the butterfly that's actually a moth.
Hallo und Willkommen zurück!
Endlich gehen die Temperaturen runter und man kann wenigstens zuhause einen Pullover tragen. Der Herbst ist nah, aber das Ende der FF noch lange nicht <3
Und damit ein herzliches Dankeschön an alle, die sie immer noch lesen oder neu für sich entdeckt haben! Und natürlich ein fettes Danke an leila-ni und dreamcatcherLyn <3
Das folgende Kapitel ist wirklich purer Nervenkitzel, und deshalb halte ich euch nicht lange zurück!
Viel Spaß beim Lesen!
Sternige Grüße,
Sternendurst
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the butterfly that's actually a moth
Ich bin in einem Schwall aus Rauch und Aftershave wie das Aufwachen in einem überhitzten Raum. Mir ist heiß und mein Hals fühlt sich rau und gereizt an. Bestimmt habe ich zu viel von Bills Zigaretten eingeatmet. Wie damals.
Meine Hand hält krampfhaft mein Handy fest, aber das macht die Anrufe von Tom nicht besser. Es sind noch vielmehr dieser Nachrichten in meiner Mailbox. Auch von Natalie. Es ist nur, dass ich wie gefangen in diesem Schwall des Hotelzimmers bin und mich nicht rühren kann. Als stände ich noch unter Schock nach meinem erbärmlichen Zusammenbruch. Früher ist mir das auch öfters passiert, als das Verlangen noch stärker Einfluss auf mich besetzen hat. Etwas wie eine zweite Mauer legt sich um mein schnellschlagendes Herz und verhindert es, dass die vielen Gefühlen dahinter zu mir durchbrechen. Wie ein Damm vor wildem Gewässer.
„Ich würde sagen, dass da jemand ganz schön verzweifelt ist." Bill hat das Fenster geöffnet, um dort hinaus zu rauchen. Wie damals in seinem eigenem Zimmer. Und wie damals trägt er kein Shirt, nur seine enganliegende Hose, und sein mysteriöser See starrt mich aufmerksam an. Er sucht sie wieder, die Dunkelheit und ihr Monster, und ich weiß nicht, ob er es gefunden hat, aber er hört nicht auf mich anzusehen. Deswegen fokussiere ich sein offengelegtes Sixpack und frage mich, woher die vielen blauen Flecken kommen. Sie sind wie schwarze, breit flächige Male. „Training", sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen, „und ein bisschen Gewalt." Er streckt den Arm aus und lässt die Zigarette fallen, dann steht er auf. Er kommt direkt auf mich zu, und ich habe mich keinen Meter aus dem Bett bewegt, seitdem ich in diesem aufgewacht bin. Mich nur aufrechtgesetzt, und irgendwie oder irgendwer hat mein iPhone aufgeladen. Draußen ist es mittlerweile heller geworden, Morgendämmerung bricht an. Doch ich beobachte Bill und seine Bewegungen, die mich an einen schleichenden Fuchs erinnern.
Sein typisches Grinsen mit den fast schon diabolischen Zügen macht mich unruhig, das Flackern seines Sees ist wild und unerschöpflich, und plötzlich streicheln seine Finger über meine Wange. Sehr vorsichtig, als hätte er nicht die Nächte vergessen, die ich heulend in seinem Zimmer verbracht habe. Seine innige Berührung treibt Gänsehaut über meinen Körper und jagt elektrisch geladene Wellen durch meinen Geist, als wären seine Berührungen verboten. Seine Fingerkuppen fahren keusch meine Gesichtszüge entlang wie ein Gemälde, dass er eigentlich nicht anfassen darf, und unsere Blicke vertiefen sich, schlingen einander auf wie eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Endlosigkeit. Wie sein See. Mein Rücken spannt sich an, aber ich halte seinem eindringlichen Blick stand.
„Dein Kinn zittert, meine Süße." Sein Daumen wandert über mein Kinn, und ich bin wie gefesselt von der Vergangenheit und der glühenden Finsternis in seinem Blick. Ein gewisser Teil in mir hängt immer noch daran. An ihm und seine ungelösten Geheimnisse. Bill ist ein Mysterium, kein Wunder. Und ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Ich weiß nur eines: Bill empfindet dasselbe, als hätte es nie einen glatten Schnitt zwischen uns gegeben. Bloß eine Schramme. „Ist es wegen diesem Tom? Weil er dich an deinen Bruder verrät?"
„Es ist kein Verrat", erwidere ich leise, „er hat schon einmal mit meinem Bruder geredet, ohne es mir zu sagen."
„Und was hast du dabei gefühlt?" Er beugt sich zu meinem Gesicht heran, und sein See hält unsere ganze Vergangenheit in sich. Sein Atem ist warm und frisch, hier und dort nehme ich den Geruch von Tabak wahr. Seine Lippen sind so nah an meinen, dass ich die Luft anhalte und in die Ferne seines geheimnisvollen Sees falle.
Mitten in unsere Vergangenheit.
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Bill war damals ein paar Stufen über mir. Seine Eltern haben ihn dorthin geschickt, nachdem er immer wieder ein stark ausgeprägtes aggressives Verhalten gezeigt hat. Er hätte fast einen Mitschüler erwürgt. Wenn man auf dieses Internat kommt, dann weiß jeder deine Geschichte und der Grund deines Aufenthaltes. Es spricht sich einfach schnell herum, besonders wenn es Kinder wie ich und Bill gewesen sind. Kinder, die es schon durch ihre bösen Taten in die Zeitung geschafft haben. Bill hat sofort gewusst, wer ich bin, aber mich nicht angesprochen. Wir haben uns oft angesehen, doch ich habe damals nicht nach Freunde gesucht oder Gleichgesinnten. Ich wollte nur geheilt werden.
Als Sarah, das rothaarige Mädchen, das ihren eigenen Hund ertränkt hat, mich eines Nachmittags in der Aula angreifen wollte, einfach aus Lust heraus, stellte sich Bill vor mich. Er war schon 17, ich gerade mal neue 15. Ein lautes Staunen ging durch den Raum. Schon früher gehörte Bill zu den Schönlingen, auf die fast jeder Unterstufler stand. Niemand rechnete damit, dass er sich ausgerechnet für mich einsetzte. Ich war wie ein Magnetfeld unter den andern, nur anstelle davon dass ich sie anzog, machten alle einen großen Bogen um mich. Es klingt wie aus einer klischeehaften Netflix-Serie, aber Bill und mich verband etwas miteinander. Nur er wusste auch warum. Als er den anderen Mitschüler mit lauter und bedrohlicher Stimme mitteilte, dass sie sich von mir fernhalten sollten, begann schließlich die Zeit, in dem ich unsere Verbundenheit zu verstehen lernte.
Bill erzählte mir von einem Verlangen, das sich nicht von meinem unterschieden ließ. Ich war geschockt und glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben; doch nach einigen Tagen zusammen konnte er mich überzeugen. Ich habe es nämlich gesehen, das mörderische Verlangen in seinem See.
Einen Tag später, nachdem er mir sein erstes und einziges Geheimnis anvertraut hatte, machte eine tragische Nachricht die Runde.
Bills Mutter hat sich selbst erschossen. Warum und weshalb ist nie herausgefunden worden. Man hat sie nur in ihrem Haus aufgefunden, die Pistole in der Hand und ein fettes Loch im Kopf. Und jeder glaubte, es wäre eine Bestrafung, weil mich Bill in seinen Schutz gezogen hat. Er wollte jeden von ihnen umbringen, der es auch nur wagte, mir die Schuld zu zu weisen. Er wachte nachts auf und war bereit zu töten. Er verlor häufiger die Kontrolle, schlug wahllos auf andere ein und doch bestrafte ihn die Schule nicht, denn seine Familie gehörte zu den großen Sponsoren.
Und dann blieb da noch ich.
Ich war diejenige, die Bill von den Schülern wegzerrte und ihnen befahl, sich zu verpissen. Ich war diejenige, die sich durch die Gänge bis ins Bills Zimmer schlich, damit da jemand war, der ihn festhielt und daran hinderte Dummes zu tun. Ich war diejenige, um die er nachts seine Arme schlang und in deren Nacken er lautlos heulte. Irgendwann hörte er auf, und die restliche Zeit verbrachten wir damit, in unsere Augen zu sehen. Eines Abends küsste er mich. Ganz unerwartet, aber mit einer Sehnsucht und Anziehung, als hätte er es schon immer gewollt. Mein erster Kuss, und er konnte nicht knisternder und geheimnisvoller sein als die restlichen Küsse Bills.
Wir erschufen ein Vakuum aus unseren vereinten Lippen und düsteren Gedanken, das uns in sich aufsog, und ließen den anderen nicht los. Unsere Mitschüler verspotteten uns, warfen uns verächtliche Blicke hinterher, als wir mit verschnürten Händen durch die Gänge liefen und ihnen zeigten, dass wir zueinander gehörten. Wir kauften uns dieselbe Lederjacke, dieselbe silberne Kette mit dem Anhänger einer Schlange – sein Lieblingstier – und es ist wie die erste Liebe gewesen. Frisch, hoffnungsvoll, aufregend. Wir konnten kaum voneinander loslassen, als wären wir zwei Teile von einem Ganzen. Wir fühlten uns tiefinnig miteinander verbunden wie etwas, das einfach zusammengehört. Und das ist eindeutig das böse Verlangen in unserer Seele gewesen.
Aber da ist immer was gewesen, das uns ungleich gemacht hat. Bill akzeptierte das Verlangen und nahm an, es gehörte einfach zu ihm, doch ich sträubte mich stets weiterhin dagegen. Auch wenn er mir immer dazu riet, es nicht zu tun, weil es alles so viel einfacher wäre. Ich habe das Verlangen nicht zu mir werden lassen wollen. Bill ist die einzige Person, die der Überzeugung gewesen ist, dass dieses Verlangen zu mir gehört und dass dieses Verlangen ich bin. Er glaubte, ich wäre das Verlangen und würde mich gegen mich selbst hetzen. Wenn er mich küsste, seine Schwärze sich mit meiner vermischte, dann gab es diese Pause dazwischen, wo er zu mir sagte, ich solle mich davon treiben lassen. Von ihm und dem Verlangen.
Ich habe das kein einziges Mal in unserem Vakuum getan. Vielleicht mal versucht, aber dann habe ich an meine Familie gedacht. An meinen geliebten Bruder und wie er mich gesehen hat. So voller grenzenloser Liebe und guten Gedanken. Und ich wollte seine guten Gedanken zur Realität machen. Also unterdrückte ich das Verlangen, während Bill sich immer mehr davon verschlingen ließ. Er fing an zu rauchen, aber nicht, weil er cool sein wollte oder es ihn beruhigte. Er war das Rauchen. Der Qualm, den er von sich stieß, und das Gift, das er einzog, nahm immer mehr von ihm ein. Es vernichtete förmlich den Glanz in seinem See. Er wurde dunkel und mit jeden weiteren Tag kamen mehr Geheimnisse dazu, die tief unter Gewässer verborgen worden.
Bill hatte fast jeden Tag heftige Auseinandersetzungen mit anderen Schülern – und eines Nachmittags hatte er beinahe Simon getötet. Ein ehemaliger bester Freund von ihm. Er beschuldigte mich für seine Veränderung, dass ich ihn beeinflusst habe so zu werden, aber er wusste nicht, dass es Bills alleinige Entscheidung gewesen ist, sich dem Verlangen hinzugeben. Er ging mit einem Messer auf ihn los – aber es waren wie immer meine Hände und verzweifelten Worte, die ihn aufhielten, Simon den letzten, tödlichen Stoß zu verpassen. Er wurde suspendiert. Erst 3 Tage, dann für eine Woche, und irgendwann beschloss das Internat, ihn ganz hinauszuschmissen. Er wäre eine Gefahr für alle, ist ihre Begründung gewesen, und das habe ich verstanden. Tatsächlich. Aber es tat trotzdem unheimlich weh, ihn gehenlassen zu müssen. Schließlich ist er der einzige gewesen, den ich in diesem Internet kannte und der mich auch ohne Worte verstand.
Und irgendwie liebte er mich auf eine Art und Weise, die ich bis heute noch nicht genau bedacht habe. Aber ich wusste nicht, ob es Liebe ist. Oder nur die Vereinigung des Bösen.
Sowie Bill eben ist, hat er natürlich versucht, da zu bleiben. Allerdings hat auch sein Vater und ihr vieles Geld ihm nicht dabei helfen können. Er hat gehen müssen, ob er es wollte oder nicht. Nicht nur seine letzte Nacht im Internat, auch unsere letzte, verbrachten wir zusammen. Er schwor dem Internat Rache, und ich nahm nur an, er wäre ein kleines und alberndes Kind, während ich in seinen Armen lag. Ich wollte nur die letzten Minuten der uns gegebenen Zweisamkeit genießen, bevor sie für eine unbestimmte Zeit unerreichbar wäre.
Er sagte zu mir: „Emilia, wenn ich gehe, dann bist du ungeschützt. Niemand wird dich mehr beschützen können – außer du gibst dem Verlangen die Macht, die es will. Es ist nicht schlimm. Es tut nicht weh. Es ist wie die Liebe. Es wird nur wehtun, wenn du ihm auch wehtun möchtest. Aber du lässt es zu, dass es dir wehtut, ohne zurückzuschlagen."
Ich habe mich aufgerichtet, ihn angestarrt, und sein See ist fremd und finster gewesen. Als würde ich in die Augen des Verlangen blicken, nicht in die eines Jungen, dessen Mutter Selbstmord begangen hat. Als würde sein Verlangen versuchen, mich zu überreden. „Aber ich bin nicht sowie du, Bill", habe ich gesagt, „du kannst dich damit anfreunden, doch ich... Ich will es nicht als Freund."
Daraufhin hat er mir seine Hand hingehalten, und ich habe sie genommen, weil ein bestimmter Teil meines Inneren von ihm ständig angezogen worden ist. Er vergrub seine Hand in meinem Hinterkopf, drückte mich gegen seine nackte Brust, und presste mir einen langen Kuss auf den Haarscheitel. „Meine kleine Emilia, eines Tages wirst du es sehen. Dieses Verlangen gehört zu dir. Es hat einen Grund, warum du zu seinem Schneckenhaus geworden bist."
„Welchen Grund?", habe ich gespannt gefragt.
Er schob mich etwas von sich, nur um mit seinem Finger unter mein Kinn zuführen und es leicht anzuheben, während sich seine Lippen langsam meinen näherten. Sein mysteriöser See flackerte wahnsinnig, und ich konnte nicht sagen, ob mich dieser Wahnsinn anzog, oder ob es die Finsternis dahinter gewesen ist. Aber ich ließ mich davon anlocken und einnehmen wie eine Raupe, die sich verpuppte.
„Weil es uns miteinander verbindet." Und er küsste mich. Und wir küssten uns so lange, bis der Tag anbrach und der schwere Abschied kam.
Ich war wirklich schutzlos geworden. Es war, als würde sich mein Leben vor der Verbundenheit mit Bill wiederholen. Schüler wagten es, mich wieder zu hänseln, weil es keinen Bill mehr gab, der sie durch einen harten Fausthieb zum Schweigen brachten. Es wurde mit jeden Tag schlimmer. Ihre Stimmen verfolgten mich bis in meine Träume, und irgendwann wollte ich nicht mehr schlafen. Ich wurde müder. Und müder. Und etwas staute sich in mir an wie ein Gewitter am Horizont. Und ich wurde wütend. Auf alle. Die Lehrer, die mich darauf hinwiesen, nicht einzuschlafen, und die Schüler, die mich als Mörderin bezeichneten. Von Bill hörte ich nichts mehr, als hätte ich ihn mir nur eingebildet wie ein Kindheitsfreund, der irgendwann verschwindet, wenn man erwachsen wird und die harte Realität ertragen muss.
Und dann passierte es eines Nachmittags.
Simon und Sarah verprügelten mich. Skrupellos. Vor alle anderen. Ich schrie unter ihren harten Einschlägen, spürte, wie Haut durchbrochen wurde und die Wärme meiner Lebensflüssigkeit. Sie riefen mir zu: „Wie fühlt es sich an, so behandelt zu werden? Wie fühlt es sich an, wenn man als Mörderin das bekommt, was man sich bei anderen vorstellt?", und sie machten weiter. Bis ein Lehrer kam und das Chaos unterbrach. Ich kam mit schweren Prellungen, zwei dicken Veilchen und einer blutenden Nase davon, aber das waren nur Äußerlichkeiten. In meinem Inneren brach etwas auf. Und aus dem eigentlichen Kokon einer Raupe schlüpfte eine Motte. Ich wollte mich rächen.
Und ich sollte auch meine Rache bekommen.
Wenige Wochen später nach dem Vorfall tauchte Bill plötzlich im Internat wieder auf. Als wären wir wirklich miteinander verbunden, wusste er bereits, was geschehen war. Er nahm mich in den Arm und flüsterte: „Jetzt ist es Zeit, meine kleine Emilia. Das Verlangen wird dein neuer Verbündeter sein – mit mir."
Ich gab nach.
Bill zerschnitt Sarahs rote Haare, eine lange und tiefe Wunde durchzog ihr ganzes Gesicht, kaum ein paar Minuten alt, und Simon schrie unter mir vor Schmerzen auf. Blutende Buchstaben ergaben ein einzelnes Wort auf seinem Arm. So tief wie der eigene Pein.
„Seelenschießer."
Es war nachts. Nur ihr Geschrei jagte durch die leeren Gänge des Internats. Jeder der Bewohner schien zu glauben, er wäre in einem Albtraum, und traute sich nicht aus ihrem Zimmer heraus. Ausgenommen von einem Lehrer. Er erwischte uns – aber er hatte uns nicht aufhalten können. Wir flüchteten aus dem Internat, die blutverschmierten Hände verschränkt, und ich war außer Kontrolle, gefangen in der Dunkelheit in mir. Sie drückte mich zurück und alles war dunkel. Mein Kopf pochte, ein schmerzhaftes Ziehen breitete sich aus, und Bill zog mich weiter unter dem klaren Vollmondschein. Wir hörten laute Sirenen, blaues Licht flackerte am Horizont auf. Die Polizei. Sie suchten bereits nach uns.
Aber wir rannten weiter.
„Emilia!" Als ich meinen Bruder meinen Namen rufen hörte, warf ich einen Blick nach hinten. Ich konnte nur nichts sehen, als hätte die Finsternis in meinem Inneren ihren Weg nach außen gefunden. Ich stolperte, doch Bill fing mich auf und zog mich in den Wald. „Emilia, bleib bitte bestehen!"
Bill schien zu wissen, wohin wir müssen, also folgte ich ihm. Getrieben von den Peitschenhieben meiner Angst im Nacken. Was werden sie mit uns machen, wenn sie uns bekommen? Werden sie uns erschießen? Werden wir ins Gefängnis kommen? Wir haben zwar niemand umgebracht, allerdings Grausamkeiten ausgeübt, die genügend wären, um uns hinter Gitter zu bringen. Ich wollte nicht ins Gefängnis. Nicht wegen dem Verlangen. Plötzlich blieb ich stehen, realisierend, was für einen Unsinn wir trieben. Wir waren keine Verbrecher, wir waren nur krank und mussten unbedingt geheilt werden.
„Emilia?" Bill drehte sich irritiert zu mir herum. Sein See flackerte wild vor Aufregung und einzelne Blutsprenkel klebten in seinem markanten Gesicht. „Was ist los?", fragte er mich.
„Warum laufen wir weg?", stellte ich ihm eine Gegenfrage.
„Weil sie uns nicht kriegen dürfen, Süße."
Ich ließ seine Hand los. „Warum nicht? Wir hatten einen Rückschlag. Das Verlangen hat uns überwältigt. Wir können nichts dafür, was passiert ist."
Er seufzte und kam auf mich zu. Ein schwaches Lächeln umspielte seine vollen Lippen, als er mein Gesicht in seine Hände nahm und mit seinen roten Daumen über meine hitzigen Wangen strich.
„Du hast es immer noch nicht verstanden, oder?" Ich spürte, wie das Blut in meinem Gesicht klebte, wie der metallische Geruch meinen Magen zum Stülpen brachte. „Du bist das Verlangen, Emilia. Wir sind das Verlangen. Wir haben das getan, weil wir es so wollten. Es ist unser Wille gewesen. Wir..." Ein wahnsinniges und finsteres Grinsen legte sich über sein Lächeln, das mich erschaudern ließ. Es war vollkommene Finsternis. „Wir sind geboren worden, um zu morden. Gemeinsam. Das ist unsere Bestimmung."
Ich weitete die Augen und entriss mich seinem Griff. In diesem Augenblick erblickte ich das Licht in meiner Dunkelheit und streckte entschlossen meinen Arm danach aus. Mein Herz raste und das Ziehen wurde heftiger wie das donnernde Grollen des Verlangens. „Nein", sagte ich heiser und wich einen Schritt zurück, „wir sind krank, Bill. Wir brauchen Hilfe. Dringend. Wir können unser eigenes Leben nicht so ruinieren."
Seine Mimik wurde kalt, undurchdringlich, und seine Augen wirkten so schwarz wie die Dunkelheit in seinem Herzen. „Dann verleugnest du deine wahre Natur, Emilia." Er wandte sich um und sein Rücken war gespannt. Seine Schultern bebten und die Sehnen an seinem Hals pochten deutlich. „Du wirst niemals geheilt werden können, Emilia, denn du bist das Verlangen und wird es immer bleiben. Und sobald du dies realisierst und unsere Bestimmung realisiert, werde ich zu dir zurückkommen. Dann können wir gemeinsam das tun, wozu wir auserwählt worden sind." Dann rannte er, in dieselbe Finsternis, die auch seine Seele belegte.
Ich wurde vom Internat geschmissen und die letzten Schuljahre privat unterrichtet, bis ich durch eine Schulfremdenprüfung meinen Abschluss bestanden hatte. Von dem einem Abend an wusste jeder, wozu ich fähig war, und keiner nannte es einen Ausrutscher. Sie glaubten alle, dass ich das gewesen bin und es schon lange mit Bill geplant hatte. Doch Bill hatte ich seitdem nie wiedergesehen, und Dr. Habicht half mir dabei, ihn zu vergessen, weil er dasselbe gewusst hatte wie ich.
Bill ist die rechte Hand des Verlangens.
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Auf einmal bewege ich mich, stehe hastig vom Bett auf und schnappe mir meinen Koffer an der Bettkante. Bill blickt mir nach, seine Augen eines geheimnisvollen Sees verfolgen mich wachsam wie die Beute eine Spinne in ihrem Netz.
„Ich muss gehen", sage ich mit einem Stechen in der Schläfe und schlüpfe in meine Vans, „es gibt da noch etwas, das ich zu erledigen habe." Ich sehe ihn nicht an, will nicht wissen, was durch seine wahnsinnigen Kopf kreist, während er dabei zu sieht, wie ich flüchte. Dieses Mal ist es wirklich eine Flucht.
„Und dabei kann ich dir zufälligerweise nicht helfen?" Seine Stimme hat diesen schwankenden Ton. Er schwenkt zwischen Verrücktheit und Wut, kurz davor, in eine Richtung einzuschlagen. Wie ein Albtraum, der sich langsam in die schlafende Traumwelt schleicht.
„Nein", antworte ich knapp und ziehe schnell den Koffer mit mir zur Zimmertür. Meine Hände sind feucht, mein Herz hämmert mir bis in den Verstand hoch. Das Ziehen in meinem Kopf wird schlimmer, dehnender. Es ist, als würde seine Anwesenheit förmlich dieses Ziehen heraufbeschwören. Das ist eine Warnung. Ich muss auf der Stelle eine sichere Distanz zwischen mir und ihm erschaffen, und am besten ist es, wenn er gar nicht mehr in meiner Nähe ist. „Es war echt nett, dich wiederzusehen. Ich bin froh, dass du das..."
Plötzlich steht er vor mir, sein Hand liegt fest um mein Handgelenk und hindert mich daran, den Koffer zu bewegen. „Möchtest du nicht an dem heutigen Protest teilnehmen?", fragt er mich und beißt sich in die Wange, als ich ihn mit großen Augen vor Schock anschaue. Mein Puls ist hoch. So hoch, dass ich eigentlich nicht derartig ruhig sein sollte.
Ich lockere tatsächlich meinen Griff, den Blick gefangen zwischen Geheimnissen und flackerndem Licht auf der Seeoberfläche. Ich denke darüber nach, welche wertvollen Gegenstände sich in meinem Koffer befinden, wo der Protest genau stattfinden wird und wie viele daran teilnehmen werden. Wenn es genügend sind, wird es Bill nicht sofort auffallen, wenn ich in der Menge verschwinde. Er wird mich nicht gleich aufhalten können, und vielleicht schaffe ich es auch zu den Hollands, ohne dass er mich verfolgen wird. Der Protest scheint die einzige Lösung zu sein, um mich aus den Fängen Bills zu befreien. Und wenn ich erst wieder bei Tom bin, dann wird mir nichts passieren können.
Also lasse ich den Koffer los und nicke zustimmend. „Gut, dann gehe ich mit dir zu diesem Protest." Schließlich betrifft er auch mich. Ich bin nämlich E.H. Soulshot und dazu angeklagt, mit dem Totenschreiber in Kontakt zu stehen. Und mich verlässt nicht das beschleichende Gefühl, dass ich ihm unheimliche nahe bin, als würde er sich unter dem Bett des Hotelzimmers verbergen wie es gewöhnlich für Monster ist.
„Super", grinst Bill zufrieden, aber lässt meine Hand nicht los, „dann gehen wir uns jetzt stärken."
~*~
Der Protest geht durch die ganze Innenstadt Londons. Die Straßen sind bereits gesperrt worden. Überall stehen Polizisten, bereit bei einem widergesetzlichen Vandalismus einzusteigen und alles zu beenden. Ich ziehe die Kapuze meines schwarzen Sweatcardigans tiefer, weil der ein oder andere mich bestimmt als Hiddleston wiedererkennen wird, und ich habe es satt, von ihnen wie eine Verbrecherin angestarrt zu werden. Das bin ich nicht. Bill hat seinen Arm um meine Schulter gelegt, ebenfalls ganz in schwarz mit einer Bikerjeans gekleidet, und bleibt dicht bei mir, als sich immer mehr Menschen versammeln. Er hat eine Art Netz um mich gesponnen, dass mich an ihn festhält und daran einfach abzuhauen, und ich kann nicht genau sagen, wann er das getan hat, aber ich spüre es in jeden Winkel meines Körpers. Ein Netz, das mich an ihn fesselt. Es ist dicht und leicht, aber auch erdrückend. Ich habe die schlimme Befürchtung, dass er genau weiß, warum ich mitgegangen bin. Ich rede nicht viel, wenn überhaupt. Wir haben uns die letzte Stunden meistens angeschwiegen, ich mit einer Hand gegen meinen pochenden Kopf, und er mit lauernden Seeaugen auf mir, als wartet er nur darauf, dass ich wieder aus seinem Netz abhauen will.
Meine Flucht wird schwerer als ich es mir gedacht habe. Aber ich hoffe einfach, dass sich noch mehr Protestanten anschließen werden und dass es irgendwann außer Kontrolle geraten wird, sodass Bill unaufmerksam wird. Erst, wenn seine ganze Aufmerksamkeit von mir geglitten ist, kann ich flüchten. Ich kann nicht das Risiko eingehen, dass er mich sehen wird, weil so wird er mir garantiert zu den Hollands folgen, und ich habe das starke Bedürfnis, Tom und seine Familie beschützen zu müssen. Vor Bill. Er darf nicht dem Jungen nahekommen, den ich liebe, weil ich will nicht herausfinden, was er tun wird, sobald er bemerken wird, dass seine Fantasie nur Einbildung ist. Dass es keine Bestimmung für uns beide gibt und dass ich jemand liebe, der nicht er ist. Schon damals auf dem Internat ist Bill ausgeflippt, sobald mich ein anderer angestarrt oder angefasst hat, und wenn er mich und Tom sieht... Ich will es mir lieber nicht vorstellen.
„Ist das nicht großartig?" Bill grinst über das ganze Gesicht und das irre Flackern seines Sees glüht auf. „Sie alle gehen auf die Straße, um der Regierung zu zeigen, dass jeder das Recht hat, zu entscheiden, ob er sich zeigt oder nicht. Anonymität sollte respektiert werden – auch bei E.H. Soulshot. Nicht wahr?"
Ich nicke einfach und sehe zu den Plakaten, die von einigen Protestanten in die Höhe gehalten werden. Auf einigen steht: „E.H. Soulshot wird benutzt. Gibt dem Täter nicht das, was er will!", auf anderen steht wiederum: „Recht auf Anonymität." Oder auch: „Wer glaubt, dass geschriebene Wörter die Wahrheit sagen? Statt andere zu beschuldigen, sollte der richtige gefasst werden! Die Straßen Londons müssen wieder sicherwerden!", „Ein weiteres, unschuldiges Gesicht hilft uns nicht dabei, den Täter zu finden! Die Medien nutzen den Täter aus, um ihre eigene Ziele zu erreichen! Sie wollen E.H. Soulshots Gesicht und kein anderer! Wir wollen nur ihre Bücher!" und es gibt tatsächlich welche, die mir Mut zu sprechen. „E.H. Soulshot ist eine Künstlerin. Ihre Werke sind Kunst. Und der Totenschreiber benutzt ihre Werke, um sich ins Reine zu waschen!", „Wir kennen und lieben E.H. Soulshot! Nimmt ihr nicht das einzige, was sie so besonders macht!", und: „Lasst die Medien nicht das Futter bekommen, was sie so unbedingt wollen! Die Jagd auf E.H. Soulshots muss enden! Jeder hat das Recht auf ein geschütztes Leben!"
Es fasziniert mich zu sehen, wie viele Menschen wirklich hinter mir stehen, ohne mich zu kennen. Sie kennen nur meine Bücher und mein Pseudonym, aber nicht meine Geschichte Sie nehmen aber an, als wäre das, was sie über mich gelesen haben, ausreichend genug, um mich zu kennen. Um mich als unschuldig zu bekennen. Und ich fange an, ihren geschriebenen Wörter auf den Schildern zu glauben. Sie alle sind gekommen, weil sie wie ich den Totenschreiber durchschaut haben. Er benutzt mich. Ich bin sein Weg in die Freiheilt, weil solange sich die Polizei mit meiner Identität beschäftigen wird, solange werden sie nicht nach dem Totenschreiber suchen. Und er kann in aller Ruhe neue Opfer finden. Was ist, wenn er nicht sogar unter den anwesenden Protestanten ist und schon eine Auswahl trifft?
Ich sehe zu Bill und sein verstohlenes Grinsen ist ehrlich und voller Begeisterung. Sein mysteriöse See leuchtet heller, ein Funken sprüht auf, und es ist kein Wahnsinn. Es ist Stärke und Faszination. Ob er auch ein Fan von E.H. Soulshot ist? Oder geht es ihm alleinig darum, gegen die Medien und ihre Macht zu protestieren?
„Warum machst du hiermit?", frage ich ihn angespannt und das Ziehen kriecht in meine Schläfe. Die Menge zieht an uns weiter, als wir stehenblieben. Sie fangen an, die Fäuste in die Luft zu heben und brüllen zornige Sätze in die Höhe: „E.H. Soulshot ist unschuldig! Fuck the media!" Ihre Worte sind laut und schallend. Der Schmerz wird schlimmer in meinem Kopf, und ich verziehe schmerzvoll das Gesicht, um dagegen anzukämpfen.
Bill schielt zu mir, während er mich an sich zieht und seine Lippen legen sich an mein Ohr. Sein warmer Atem stichelt mich, hetzt mein Herz in ein höheres, abnormales Tempo. „Weil ich die Wahrheit kenne", antwortet er mir schelmisch, „und weil ich wusste, dass du hier sein wirst."
Ich reiße die Augen auf und starre ihn mit angehaltenem Atem an. „W-wie?"
„Du brauchst mich nicht anzulügen", sagt er und das Schwanken seiner Stimme findet seinen Weg. Es ist der Zorn, aber es ist nicht derselbe wie von den Protestanten. Er ist anders, weil er keine Gerechtigkeit verlangt. Er möchte etwas anderes. Etwas Düsteres und Böses wie er selbst. „Du bist der Totenschreiber, Emilia. Ich weiß das. Die Worte auf Simons Haut sind mit derselben Handschrift geschrieben worden wie die, von den neuen Opfern des Totenschreibers. Mich brauchst du dies bezüglich echt nicht anzulügen. Ich werde dir dabei helfen, mehr zu töten." Er schiebt mich wieder vorwärts, zündet sich dabei eine Zigarette an, nimmt einen kräftigen Zug und bläst mit einem glücklichen Grinsen den Qualm in die Höhe. „Endlich hast du eingesehen, dass du das Verlangen bist. Willkommen in der echten Welt, meine kleine Emilia."
Ich fasse mir an den Kopf, direkt gegen das kräftige Ziehen, und eine Dunkelheit breitet sich darin aus, die mächtiger ist als ich sie in Erinnerung behalten habe. Viel mächtiger, als hätte sie sich von dieser Finsternis aufgetankt, in die ich sie gesteckt habe. Ich blicke verloren zu Bill hoch, mein Hals ist leer und stickig, und ich sehe viele, schwarze Pünktchen vor den Augen. Die Protestanten werden lauter, zorniger, und irgendwo zerspringt Glas und fällt klirrend zu Boden. Als wäre es mein schützendes Schild, das dort gerade zerfällt. Jemand brüllt auf, und dann erklingen die Polizeisirenen. Rauch steigt in den Horizont, die Menschenmenge wirkt aufgewühlt und ihre Schritte beschleunigen sich.
„Rauchbomben!", schreit jemand und ein verräterisches Zischen geht durch die Menge. Mehrere Knalle folgen, eine gewaltige Welle von Rauch und Flüssigkeit schlägt auf mich ein, und es piepst schrecklich in meinen Ohren. „Schnell! Wir müssen verschwinden!", höre ich einen anderen in Watte gehüllt brüllen, und ich stürze mich zu Boden, die Hände schützend um den Kopf gehalten. Etwas oder jemand löst sich von mir, und das Ziehen ist weniger. Nur meine Augen brennen. Ich schnappe nach Luft und huste sofort, weil das ein einziger großer Fehler gewesen ist. Es ist kein einziger Sauerstoff im Rauch aufzufinden. Er verschlimmert lediglich das Atmen. Ich sehe nichts, aber beschließe mich am Boden entlang zu tasten. Das Piepsen übertönt alles. Nur ganz schwach höre ich andere schreien und irgendwer ruft nach mir, doch ich antworte nicht.
Kurz halte ich inne, als mir etwas in die Hand sticht. Es ist eine breite und spitze Glasscheibe. Aber ich lasse sie nicht lange drin, ziehe sie heraus und unterdrücke ein Aufkeuchen vor Schmerz. Ich will nicht, dass mich Bill hört. Er darf nicht wissen, wo ich bin. Er ist verrücktgeworden. Verrückter als er schon gewesen ist. Wenn er mich für den Totenschreiber hält und sich mir anschließen will, dann hat ihn das Verlangen nicht verlassen. Er ist selbst zum Verlangen geworden, und es will mich. Es verlangt nach einem zweiten Menschen, der sich seinem mörderischen Verlangen hingibt. Aber ich werde das nicht sein. Ich weiß, wer ich bin, und das ist nicht der Verbündete meines Verlangens oder des Totenschreibers.
Ich bin Toms Zuhause.
Meine Hände stoßen gegen etwas Hartes. Ich taste es genaustens ab, fühle das harte Gummi eines Autoreifens, und hieve mich mit zittrigen Beinen darauf. Mein ganzer Körper zittert, meine Augen brennen, als hätte man sie verätzt, und meine Brust tut weh, aber das Ziehen ist weg. Und deshalb komme ich mit all den anderen Problematiken klar. Ich ziehe mich weiter auf das Auto, bis ich auf dem Dach bin und der Rauch dort oben weniger ist. Nur reicht es nicht aus, um freien Sauerstoff einatmen zu können. Ich richte mich auf als wäre es ein Überlebensinstinkt, der mich gepackt hat, auch wenn es nicht leicht ist, weil meine Beine ständig einknicken.
Doch ich stehe bald, wische mir über das Gesicht und erschrecke, als ich eine warme, mir bekannte Flüssigkeit wahrnehme. Meine Hand blutet. Immer noch. Sie tropft von meinem Gesicht hinab, entlang an meinem Kinn und meinen Hals. Ich höre Bills düstere Stimme in meinem Kopf flüstern. „Wir sind geboren worden, um zu morden. Gemeinsam. Das ist unsere Bestimmung." Nein, Bill. Du hast dich der Dunkelheit in dir angeschlossen, aber ich...
Ich spüre meine Hand nicht richtig, als hätte der Schmerz sie schon betäubt, und blicke auf das Chaos um mich herum. Alles liegt in einem dichten Nebel verborgen. Hier und dort huschen die Protestanten herum, ihre Schilder ragen als einziges aus dem Nebelmeer wie die Flossen von Haie, und dann macht mein Herz einen Aussetzer. Mein Blick streift direkt Bills seinen. Er steht einige Meter vor dem Auto entfernt. Er ist wirklich groß. Seine Augen flackern schwarz und verrückt, einzelne Bluttropfen kleben in seinem Gesicht, und mein Magen wird mulmig bei der Frage, woher diese kommen. Ich blinzle mehrmals, das Herz angehalten, und ich kann spüren, wie mich wieder sein Netz anlockt, als hätte er einen Weg gefunden, bis durch das Verlangen sehen zu können. Aber ich halte es zurück, ein neuer Herzschlag überwältigt seine Macht, und es ist die Sehnsucht nach Tom, die alles einnimmt. Die Wände meines Zuhauses bauen sich stöhnend in mir auf. Viel zu lange haben sie am Boden gelegen, und jetzt ziehe ich sie hoch. Immer höher und höher, während ich sehen kann, wie vereinzele Sonnenstrahlen sich durch meine Finsternis kämpfen. Mir wird warm. Auf eine schöne Art. Und es riecht nicht nach Rauch und Benzin, sondern nach frischer Morgenluft und Sonnenlicht. Nach Tom.
Nach meinen geliebten wunderbewirkenden Sonnenjunge.
Ich habe mein Licht gefunden.
Dann stürzen wir beide los, als hätte uns derselbe Blitz getroffen.
Ich rutsche eilig vom Auto herunter, zurück in den Rauch. Er löst sich allmählich auf, steigt wie eine Zeppelin in den Himmel empor. Aber ich muss mich beeilen und aus Bills Sichtfeld verschwinden, bevor der Rauch voll ganz verschwunden ist. Er wird mich sonst schnell ausfindigmachen können. Meine verletzte Hand halte ich gegen mich gedrückt, quetsche mich durch die Menschenmenge, die nur durch verschwommene Umrisse zu erkennen ist. Sie brüllen wieder los.
„Nichts wird uns aufhalten können!", rufen sie wütend, „wir werden hier stehen und marschieren, bis uns der Totenschreiber alle umbringen wird! Wir wandern für E.H. Soulshot! Soll er uns holen, wenn er sie will!"
Ich ziehe geschockt die Luft ein und huste trocken. Sie wissen gar nicht, wen sie da tatsächlich bedrohen. Der Totenschreiber ist nicht einfach ein Serienmörder, der x-beliebige Menschen umbringt. Er glaubt, ein Künstler zu sein. Er möchte Ruhm und Ruf – wie ein Prominenter. Und jeder Mensch ist ein Kunstwerk seiner Selbst. Nur seine letzte Fälle lassen ihn aus der Reihe tanzen. Er ist auf der Suche – und zwar nach mir. Das muss er nicht sagen, seine geschriebene Worten lassen es mich bereits wissen. Erst die Zitate aus meinen Büchern, jetzt die albernden Worte, dass er dazu von mir beauftragt wurde. Es steht eines fest: Der Totenschreiber ist besessen von mir. Und ich bin in Gefahr.
Meine Schritten werden schneller und die Protestanten interessieren sich nicht für mich. Sie sind in ihrer Aufgabe drin, erfüllt davon, für das Richtige zu kämpfen. Ich will sie auch nicht aufhalten, weiche ihren Schildern und Fahnen aus und laufe einfach geradeaus. Irgendwann muss die Menge ein Ende haben. Ein Ende, wo ich wieder richtig atmen und hören kann. Erleichterung bricht über mein aufgeregtes Herz ein, als sich die mir vertraute Umrisse vom Big Ben erblicken lassen. Ich bin nicht mehr weit davon entfernt in Sicherheit zu sein. Ich lege nochmal an Tempo zu und überlege mir zugleich, wohin ich eigentlich will. In meine Wohnung – zu weit weg. Zu den Hollands – schwer zu sagen, wie ich mit den Öffentlichen dorthin kann. Ich müsste ein Taxi nehmen, um zu meinen gewünschten Ziele zu kommen.
Ich drehe mich nicht um. Zu groß ist die Angst, dass Bill gar nicht weit von mir weg ist. Lieber schaue ich nach vorne und habe das beruhigende Gefühl, mich immer mehr von ihm zu entfernen. Auf einmal breche ich durch das letzte Stück Rauch, direkt in die farbenhafte Stadt Londons, und eile zur nächsten Stelle, an dem sich die schwarzen Cabs versammeln. Passanten beobachten mit Neugierde und flüchtigem Entsetzen die Protestanten, wie trotz Rauchbomben ihren Weg gehen und kümmern sich nicht um mich. Die lauten Rufe der Menschenmenge schallt hinter mir, aber das Piepsen in meinem Ohr ist nicht weg. Ich kann nur besser atmen und nehme kräftige und keuchende Atemzüge, bis ich die Tür eines Cabs öffne. Ich nenne dem Fahrer sofort die Adresse, denn es bleibt keine Zeit für Formalitäten. Als ich es nämlich endlich wage, zurück zu blicken, sehe ich die große Gestalt von Bill und wie er direkt auf mein Taxi zu rennt.
„Fahren Sie bitte los!", sage ich panisch, aber ich kann nicht aufhören zu Bill zu starren. Er kommt näher. Nur noch wenige Schritte. Mein Herzschlag überschlägt sich fast, dass ich noch glaube, es wäre gleich genauso aus der Puste wie ich. „Bitte!" Ich zucke und Bill steht direkt an der Autotür. Unsere Blicke treffen sich. Schweiß und Blut vermischt sich auf seiner Stirn, und ich kann nichts von dem Jungen in seinem mysteriösen See erkennen, dessen Mutter Selbstmord begangen hat. Er ist ein anderer. Ein junger Mann, der gewillt dazu ist, zu morden. Er streckt seine Hand aus, die Klinge macht das vertraute Geräusch des Öffnens – und der Fahrer fährt los.
„Ganz schön verrückt, was da in der Stadt vor sich geht", meint der Fahrer, doch ich und Bill sehen uns immer noch an. Ich schlucke leer, fühle es, wie mein Herz sich zurückzieht und wie mein Puls sinkt, aber Bill wirkt nicht enttäuscht oder wütend. Er grinst mich an, und es ist ein wahnsinniges Grinsen, als wüsste er, dass wir uns bald wiedersehen werden. Und dass ich ihm dann nicht nochmal so leicht entkommen werde. Dann ist er weg und die protestierende Menge verschlingt ihn langsam wie es damals die Dunkelheit getan hat.
„Oh Gott." Ich lasse mein Gesicht in meine Hände fallen und ignoriere krampfhaft den Schmerz in meiner verletzten Hand. Obwohl ich es geschafft habe, fühle ich mich nicht besser. Ich fühle mich sogar schlimmer, weil endlich alles, dass das Adrenalin ferngehalten hat, auf mich einstürzt. Ich lasse mich tiefer in das edle und sauberer Polster versinken, atme zur Beruhigung tief ein und aus, damit der ansteigende Heulkrampf in mir verliert und wieder geht. Es ist keine Zeit dafür, um zu weinen. Die Tränen werden nicht bessermachen, was sich mir heute offenbart hat. Sie werden es nicht ändern können, dass Bill wieder zurückgekehrt ist und annimmt, ich wäre der Totenschreiber. Er hat sogar in Erinnerung behalten, was ich damals in Simons Arm geritzt habe. Sowie die Züge der Schrift. Aber ich kann mich nicht daran erinnern. Es ist so, als hätte ich diesen Teil meiner Erinnerung verdrängt und es geschafft, zu löschen. Doch habe ich wirklich dieselbe Handschrift wie der Totenschreiber? Bill hat es so gesagt.
„Haben Sie einen Stift?", frage ich den Taxifahrer und blicke auf.
Er nickt und reicht mir einen silbernen Kugelschreiber. „Natürlich, Madame."
Ich nehme ihm dankend ab und setze die Spitze des Stiftes an meine Haut. Sie ist kalt, aber das hat etwas von Entspannung und meine Muskel werden lockerer. Die ersten Worte lassen sich nicht so leicht schreiben, da ich noch nie mit einer blutigen und glitschigen Hand geschrieben habe. Öfters rutscht der Stift zurück oder fast ganz weg, doch ich halte ihn wie mein letztes Rettungsseil auf stürmischer See fest und schreibe. Und schreibe.
Ich schreibe, als wäre es das einzige, das ich noch kann. Das einzige, das mich hält und zu mir gehört. Das Schreiben zweifelt nicht an meiner Unschuld. Das Schreiben hält mich nicht für den Totenschreiber. Das Schreiben kennt all meine Geheimnisse und nimmt mich so hin wie ich bin. Das Schreiben ist nach allem mein bester und engster Freund. Und die Tinte vermischt sich mit Blut und salzigen Tränen, aber mein Herz und Schmerz sind taub. Ich konzentriere mich alleinig auf das Gefühl der Feder auf meiner Haut und nichts anderes. Ich vergleiche Buchstaben miteinander, ein A mit einem D und ein E mit einem K, aber komme auf keine Lösung, und rufe mir die Bilder der Totenschreiberopfer ins Gedächtnis. Die geschriebenen Wörter auf ihrer Haut. Sie sind anders. Die Wörter und Buchstaben sind von einem anderem. Es sind nicht meine.
Sie sind mir nur gestohlen worden.
Und nun versucht der Totenschreiber mir das zu rauben, dass in den letzten Jahren zu meinen eigenen Herzblut geworden ist. Das ist nicht gerecht. Er kann nicht einfach wiederauftauchen und weitere Leben stehlen sowie das meines Vaters. Er hat ihm alles genommen. Wirklich alles. Und ich kann es nicht zulassen, dass mein Leben genauso wird.
Ich glaube, er will mich gar nicht umbringen. Jedenfalls nicht direkt. Er möchte mir mein Leben auf eine andere und viel brutalerer Weise nehmen. Und das, indem er mir all das nimmt, was ich liebe und was mir etwas bedeutet. Die Personen und Dinge, die mein Leben erst so unbezahlbar machen. Er will mich meiner Selbst berauben. Als würde er sich an mir rächen wollen. Aber ich habe keinerlei Ahnung davon, was ich ihm angetan habe, außer dass ich ihn mal für meinen Vater gehalten habe. Glücklicherweise ist mein Vater ein anderer. Mein Vater ist ein besserer Mensch, wenn auch gebrochen.
Er ist das beste Beispiel dafür, wie das wahre Opfer vom Totenschreiber aussieht.
Und ich könnte das nächste sein, wenn ich ihn nicht aufhalte.
Ich höre schlagartig auf, als das Taxi anhält.
„Wir sind da, Madam", verkündigt der Fahrer zufrieden und stellt das Radio aus.
Mein Blick schweift zu dem weißen Haus mit den schwarzen Kontrasten vor uns, und es muss eine Ewigkeit her sein, als ich dort zum letzten Mal gewesen bin. Es muss mein Bruder sein letzter Geburtstag gewesen sein. Ich gebe dem Taxifahrer das Geld, ein bisschen Trinkgeld dazu, und es interessiert mich nicht, dass das Geld mit Blut und Tinte besudelt ist. Es ist nur ein Zeichen meines Kampfes. Aber er sagt nichts, fährt gleich weg, nachdem ich ausgestiegen bin.
Die Steine knirschen unter meinen Vans, als ich langsam auf das Haus zu gehe. Ich lasse meine Augen aufmerksam umher wandern und in meiner verletzten Hand halte ich den Kugelschreiber ganz fest. Für mich ist es keine Überraschung, Toms silbernen Audi in der Einfahrt neben einem Jeep zu sehen. Seine Nachrichten auf meiner Mailbox haben mir bereits seine Anwesenheit bestätigt. Wie ein Reflex will ich sofort nach meinem Handy greifen, aber es ist nicht da. Verdammt. Ich muss es beim Protest verloren haben. Hoffentlich ist jemand darauf getreten und hat es so kaputtgemacht, damit es nicht in die Hände Bills gelangt. Ich habe alle Adressen darin gespeichert. Wenn er es findet und es noch vollfunktionsfähig ist, wird es eine Leichtigkeit für ihn sein, mich zu finden.
Ich stehe nun vor der Haustür. Mindestens ein paar Minuten. Und ich kann mich nicht dazu bringen zu klingeln. Früher ist das kein Problem gewesen. Früher habe ich noch einen Schlüssel für dieses Haus gehabt und konnte so oft und wann ich will immer kommen, doch das hat sich geändert, als ich beschlossen habe, meinem Kampf selbstständig zu bewältigen. Bloß er hat den Schlüssel zu meiner Wohnung behalten, weil wir trotz alle dem immer einander gebraucht haben. Es hat Situationen und Geister gegeben, die wir nicht haben alleine überwältigen können, und jetzt sind es ausgerechnet unsere eigene Geister, die uns daran hindern, einander zusehen.
Mir ist bewusst, dass mich in dem Haus mehr als bloß Geister erwarten wird. Es sind Probleme und Ereignisse, die eine klare und deutliche Erklärung verlangen, und es sind unterschiedliche Augenpaare mit unterschiedlichen Emotionen. Aber eine Sache werden sie alle tun: Mich anstarren. Und ich kann nicht genau sagen, ob ich das möchte, doch eine andere Wahl bleibt mir offensichtlich nicht übrig. Wenn ich dem Totenschreiber in den Rücken stoßen will, dann muss ich es für ihn unmöglich machen, eine Macht über mein Leben zu erlangen. Und das beginnt damit, dass bestimmte Konflikte endlich geklärt werden. Und dass bestimmte Personen wieder ein fester Teil meines Lebens werden.
Gerade, als ich genug Mut zusammengefasst habe, um zu klingeln, höre ich ein neues Auto in die Einfahrt fahren. Ich drehe mich irritiert um und weite zugleich die Augen. Ein weiteres Taxi. Mist. Bill ist schneller gewesen als ich gerechnet habe. Mir fällt nichts anderes ein, als von der Haustür zu verschwinden und direkt in den Garten zu stürzen, während mein Puls erneut steigt. Ich muss die anderen auf der Stelle warnen, bevor Bill an der Tür klingeln wird. Wenn Bill wirklich von seinem Verlangen gelenkt wird, dann ist jeder in dem Haus ein potenzielles Opfer für ihn.
Also renne ich mit meinen letzten Kräften um das Haus herum, durch das dichte Gebüsch, das an mir reißt und es ist mir egal, wie die Dornen in meine Haut eindringen, weil ich werde von einem anderem Trieb kontrolliert. Ich muss meinen Bruder und Tom beschützen. Meine Füße führen mich zu den großen Glasfenstern auf der weißen Veranda mit den hohen Balken. Die Glastür ist zwar geschlossen, aber das Licht brennt und ich sehe einige Schatten am großen Tisch versammelt sitzen.
„Emilia!" Mein ganzer Körper wird von einem schaurigen Peitschenhieb aufgewühlt, als ich Bills Stimme höre. Und ich realisiere augenblicklich, dass er gar nicht meine geliebte Personen will. Er will mich. „Bleib stehen, meine Kleine!", ruft er und sein Ton ist tief und voller Zorn.
Ich lasse mich direkt gegen das Glas knallen, hoffend, dass das so laut ist, dass sie sofort auf mich aufmerksam werden. Dann schlage ich mit der gesunden Faust gegen das Glas. So laut und schnell wie mein eigener, rasender Herzschlag.
„Verschwinde!", schreie ich an Bill gewandt und mein Handgelenk tut schon weh, aber ich höre nicht auf, „du bist nicht du selbst, Bill! Du bist noch verrückter als damals!"
„Es ist deine Bestimmung!", erwidert er verärgert und seine Beine gehen mit donnernden Schritten die Treppenstufen zur Veranda hoch, „und es ist meine Aufgabe, dir bei deinem Weg zu helfen!" Er streckt seinen Arm nach mir aus wie der Schatten meines Verlangen und eine Kälte packt mich, gegen die ich nichts ausrichten kann. Sie kommt von einer anderen Gewalt der Natur. Aber ich gebe nicht nach, kneife die Augen zusammen und hole zu einem letzten, kräftigen Schlag aus – und plötzlich hält mich jemand zurück.
Ich erschrecke und schlage mit holprigen Herzschlägen die Augenlider auf, bloß um in die aufgewühlten, braunen Tiefen Toms zu sehen.
„Tom", flüstere ich seinen Namen.
Eine weitere Person tritt an seine Seite, worauf mein Herz gleich tiefer rutscht. Es ist mein Bruder. Und seine Regenaugen sind ein einziges, stürmisches Gewitter. Ganz dunkel und von einem Hass erfüllt, den ich bis heute nicht gekannt habe.
„Bill Skarsgård", knurrt er aus direkt aus der Kehle und stellt sich zwischen mir und dem größeren Mann. „Ich glaube, es ist Zeit für dich, von meinem Grundstück zu verschwinden. Oder ich werde die Polizei rufen."
Bill sagt zuerst gar nichts, weicht nur ein paar Schritte zurück, und dann höre ich das bekannte Geräusch, wenn er seine Mundwinkel zu seinem wahnsinnigen Grinsen auseinanderzieht. Ein Schauder hetzt durch mich und verleitet mich dazu, mich enger an Tom zu schmiegen, während ich mein Gesicht an seiner angespannten Schulter vergrabe und versuche, auf den zittrigen Beinen zu stehen.
„Geh' jetzt", droht ihm mein Bruder und macht einen warnenden Schritt auf ihn zu.
„Du wirst zu mir zurückkommen, Emilia", sagt Bill noch und seiner tiefen Stimme liegt ein bittersüßer Unterton von Zufriedenheit bei, „denn du wirst mich brauchen, wenn du den Totenschreiber finden willst." Er hält kurz inne. Ich weiß nicht, wie er Tom anschaut, aber sein Körper spannt sich stärker an und erhitzt sich rasant, bevor er seine Arme um mich schlingt. Er zieht mich so feste an sich wie ein Zeichen dafür, Bill zu zeigen, zu wem ich gehöre, und drückt mir dabei einen langen, verzweifelten Kuss auf die Stirn.
„Wir sind miteinander verbunden, Emilia. Vergiss das nicht", meint Bill schließlich und Tom knirscht mit den Zähnen. Ich höre nervös zu, wie Bills Schritte auf der Veranda nach und nach verstummen, ehe mir der Geruch von Rauch und Tabak in die Nase steigt. Ich öffne die Augen, wende den Kopf herum und starre ins Bills geheimnisvollen See, während er auf dem Rasen an seiner Zigarette zieht. Er grinst mich an, und ein Grauen überkommt mich, weil ich glaube, dass er Recht hat. Wenn ich den Totenschreiber finden will, dann brauche ich jemand dazu, der genauso gerissen und wahnsinnig vom Töten ist wie er – und das ist Bill.
Ich schlucke und drücke mein Gesicht zurück an Toms Schulter, als er mir beruhigend durch das Haar streichelt. Irgendeiner von uns zittert, und ich bin mir sicher, dass ich es bin. Tom schafft es irgendwie, mich mit sich in das Haus zu ziehen und dabei zu schweigen, obwohl ich genau weiß, wie furchtbar ich aussehen muss. Alles voller Blut und geschriebenen Wörter.
„Es ist wohl besser, wenn ich uns gleich eine ganze Kanne Tee mache", sagt eine fremde Frauenstimme, als mich Tom vorsichtig zur Couch führt, „sowie es ausschaut werden wir nämlich ein langes Familiengespräch führen."
Und, als ich mich setze und Tom mich wieder dicht an sich zieht, hebe ich den Kopf an und sehe in das Regenmeer gegenüber, das nicht trauriger hätte funkeln können.
Jetzt ist die Zeit gekommen.
Die Zeit für die ganze Wahrheit.
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