the beautiful world that's ahead.

Na, seid ihr überrascht gewesen, als ihr gesehen habt, dass ein neues Kapitel hochgeladen worden ist? Und JA, es ist wirklich ein Kapitel. Die Geschichte geht weiter. Ich hab's geschafft und mega stolz darauf, wieder in meine Lieblings-FF hineingefunden zuhaben. Da ist es gar nicht so schlimm, dass ich einen Außenbandriss habe und deshalb zuhause verkomme – erst dadurch habe ich wieder angefangen zu schreiben! Und es macht mich so glücklich!

Ich habe mir außerdem vorgenommen, die FF bis zum Ende des Jahres zu beenden. Wir nähern uns nämlich wirklich dem Ende. Das macht mich wiederum traurig. Aber ich kann es kaum erwarten, weiterzuschreiben.

By the way habe ich euch noch was sehr Interessantes zu erzählen, aber da ihr lange genug auf das neue Kapitel gewartet hab, will ich euch nicht hinhalten. Die interessante Geschichte gibt es am Ende zulassen.

Und nun: Willkommen zurück und viel Spaß beim Lesen!

Liebe Grüße,

Sternendurst

~*~

the beautiful world that's ahead.

4 Tage zuvor

„Ich habe ihm von dir erzählt, Tokfia."

Vielleicht habe ich 5 Stunden schlafen können. Oder auch mehr. Aber es fühlt sich so an, als hätte ich überhaupt nicht geschlafen. Ich habe noch für einige Stunden in meinem Bett in meiner eigenen Wohnung gelegen, nachdem mich dort Bill hingebracht hat. Er selbst hat gemeint, er würde derweil etwas kochen, doch bei der großartigen Auswahl in meiner Küche hat er sich für den asiatischen Lieferanten entschieden. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, seit wann ich das letzte Mal einkaufen gewesen bin. Alles kommt mir unheimlich beengend vor, und ich habe tatsächlich geglaubt, es könnte bei mir zuhause besserwerden. Falsch. Das hier ist nicht mein Zuhause. Nicht das, was ich wirklich will.

Ich höre auf in der Frühlingsrolle auf meinem Teller herumzustochern und blicke zu Bill hinüber. Es erstaunt mich, wie der große Schwede in meine kleine Küche noch Platz hat. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, würde ich fast behaupten, er könnte die Decke berühren.

„Du hast wen von mir erzählt?", frage ich unruhig nach.

Er grinst mich stolz an. „Ryan Murphy. Er ist begeistert von dir und würde dich echt gerne kennenlernen. Aber ich habe ihm dasselbe sagen müssen wie du mir: Du willst keine Schauspielerin werden."

„Wie? Was?" Ich lasse die Gabel los und merke, wie rau mein Mund vor Schock wird. „Wieso hast du mit ihm über mich geredet?"

„Ich dachte mir, dass du vielleicht etwas Neues ausprobieren möchtest, nachdem du dich nicht mehr verstecken wirst. Und was ist da besser als Schauspielerin zu werden? Du könntest ein klares Zeichen dafür setzen, dass du dich wirklich zeigen willst, weil du es so möchtest. Und nicht wegen dem Totenschreiber."

Natürlich will ich meine Leser endlich wissenlassen, wer ich bin, aber ich habe nie daran gedacht, meinem Bruder zu folgen. Von klein auf habe ich nur versucht, meinen Weg zu finden, ohne einer vorgegebenen Richtung zu folgen. Deshalb überrascht es mich, dass ich über Bills Worte nachdenke. „Schauspielerin? Ich?" Ich verziehe das Gesicht und lasse meinen unsicheren Blick auf ihn einwirken.

Aber er lächelt bloß, als gäbe es da nichts zum Zweifeln. „Als Autorin hast du schon die perfekte Fähigkeit, um Schauspielerin zu werden. Du kannst dich in andere Rollen hineinversetzen und weißt, wie man Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Jetzt musst du das nur noch in Realität anwenden. Und..." Er greift nach meiner Hand am anderen Ende des Tisches. „Und ich kann dir Schauspielunterricht anbieten. Du würdest schließlich gemeinsam mit mir arbeiten. Wer weiß, vielleicht brauchst du auch keinen, wenn Murphy dich einmal in Action gesehen hat. Er kann das am besten beurteilen."

Ich habe gar nicht daran gedacht, wie ähnlich sich das Schreiben und die Schauspielerei sind. Beide gehören zu einer Art von expressiver Kunst. Sie werden nur auf verschiedene Weisen ausgeübt. Einmal durch niedergeschriebene Worte, die nicht nur aus Tinte bestehen. Auch aus Seelenblut und Herzschweiß. Und einmal durch die wandelbare Mimik, die dazu gebraucht wird, um einem etwas vorzuspielen. Aber nicht um einen Schmerz zu bereiten. Man will einen begeistern, berühren und zum Denken anregen. Sowie es die geschriebene Worte tun, wenn sie ein eigenes Bild im Kopf darstellen, während die Mimik das Bild zu den geschriebenen Worten ist.

„Ich befürchte", sage ich mit einem breiten Grinsen und zücke dabei vielsagend mein Smartphone, „wir werden einen Kurztrip nach Los Angeles machen."

Bills Seeaugen leuchten auf und mein Herz wird leicht. Das ist wie Magie. Grenzenlos und faszinierend.

Nur jene, die wirklich an Magie glauben, können sie sehen. Ich tue es.

In Bills funkelnde Augen ist vieles zu sehen, aber vor allem Magie. Ich will es auch. Meine Magie mit der Welt teilen. Sowie er. Dieser neue Wille macht mich mutig, lässt mein Herz wilder schlagen, weil es wie ich es kaum abwarten kann, etwas Neues zu entdecken. Und dann ausgerechnet Schauspielerei.

„Dann gebe ich Murphy gleich Bescheid. Er wird bestimmt vom Stuhl fallen, wenn ich ihm von dieser Neuigkeit erzählen werde!"

Würde er meine Hand nicht so festhalten, wäre ich bei meinen weichen Knien garantiert auch von meinem Platz gerutscht.

Ich glaube, meine Schwester Sarah wird mich köpfen, wenn sie erfährt, dass ich doch den Spuren unserer beiden Geschwister folgen werde.

Aber das steht noch offen. Gutmöglich, dass ich eine ebenso schlechte Schauspielerin wie Liebhaberin bin, und dann bleibe ich Autorin. Und eine Schwester. Und eine Tochter. Das bedeutet mir alles. Und dieses Glück werde ich mir nicht nochmal nehmen lassen.

~*~

2 Tage zuvor

Ich seufze lange aus und fahre mir durch die kurzen Haare. Einige Strähnen fallen mir dabei so vor die Augen, dass ich Bill nur durch unterschiedlich große Spalten sehen kann. Er ist genauso aufgeregt wie ich, läuft die ganze Zeit schon mit verschränkten Händen hinter dem Rücken durch unser Hotelzimmer und starrt wirklich tiefe Löcher in die Decke. Mein heftiger, schneller Herzschlag ist immer noch derselbe wie vor wenigen Stunden, als ich mich bei Ryan Murphy vorgestellt habe. Bill hat mir zwar schnell einige Tipps in den Stunden davor geben können, aber mich verlässt nicht den Verdacht, dass ich miserable versagt habe. Warum habe ich das eigentlich getan? Genau. Weil ich unbedingt etwas Neues in meinem Leben wagen wollte, ehe es für immer der Öffentlichkeit gehören wird. Die letzte Entscheidung meines Lebens, ohne dass gleich die Presse davon Wind bekommt und falsche Artikel zusammenreimt. Hauptsache die Gerüchteküche brennt heiß.

Ich will das letzte Mal etwas entscheiden, ohne dass ich darüber nachdenken muss, wer oder was es betreffen wird. Ich will bedenkenlos entscheiden. Risikolos und vollkommen erlöst von allen Strängen, die versuchen, mich zu leiten. Es soll zu mir werden und zu mir gehören wie mein eigener tobender Herzschlag und mein sehnlicher Wunsch, endlich ich sein zu können.

Eine Schauspielerin zu werden ist nicht nur die Durchsetzung eines neuen, wilden Willens. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass ich immer noch mein Leben kontrolliere und kein anderer. Weder das Verlangen noch etwas, das an Liebeskummer und Depressionen grenzt. Das hier ist mein Leben und wenn ich es als Schauspielerin versuchen will, dann tue ich es auch. Niemand wird mir das jemals wieder entreißen können. Das ist es, was ich tatsächlich zurückwill. Mein Leben und die Macht darüber. Ich habe es lang genug mitangesehen, wie andere immer versucht haben, es zu manipulieren. Jetzt bin ich an der Reihe. Nun vollführe ich meinen rückschlagenden Schachzug aus, und er wird unerwartet und stark. Und ich... Ich werde freisein. Endlich.

The show must go on!

Bill und ich hechten gleichzeitig zum schwarz-überzogenen Doppelbett hinüber, als das bekannte Lied Queens spielt. Mein Handy vibriert und blinkt wie verrückt auf. Aber Bill ist mit seiner Armbreite schneller, mustert neugierig den aufleuchtenden Namen, bevor er es mir mit einem breiten Grinsen reicht.

„Jetzt wird sich dir eine neue Tür öffnen", sagt er zuversichtlich und mein Herzschlag beschleunigt sich vor Aufregung. Hat er wirklich das Talent in mir gesehen oder sucht er nur nach einem Weg, um unsere Zweisamkeit zeitlos zu machen? Was passiert, wenn ich tatsächlich eine Zusage bekomme? So viele Fragen jagen durch meinen Kopf als ich Murphys Nummer lese, und da ist etwas, was sich in mir spaltet, das ich davor noch nicht gekannt habe. Es ist wie Angst und Wunsch, ganz komisch und neu. Aber ich lasse es nicht durchbrechen, gehe zur kleinen, offenen Küche hinüber und hebe nach einem langen Atemzug ab.

„Hallo?", flüstere ich fast und blicke hilflos zu Bill hinüber. Doch sein Blick ist sanft, ohne jegliche Zweifel, aber doch mit vollkommener Zuneigung und Hingabe, dass mein Herz beinahe dahingeht, als ich in das erwartungsvolle Leuchten seines Sees blicke. Er kommt mit großen Schritten auf mich zu, lächelt mich aufmunternd an, bevor er seine Hände auf meine Schulter legt und zu mir hinabsieht. Sein Blick sagt mir das eine und das richtige: Du schaffst das. Ich glaube an dich.

Ich muss schnell blinzeln und mich konzentrieren, damit ich mich mehr auf Murphys Stimme fokussiere als die anziehende Intensität von Bills weichen Zügen.

„Hier ist Ryan Murphy. Ich melde mich wegen der Rolle für die neue Staffel von American Horror Story."

Mein Herz schlägt nur noch in wilden, unkontrollierten Klängen und mein Mund öffnet sich nervös, aber meine Stimme ist heiser, so, als würde ich gleich ersticken.

„Ja?"

Bill kann ich ansehen, dass er sich das Lachen verkneifen muss, weil seine Grübchen leicht hervorstechen und das Leuchten seines Sees verräterisch funkelt. Das verursacht lediglich bloß mehr Holprigkeit in meinem warmen Herzen.

„Sie haben heutige fantastische Leistung gezeigt. Natürlich gibt es hier und dort noch ein paar Dinge, die verbessert werden müssen, aber da Sie noch am Anfang stehen, wissen wir, dass es nur noch besserwerden kann. Deshalb möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir uns geeinigt haben – und Sie an der Seite von Bill Skarsgard spielen dürfen. Weitere Details wird Ihnen Bill selbst mitteilen können. Und grüßen Sie ihn von mir, bitte."

Ich habe mich noch nie in meinen ganzen Leben so zusammenreißen müssen und schlucke leer. „Äh... Ja... Äh... Vielen Dank! Werde ich machen! Einen... äh... schönen Tag!"

„Danke. Ihnen auch, Miss Hiddleston!"

Dann wird es still an meinem Ohr, bloß mein eigener Herzschlag dröhnt bis nach oben.

Bill drückt mich an den Schultern, um so meine Aufmerksamkeit erfolgreich auf sich zu lenken. „Und? Was hat er gesagt?"

Es fällt mir schwer, überhaupt noch richtig atmen zu können, weil es sich so anfühlt, als hätte ich die ganze Zeit über den Atem angehalten und muss erstmal richtig durchschnaufen.

„Ich soll dir Grüße von ihm ausrichten."

„Und das ist alles?", fragt er irritiert mit hochgezogenen Brauen.

„Nein. Ich... äh..." Ich hebe den Kopf an, und plötzlich fange ich an zu strahlen. Über das ganze Gesicht. So breit und glücklich wie schon seit einer Weile nicht mehr. „Ich habe die Rolle! Oh mein Gott! Ich werde bei American Horror Story mitspielen! Ich..." Ich japse nach Sauerstoff. „Ich werde Schauspielerin! ICH!"

Auf einmal legen sich zwei starke Hände um meine Hüfte und heben mich in die Höhe, während das wunderschöne Lachen Bills den ganzen Raum aufhellt. „Ich habe es gewusst, Emilia!", grinst er laut und dreht mich dabei mit sich im Kreis, „du hast das Talent dazu! Und nun..." Er hält inne, um mich zurück auf den Boden zulassen. Seine Augen strahlen so klar auf, dass ich sehen kann, wie das blau-grüne Wasser seines Sees schimmert, als würde gerade das Sonnenlicht darüber tanzen. Sein Blick ist fesseln und so sanft, dass meine Knie einfach weich werden. Aber er stützt mich an den Schultern, während das schimmernde Wasser immer tiefer in meine Seele sickert. Er lächelt und ich erwidere es fassungslos, doch ebenso voll Faszination, weil ich nicht glauben, wie glücklich ich gerade bin, wie leicht und schwerelos – und so verloren in seinem Irrlicht. „Und nun bist du ein Teil einer neuen Welt. Unseren Welt", raut er Worte, die direkt in mein wildschlagendes Herz wandern und dort verweilen.

Das Zittern meines Körpers, mein rasender, aufgeregter Atem und das nervöse Zucken in meinen Fingern sind klare Zeichen dafür, dass ich gerade in die Welt hinausgehen will. Die Arme ausbreiten. Im Regen Los Angeles tanzen. Und ganz laut verkündigen, dass ich Schauspielerin werde. Ich kann nicht aufhören zu grinsen, als hätte es sich in meinem Gesicht festgesetzt, und es ist ein befreiendes und wohltuendes Lächeln. Es fühlt sich richtig an. Das erste, richtige Lächeln, nachdem mein Herz gebrochen worden ist. Und ich will nicht, dass dieser Augenblick, dass dieses berauschende Glück, endet. Ich will darin noch mehr tanzen als im Regen. Will es auf meiner Haut festhalten und nie verabschieden müssen.

„Du bist so schön, Emilia", sagt Bill plötzlich und die letzte Lücke zwischen unseren Körper schließt sich mit seinem nächsten Schritt. Ich schaue ihm in die Seeaugen, und auf einmal glaube ich, sie zu erkennen. Die Tür, von die er vorher gesprochen hat. Sie hat sich mir geöffnet. Und es ist nicht bloß die Tür in die Welt der Schauspielerei, es ist auch die Tür zu seinem Herzen. Das warme Strahlen seines Sees verrät ihn. Er hat schon, seitdem wir uns wieder getroffen haben, gehofft, dass ich wieder diese Tür öffne. Und ich kann nicht genau deuten, was das nun bedeuten mag, aber der Wärme und dem Klang meines Herzens zu urteilen nach, ist das hier richtig.

Ich schaffe es endlich, aus dem Schatten des Verlangens zu treten, und meine Hand gegen seine Wange zu lehnen. „Es gibt kein Verlangen in dieser neuen Welt, oder, Bill?", frage ich gespannt nach und meine Finger streicheln behutsam die Kontur seines Wangenknochens nach.

„Nein", antwortet er mir sofort und daran erkenne ich, dass er die Wahrheit spricht, „du wirst dich nicht vor dir selbst verstecken können, weil du dich selbst finden musst, um zwischen Realität und Rolle unterscheiden zu können. Erst, wenn du erkannt hast, wer du bist und was du schaffen kannst, dann kann es dir nichts anhaben, Emi. Dann bist du unbesiegbar."

„Also ernährt sich das Verlangen von unseren Selbstzweifel und Ängste?"

Er nickt mir zustimmend und streicht mir mit seiner Hand ein paar Strähnen hinter das Ohr. „Man sagt, dass es zwei Gründe gibt, warum Menschen Böses tun. Einerseits, weil sie Macht begehren und das Leid anderer sie befriedigt; andererseits, weil sie schwach sind und sich so einsam in dieser Welt fühlen, dass sie entweder sich selbst Leid zu fügen oder anderen, um gegen dieser Einsamkeit anzukämpfen. Aber wenn man erkennt, wie einzigartig jeder von uns ist und wohin man gehört, dann sollte Einsamkeit nur ein Nebeneffekt von vielen des Lebens sein. Aber nicht der Grund, warum man sich der Dunkelheit hingibt. Wir alle haben mit etwas zu kämpfen, doch wir sind niemals allein. Am wichtigsten ist es, immer an sich selbst zu glauben."

„Aber das ist so schwer...", erwidere ich gequält und mein Herz verliert an Leichtigkeit. „Wie soll man an sich selbst glauben, wenn es so scheint, als gäbe es nichts, wofür man zu kämpfen hat?"

Seine Lippen formen sich zu einem liebevollen Lächeln. „Warum hast du nicht aufgegeben, Emilia?"

Ich überlege intensiv nach, versuchend in mein Inneres zu gehen. Allerdings ist das eine echte Herausforderung bei dem schönen Flimmern von Bills Seeaugen. Wie ein Ablenkungsversuch, weil sie ständig tiefer in meine Seele versickern wie Wasser. In jede verborgene Lücke und hinter jede verschlossene Türe. Ein Schauder tanzt durch mich. Sein Blick kann mühelos meine ganze Seele und ihre Gedanken lesen.

„Ich weiß n..." Doch dann fällt es mir augenblicklich ein, als ich für einen Moment zum Doppelbett schiele. Mein grünes Notizbuch liegt dort, daneben mein Soulshout-Füller. Es ist ausgebreitet, vollgeschriebene Seiten offenbaren sich mir, und ich fühle die Wörter noch in meinen Fingerspitzen kitzeln wie Magie, die ich durch das Schreiben freilasse. Genauso wie meine Seele mit gespreizten Flügeln in die Welt hinausgebrochen ist, als ich mich in meine Rolle versetzt habe und mich in ein anderes Leben habe führen lassen. Aber ich habe es in mir gespürt, wann es Zeit gewesen ist, zurück in mein eigenes Leben zurückzukehren, und es ist einfach passiert. Ich bin von einem Wimpernschlag zum anderen zwischen zwei Leben gewandert und doch habe ich nicht den Faden verloren. Ich habe es nicht bloß gewusst, sondern auch in meinem Herzen gespürt. Ein tiefes, unglaublich starkes Empfinden wie noch nie zuvor – die Antwort auf meine wichtigste Frage.

Wer bin ich? Und wohin gehöre ich tatsächlich?

„Ich habe irgendwie immer gehofft habe, dass es besser wird – und darum habe ich gekämpft. Für meine unerfüllten Träume. Für mein Leben und für mein gebrochenes Herz, weil ich wollte, dass es wieder okay sein wird. Dass das Leben wieder okay sein. Ich habe für das Gute in mir gekämpft. Für... mich selbst, weil ich die einzige bin, die über mein Leben bestimmen darf und entscheidet, was für ein Leben es sein wird. Und es soll eines werden, dass es wert gewesen ist, um dafür nicht aufzugeben."

„Das wird es auf jeden Fall, Emilia." Bills Augen funkeln auf und er hebt vorsichtig mit seiner Hand mein Kinn an. „Hoffnung macht uns zu unbezwingbaren Kämpfern."

Mein Mund ist seltsam trocken, als die nächsten Worte über meine Lippen huschen. „Und was ist mit der Liebe? Ich habe immer gedacht, sie gibt uns Stärke."

„Die Liebe..." Er leckt sich grübelnd über die Lippen und seine Hände umfassen achtsam meine Hüfte. Unerwartet fängt er an etwas zu summen. Eine Melodie, die mir nach einigen Tönen sehr bekannt vorkommt, aber ich kann sie nicht wirklich zu ordnen, als wäre das Lied in Vergangenem begraben worden. Oder es liegt an meinem Mangel an Konzentration, weil er nicht nur diese schöne, vertraute Melodie brummt – er bewegt sich passend zu ihr im Rhythmus und nimmt mich mit sich.

Ich staune und habe keine Ahnung, wie ich in dieser neuen Situation handeln soll, also tue ich das, was mir mein polterndes Herz vorschlägt. Ich lege meine Hände auf seine Schulter und erwidere seinen tiefgehenden Blick, während ich aufmerksam seinen warm-rauen Klängen lausche. Wieso kommt es mir bekannt vor? Ist es ein Lied, das wir damals im Internat gemeinsam gehört haben? Ich will mich mehr darauf einlassen, die Geschichte und Bedeutung dahinter erkennen, aber da erblicke ich sie für ein weiteres Mal in seinen schimmernden Seeaugen. Die Tür zu seinem Herzen. Er lädt mich hineinzugehen, als hätte er etwas in meinem Blick gefunden, das ihm versichert, dass egal, welcher Schmerz durch mein Eintreten folgen wird, er es wert wäre. Und ich bewundere es, wie bedingungslos und mutig er sich mir hingibt, als sehe er in mir jemand, den es nur einmal auf diese Weise in seiner Welt gibt. Der für ihn eine Bedeutung hat wie es sonst kein anderer mehr tun wird. Es scheint ihm bewusst zu sein, dass er nur einmal auf diese Art für jemand empfinden wird wie er es für mich tut, und das muss ihm diese stützende Sicherheit geben, mit der er mich auffängt.

Ich schaue ihn genauer an, sein zartes Lächeln auf seine vollen Lippen und das klare Irrlicht seines Seelensees. Seine Gesichtszüge wirken so viel weicher, wenn er mir mit dieser Sänfte in die Augen blickt. Wie der Junge aus dem Internat, der sich geschworen hatte, so zu leben, dass seine Mutter im Himmel erkennen wird, wie schön es doch ist, ein Leben zu haben. Die Freiheit und die vielen Möglichkeiten, die es uns bietet, aber auch, wie aus Dunkelheit Licht werden kann.

Dieser Junge ist plötzlich zu einem erwachsenen, weisen Mann geworden und teilt mir nun seine Lebensweisheiten und Erfahrungen mit. Die, die eigentlich für das schmerzende Herz seiner Mutter bestimmt gewesen wären. Und nun will er damit mich retten.

Wenigstens eine Frau in seinem Leben, die er so innig liebt.

„Ich glaube...", unterbricht er zwar sein Summen, aber er bewegt sich weiter in dem Takt der Melodie mit mir. Ich brauche sie nicht zuhören, da sie selbst in meinem Herzen weiterspielt und meine Schritte dirigiert. „Ich glaube, die Liebe soll uns die Augen öffnen. Sie soll uns zeigen, wozu wir fähig sein können, wenn wir geliebt werden." Ich höre ihm zu und versuche ihm durch meinen Blick zu verstehen zu geben, dass ich endlich erkannt habe, was mir mein Herz sagen will. „Und sie soll uns zeigen, dass ein gebrochenes Herz zwar fürchterlich wehtut, aber auch der Grund dafür ist, warum wir anfangen, uns selbst zu lieben. Ein schrecklicher Weg, um uns etwas Wichtiges zu lehren. Doch ist es nicht meistens so, dass wir erst durch schwere Zeiten erfahren, was wirklich zählt?"

Ich denke an meinen Vater und wie er nie aufgehört hat zu lieben. An meinen Bruder und wie ich ihn trotzdem noch liebe, trotz den schmerzhaften Worten, die er mir im Krankenhaus gesagt hat – oder trotz der Tatsache, dass wir gar nicht miteinander verwandt sind. Er wird immer mein Bruder bleiben, weil er ist meine Familie und Familie ist wichtig für mich. Ich denke an Tom und daran, dass ich noch weitermache, auch wenn ich angenommen habe, das einzig wichtige in meinem Leben verloren zu haben. Wenn ich gedacht habe, dass er der einzige ist, der mich wirklich sieht. Aber ich sehe mich auch und verberge mich nicht weiter vor mir selbst. Ja, ich habe ein böses Verlangen in mir. Ich habe unverzeihliche Dinge getan, aber es ist die Zeit gekommen, das endlich zu akzeptieren. Schließlich will ich dieses ewige Versteckspiel für allemal beenden und richtig leben.

Und zu guter Letzt denke ich an Bill und an die Nacht, wo sich unsere Wege getrennt haben. Jetzt steht er wieder vor mir, summt die Melodie eines alten Liedes und führt mich durch das Hotelzimmer, als wären unsere Herzen niemals daran zerbrochen. Damals habe ich geglaubt, er würde das Verlangen in mir stärken. Heute weiß ich, dass ich selbst dafür verantwortlich bin und wir beide einfach verlorene Seelen voller Schmerz und Zurückweisung gewesen sind. Wir haben versucht, etwas aufzubauen, das uns in dieser schwermütigen Zeit an Kraft gibt – aber es ist genau das Gegenteil passiert. Wir haben uns immer mehr in dem stumpfen Loch in unserem Herzen verloren, bis unsere Leben entschieden haben, einander zu verabschieden.

Jetzt habe ich den Eindruck, als wäre der richtige Zeitpunkt dafür, das erneut aufzubauen, was wir einst mal eigenhändig in Zertrümmern gelegt haben.

„Ich werde Schauspielerin", sage ich mehr zu mir selbst als zu ihm, als wir immer noch tanzen, „und ich werde mich der Welt zeigen. Ich werde meine Seele nicht nur auf Papier verewigen, sondern auch in den Herzen anderer. Sie sollen dasselbe wie ich begreifen."

„Und das wäre?", fragt er mich erwartungsvoll und seine Bewegungen werden langsamer wie mein Atem.

„Dass es keinen Grund gibt, sich zu verstecken. Wenn wir etwas machen wollen, dann sollen wir es einfach tun, ohne darüber nachzudenken, wie andere darauf reagieren. Wenn jemand ein Buch schreiben will, dann soll er das tun. Wenn jemand daran glaubt, wir können auf dem Mars leben, dann soll er das tun. Wenn jemand jemand liebt, den er eigentlich nicht lieben soll, weil die Norm dagegenspricht, dann soll er es trotzdem tun. Es ist egal, was andere denken. Nur wir selbst haben die Macht dazu, unser eigenes Meisterwerk zu schreiben." Ich komme zum Stehen. Mein Herz schlägt wild und ungezähmt sowie mein Geist.

„Und was würdest du gerade am liebsten tun, Tokfia?"

Kein Zögern und schon liegen meine Hände um sein hübsches Gesicht, während meine Augen jegliche Hingabe seines Blickes in sich aufziehen. „Du bist zu mir zurückgekommen. Du hast mein Herz berührt, und ich glaube, das hat einen einzigen Grund", wispere ich selbstsicher gegen seine Lippen, nachdem ich mich auf die Zehenspitzen gestellt habe, „weil wir eine gemeinsame Geschichte miteinander teilen." Mein Atem streicht angespannt über seine Lippen, ehe ich vollkommen in das Leuchten seines Irrlichts versinke und berauschende Schwerelosigkeit über mein Herz kommt. Ich kann es fühlen; sein schneller Atem, wie er rauf und runter geht, weil sich etwas in ihm öffnet, das schon viel zu lange zurückgehalten worden ist. Es klopft ganz schnell in seiner Brust, als ich mich entschlossen vorwärts lehne.

„Du gehörst zu mir, Emilia", flüstert er liebevoll und rau in einem Atemzug und legt seine Hand in meinem Nacken. Dann sind es seine Lippen auf meine, die die pulsierende Luft zwischen uns letztlich ausradiert. Er küsst mich, nein, wir küssen uns, und es fühlt sich anders an als jeder Kuss, den wir bisher miteinander geteilt haben. Ich schmecke nichts von der Boshaftigkeit des Verlangens oder einer Begierde, die in mir das Gute stehlen will. Da ist nur Weichheit und das waghalsige Öffnen seines Herzens, das mir wieder diesen einen Platz anbietet. Er ist nur für mich bestimmt, und ich will ihm all das geben, was er gerade von mir verlangt. Und ich hoffe sehr, dass ich das auch wirklich kann.

Zuerst bewegen sich seine Lippen so zart auf meinen, als befürchtet er, mein Herz erneut brechen zu können. Aber er hilft ihm dabei, zusammengefügt zu werden. Mit neuen und alten Teilen. Er zeigt mir gerade, dass selbst in der größten Dunkelheit ein Funken von Licht zu finden ist. Ein wunderschönes und liebenswürdiges Irrlicht. Und dieses Irrlicht führt mich in eine völlig neue und aufregende Welt. Ich schrecke davor nicht zurück, vergrabe meine Finger in seinem Haar und lasse mich von ihm zum Bett ziehen.

Es fühlt sich aufregend an, ihn wieder küssen und auf diese Weise berühren zu können. Gewillt und ohne Schamgefühl. Ich habe nichts zu bekümmern, und es gibt weder ein schlechtes Gewissen noch etwas anderes, das mich davon zurückhält. Seine Finger wandern über meine Schulter, mein Schlüsselbein und meine Hüften. In seinen Berührungen liegt eine Sorge, die mir nicht entgeht. Er hält mich an sich gepresst, so, als befürchtet er, mich endgültig verlieren zu können. Aber ich weiß, dass ich das nicht zulassen werde, und gebe ihm meine ganze Leidenschaft zu spüren. Ich senke die Lider, als seine Küsse sinnlicher werden und er mich gänzlich erobert. Es scheint, als könne ich den süßen Geschmack eines neuen Lebensabschnittes auf seinen Lippen schmecken.

Wir versinken gemeinsam auf der Matratze, unsere Lippen können aber nicht voneinander loslassen. Meine Hände liegen um seinen Hals, während unsere Beine sich ineinander verschlingen und er sich über mich beugt. Wir küssen uns weiter, als müssten wir all die alten Gefühle aufwecken und ihnen einen besseren Ort verschaffen. Ein Ort aus unseren sehnsuchtsvollen Berührungen, stichelnden Atemzügen und haltlosen Küssen. Ein Ort, dem wir nicht nochmal verlassen werden.

Hier und Jetzt ist es nicht das Verlangen in uns, das sich miteinander verbindet. Es sind wir. Unsere Körper und unsere schlagenden Herzen, die eine Weile zu lang voneinander getrennt gewesen sind, dass sie sich wie ein innerer Vulkan anfühlen. Ich seufze aus, als er mit seinen Lippen meinen Hals küsst und die berührte Stille zu kribbeln beginnt. Ein warmer Schauder tänzelt durch meine Seele und ich habe mich kaum so lebendig gefühlt wie in dem Augenblick, als er mich so berührt und mich mit seinem flackernden See anschaut, als hätte er das letzte fehlende Teil seines zersplitternden Herzens gefunden.

Er hebt seine Hand und streicht mir behutsam die blonden Strähnen weg, die sich zwischen meinen pochenden Lippen verirrt haben. „Ich bin so froh, dich wieder gefunden zu haben, Tokfia", lächelt er schräg und schön, bevor er mich abermals küsst. Ich zähle keine einzige Sekunde, keine Minute und auch keinen einzelnen Herzschlag. Ich versinke einfach in die wärmende Umarmung seines Körpers und lasse mich von dem sanften Wasser seines Sees davontreiben. Ich kann es wieder fühlen. Wir – zwei Teile von einem – werden zu einem Ganzen, als gehören wir zueinander.

Ich habe keine Angst. Ich bin dort, wo ich sein will. Dort, wo es nur uns beide gibt, so verwundbar und doch in Sicherheit.

Die neue Welt.

Der Morgen hat keine Bedeutung, als er sich durch spreizende Sonnenstrahlen im Zimmer bemerkbar macht. Bill rollt sich glücklich seufzend von mir und ich vergrabe mein Gesicht an seiner entblößten Brust. Wir haben keinen Sex gehabt. Nur Stellen berührt, die schonmal von unseren Fingern und Lippen ertastet worden sind, als wir uns erst lieben gelernt haben. Es ist, als hätten wir die Leidenschaft von damals wieder entfacht, mit der Hoffnung, sie würde länger halten, und wenn nicht sogar bis in die Ewigkeit. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt dazu bereit bin, mit jemand zu schlafen. Selbst wenn ich ihn liebe, ist es für mich eine Vorstellung, die nicht dazu passen will. Auch wenn ich es will, gibt es einen Unterscheid zwischen Wollen und Können. Ich habe auch schonmal daran gedacht, mein erstes Mal mit Tom zu verbringen.

Aber daran will ich erst gar nicht denken, und hebe meinen Kopf an, um Bill einen kurzen, süßen Kuss auf die Lippen zu drücken. Er riecht intensiv nach Herbst und das stimmt mich friedlich. Ich mag den Herbst. Er ist Schönheit in Melancholie.

„Welches Lied hast du vorher gesungen?" Das habe ich schon viel früher fragen wollen, doch ich habe auch den Moment unserer hoffnungsvollen Wiedervereinigung nicht zerstören wollen.

Ich erschaudere leicht, als Bill gedankenverloren mit den Fingern über mein Dekolleté streicht. „Es ist ein altes Lied von Queen. Geschrieben für die Ex-Frau von Freddie Mercury, die er immer als die Liebe seines Lebens bezeichnet hat. Selbst nachdem sie sich getrennt haben."

Erstaunt halte ich den Atem an. „Das... Das Lied hat eine ganz besondere Bedeutung für ihn", sage ich kaum hörbar.

„Genauso wie du für mich." Er lässt von meiner kribbelnden Haut ab und fährt mit der Hand zu seiner Hosentasche. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Liebe deines Lebens dich verlässt und du dennoch nicht aufhören kannst, sie zu lieben. Auch wenn das Versprechen gebrochen worden ist, den anderen niemals im Stich zulassen. Auch wenn sie sich in jemand anderes verliebt und du nur hoffen kannst, dass sie dasselbe in dir erkennt wie du in ihr. Du willst auch die Liebe ihres Lebens sein und du wartest jeden Tag darauf, dass sie zu dir zurückkommt und dir diese Liebe zurück gibt, ohne die du einfach nicht kannst."

„Bill..." Mein Herz schmälzte auf eine ganz besondere und schöne Weise dahin. Ich suche nach Worten, irgendwelchen, die ihm beweisen können, wie berührt ich von seinen bin, aber dann ist die Luft plötzlich ganz scharf.

Er hält eine Kette in seiner Hand und zeigt sie mir mit einem entschlossenem Ausdruck im hübschen Gesicht, der das Irrlicht erstickt. Ich habe selten jemand so entschlossen gesehen wie ihn. „Du bist die Liebe meines Lebens, Emilia Hiddleston. Das habe ich schon früher als naiver, verliebter und dummer Junge gespürt, als du mir die schreckliche Angst genommen hast, ein Monster zu sein. Du hast mir klargemacht, dass ich nicht an dem Tod meiner Mutter schuld bin. Du hast mich nie für das verurteilt, was ich getan habe. Du hast nur das eine richtige getan: mich geliebt. Und es ist dein gutmütiges Herz gewesen, das mich hat sehen lassen, dass ich ein besserer Mensch werden kann." Der silberne Anhänger in Form einer Schlange funkelt mich ebenso voller Hoffnung an wie seine schimmernden Augen. „Ich habe das Verlangen besiegt. Nicht nur, weil ich so länger nicht leben wollte, sondern auch deinetwillen. Ich möchte die Liebe deines Lebens sein, und aus diesem Grund hat sich diese wahnsinnige, aber auch wunderbare Idee in meinem Kopf festgesetzt."

Meine Schultern sinken. Ich starre ihn einfach an. „Welche Idee?", murmle ich erstickend an dem verrückten Schlag meines Herzens und dem Zittern meines Körpers.

Er lächelt mich unwiderstehlich an, aber die lückenlose Entschlossenheit verankert sich fest in seinen Augen. „Heirate mich, Emilia. Werde zu meiner Frau und trage meine Namen als ein Zeichen unserer Verbundenheit, die nur einmal so auf dieser Welt existiert. Das ist alles, was ich gerade so sehr will."

Ich richte mich mit großen Augen auf und nur heiße Luft kommt aus meinem stammelnden Mund. Hat er mir gerade wirklich etwas wie ein Heiratsantrag gestellt? Er will mich heiraten? Er? Mich? Wir und heiraten? Ich habe schon über einiges nachgedacht, das unbedingt in meiner Zukunft eintreffen soll, aber Heiraten... Diesen Wunsch habe ich hinter mir gelassen, als ich so einsam und verloren gewesen bin und geglaubt habe, dass es nie jemand in dem ganzen Versteckspiel und meinem Verlangen geben würde, der mich heiraten will geschweige denn so sehr lieben würde, um sein Leben auf Ewig an meines zu binden.

„Für Freddie ist Mary seine Seelenverwandte gewesen", erzählt mir Bill weich und greift nach meiner Hand. Erst ist sein Griff angespannt und hart, weil er merkt, wie ich dagegen strauchle, aber er entspannt sich, sobald er feststellt, dass ich nachgebe. „Und das bist auch du für mich, Emilia. Ich weiß, dass Heiraten erschreckend klingt, aber mir ist es nicht möglich, das anders zu nennen, wonach ich mich sehne. Heutzutage heiraten so viele Menschen, weil sie unerwartet ein Kind bekommen und glauben, sie müssen zu einer Familie werden. Oder normalerweise, weil es der größte und schönste Liebesbeweis auf Erden ist. Aber für uns hätte das Heiraten eine andere Bedeutung. Es wäre der Beweis dafür, dass wir es geschafft haben. Wir haben das Verlangen in uns besiegt. Und..." Ich spüre das erhitzte Silber der Kette in meiner Handfläche. „Und es wäre eine Lüge, würde ich behaupten, dass ich dich nicht aus Liebe heiraten will. Ich liebe dich, Emilia Hiddleston, und ich werde es immer tun. Du hast auf Ewig einen Platz in meinem Herzen, der alleinig dir gehört."

Ich kann ihn nicht weiter in die Augen schauen und lasse mein Blick gleiten. Direkt zu seinem Hals. Wie lange schon hat er seine Kette in meiner Ungewissheit getragen? Es ist real. Das hier ist kein Traum. Bill will mich wirklich heiraten. Er hat nie aufgehört mich zu lieben, egal, welchen Schmerz ich ihm bereitet habe. Ich muss an meinen Vater und meine Mutter denken. An ihre Geschichte und ihre Liebe, die selbst über den Tod noch weiter blüht wie eine unsterbliche Blume im Eis. Genau das will ich auch.

„Ich...", versuche ich Worte zu finden. Ob richtig oder nicht ist mir egal, ich will ihn nur nicht in der beißenden Stille warten lassen. „Hochzeiten sind gewaltig, teuer und voller Menschen. Die Presse wird das nicht entgehen. Sie werden das herausfinden. Alles über uns. Ich will nicht auch noch deine Karriere gefährden..." Plötzlich liegt seine Hand um mein Kinn und dreht mein Gesicht so zu seinem, dass ich dem Leuchten seines Irrlichts nicht entkommen kann.

„Wenn das deine einzige Sorge ist, dann kann ich dir versichern, dass es soweit nicht kommen wird. Wir brauchen keiner dieser prunkvollen Hochzeiten. Wir können es nur unter uns tun. Nur wir zwei. Niemand muss es wissen, dem wir es nicht sagen wollen. Es ist unsere Entscheidung, unser Leben."

„Unsere Entscheidung, unser Leben", wiederhole ich leise und blicke ihn dabei verloren an. „Es wäre meine letzte Entscheidung, die ich treffen würde, ehe ich mein Leben der Öffentlichkeit hingebe. Zumindest einen Teil davon."

Bill lehnt sich so weit nach vorne, dass seine Nasenspitze meine berührt. Und sein hingebungsvoller Blick berührt mehr in mir als nur mein Herz. „Lass es eine Entscheidung sein, die dein ganzes Leben verändern wird. Auf eine Weise, die dir nur einmal geboten wird."

Ich drücke die Kette in meiner Hand fest zusammen. „Wenn ich dich heirate, dann bin ich keine Hiddleston mehr, oder nicht?"

Er verzieht das Gesicht so, dass sich ein V zwischen seinen Brauen bildet. „Nein, du wirst immer eine Hiddleston bleiben, solange du es so empfindest. Ich will dich nicht an deiner Familie berauben. Ich will dich zu einem Teil meines Lebens machen und zu einem Teil von deinem werden. Aber nur, wenn du das wirklich willst." Das Irrlicht flackert, verdunkelt sich, als sich ein Schmerz darüber ausbreitet. „Ich werde dein Nein akzeptieren können, Emilia. Es wird nichts daran ändern, dass du die Liebe meines Lebens bist. Für immer. Ob du nun Emilia Hiddleston oder Emilia Skarsgard bist, du bleibst dieselbe für mich. Und das weißt du."

In den letzten Monaten habe ich vieles über das Lieben gelernt. Wir können einen Menschen so sehr lieben wie einen Bruder, ohne dass man mit ihm blutsverwandt sein muss. Wir können eine Familie so sehr lieben wie die eigene Familie, ohne dass sie es sein muss. Wir können einen anderen Menschen so sehr lieben wie niemand anderen, weil so ist das mit Liebe. Wir lieben jeden Menschen auf eine eigene und besondere Art. Die erste Liebe wird sich niemals wie die große Liebe anfühlen und die letzte Liebe wird sich niemals wie die große Liebe anfühlen. Nicht, weil Liebe vergänglich ist.

Sondern weil sie einzigartig ist.

Wie jeder Mensch selbst.

Wir lieben jeden mit derselben Einzigartigkeit, mit die er geboren worden ist.

Und die Liebe, die ich wohl für den Rest meines Lebens für Bill empfinde werde, ist einmalig.

„Ja", murmle ich schließlich und umschließe die Kette in meiner Hand.

Das V verschwindet aus seinem hübschen Gesicht, sein Atem streicht ungeduldig über meine Lippen. „Ja?"

„Ich will dich heiraten, denn es ist wahr. Du bist mein Seelenverwandter, Bill Skarsgard."

Er blinzelt für einen kurzen Herzschlag, dann liegen seine Hände um mein Gesicht und seine weichen Lippen küssen mich aufs Neue. Aber das ist kein gewöhnlicher Kuss.

Dieser Kuss versiegelt unsere gemeinsame, lebensverändernde Entscheidung.

Für immer in dieser neuen Welt.

Mein Herz sagt mir das, und ich habe nicht vergessen, darauf zuhören.

„Dann sei es so, Emilia. Du bist nun meine Geliebte, meine Verlobte, meine Själsfränka."

~*~

Im Hier und Jetzt

Ich fasse mir an den Hals und fühle unter den warmen Stoff meines Pullovers das kühle Silber der Schlange. Vor meinen Augen verschwindet nicht das letzte Bild von Toms Instagram. Es zeigt mich von hinten, wie ich gerade dabei bin, die Bowlingkugel auf die Bahn zu werfen. Es ist kein herausragendes Bild – aber der Text darunter umso mehr.

„Kurz davor, mir erneut das Herz zu stehlen."

„Wir haben über Tom geredet", platzt es einfach aus Natalie heraus, „er hat seine Instagramposts von Emi nicht gelöscht. Ich vermute stark, dass er noch auf sie steht."

Mein Körper zuckt unerwartet, als Bill seinen Arm um mich legt und einen Schluck von seinem Starbucksbecher nimmt.

„Ist das so?", sagt er tonlos und mustert dabei intensiv mein blasses Gesicht, „es muss schwer sein, all diese Bilder zu sehen und zu wissen, dass man dieses wundervolle Mädchen für immer verloren hat."

Natalie schnaubt und schüttelt den Kopf, als wolle sie ihre Unzufriedenheit nur noch verstärken. „Ach, das ist Quatsch! Ich bin mir ziemlich sicher, dass Emilia seine Gefühle erwidert. Selbst wenn er ihr das Herz gebrochen hat."

Ich ziehe die Luft ein, die komischerweise stickiger wird, und schenke ihr einen entsetzten Blick. Was soll das hier werden? Sie weiß es noch nicht und ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt perfekte Gelegenheiten dafür geben wird, um seiner besten Freundin zu erzählen, dass man sich mit einem Mann verlobt hat. Einen Mann, der nicht ihrer Erwartungen entspricht und wahrschlich jemand ist, der sich keiner meiner geliebten Personen für mich vorgestellt hat.

Mein Hals tut schon weh, wenn ich nur daran denke, meinem Bruder das alles erzählen zu müssen. Aber ich darf nicht vergessen, warum ich mich dazu entschieden habe. Warum für Bill und warum dieses neue Leben.

„Du weißt schon, dass ich noch anwesend bin, oder nicht?", melde ich mich laut und entrüstet in der Runde, nachdem mir Bills durchdringlicher Blick zu viel wird. „Und ich verharre auf meiner Meinung, dass ich nicht in Toms Leben gehöre. Er hat mir eindeutig zu verstehen gegeben, dass es so ist."

Sie wedelt mit der Hand wie ein Zeichen dafür, dass sie meine Worte für lächerlich hält. Das kann ich auch an dem offensichtlichen Verdrehen ihrer blauen Augen ablesen. „Du tust geradeso, als hätte ihr beide ein herkömmliches und einfaches Leben. Aber das habt ihr nicht. Er ist ein berühmter Schauspieler, der gerade erst anfängt, sich einen Namen zu machen, und du bist kurz davor, deine alten Ängste hinter dir zu lassen, um endlich anfangen können zu leben. Und das kostet dich mehr als nur einen gebrochenen Finger. Vielleicht ist es nicht die richtige Zeit gewesen, aber wenn es eines gibt, das weiß ich, dann, dass ihr euch beide sehr, sehr glücklich gemacht habt. Und darauf kommt es am Ende an. Nicht das, was letztlich passiert ist, sondern was ihr beide auseinander gemacht habt."

Seufzend lasse ich mich zurücksinken und lehne meine Wange gegen Bills Schulter. Er zieht mich behutsam an sich, sein Kinn gegen meine Stirn gedrückt. Natalies Worte liegen mir schwer im Magen. Schwerer als die Erinnerung an Bills Ehrlichkeit in unserer schicksalhaften Nacht. Er wird mich immer lieben, und ich frage mich, was wir auseinander machen, das uns so tief miteinander verbindet.

„Das zählt nicht mehr, Natalie", murmle ich leise und blicke meine beste Freundin mit einer Endgültigkeit an, die ihr sichtbar zusetzt, weil sie laut schlucken muss.

„W-warum nicht?", fragt sie fast schon beängstigt und legt ihren Becher auf den Tisch vor der Couch.

Ich sehe zu Bill hoch und wieder zurück zu ihr. Es ist das beste, wenn ich kein weiteres Geheimnis mehr zwischen uns stehen lasse. Die letzten Wochen habe ich sie schon vernachlässigt, jetzt ist es wichtig, ehrlich zu sein.

„Weil ich und Bill..." Ich kann diese erlösenden Worte nicht zu Ende bringen. Eine laute, auffordernde Frauenstimme unterbricht mich schlagartig.

„Es ist Zeit! Sie müssen nach draußen, Miss Soulshot! Die Leute warten auf Sie!"

Ein Strom jagt durch meinen Geist und bringt mich dazu, sofort aufzustehen. Ich nehme mir hastig den schwarzen Mantel mit der großen Kapuze vom Stuhl, schwinge ihn mir um, ehe ich zu der Frau ganz in Schwarz gekleidet und mit einem Headset um den braunen Pixie-Haarschnitt hinüber gehe. Bill folgt mir stumm, allerdings bleibt Natalie auf ihrem Platz und scheint nicht wirklich den Eindruck zu machen, mit nach draußen zu wollen.

Bill nimmt mich an die Hand, als ich mich zu meiner besten Freundin umdrehe.

„Kommst du nicht mit?", frage ich sie nervös.

Sie nimmt die Fernbedienung vom Tisch und schaltet den großen Flachbildschirm im Raum an. „Ich bleibe hier bei meinem VIP-Platz und verfolge das ganze lieber im Ruhigen." Sie ist noch nie der Freund von großen Menschenmengen gewesen, deshalb versuche ich ihr das nicht alles allzu übelzunehmen und lächle sie schief an. Es ist halb so gezwungen wie ich erhofft habe. Sie erwidert mein Lächeln mit einem Funken von Vertrauen und Aufmunterung, die mein Herz förmlich erwärmt und mein Lächeln mehr an Zwang nimmt. „Du wirst das schaffen, Emilia. Denk daran, warum du das tust. Das ist dein Leben", meint sie mit weicher Stimme und ihr Lächeln wird wärmer wie meine Brust, die erleichternd an Druck verliert, „ich glaube an dich und werde immer hinter dir stehen, egal, wofür du dich entscheidest."

Ich kann es nicht verhindern, zu ihr hinüberzugehen und sie noch einmal fest in meine Arme zu schließen. „Danke, Natalie. Du bist die beste Freundin, die ich mir wünschen kann!", flüstere ich ihr dankbar ins Ohr, „wir müssen unbedingt mal wieder auf eine Comic Con. Abgemacht?"

Sie kichert und presst mich so an sich, dass ich fühlen kann, wie sie mich zusammenhält. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, sie wieder um mich herum zu haben. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich sie doch in den letzten Tagen vermisst habe, und es ist jedes Mal aufs Neue ein berauschendes Gefühl von Glück, wenn wir trotzdem noch so offen und vertraut miteinander reden können, als wäre nie Stille zwischen uns eingekehrt. Sie ist tatsächlich die beste und verständnisvollste Freundin, die man haben kann. Eine Freundin, bei der ich mir hundertprozentig sicher sein kann, dass wir uns immer gegenseitig unterstützen werden.

„Abgemacht, Emilia. Und dann werden wir richtige Cosplays tragen!", erwidert sie und die Zuversicht in ihrer Stimme tut mir gut, gibt mir Kraft, von der ich bis jetzt nicht gewusst habe, dass sie mir gefehlt hat. Aber da habe ich noch nicht realisiert, wie beruhigend es ist, so eine gute Freundin an seiner Seite schätzen zu können.

„Ich hab dich so lieb." Damit löse ich mich von ihr, schenke ihr ein letztes Mal ein nervöses, aber tapferes Lächeln, dann schreite ich zurück an Bills Seite und lasse mich von seinem funkelnden Irrlicht durch die Tür in meine neue Welt führen.

„Viel Glück!", ruft uns noch Natalie noch nach, „und knutscht nicht immer hinter meinem Rücken! Ich bin zwar nicht die hellste, aber taub auch noch nicht!"

Ich und Bill werden gleichzeitig rot, als wir mit einem erwischten Grinsen aus dem Raum treten. Die Dame mit den kurzen Haaren führt uns durch einen langen Gang zu einem Aufzug, in dem wir gemeinsam einsteigen. Also hat es Natalie doch irgendwie mitbekommen. Ihr entgeht auch wirklich einfach nichts. So muss das wohl bei einer besten Freundin sein, und ich glaube, das ist eine Sache, an die ich mich wirklich gewöhnen kann.

„Tja, da hat man uns wohl ertappt", grinst Bill mit glühenden Wangen und umschließt mit seinen Fingern fest meine Hand. Ich blicke mit einem kecken Lächeln zu ihm hoch, stoppe bei den silbernen Schlangenanhänger um seinen Hals und spüre selbst, wie das eiserne Metall an meiner Haut von meinem verrückt schlagenden Herzen erhitzt wird. Als würde das Silber mit mir verschmelzen wollen wie für gewöhnlich Bills Lippen mit meinen.

„Besser sie als dass es die Presse tut", entgegne ich dann mit trockenem Mund und hole angestrengt Luft, als der Aufzug anhält. Wir sind im untersten Stock angekommen. Bill merkt zwar mein Zögern, aber er nimmt mich an die Hand und führt mich so mit sich. Wir nähern uns immer mehr der gläsernen Drehtür, vor der sich bereits eine große Menschenmaße angesammelt hat. Wenn ich dort hinausgehe, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann gibt es nur mich, die Kameras – und der Anfang von einem neuen Leben.

Auf einmal fühle ich das weiche Innenfutter von Bills schwarzer Bikerjacke an meinem Gesicht und gehe irritiert einen Schritt zurück. Doch bevor ich erschrocken aufsehen und etwas sagen kann, haben sich schon seine großen Hände um mein Gesicht gelegt und stützen dieses behutsam hoch, sodass sich unsere Augen direkt treffen. Sein Blick ist seelentief und beruhigend wie ein berührungsloser Kuss auf mein klopfendes Herz.

„Ich werde dicht hinter dir stehen und dich nicht aus den Augen lassen. Das verspreche ich dir." Er spricht so sanft auf mich ein, als wäre ich ein scheues Tier, das man versucht, aus dem verborgenem Dickicht zu locken. Es hat einige vor ihm gegeben, die das vergeblich versucht, aber nur er scheint die wahre Schönheit in der Finsternis zu sehen und zu wissen, wie man mit so etwas Ungewöhnliches umzugehen hat. Er scheint sich sicher zu sein, dass das hier der richtige Schritt für mich ist. Zweifellos, das tut er. Und ich fange an, dasselbe zu glauben, halte mich an dem Licht seines Irrlichts fest.

Ich nicke und atme tief ein und aus, aber das mit Beruhigen funktioniert überhaupt nicht.

„Heute ist dein Tag – und du weißt, wenn dieser Tag vorüber sein wird, musst du dich nie wieder verstecken. Vor keinem mehr."

„Das klingt schön", lächle ich schwach und schaffe es, genügend Kraft zu finden, um meinen Kopf anzuheben. „Sehr schön sogar. Wie ein Traum."

Er beugt sich zu mir vor und drückt seine Lippen gegen meine Stirn. „Das wird bald kein Traum mehr sein, sondern dein Leben. Das Leben, das du dir selbst gestaltet hast."

Auf einmal überkommt mich eine Sehnsucht, sodass ich meine Arme um seinen Hals lege und ihn an mich ziehe. „Hör auf solche wunderbaren Worte zu sagen und küss mich für ein letztes Mal, bevor ich hinausgehen werde."

Das lässt er sich nicht zweimal sagen und küsst mich, während er seinen Finger unter mein Kinn legt. Ein knapper, aber mutmachender Kuss, in den ich glücklich hineinlächle. Ein Vorgeschmack auf das Leben, das mich draußen erwarten wird. Und ich will dieses Leben. Unbedingt.

Also löse ich mich entschlossen von ihm, widme ihm ein Lächeln von purem Herzen aus, dann schreite ich an ihm vorbei. Hinaus in die wartende Menschenmasse.

Ich setze die Kapuze noch nicht auf, quetsche mich durch sie wie ein normaler Besucher dieser Veranstaltung und kein zorniger Blick anderer kann mich aufhalten. Ich steuere zielstrebig auf die Bühne mitten in der Menschenmenge zu und lasse den Blick hin und her wandern. Ich schnappe laut nach Luft. Auf den großen Bildschirmen am Piccadilly Circus sieht man die leerstehende Fläche der Bühne und einige ungeduldige Gesichter. Überall sind Kameras und Journalisten, die die wartenden Menschen befragen und filmen. Ich kann es nicht fassen. Sie sind alle meinetwegen gekommen. Ansonsten kenne ich solche Menschenmassen nur, wenn mein Bruder bei einer Veranstaltung angekündigt wird und sich alle um seine Aufmerksamkeit reißen. Hier weiß noch keiner, warum ich tatsächlich zur Bühne gehe.

Höflich entschuldige ich mich bei einigen, die ich anremple, aber ich bin so nervös, dass ich ihnen nicht in das Gesicht sehen kann. Ab und zu kann ich Bills Finger fühlen, wie sie über meine Hand streifen und mir versichern, dass er immer noch bei mir ist. Und plötzlich kriecht sich der magenverziehende Gedanken in meinem Kopf, dass das jemand anderes hätte sein können. Es hätte Tom sein können, der mir nun zur Bühne folgt, mir seine Nähe ständig fühlen lässt, weil er sehen kann, wie mich das alles furchtbar aufgeregt macht. Er hätte meine Unterstützung sein können, mein Halt und Licht. Ich habe das Gefühl, fast zu zerreißen.

„Emilia?" Erschrocken sehe ich zur Seite, als jemand meinen Namen nennt. Mein Herzschlag wird rasend. Alles beginnt sich zu drehen. „Gott sei Dank, du bist es!" Harrison. Es ist Harrison. Harrison ist hier. Er kommt in einem schwarzen Mantel auf mich zu, sein Gesicht ist eigenartig blass und weist tiefsitzende Zeichen von schlaflosen Nächten auf. Seine blauen Augen tragen keinen Glanz in sich. Ich habe ein mulmiges Gefühl, als ich die Schatten unter seinen Augen erkenne. Das sind mehr als nur schlaflose Nächte. Da ist auch Trauer. Schmerzhafte Trauer. „Ich habe gehofft, dich hier anzutreffen!", sagt er überglücklich und es scheint sein erstes Lächeln nach Langem zu sein, weil ich sehen kann, wie seine Augen ermattet flackern.

„Harrison... ich", fange ich zu stottern an und Bills Hand schlingt sich um mein Handgelenk, hilft mir dabei, nicht zu zerfallen, weil es sich so anfühlt, als würde sich gerade eine alte Wunde in mir aufreißen. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für ein Wiedersehen. Es ist besser, wenn wir so tun, als kennen wir uns nicht." Es macht den Schmerz in meiner Brust nicht erträglicher, aber es erleichtert mir den Schritt, mich von ihm wegzudrehen und weiter zu laufen.

Aber ich habe nicht erwartet, dass er derartig mutig ist und mir hinterher geht, um mich an der Schulter zurückzuhalten.

„Nein, das ist es nicht!" Er schreit beinahe und daran erkenne ich erst, wie verzweifelt er mich ansieht. So, als wäre ich die letzte Hoffnung, bevor er einen Abgrund hinunterfallen wird. „Tom... Er... Er ist verschwunden. Einfach so. Ohne uns etwas zu sagen. Und keiner weiß, wohin oder ob ihn etwas zu gestoßen ist."

„Was?" Meine Worte sind nur ein Flüstern.

„Emilia, bitte", fleht er den Tränen nahe, „du bist die einzige, die wissen kann, wo er sich aufhält. Das mit euch... Es hat ihm alles bedeutet. Du hast ihm alles bedeutet. Ich habe ihn noch nie so glücklich gesehen wie an deiner Seite. Glaub mir, er hat dir nie das Herz brechen wollen. Er hatte nur solche Angst um dich."

Mein Herz scheint gerade auf Neuem zu zerbrechen, während mich Bill am Arm auf den schwankenden Beinen halten muss. „Angst? Warum?"

Nun verliert sein Gesicht den Rest seiner Farbe. „Wegen dem Totenschreiber. Er hatte diese verrückte Vermutung, dass du sein nächstes Opfer sein wirst."

Bill muss mich mit beiden Armen festhalten, als ich plötzlich das Gleichgewicht verliere. Er schiebt mich zu sich und sein Zittern verrät mir, dass er sie wieder spürt. Die Furcht, mich wieder loslassen zu müssen. Endgültig dieses Mal.

„Emilia, beruhig dich", versucht er auf mich einzureden, aber seine Stimme ist zu rau und zu leise, um durch meine dröhnenden Ohren durchzudringen. Die Furcht macht ihn schwach. Ein allzeit bekannter Nebeneffekt der Liebe.

„Nein", sage ich keuchend und bemühe mich darum, wieder selbstständig stehen zu können. Ich schaffe es etwas, doch Bill muss mich immer noch festhalten. So ganz ohne Hilfe geht es nicht. Dann schaue ich Harrison an und beiße mir fest in die Unterlippe. „Ich bin nicht sein nächstes Opfer. Es ist ... Tom." Das auszusprechen bereitet mir furchtbare Kopfschmerzen. „Der Totenschreiber weiß, dass ich alles dafür tun werde, um ihn zu retten. Ich..."

Eine laute Stimme wie aus mehreren Lautsprechen lässt meine letzten Worte verstummen.

„Gleich ist es soweit! Die große E.H. Soulshot wird uns ihr Gesicht zeigen und damit den größten Liebesbeweis an ihre Fans überreichen!", ruft etwas wie ein Moderator. Ich kann auf dem Bildschirm einen unbekannten Mann im grauen Anzug erkennen, der in ein Mikrofon spricht. Aber kaum habe ich ihn gesehen, verschwindet er von der Bühne. Die Menge applaudiert und der Boden vibriert unter uns.

Schlagartig erinnere ich mich daran, warum ich das hier auch tun will. Ich will den Totenschreiber ausschalten. Sein Schauerspiel muss endlich ein Ende finden. Er darf Tom nicht wehtun. Das werde ich nicht zulassen.

Niemand darf meinem wunderbewirkenden Sonnenjungen etwas antun.

„Emilia!" Bill stolpert mir überrascht nach, als ich auf die Bühne zu laufe. Meine Schritte sind schneller als vorher, entschlossener und wütender. „Du musst das nicht tun, wenn du es gerade nicht kannst. Ich kann das verstehen. Deine Fans werden es auch verstehen", redet er sanft auf mich ein, als er mich eingeholt hat, was bei seinen langen Beinen eine Dauer von paar Sekunden entspricht.

„Ich kann nicht warten!", erkläre ich ihm bedacht und doch steigt mein Ton, „wenn ich es jetzt nicht tue, wann dann? Diese Chance habe ich nur einmal im Leben!"

„Gut." Unerwartet verschränkt er seine Finger mit meinen und lächelt mich verschmitzt und dennoch unwiderstehlich an. „Dann werde ich dir beistehen, Tokfia."

Er überrascht mich damit so, dass die nächsten Worte einfach aus mir heraussprudeln. „Ich werde Tom retten und den Totenschreiber ausschalten. Das soll der letzte Schachzug meines Verlangens werden. Und wenn all das Übel hier vorbei ist, werde ich loslassen können und diese wunderschöne, neue Welt erforschen, die sich mir anbietet. Mit dir an meiner Seite."

„Du wirst bei mir bleiben? Obwohl du Tom liebst?", flüstert er ungläubig und steigt mit mir die Stufen zur Bühne hinauf. Die Mitarbeiter sehen uns irritiert an, da sie mit einer verhüllten Frau in Kapuze gerechnet haben. Doch es gibt schon genug Drama in meinem Leben, das ich das nicht auch noch möchte. Allerdings scheinen sie sich trotzdem zu erkennen, wer ich wirklich bin, und lassen uns passieren.

„Ich liebe nicht nur ihn", gestehe ich, und dann umfängt mich grelles Bühnenlicht. Bill lässt meine Hand los, und es fällt ihm leichter als sonst, da er nun weiß, dass ich zu ihm zurückkehren werde. Meine letzten Schritte sind langsam, lautes Raunen geht durch die versammelte Menge, als ich auf das Mikrofon mitten auf der Bühne zu peile. Mein Atem geht rapid, mein Herz schlägt mittlerweile so stark, dass meine Brust wie benommen ist durch das Adrenalin vermischt mit stumpfem Schmerz. Ich schließe die Augen – und fühle mich augenblicklich frei. Alles löst sich von mir, das mich die letzten Jahren an meine Zweifel gekettet hat, und jetzt zerfallen sie schmetternd auseinander. Ich bin frei. Ich kann endlich ich sein, ohne mich weiter verstecken zu müssen. Was für ein unbeschreibliches Gefühl, für das es kein Wort zu beschreiben gibt.

Sie sehen es nun. Sie sehen E.H. Soulshot. Sie sehen mich.

„Du bist es", höre ich Harrisons Stimme murmeln und öffne die Augen, um den Blonden hinter der Bühne bei Bill stehen zusehen. „Du bist E.H. Soulshot."

Und plötzlich ist alles still.

So still, als hätte man die Lautstärke der Welt auf Null geschaltet.

Aber ich kann noch den Schlag meines eigenen Herzes hämmern hören und drehe mich verwirrt zurück zur Menge. Bloß damit ich das Grauen mit eigenen Augen erblicken kann. Auf den großen Bildschirmen sieht man keine Großaufnahme mehr von mir. Sie ist erloschen, und ich wünsche mir in dem Moment, das ginge auch mit meinem Herzen so einfach.

Es ist wie in einem Horrorfilm.

Eine Person ist in einem schwach belichteten Raum an einem Stuhl gefesselt. Braunes, lockiges Haar fällt über das Gesicht, macht es kaum erkennbar, aber ich brauche es nicht vollständig zu sehen, um zu wissen, um wen es sich handelt. Oder dass meine Kopfschmerzen sich in mich bohren wie die gierigen Klauen des Verlangens.

„Du weißt, wer das ist, nicht wahr?", sagt eine unbekannte Frauenstimme und ein Schatten bewegt sich im Hintergrund, tretet in stolzen Schritten in das Licht. Die Menge schreit vor Schock auf, als die Frau den erschöpften Jungen an den Haaren packt und seinen Kopf gewaltsam anhebt. Er stöhnt schmerzverzerrt auf, öffnet langsam die Lider – und da sind die unvergleichbaren Augen einer Sonne. Eines Sonnenjungen. „Wie alle Darsteller ist er im echten Leben nichts mehr als nur ein schwacher Mensch", setzt die Stimme fort, lässt desinteressiert seinen Kopf los, sodass er wieder kraftlos Richtung Boden sinkt.

Ich versuche diesen herzzerreißenden Anblick auszublenden, konzentriere mich stärker auf die unbekannte Frau, die um den Jungen läuft und auf die Kamera zu. Sie ist diejenige von uns beiden, die ihr Gesicht unter einer Kapuze verbergt.

Sie ist der Totenschreiber.

~*~

Und auf diesem Schock folgt eine Geschichte aus meinem Leben (YAY!)

Ich bin gar nicht dazu gekommen, zu erzählen, dass ich im Oktober einen Kurztrip nach London gewonnen habe. Zu der Weltpremiere vom Queen-Film „Bohemian Rhapsody." Allein das ist schon unglaublich und unvergesslich gewesen(Und der Film ist SO toll, ihr müsst ihn unbedingt ansehen, wenn ihr noch nicht gesehen habt. Dieser Film ist es wert, ins Kino zu gehen, weil nur da kommt er am besten herüber!) Für mich ist es natürlich ein unvergessliches Ereignis gewesen, denn Queen hat nicht nur eine große Bedeutung für meine Mutter(die ich als Begleitung mitgenommen habe <3), auch für mich und wie ihr erkannt habt, haben sie mit ihren Liedern auch einen kleinen Auftritt in der FF. Ich habe jetzt nicht nur Brian May und Roger Taylor, Mitglieder der Band live gesehen und dieselbe Luft mit denen geatmet und den gleichen Raum geteilt, sondern auch mit den talentierten Schauspielern und weiteren Sternchen.

UND darunter war auch Harrison. Kein Scherz. Er saß vielleicht ein paar Reihen weiter weg von mir, aber ich habe ihn sofort erkannt, als er dort in seiner gelben Jacke herumgelaufen ist. Ich war völlig aus dem Häuschen. Aber ich habe ihn nicht angesprochen, da es erstens, eine private Veranstaltung gewesen ist(ausgenommen vom roten Teppich, über den ich auch gelaufen bin xD), und zweitens, er nicht den Anschein gemacht hat, als würde er erkennt werden wollen.

Aber es war SO toll!

Und damit wünsche ich euch allen einen tollen Wochenstart! 

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