir sprachen praktisch über alles unter der Sonne, und manchmal auch über so etwas, aber so unverblümt hatte sie mich noch nie gefragt.
"Ich schätze, du verstehst nicht ganz, warum ich dich das überhaupt frage. Sagen wir einfach, ich habe vor AA von dir fernzuhalten, indem ich dafür sorge, dass er alles glaubt, was Zack ihm gesagt hat. Ich muss mir ein Bild davon machen, wie deutlich er seinen Anspruch gemacht hat." Sie wurde selbst ein wenig verlegen, wenn man der Farbe ihrer Wangen Glauben schenken durfte.
"Nun, in diesem Fall, ich schätze man könnte sagen, es war leidenschaftlich." Ich spürte wie sich meine Wangen erhitzten, als sie die Erinnerung entfaltetet.
Ich versuchte eigentlich nie daran zu denken und der Zwang, mich genau daran zu erinnern, half nicht gerade, besser zu verstehen, was ich in jenem Moment genau empfunden hatte.
"Ähm ... keine Ahnung, wie ich es sonst beschreiben soll. Es ging so schnell. In der einen Minute wollte ich einfach nur weglaufen und in der nächsten stand Zack neben mir und erzählte AA, dass wir heimlich zusammen wären. Das nächste, was ich weiß, war, dass ich in seinen Armen lag und er mich auf eine besitzergreifende Art und Weise küsste, ganz anders als damals, als er mich vom Restaurant nach Hause gebracht hatte. Es war ziemlich fordernd und doch sanft. Ich glaube, er war auch über sich selbst erschrocken, nachdem er sich von mir gelöst hatte."
Ich sah sie an und stellte fest, dass sie mich wissend anlächelte. "Was? Habe ich etwas Falsches gesagt?"
"Nicht im Geringsten. Du hast nur bestätigt, was wir alle dachten." Sie winkte mit ihrer Hand und als ich mich umdrehte, um zu sehen, wem sie zuwinkte, entdeckte ich den Rest unserer Freundinnen am Nebentisch, und alle hatten ein breites Grinsen im Gesicht. "Ich dachte, du wüsstest, dass du in ihn verliebt bist, aber die Art und Weise, wie du immer wieder vor ihm wegläufst, lässt uns etwas anderes glauben."
"Wir haben den Eindruck, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, dass sich AA wieder in dein Leben einschleicht, solange Zack da ist.", sagte Mary Beth fröhlich.
"Du solltest wirklich Schriftstellerin heißer Liebesromane werden. Du hast den Kuss gut beschrieben.", gab Aya ebenfalls ihren Kommentar dazu.
"Das bedeutet auch, dass du wieder einen gesunden Lebensstil pflegst.", stellte Hannah mit Genugtuung fest. Die Leibe kann einen verändern."
"Moment Mal? Wer hat was von Liebe gesagt? Wer ist verliebt?" Sie verwirrten mich mit ihren Worten.
"Du bist es. Du hast nur zu viel Angst, es zuzugeben.", sagte Janie.
***************
Wir verbrachten den Nachmittag mit den Vorbereitungen. Im Gegensatz zu anderen Firmen, die keine Partys feierten, oder diese mitten im November feierten, hielt unsere Firma sie ein paar Tage vor dem 31. Oktober ab, bevorzugt am 27. Oktober.
"Miss Lang, die Einladungen sind angekommen. Ich habe sie auf ihren Tisch gelegt." Eine junger Praktikant steckte seinen Kopf in den Ballsaal
"Danke, Brian.", rief ich und gab einer der Säulen, die den großen Saal schmücken sollten, den letzten Schliff. Das Gebäude war ähnlich aufgebaut, wie manche New Yorker Gebäude, mit einem großen Saal für Bürofeiern.
Ich verließ den Raum und ging die Treppe hinunter, als Zack mich einholte. "Ich helfe dir, sie hochzutragen.", bot er an.
"Das ist keine große Sache. Ich kann sie selbst tragen. Außerdem brauchen sie dich vielleicht, um wieder die Leiter hochzuklettern. Die ganzen Schärpen sind schließlich viel zu spät angekommen.", wies ich sein Angebot locker zurück.
Er warf mir einen gequälten Blick zu, bevor er sich wieder auf den Weg zurück in den Saal machte.
Ich fühlte eine Mischung aus Erleichterung darüber, dass er gegangen war, und Enttäuschung darüber, dass er nicht darauf bestanden hatte zu bleiben. Ich schätze, dass was Janie und die Mädels vorhin gesagt hatten, ist irgendwie in mir hängen geblieben und verwirrte mich noch mehr als sonst. Ich wusste, dass ich etwas Zeit für mich brauchte, um meine Gefühle zu sortieren, aber da die Party schnell näher rückte, würde ich dafür keine Zeit haben.
Ich erreichte meine Kabine und fand zwei Schachteln neben dem Eingang. Ich schnappte mir einen Vorrat an roten Kerzen, eine Streichholzschachtel und das eigens angefertigte Siegel aus meinem Schreibtisch, steckte die Sachen in meine Umhängetasche und hob eine der Boxen mit den Einladungen hoch. Damit machte ich mich wieder auf den Weg zurück in den Ballsaal und stellte die Sachen im Vorraum des Ballsaals ab. Ich ging zurück, um die zweite Schachtel zu holen, und als ich zurückkam, fand ich Zack mit einer der Einladungen in der Hand vor.
"Sehr schön. Sieht sehr formell und altmodisch aus.", kommentierte er und betrachtete das goldumrandete Pergament mit der schönen Kalligrafie, auf dem die Einladung zur Halloween-Party der Firma angekündigt wurde. Er hielt den passenden Umschlag hoch und sah mich verwundert an, als er feststellte, dass die Lasche keinen Kleberand hatte. "Wie hattest du denn vor, das zu verschließen?"
Ich stellte die zweite Schachtel neben die erste, öffnete meine Tasche, nahm die Kerzen und die Streichhölzer heraus und schwenkte triumphierend das Siegel. "Auf die altmodische Art. Mit Wachs und Siegel."
Zack fing meine Hand und betrachtete das Siegel, mit dem ich herumgefuchtelt hatte, eingehend. "Woher hast du das?", fragte er erstaunt.
"Ich habe es gemacht. Du hast gesagt, ich soll mein Bestes geben. Und außerdem wirst du mich für meine Mühen entlohnen, also habe ich alles gegeben. Wenn du jetzt keine Fragen mehr hast, mache ich mich wieder an die Arbeit."
Ich machte mich ans Werk, steckte eine Einladungen in einen Umschläge, versah ihn mit einem Namen eines Mitarbeiters auf der Vorderseite und versiegelte den Umschlag auf der Rückseite.
Die ganze Zeit über beobachtete Zack mich faszinierd. Er studierte die Schrift auf dem Umschlag, die Prozedur die nötig war, um ihn zu versiegeln und sagte dabei kein einziges Wort. Ich reichte ihn die fertige Einladung und wartete auf seinen Kommentar.
"Nun, ich muss sagen, dass ich nie an sowas gedacht hätte. Lass mich mal." Sorgfältig wiederholte er meine Handlung von gerade und reichte mir mit einem kindlichen Grinsen das Ergebnis.
"Sehr schön.", lobte ich ihn und griff nach einer weiteren Einladung um sie einzutüten. Mit einem stolzen Grinsen tat er es mir gleich une wartete ungeduldig auf das Siegel.
"Wenn du so viel Spaß daran hast, überlasse ich das dir. Ich muss noch einiges an Arbeit nachholen.", sagte ich nachdem wir eine halbe Stunde damit verbracht hatten. Ich stand auf und verließ ihn verteift in das versiegeln der Umschläge, wobei ich mich fragte, ob er vorhatte, die ganze nacht daran zu arbeiten, da es noch unmengen an Einladungen waren, die unmöglich an einem Tag zu schaffen waren.
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