Kapitel 12

Die Dinge könnten nicht besser sein. Nach diesem Kuss hielt ich mich so weit wie möglich von ihm fern. Und als meine neugierigen Freunde dies bemerkten, hatten sie den Anstand zu warten, bis ich bereit war zu reden.

Selbst eine Woche später konnte ich noch immer nicht ganz begreifen, was passiert war. Sicher, ich hatte eine gute Erinnerung an die Nacht, an der es passiert war, aber ich hatte so gut wie keine Erinnerung an das, was danach geschehen war. Ich fühlte mich so schwach, geschockt und verwirrt, dass ich, als ich es endlich geschafft hatte die Tür zu schließen, nur noch die Kraft hatte mich dagegen zu lehnen, als die Realität dessen, was geschehen war in mich eindrang.

Ich vergrub mich in meiner Kabine, kam nur heraus, wenn es absolut nötig war und verließ das Büro immer früh, um zu Hause weiterzuarbeiten. Lia warf mir immer besorgte Blicke zu, wenn sie mich gehen sah, hielt sich aber mit Kommentaren zurück.

Meine Routine hielt einen Monat lang an, bevor Ereignisse dafür sorgten, dass meine übliche Routine unterbrochen werden musste. Es war fast Oktober und jeder dachte an die jährliche Halloween-Party, der seit letztem Jahr hier arbeitete. Ein Treffen für die gesamte Belegschaft war nach den Bürozeiten angesetzt worden, so das ich keine andere Wahl hatte, als zubleiben.

Als die Versammlung näher rückte, hatte ich das Bedürfnis, das Büro für eine Weile zu verlassen und so viel Zeit wie möglich woanders zu verbringen, bevor sie begann. Ich packte meine Sachen zusammen, versicherte Lia das ich später kommen würde, und machte mich auf den Weg ins Café im Erdgeschoss. 

Mit einem heißen Kakao in der Hand wählte ich einen der Plüschsitze in der Nähe der Tür aus und ließ mich nieder, um ein Buch zu lesen. Es mussten bereits ein paar Minuten vergangen sein, als Janie mit Hannah im Schlepptau, vorbeikam.

"Was macht ihr denn hier?", fragte ich sie, nachdem wir uns umarmt hatten. Es war schon eine Weile her, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte.

"Hat Mary Beth es dir nicht erzählt? Ich wurde damit beauftragt die Halloween-Party eures Büros zu planen. Und Hannah hier hat sich freiwillig gemeldet, sich um das Essen zu kümmern. Du weißt ja, dass sie nicht will, dass du wieder zu viel Junkfood isst." Die letzte Bemerkung erinnerte mich an eine Zeit, in der Hannah meinen gesamten Kühlschrank ausgeräumt und ihn mit gesunden Lebensmitteln gefüllt hatte. Ich musste Kleie-Muffins zum Frühstück, Gemüsesalat zum Mittagessen und noch mehr Gemüse und Fisch zum Abendbrot essen.

"Das bedeutet also, dass du als Veranstaltungsplaner bekannt wirst.", schloss ich, glücklich und stolz auf sie. Seit ich mich erinnern kann, wollte Janie immer Event-Planerin werden, und meine Überraschungs-Geburtstagsparty war da keine Ausnahme.

"Ja, und ich plane schon seit einiger Zeit die Veranstaltungen dieser Firma, also bin ich in dieser Gegend ziemlich bekannt." Sie versuchte bescheiden zu klingen, aber ihr aufgeregtes Grinsen verriet sie.

"Was hast du vor, Hannah? Du willst doch nicht etwa die üblichen Parteigerichte durch gesundes Essen ersetzen?", fragte ich mit gespieltem entsetzen.

"In gewisser Weise schon.", erwiderte sie verschnupft. "Aber ich werde nicht das ganze Menü ändern. Ich habe nur dafür gesorgt, dass es ein paar gesunde Lebensmittel gibt, die du verzehren kannst. Und mir ist aufgefallen, dass dein Kühlschrank mal wieder nur mit Junkfood vollgestopft war, so dass ich mir die Freiheit genommen habe, dich davon zu befreien und ihn mit Salaten, weißem Fleisch und Fisch gefüllt habe.", berichtete sie wie immer.

Irgendwie bereute ich es, ihr einen Schlüssel zu meiner Wohnung gegeben zu haben, aber da es jetzt nicht mehr anders ging und sie es außerdem nur zu meinem besten tat, bedankte ich mich artig. "Äh, danke. Wie viel schulde ich dir?"

"Unsinn, ich würde lieber sehen, dass du zur Abwechslung mal gesund isst, ohne dass ich nach dir sehen muss.", erwiderte sie gönnerhaft.

"Übrigens, wie kommt es, dass du hier unten bist? Findest die Versammlung nicht da oben statt?", fragte Janie mit einem Blick auf die Uhr.

Ich warf einen Blick auf meine Uhr und stieß einen Schrei aus. "Na toll, ich hab wohl vergessen auf die Uhr zu schauen. Wir sollten uns wohl besser beeilen." Ich stand auf, leerte meine Tasse und machte mich auf den Weg in die Etage, wo die Versammlung stattfinden sollte.

Ich muss zugeben, dass ich Janie noch nie so aufgeregt und so professionell gesehen hatte. Ich schätze so arbeitete sie als Event-Planerin. Organisiert, präzise und kosteneffizient. Sie war in der Lage, eine Art von Magie in die Art und Weise zu legen, wie sie die Umgebung der Party beschrieb. Wenn es Hexen und Zauberer wirklich geben würde, hätte ich wahrscheinlich eine in ihr getroffen. Sie wäre vermutlich Professor Flitwicks beste Schülerin.

Ich schaute mich in dem überfüllten Raum um und sah, wie Mary Beth sich Notizen machte, während Janie ihre Pläne für die Party erläuterte. Ich versuchte mir einen Weg durch die Menge  zu ihr zu bahnen, stieß dabei gelegentlich mit jemanden zusammen und wäre beinahe gestolpert. Ich war schon fast bei ihr, als ich schließlich doch hinfiel.

Kräftige Hände zogen mich wieder hoch und ich fand mich gegen einen starken Körper gepresst wieder, dessen Wärme in mich eindrang und ein vertrautes Kribbeln auslöste. Ich riss meinen Kopf herum und entdeckte Zack, der mich in seinen Armen hielt. In seinen Augen spiegelte sich seine Neugier und seine Sorge war ebenfalls unübersehbar.

"Ähm, danke, dass du mich aufgefangen hast. Du kannst mich jetzt loslassen, ich muss mit Mary Beth etwas besprechen.", murmelte ich, unfähig ihm in die Augen zu sehen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, warum er mich so sehr beeinflusste. Selbst so von ihm gehalten zu werden, hatte genug Wirkung auf mich, um ein Verlangen in mir loszutreten, mich zurücklehnen und hier bei ihm bleiben zu wollen.

"Ich werde dich zu ihr bringen. Es wäre nicht gut, wenn du dir deinen Weg allein zu ihr durchkämpfst.", sagte er heiser und erinnerte mich an das erste Mal, als er mich aufgefangen hatte, als ich in meiner Wohnung fast gestolpert wäre. Mit seinen Armen, die mich führten, erreichte ich Mary Beth.

"Hi.", rief ich etwas atemlos.

Mary Beth erwiderte meinen Gruß und drehte sich um, um den Mann, der hinter mir stand mit demselben forschenden Blick zu betrachten, den sie immer bekam, wenn sie etwas Interessantes fand. "Aya wird für die Unterhaltung auf der Party sorgen.", sagte sie abgelenkt, den Blick immer noch auf dem Mann hinter mir gerichtet, den sie als einen ihrer Freunde bezeichnete.

"Was? Ich habe den Eindruck, dass das ein Projekt unserer Gang ist.", kommentierte ich.

"Natürlich ist es das." Endlich schenkte sie mi ihre volle Aufmerksamkeit. "Du wirst die Einladungen machen.", teilte sie mir sachlich mit.

"Huh? Wieso wusste ich das nicht?", fragte ich, geschockt über die Wendung der Ereignisse.

"Habe ich dir nichts davon erzählt?", fragte sie selbst ein wenig überrascht. Als ich mit dem Kopf schüttelte, fuhr sie fort: "Erinnerst du dich an die Einladungen, um die ich dich jedes Mal gebeten habe, wenn sich ein solcher Anlass anbahnte? Nun, das sind genau die Einladungen, die wir benutzt haben. Da du dich damit auskennst, ist es mir wohl entfallen, dich noch einmal danach zu fragen."

"Oh.", war alles, was ich dazu sagen konnte. Ihre Erklärung half mir zu verstehen, warum sie mich immer damit nervte, Einladungsmeisterwerke zu schaffen.

Die Versammlung wurde auf sieben Uhr Abends vertagt, und als die Leute begannen nach draußen zu gehen, holten Janie und Hannah uns ein. "Aya wartet unten auf uns. Lasst uns gemeinsam Abendessen und die Pläne durchgehen.", verkündete Janie mit einem deutlich aufgeregten Lächeln auf dem Gesicht.

Alle stimmten zu, aber was mich am meisten überraschte, war, dass Zack Ortega ebenfalls zustimmte. Er hatte sich keinen Zentimeter von unserer Gruppe entfernt, als die anderen Leuten begonnen hatte den Raum zu verlassen.

"Kann ich mir dein Auto leihen? Ich will mit euch in ein neues Restaurant gehen, dass ich gerade erst entdeckt habe.", plapperte Janie weiter, als wir uns in Richtung Ausgang bewegten. Mit einem Lächeln überreichte ich ihr meine Autoschlüssel. Wenn sie erst einmal losgelegt hatte,, konnte man vergessen auch nur ein Wort dazwischen zu bekommen.

Wir trafen uns mit Aya im Erdgeschoss. Sie trug ein Kostüm aus den achtzigern, was ihr viele neugierige Blicke der vorbeigehenden Leute einbrachte. "Wie ist das Treffen gelaufen, Leute?", fragte sie, nachdem wir sie alle mit einer Umarmung begrüßt hatten.

"Es lief großartig. Aber lasst uns erstmal los, ich bin am Verhungern." Mary Beth führte uns zu den Parkplätzen und informierte Aya darüber, was besprochen worden war.

Wir hielten neben meinem Auto an und Janie begann allen Anweisungen zu geben. Sie hatte oft damit gescherzt, dass sie, wenn sie nur wüsste wie es Funktierente, sie Regisseurin anstatt Event-Planerin geworden wäre. "Julia, du fährst mit Mr. Ortega mit."

"Was? Das ist mein Auto." Der Satz hatte meinen Mund verlassen, bevor ich ihn richtig verinnerlicht hatte.

Sie sahen mich alle mit einem amüsierten Lächeln an. "Also, ich habe eigentlich vor, heute Abend dein Auto zu kapern, weil ich noch ein paar Sachen für die Party aussuchen muss und Mary Beth hilft mir und übernachtete anschließend bei mir. Sie hat Mr. Ortega gebeten, dich nach Hause zu bringen und er hat zugestimmt. Also wurde beschlossen, dass du mit ihm zum Restaurant fährst und er dich dann nach Hause bringt.", erklärte Janie verschmitzt und ihre Augen funkelten vor unterdrückter Freude.

Seufzend sah ich zu ihm. Er schien das alles ziemlich gelassen zu sehen. Ich hätte mich mit Janie darüber gestritten, aber da ich weder unhöflich erscheinen, noch die Tatsache bestätigen wollte, dass ich ihm aus dem Weg ging, gab ich mich einfach geschlagen. "Okay, du hast gewonnen."

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