the battle that I'm the only soldier of.
Ich habe nicht erwartet, dass ich das Kapitel noch am Montag fertig schaffe, aber siehe da: Ich hab's geschafft! (Aber vielleicht liegt es auch daran, weil ich die letzte Nacht bis 4 Uhr morgens geschrieben habe. Ups. Aber ich habe das schon lange nicht mehr getan.)
Das letzte Kapitel hat euch wohl einige Nerven gekostet, aber wartet ab, was in diesem folgt. Es ist etwas hart, weil wir uns in Emilias Inneres wagen. Aber das ist zu schaffen. Es ist nicht so schlimm. :p
Ein fettes Dankeschön an leila-ni. Und an alle, die immer noch dabei sind oder neu dazu gestoßen sind!
Viel Spaß mit dem neuem Kapitel <3
Sternige Grüße,
Sternendurst
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the battle that I'm the only soldier of.
Ich starre auf die Schlange in Silber, die immer auf Dr. Habichts Pult steht. Sie beißt sich in den eigenen Schwanz und erinnert mich an einen Kreis. Ein Kreis hat keinen Anfang und auch kein Ende. Ein Kreis ist unendlich. Die beißende Schlange ist alles in einem: Anfang, Ende und Unendlichkeit. Ich frage mich, warum sich der Psychologe für dieses Tier entschieden hat, was er genau damit ausdrücken will. Sie passt nicht wirklich zu den alten Gemälden von Feldern und Wäldern seines schlichten Büros. Aber wenn ich auf die goldenen Felder blicke oder in den dichten Tannenwäldern, kommt es mir so vor, als wären auch sie endlos. Als wäre alles endlos.
Wir Menschen bestehen aus Materie und Materie verschwindet nicht einfach. Es bleibt immer etwas von ihr zurück. Vielleicht ist es unsere Seele. Oder das, was wir in den Genen unserer Kinder hinterlassen. Vielleicht sind es auch die Erinnerungen an uns, die andere in ihren Herzen weiter mit sich tragen. Sowohl gute als auch schlechte. Vielleicht ist es nicht die Materie, die uns endlos macht. Vielleicht sind es die Personen, die uns lieben, die uns tatsächlich endlos machen. Sie und das Erinnern.
„Wenn Sie an Ihren Bruder denken, was sticht da Ihnen als Erstes in den Kopf?" Dr. Habicht mustert mich mit seinen blauen Augen und drückt den Knopf seines Kugelschreibers hinunter, damit die Miene hinausgedrückt wird. Er ist bereit, wieder meine belanglosen Antworten aufzuschreiben. Es wundert mich, dass er noch nicht aufgegeben hat. Aber wahrscheinlich ist er ein ziemlich ehrgeiziger Mensch und kann es kaum erwarten, mich hinter Gitter zu bringen.
„An Halt", antworte ich ehrlich und schaue direkt in das durchdringende Augenpaar der Schlange. Wenigstens wird sie all das, was ich sage, nicht gegen mich verwenden. Sie wird meine ganzen Geheimnisse in ihrer metallischen Hülle aufbewahren, als wären sie ein alter und antiker Schatz. Und es gibt kein Archäologe auf dieser Welt, der das Rätseln lösen könnte, um diesen Schatz zu entdecken. Selbst nicht Indiana Jones.
Dr. Habicht nickt und schreibt etwas auf. „Und wenn Sie an Ihre Mutter denken?"
Mittlerweile weiß ich, dass sie nicht meine leibliche Mutter ist. Aber das ändert nichts daran, wie ich für sie empfinde. Das Herz urteilt nicht nach albernden Zahlen auf einem Stück Papier.
„An Liebe und Unterstützung."
„Und wenn Sie an das Verlangen denken?" Diese Frage spricht er ruhig aus, ganz langsam.
Nun sehe ich ihn an. „Ein Albtraum."
Er legt den Stift zur Seite und lehnt sich nach hinten. Etwas in seinem Blick verrät mir, dass die heutige Stunde erst jetzt anfängt, als wäre die Fragen davor nur ein Warm-Up gewesen.
„Ich habe mir etwas überlegt, Emilia", sagt er bedacht und der Ton in seiner Stimme ist ungewöhnlich. Wie ein Schwanken. Aber ich kann mir das bei ihm nicht vorstellen. Er weiß, was er tut. Er darf keine Zweifel haben, schließlich hat er einen Doktortitel und einige Auszeichnungen an seiner Wand hängen. Meine Mutter hat ihn nicht grundlos ausgesucht. Dr. Habicht soll angeblich der beste Psychologe Londons sein, doch ich bin davon noch nicht überzeugt worden. Immerhin hat er mich noch nicht geheilt – und ich weiß auch nicht, ob ich geheilt werden kann. „Wir werden in der heutigen Sitzung versuchen, mit dem Verlangen zu sprechen."
„Wie?", frage ich ihn mit schnellen Herzschlägen und weite die Augen. Er muss den Verstand verloren haben. Garantiert. „Sie wissen nicht, wozu das führt."
„Aber es ist der beste Weg, um herauszufinden, was es will", antwortet er und das Eisen in seinen stahlblauen Augen befestigt sich. Wie ein Schloss, das gerade verschlossen wird. Dr. Habicht will diesen Versuch tatsächlich wagen, ganz ahnungslos, was ihn erwarten wird. Ich kann es ihm auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass das Verlangen böse ist und Böses sollte man besser keine Beachtung schenken. Es könnte einen so schnell in sich verschlingen, ohne dass man es mitbekommt. Und dann ist man verloren. Sowie ich.
„Das ist wahnsinnig", murmle ich und mein Hals schnürt sich zusammen, wenn ich die Entschlossenheit in seinem Blick begegne. Mir wird schlecht, während ich realisiere, dass es keinen Ausweg gibt. Ich könnte Dr. Habicht die dunkelsten und lüsternesten Gedanken des Verlangens erzählen, er würde nicht zurückschrecken. Offenbar hat er genug von mir, und ich glaube, ein Therapeut sollte sich nicht reizen lassen. Oder von jemand genug haben. Das führt zu nichts Gutem.
„Wenn du geheilt werden willst, müssen wir mit dem Verlangen sprechen, Emilia", spricht er auf mich ein und in seiner Stimme ist keine Ruhe. Es ist bloß ein jämmerlicher Versuch, mich daran zu hindern, zu gehen. Er duzt mich, was mir zu verstehen gibt, dass er es nun auf der persönlichen Lage versucht. Dann legt er einen Schlüssel auf das Pult und sieht mich mit festem Blick an. „Ich habe abgeschlossen. Für den Fall, dass du flüchten willst."
Ich bringe kein Wort heraus.
Er versteckt den Schlüssel wieder in eine Schublade und steht auf. „Also, du musst jetzt die Augen schließen und mir gut zuhören, okay?"
„Ich..."
„Du willst doch, dass es verschwindet, oder nicht?"
Meine Lippen pressen sich fest zusammen. Er hat mich, und ich hasse es, nachzugeben, weil sowie er weiß ich, dass er das beabsichtigt hat. Ein Psychologe kennt dein Problem und deinen tiefsten Wunsch – und Dr. Habicht weiß, was ich mir so sehr wünsche, dass ich alles versuchen würde, um ihn erfüllt zu bekommen. Und nun verwendet er all das gegen mich, was ich ihm anvertraut habe. Wie ein guter Freund, der dir in den Rücken fällt.
„Dann schließ' die Augen, Emilia. Es wird dir nichts passieren. Du hast die Macht darüber", sagt er und lehnt sich direkt vor mir gegen das Pult. Seine Händen halten sich am Holz fest, seine Knöchel sind weiß vor Anspannung. Er ist nervös und seine Augen sehen in meine. Ein auffordernder und durchbohrender Blick, als erhofft er sich, dass das Verlangen wie ein kleines Kind aus seinem Versteck kommt und sich fröhlich mit ihm unterhält. Aber das Verlangen ist kein kleines Kind. Es ist ein Monster, ein gefährlicher und brutaler Geist. „Wovor fürchtest du dich, hm?" Er provoziert.
„Na, raten Sie mal", entgegne ich ihm und blicke ihn kalt an, „Sie kennen das Verlangen. Wieso also wollen Sie mit ihm reden?"
Er schmunzelt, und es ist dreckig und falsch. „Weil du dich von es lenken lässt, Emilia. Und selbst nicht unterscheiden kannst, ob das gerade du bist oder das Verlangen. Es ist eine zweite Gesichtshälfte. Ein zweites Ich. Und ich will es kennenlernen."
Ich werde mich nicht von ihm kleinmachen lassen. Nicht von diesem dummen Psychologen. „Da werden Sie aber eine tödliche Bekanntschaft machen."
„Das werde ich ja sehen", lächelt er einfach und schiebt sich die Brille zurecht, „also, Emilia, du musst mich nicht davor beschützen. Ich habe keine Bedeutung für dich. Ich bin bloß ein Mann, der dir dummes Zeugs zu redet. Wenn wir das heute schaffen, wirst du mich nicht mehr wöchentlich sehen müssen. Du könntest mich los sein – und auch dein Verlangen. Zwei Fliegen mit einer Klatsche. Ist das nicht gut?"
Einen Moment lasse ich diese Worte auf mich wirken, und da habe ich schon zu viel Zucker von der süßen Vorstellung gekostet, nie mehr wieder in dieses Zimmer gehen zu müssen, nie mehr wieder mich verstecken zu müssen, dass ich kurzerhand die Augen schließe. Ich will, dass dieser lebendiger Albtraum endlich aufhört. Ich will nicht weiter das Sorgenkind der Familie sein. Nicht länger das kleine Mädchen, auf das man aufpassen muss, weil es könnte ja jemand umbringen. Aber ich kann niemand umbringen. Das weiß jeder, und trotzdem behandeln sie mich wie eine tickende Zeitbombe, die explodiert, sobald man sie aus den Augen lässt. Doch das ist Übertreibung. Sie alle lassen sich zu sehr von ihren Sorgen und Ängsten beeinflussen als von ihrem Herzen. Ich weiß noch nicht mal, ob sie mir nur sagen, dass sie mich lieben, damit ich sie nicht umbringe. Und dieser Gedanke tut jedes Mal aufs Neues weh. Es ist eine Wunde, die immer aufreißt. Unkontrolliert und tief.
Ich will endlich, dass solche Gedanken keine Wurzeln mehr in mich schlagen können. Ich will endlich davon befreit sein. Ich will endlich ein normales Leben führen können, ohne in meinen eigenen vier Wänden eingeschlossen zu sein wie ein bereits gefasster Mörder. Ich habe es satt, mich vor dieser Welt verstecken zu müssen. Ich will auf die Straße gehen, irgendwelche Leute kennenlernen und nicht mit dem Gedanken spielen müssen, sie irgendwann töten zu können.
Und ich will meiner Familie die Sorge nehmen, dass sie mich eines Tages nur noch zu bestimmten Zeiten sehen können. Besser gesagt zu den Besucherzeiten eines Gefängnis. Und ich will an der Seite meines Bruders stehen können, mit Stolz und einem echten Lächeln, und ich will, dass er der ganzen Welt verkündigt, dass ich seine kleine Schwester bin und nicht irgendwer anders.
Ich bin eine Hiddleston und keine verdammte Mörderin.
„Konzentrier' dich auf deine dunklen Gedanken", sagt Dr. Habicht. Nun spricht er wieder kontrollierter, und das Echo seiner Worte dringt in meinem Kopf ein. Ich lasse sie in mich gehen und versuche das, was er mir rät zu tun. „Lock' das Verlangen an. Denk daran, wie du mich umbringen kannst. Lass es Blut riechen."
Es wäre eine Leichtigkeit, ihn wirklich umzubringen. Er könnte mir nicht entkommen. Niemand könnte ihn hören. Es wären nur ich, das Verlangen und sein letzter Herzschlag. Ich würde die Schlange nehmen. Mehrmals auf seinen Kopf aufschlagen, bis die harte Schale dessen aufknackt wie eine Kokosnuss. Blut. Überall wäre Blut. Der schöne Teppichboden wäre rot. Meine Lieblingsfarbe. Und ich würde mit seinem Blut schreiben. Ein schönes Gedicht. Ein Totes-Gedicht. Gewidmet an ihn. Er würde es nicht lesen können, aber es würde etwas von ihm beinhalten. Ein Übrigbleibsel, das nicht Materie oder Erinnerung ist. Es würde sich tief in das Mark seiner geliebten Menschen brennen. Und auch in den Köpfen der Polizisten, die diesen Tatort untersuchen würden. Es wäre ein Albtraum, der sie ständig heimsuchen würde. Wie ein Geist. Wie mein Verlangen.
„Und nun... öffne dich ihm. Lass es durchdringen." Er ist verrückt. Eindeutig. Aber ich mache es.
Ich lasse die Mauer um mich fallen und das Monster mit den Krallen dahinter eintreten. Es ist vor mir. Seine grüne, flackernden Augen erinnern mich an meine, aber es ist nicht ich. Es ist ein riesiger Schatten, mit langen, scharfen Krallen wie Speere und einem unerkennbaren Körper. Er ist eins mit der Finsternis und die Finsternis ist sein bester Freund. Mir ist kalt und warm, und ich habe schreckliche Kopfschmerzen, als würde jemand mit einem Hammer dauernd gegen meinen Schädel hauen. Das Monster bewegt sich auf mich zu, und ich weiche nicht zurück. Ich habe keine Angst, weil mich Dr. Habicht zurückholen wird, sobald es versucht, die Oberhand zu gewinnen. Mein Psychologe kennt den Ausweg dafür. Bestimmt.
Es beugt sich zu mir hin, und es fühlt sich so an, als würde sich Frost auf meiner Haut nisten. Kälte sticht in mich. Mein Herzschlag wird lauter und schneller. Schneller und lauter, als würde es wegrennen, aber es kann nicht. Es ist fest in meiner Brust verankert.
„Was sagt es?" Dr. Habichts Stimme ist leiser als vorher, doch das Flüstern des grausamen Wesens wird lauter.
„Warum töten wir ihn nicht?"
„Es will sie töten", antworte ich ihm mit tauben Lippen, doch ich starre weiter in das glühende Waldaugenpaar. Als hätten sie mich an sich gekettet.
„Gut. Versuch' es zu fragen, woher es kommt, was es will..." Allmählich verstummt der Therapeut gänzlich. Zurück bleibt das Knistern und Knacken von brechendem Eis. Wie der Klang meiner Mauer, die das Monster mit seiner gigantischen Gestalt zertritt.
„Hat er nicht lange genug Schwachsinn geredet?"
„Ich..." Plötzlich bemerke ich es. Ich sinke. Direkt in den Grund unter mir. Kalte, spitze Finger greifen nach meinen Armen und Beinen und zerren mich hinunter wie Wurzeln, die mich versuchen, mit sich unter die Erde zu ziehen. Ich höre es überall. Das Verlangen. Es schreit nach Blut und zerbrechenden Knochen. Es will andere nach Hilfe winseln hören. Es will, dass andere es anbetteln, sie an Leben zu lassen, aber das wird es das nicht tun. Ihm gefällt es, andere schwach zu sehen. Das gibt ihm das Gefühl, allmächtig zu sein. „Dr. Habicht!", rufe ich verzweifelt und meine Beine krachen im selben Augenblick ein. Ein warmer Atem streicht über mein Gesicht, Gänsehaut verteilt sich über meinen ganzen Körper, und mein Puls kocht.
„Emilia!" Da ist wieder Dr. Habichts Stimme. Und sie klingt panisch und geschockt. Und irgendwie bereuend. „Gib dem Verlangen keine Macht über dich! Denk an deinen Bruder!"
Aber das alles ist seine Schuld. Hätte er mich nicht so um den Finger gewickelt, würden mich die Schatten nicht mit sich in die Tiefe ziehen.
„Genau, Emilia. Er hat das getan. Er tut das doch nur, um den anderen endlich beweisen zu können, dass du sie wirklich alle umgebracht hast."
Das Waldleuchten ist über mir. Es ist grell und feurig. Unglaublich fesselnd. Ich sehe in dem Grün Dr. Habichts stahlblaue Augen. Sie sind weit aufgerissen. Zucken und flunkern, als würde ihn langsam das Leben verlassen. Ich sehe eine dicke Platzwunde an seiner Stirn. Blut fließt aus dieser, als hätte man eine Tomate zerquetscht. Er sieht mich mit einer Mischung aus Angst und Panik an, und auf einmal ist er nicht mehr der ach so kontrollierte Therapeut, der mich hätte heilen können.
„Emilia, hör auf!", schreit er, und er greift nach seinem Kugelschreiber. Die Miene streift über meine Haut. Ich spüre es. Das Zittern seiner Hand, das hilflose Greifen nach Leben und Verstand, aber es ist wie ein Regentropfen von vielen, der über meinen Körper wandert. Ich blicke ihn an, vollkommen ausdruckslos, und mein Herz ist schwer. Das Monster bewegt sich, klingt wie ein Snurren einer Biene, und dann sind es seine Krallen, die meinem Gesicht entlang streifen. Sie sind warm, fast schon flüssig, und Dr. Habicht schreit mich stumm in seinen Augen an. Meine Hand nimmt ihm den Kugelschreiber aus der Hand, und irgendwo ertönt ein Schluchzen. Dann bricht Schmerz über mich ein. „Emilia! Hör bitte auf!" Dr. Habicht ist wieder da, und ich blinzle mehrmals, weil die Angst in seinem Stahlblau ist wie verflogen. Dort sind Sorgen. Flüssige Sorgen wie geschmolzenes Metall. „Lass das sein! Es ist alles gut!"
Ich sehe das Monster an und mein Herz poltert kräftig und mutig. „Du hast keine Macht über mich", sage ich bedrohlich und der Schmerz wird reißender. „Du bist nicht ich und das wirst du niemals sein. Du bist ein Monster, und Monster können besiegt werden. Man muss nur stark genug sein." Dr. Habichts Hände legen sich um meine Schultern und sein Blick erinnert mich an einen Vater. Ein besorgter Vater, der nicht weiß, ob er gerade dabei ist, sein geliebtes Kind zu verlieren. Ich wünsche mir, ich hätte einen Vater gehabt. Ein Vater, der mir mit seiner brummenden Stimme Gute-Nacht-Geschichten erzählt hätte und der mir immer heimlich zu gezwinkert hätte, hätte mir meine Mom etwas verboten, nur um mir zu sagen, dass er es mir nicht verbietet. Und einfach ein Vater, der da gewesen wäre, damit meine Geschwister weniger geweint hätten, weil sie vaterlos wären. Aber dann wären sie das nicht und wir alle wären eine glückliche Familie. Vielleicht hätte ich dann dieses Verlangen auch nicht.
„Ich werde dich besiegen", wiederhole ich mit klarer Stimme, und dann schreit das Monster auf. Der Kugelschreiber steckt in seiner schattigen Gestalt. Es zerfällt wie Sand, der durch ein Sieb fällt. Immer mehr und mehr. Und plötzlich bin ich wieder im Büro, direkt in Dr. Habichts Armen.
„Es tut mir so leid", murmelt er gegen mein Haar. „Ich hätte vernünftig denken sollen."
„Dr. Habicht?"
Er zuckt überrascht, ehe er mich etwas von sich schiebt, und sein blaues Hemd ist rot. Es klebt an mir und ihm, als würde es uns miteinander verbinden. „Du... Du bist wieder da", sagt er und lächelt schwach. „Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich müsste den Notarzt rufen."
Ich verziehe das Gesicht. „W-warum?"
„Weil..." Er nimmt mir den Kugelschreiber aus der rechten Hand. Er ist voller Blut. Meinem Blut. „Weil du versuchst hast, dich umzubringen."
Mein Blick wandert zu mir hinab, und mir wird bewusst, dass eine weiße Bluse nicht die perfekte Wahl für mein heutiges Outfit gewesen ist. Es ist genau dieselbe Katastrophe wie Dr. Habichts Hemd. „Ich... Ich habe es verdrängt", murmle ich fassungslos, und meine Augen wandern aufgeregt weiter. Sie stoppen bei meinem Arm. Ich hole überrascht Luft. Auf meiner Haut stehen Wörter. In Tinte.
„Bleib bitte hier. Ich werde meinen Autoschlüssel holen und dich ins Krankenhaus fahren. Auch wenn es keine tiefen Wunden sind, es ist besser, wenn sie von einem Fachmann behandelt werden." Er drückt mich in den Sessel und geht hastig zurück zu den Schubladen seines Pultes, um den Schlüssel zu holen.
„Dr. Habicht?", frage ich leise und blicke von den geschriebenen Wörter zu ihm hinauf.
Seine stahlblaue Augen sind weich und warm. Er wirkt ganz anders, als ich ihn eigentlich kenne. Als hätten die letzten Minuten etwas in ihm geändert.
„Ja, Emilia?"
„Sie können mich nicht heilen, oder?" Er öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, aber ich spreche weiter. „Nur ich kann das. Das ist mein Kampf."
Die Sänfte in seinem Blick ist erstickend. „Nein, das kann ich nicht, Emilia. Und..."
„Und?"
Er lächelt mich wieder an, und dieses Mal ist es weder falsch noch gemein. Es ist ehrlich, rein, und er wirkt irgendwie zufrieden. Ich kenne diesen Dr. Habicht nicht, und vielleicht kenne ich ihn nicht, weil ich ihn nie so sehen wollte. Er ist bloß einer von vielen gewesen, der in mir nur das Böse sieht. Und ich bin bloß jemand gewesen, der in ihm einen lästigen Therapeuten sieht. Vielleicht hätten wir beide mehr unseren Blick weiten sollen als ihn von Anfang in eine bestimmte Richtung zu halten. Vielleicht hätte ich dann früher bemerkt, dass Dr. Habicht nicht das Verlangen vertreiben kann. Nur ich kann es. Es ist mein Kampf, mein eigener Geist.
„Und du bist keine Mörderin. Es ist jemand anderes."
Ich blicke ihn mit großen Augen an. Hat er das gerade wirklich gesagt?
„Ich bin froh, dass ich das endlich weiß." Und dann verlässt er in eilenden Schritten den Raum.
Als er zurückkommt, antwortet er mir auf keine einzige Frage. Er hilft mir lediglich in sein Auto und ins Krankenhaus. Ich habe mehrere Einstichwunden wie der Nachbarsjunge damals. Aber sie sind nicht allzu schlimm. Sie werden heilen. Aber auf psychischer Weise werde ich das noch nicht. Noch lange nicht. Das wird noch ein langer und harter Kampf, doch ich werde nicht aufgeben. Mein Bestes versuchen, damit ich endlich richtig leben kann und nicht weiter dieses Versteckspiel halten muss. Irgendwann wird es langweilig, nur mich selbst suchen zu müssen.
Dr. Habicht hat mich noch gefragt, ob er meiner Familie Bescheid geben soll. Aber ich habe verneint. Ich habe zurück auf die Worte auf meiner Haut gesehen und ihr Anblick hat mich auf eine komische Art und Weise beruhigt. Als wären sie endlich das Mittel gegen Verstandslust und Ängste, wonach ich schon so lange gesucht habe. Ich weiß nicht, wie es sich angefühlt hat, sie auf meiner Haut zu schreiben, aber ich habe es herausfinden wollen. Und, als ich es endlich bei vollkommenen Verstand ausprobiert habe, habe ich festgestellt, dass sie mehr helfen als jede Stunde, die ich bei Dr. Habicht verbracht habe.
Ich habe es ihn die nächste Woche sagen wollen. Aber er ist nicht mehr da gewesen. Er hat seine Praxis geschlossen. Für wie lange ist dort nicht gestanden. Und eventuell hat er es nicht sagen können, weil er selbst nicht gewusst hat, wann er wieder zurückkommen wird. Mich hat nur ein paar Tage später ein Brief erreicht. Eine Bestätigung dafür, dass er meinem Entschluss – die Therapie, bei ihm zu beenden – nachvollziehen kann und diese Bitte akzeptieren wird. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört.
Oft habe ich mich dabei ertappt, wie ich an seiner Praxis vorbeilaufe und darauf hoffe, dass er wieder da ist. Aber irgendwann ist dort ein Zahnarzt eingezogen und Dr. Habicht ist verschwunden. Wohin und warum, das habe ich nie erfahren. Doch vielleicht hat er dasselbe realisiert wie ich.
Dass wir häufig nur mit einem Auge sehen, während wir eigentlich zwei Augen besitzen. Aber wir verwenden sie selten miteinander. Wir glauben stattdessen lieber dem, was nur das eine Auge sieht und verharren darauf. Doch es ist nie bewiesen worden, dass es schlecht ist, wenn man beide Augen öffnet und mit ihnen sieht. Mit beiden Augen zu sehen heißt, sich dem zu stellen, was Wirklichkeit ist. Und manchmal ist das Schlechte eigentlich gut und das Gute ist schlecht. Wir sind nur zu sehr besessen darauf, das richtige zu tun, dass wir gar nicht bemerken, wie wir uns selbst belügen.
Und ich hätte früher wissen müssen, dass mich kein Therapeut heilen kann. Oder mein Bruder. Ich kann das von keinem verlangen, vor allem nicht, weil es in meiner eigenen Verantwortung liegt, ob ich das Verlangen Macht gebe oder nicht. Es liegt ganz alleinig an mir, ob ich tatsächlich zur Mörderin werde oder endlich zu mir selber. Und ich will zu mir selber werden. So sehr.
Es ist wie mit dem Glücklichsein. Wir glauben, in der Liebe und Freundschaft kommt es darauf an, einander glücklich zu machen. Aber das ist egoistisch von uns. Niemand außer wir selbst können darüber entscheiden, ob wir glücklich sind oder nicht. Das Glück ist unsere eigene Verantwortung. Aber wir können sie miteinander teilen – und das ist das, was wirklich zählt. Dass wir nicht nur unsere schlechte Momente mit anderen teilen, sondern auch unseren guten. Wir alle sind so unterschiedlich und leben alle ein ganz anderes Leben, aber wenn wir anfangen, jemand zu lieben, dann entscheiden wir uns dafür, sie an diesem anderem Leben teilhaben zu lassen. Aber nicht, um sie glücklich zu machen. Wir tun es, weil es nicht schöneres gibt als das eigene Glück mit jemand anderem zu teilen, den man liebt.
Ich erinnere mich an einem Moment dieses Glückes.
Es ist dieser Moment gewesen, als ich meinem Bruder erzählt habe, dass ich einen Verlag gefunden habe, der meine Bücher veröffentlichen will. Ich bin glücklich gewesen, aber nicht, weil er mich glücklich gemacht hat, sondern weil ich etwas aus eigener Hand erreicht habe, und das hat mich letztlich glücklich gemacht. Und ich habe mich so selbst glücklich gemacht.
Mein Bruder sagte an diesem Tag: „Wenn wir Träume haben, dann dürfen wir sie nicht vergessen. Träume sind wie ein zweites Herz. Ohne Träume stirbt etwas in uns, und dann verlieren wir den Blick für das Verborgene. Wir glauben, dass diese Welt schrecklich und unfair ist. Aber das ist nicht richtig. In der Welt ist alles möglich. Wir dürfen nur nicht aufhören zu träumen. Und ich bin so froh, dass du das niemals getan hast, Rundbäckchen."
Ich vermisse diese Momente, wenn ich und mein Bruder unser Glück miteinandergeteilt haben. Irgendwann ist es nur noch Kummer gewesen, und da muss das Problem liegen. Wir haben vergessen, dass wir nicht von dem anderem erwarten können, dass er uns wieder glücklich macht. Und doch haben wir das angenommen, und das hat am Schluss dazu geführt, dass alles auseinanderbricht.
Wir haben angefangen, mit einem Auge zu sehen.
Aber ich öffne beide wieder, und alles ist klar und grau-blau.
Sowie seine Regenaugen.
Sie strahlen. Irgendwo.
Und ich werde dieses Irgendwo finden.
~*~*~
„Wir können Ihnen keine Informationen zu diesem Fall nennen", sagt der Polizist in schwarzer Uniform hinter der Theke zu mir und schenkt mir ein entschuldigendes Lächeln. Sein Englisch ist nicht schlecht, aber er könnte ruhig etwas motivierter bei der Arbeit klingen. Ich kann verstehen, dass es sehr öde sein kann, wenn sonst niemand außer ich auf das Revier kommt, aber es ist immer noch Arbeit.
„Ich verstehe", antworte ich knapp und wende mich wieder zum Gehen. Der junge Polizist mit den schwarzen, an den Seiten abrasierten Haaren blickt mir nach, doch ich habe keine Worte mehr zu sagen. Mir bleibt jetzt nichts anderes übrig, außer mich auf die Adresse zu verlassen, die Natalie hat für mich herausfinden können. Die Adresse von dem Haus, in dem vermutlich mein Vater wohnt.
Seit drei Tagen bin ich schon in Deutschland und habe mich immer noch nicht dorthin getraut. Es ist auch merkwürdig, wenn ich daran denke, dass ich nach all den Jahren meinen leiblichen Vater sehen werde. Und dass er durchaus ein brutaler Serienmörder ist. Allmählich kann ich verstehen, warum Tom so sehr darauf bestanden hat, mit mir zu kommen. Was ist, wenn ich das nächste Opfer des Totenschreibers werde? Ich sehe auf mein Handy, aber ich habe keine neuen Nachrichten halten. Selbst meine Familie schreibt mir seit einem Tag nicht mehr. Ich frage mich, ob ihnen Tom die Wahrheit erzählt hat und was sie nun über mich denken. Werde ich immer noch ihre kleine Schwester sein, wenn ich zurück nach London kehre? Oder werde ich sie bis dahin alle verloren habe? Daran will ich gar nicht denken und steige schnell in die Stuttgarter U-Bahn ein, die zurück zu meinem Hotel fährt.
Ich bin nur nach Deutschland gekommen, weil Natalie zu mir gemeint hat, dass nichts über die Abwesenheit von meinem Vater bekannt gewesen ist. Er ist noch unter Beobachtung, also hätten sie es höchstwahrscheinlich mitbekommen, wenn er das Land verlassen hätte. Aber dann frage ich mich, wer die Morde in London verrichtet hat, wenn nicht er. Und, weil ich mich nicht vor der Wahrheit fürchte, habe ich diesen Weg eingeschlagen. Ohne die Wahrheit zu wissen kann ich nicht zurück zu meiner Familie gehen. Erst wenn ich weiß, wer der tatsächliche Mörder ist, kann ich meinem Bruder wiedersehen. Bis dahin muss ich mich zusammenreißen. Mich an Tom festhalten. Auch wenn er nicht gerade bei mir sein kann. Die Dreharbeiten zum neuem Spider-Man werden fortgesetzt und damit hat er nicht viel Zeit.
Und ich habe ihn nicht mitnehmen können, ohne mich wie eine Blockade in seiner Karriere zu fühlen. Ich möchte nicht, dass er meinetwegen etwas vernachlässigt, das ihm so viel bedeutet. Das wäre nicht richtig. Natürlich wäre es leichter und eindeutig schöner gewesen, wäre er jetzt bei mir – aber ich muss das alleine schaffen. Und solange wir uns jeden Abend schreiben und er mich wissen lässt, wie sehr er sein außergewöhnliches Feathergirl vermisst, solange kann ich diese quälende Distanz unserer Herzen ertragen. Weil auch ich vermisse meinen wunderbewirkenden Sonnenjunge und kann es kaum erwarten, wieder bei ihm sein zu können. In seinen Armen. In meinem Zuhause.
Mitten in der U-Bahn bekomme ich eine neue Nachricht. Von ihm.
„Zeit für Facetime heute Abend? Ich muss doch mein Feathergirl sehen, bevor es morgen seinen großen Tag hat!
PS: Ich vermisse dich. So sehr.
PS: PS: Harry hat sich an deinen Erdnussbutterpancakes versucht. Wir brauchen eine neue Pfanne.
PS:PS:PS: Spar dir die ersten drei Tage für mich ein, wenn du wieder in London bist. Ich werde dich nicht so schnell wieder gehenlassen. Warum? Weil ich total in dich verliebt bin, Emi. (Und vielleicht werden es mehr als drei Tage, aber das macht dir bestimmt nichts aus. Wir werden nämlich so viele Folgen von „Der Prinz von Bel-Air" anschauen wie du willst, und ich weiß, dass du da nicht widerstehen kannst.)"
Und noch eine Nachricht.
„Wir beide vermissen unser Sonnenlicht uuuuuuunheimlich!!"
Dazu folgt ein Bild. Von ihm und Tessa. Er zieht eine alberne Schnute und macht denselben, süßen Hundeblick wie Tessa. Seine Haare sind unordentlich, lockiger als sonst, und er trägt ein übergroßes Baseball-Shirt. Es wird sofort zu meinem neuem Hintergrund.
„Du weißt, als Engländer sollte man eigentlich daran gewöhnt sein, dass nicht immer die Sonne scheint", antworte ich mit einem dämlichen Grinsen auf den Lippen und gehe auf das kleine, weiße und doch recht gemütliche Hotel zu. Es ist schlicht und einfach, aber ich habe auch keinen Luxus gewollt. Ich bin nicht hier, um Urlaub zu machen. Ich bin hier, um die Wahrheit herauszufinden.
Plötzlich ruft mich Tom an. Offenbar sind die Dreharbeiten für heute erledigt. Ich lasse ihn keinen ungeduldigen Herzschlag lang warten.
„Wie kannst du so was sagen?", fragt er empört, und ich muss etwas kichern. Es ist so schön, wieder seine Stimme hören zu können und dabei das wohlige Gefühl im Bauch zu haben, als wäre er gerade bei mir. Hier in Deutschland. In meinem Hotelzimmer und den herumliegenden Klamotten, weil ich mich noch nicht entscheiden kann, was ich morgen anziehen soll. Ich will nicht zu overdressed erscheinen.
„Hallo, Tom", sage ich nur belustigt und lasse mich in das, schwarze Boxspringbett fallen. Der Raum ist in dunklen und metallischen Tönen gehalten, um allem den Flair von Edel und Luxus zu verleihen. Genau das Gegenteil von den Äußerlichkeiten. Der Boden ist aus Stein, die Wände sind graue Backsteine und mehrere Lichter in Kreisform erhellen den Raum. Ich starre zur Decke und betrachte die darauf gemalten Kurven in Gold. Es sind keine genauen Wörter, nur wilde Strukturen. Sie erinnern mich an das Chaos in mir. Keine Struktur, bloß ein unübersichtliches Durcheinander.
Ich höre das süße und vertraute Geräusch, wie er seine Lippen zu einem Grinsen verzieht. Zu diesem atemberaubenden Grinsen, das ich unheimlich gern sehen würde. „Hallo, Emilia." Seine Stimme ist honigrau und Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen. „Wie ist Deutschland? Schon ein paar ... wie heißt das, was du so gerne magst?"
„Käsespätzle." Meine Mundwinkel werden später bestimmt wehtun, weil ich nicht aufhören kann zu grinsen. „Ich habe tatsächlich welche probiert, und ich muss sagen, sie sind so gut! Man hat mir sogar einen Geheimtipp anvertraut. Wenn ich wieder zurück bin, werde ich sie auf jeden Fall nochmal koche. Vielleicht schmecken sie dann genauso gut. Ansonsten..." Ich strecke die Hand nach den Strukturen aus, fahre ihre Linien in der Luft nach, und es ist ermüdend, dass es nicht so leicht kann, diesen Knoten in mir zu lösen. „Sie haben mir nichts zu den Fällen vom Totenschreiber verraten können. Es ist sozusagen streng geheim, also..." Ein langer Seufzer entgleitet mir in dieser Pause, und mein Lächeln ist schneller verschwunden als ich gedacht habe. „Also werde ich morgen zu der Adresse hingehen, die mir Natalie zu geschickt hat. Und hoffen, dass er tatsächlich da ist."
„Wenn die deutsche Polizei sich sicher ist, dass er nicht das Land verlassen hat, dann muss er dort sein", meint Tom und die Ruhe in seiner Stimme macht mein Herz etwas leichter. Er ist der einzige, der noch nicht daran gedacht hat, dass ich eventuell doch der neue Totenschreiber sein kann. Natalie hat bei unserem letzten Gespräch so eine Andeutung gemacht. Etwa so: „Wenn es aber nicht dein Vater gewesen ist, dann gibt es nur eine Person in London, die ihn noch kennt. Und mit ihm in Verbindung steht." Sie hat mir nicht sagen können, dass sie damit mich meint, und ich verstehe auch warum. Niemand will seiner besten Freundin gerne gestehen, dass man an ihrer Unschuld verzweifelt. Ich weiß nicht mal, ob ich es nicht auch tue.
Was ist, wenn sie alle richtig liegen? Wenn es das Verlangen irgendwie geschafft hat, eine Lücke in meiner Mauer zu finden?
„Hey, Emi..." Mein Schweigen verrät ihm, dass ich nachdenke, und ich will nicht, dass dieses Gespräch eines von diesen wird, welches nur von Unschuld und nicht Unschuld handelt. Schließlich ist es der einzige Weg, um seine Stimme zu hören; um mich meinem Zuhause näher zu fühlen, auch wenn uns ganze Kontinente voneinander trennen. Das will ich mir nicht nehmen lassen.
„Wie ist dein Tag so gewesen, Tom? Machen die Dreharbeiten Spaß?", frage ich deswegen, bevor ich auf das Kamerasymbol auf meinem Bildschirm drücke. Und dann sehe ich ihn. Sein hübsches Gesicht, das Glänzen seiner braunen Tiefen und dieses atemberaubende Grinsen, was mein Herzschlag sofort beschleunigt. Er hat ein paar dunkle Schatten unter den Augen und wirkt ein bisschen verschlafen, aber ich kann mir vorstellen, dass es anstrengend sein muss, ein Superheld zu spielen. Und dann noch Spider-Man, der von einer Wand zur anderen klettern muss oder sich von einem Gebäude zum anderen schwingt. Zwar ist Tom sportlich sehr aktiv und hat bestimmt ein hohes Maß an Ausdauer, doch auch so kann man an sein Limit kommen. Vor allem wenn man das jeden Tag machen muss.
„Der neue Teil wird unglaublich", fängt er an zu schwärmen und richtet sich dabei einige Strähnen, die sich auf seiner Stirn verirrt haben. Am liebsten hätte ich das übernommen. Seine softe Haut unter meinen Finger gefühlt, das Innehalten seines Atmens, wenn ich ihn so berühre und es ihn nervös macht, aber gleichzeitig auch entspannt. Wie Elektrizität, die sich zwischen unseren Berührungen und Herzen anspannt, und dann ein Knistern freilässt, das uns miteinander verbindet. Ich will einfach nur in dieser Geborgenheit seiner Nähe versinken und das beruhigende Gewissen haben, dass er bei mir ist, dass er nicht von meiner Seite weichen wird.
Ich vermisse es. Ich vermisse die Sicherheit seiner Nähe und wie er mich zusammenhält. Den Geruch von kalter Morgenluft und Männlichkeit, unsere tiefgründigen Gespräche über Lieblingsentscheidungen und gute Lieder und die Wärme unseres Zuhause. Ich vermisse so vieles. Und ganz besonders vermisse ich ihm im Gesamten. So sehr.
Er erzählt mir von bestimmten Szenen, ohne zu ahnen, dass er mich dabei spoilert. Aber ich sage es ihm nicht. Ich höre ihm nur zu, nicke ab und zu, damit er weiß, dass ich ihm aufmerksam zuhöre und versinke dabei in das warme Leuchten seiner braunen Tiefen. Er ist wie ein kleines Kind, das von einem neuem Abenteuer erzählt, und ich reise mit ihm zusammen nochmal dahin. Wir erleben es noch einmal. Gemeinsam. Und irgendwann starren wir uns einfach an, fest verankert in dem Blick des anderen, und unsere Herzen führen ihre gemeinsame Melodie auf. Wir sind im Labyrinth des anderen gefangen und wollen nicht weitergehen. Wir wollen dableiben, wo wir gerade sind. An dieser Grenze, die sich nach Zuhause und der Nähe des anderen anfühlt, und ich erkenne dasselbe in seinem schwermütigen Blick wie in meinem.
Sehnsucht nach dem anderem. Und sie tut allmählich weh, weil es einem bewusst wird. Die Unvollständigkeit ohne dem anderem. Das ist eine andere Art einer Leere. Eine, für die man selbst verantwortlich ist, weil in dem Augenblick, wo man sich dafür entscheidet, eine Person zu lieben, entscheidet man sich gleichzeitig dafür, sie ein Teil seines Herzen sein zu lassen. Und ohne dieser scheint alles träge und schwer.
„Ich vermisse dich, wunderbewirkende Sonnenjunge", spreche ich endlich die Worte aus, die mir so auf das Herz drücken, und Tom lächelt. Aber es erreicht seine Augen nicht.
„Ich dich auch, mein außergewöhnliches Feathergirl", erwidert er und seine Stimme klingt so, als fehle ein Teil ihres Klanges. Dieser Klang, was sie so honigrau und unbeschwert gemacht hat. „Ich könnte immer noch nach Deutschland kommen, das weißt du...Sie würden das bestimmt verstehen."
„Das will ich aber nicht", sage ich wehmütig und blicke die Reflektion meiner Selbst in seinen müden Tiefen an, „das ist ein wichtiger Teil deines Lebens, Tom. Spider-Man ist dein Traum, und es ist wichtig, dass wir unsere Träume leben."
Er verzieht das Gesicht, und ich werde diesen Ausdruck von Trauer nie in seinen braunen Tiefen mögen. „Du bist aber auch ein wichtiger Teil. Und du kannst nicht verleugnen, dass du mich gerade nicht brauchst..."
Ein schwerer Seufzer entgleitet aus meinem Mund. „Natürlich tue ich das. Aber, Tom, das ist mein Kampf. Das ist er schon immer gewesen."
„Ich weiß... allerdings hat niemand gesagt, dass du ihn alleine gehen musst." Seine Augen haben einen betrübten Schimmer, als er mir intensiver in meine blickt. Zumindest versucht er es durch den Bildschirm. „Ich will dich nur nicht verlieren. Das ist meine größte Angst. Und jetzt, wo wir gerade voneinander getrennt sind, wird diese Angst schlimmer, weil ich nicht weiß, was dir alles durch den Kopf geht. Oder ob du überhaupt wieder zurückkommen wirst."
Ich richte mich mit holprigen Herzen auf und ein sanftes Lächeln zieht sich auf meine Lippen. Toms Worte fühlen sich so an, als wäre er gerade bei mir und würde mich umarmen. Eine feste und sehnsüchtige Umarmung, die mich wieder einrenkt. „Ich werde nicht hier bleiben", sage ich ehrlich und aufmunternd und seine braune Tiefen funkeln wie beim Anblick des Sonnenaufgangs an, „schließlich bist du mein Zuhause, Tom. Und ich kehre dorthin immer zurück. Nur muss das hier sein. Wenn das erstmal vorbei ist und ich weiß, wer das meinem Bruder angetan hat, dann werde ich nicht so schnell wieder gehen. Dann bleibe ich bei dir – bis du mich irgendwann genug von mir hast."
„Ich werde niemals genug von dir haben, Emilia", gesteht er heiser, „und das heißt, du wirst immer bei mir bleiben müssen."
Das Lächeln in meinem Gesicht fühlt sich genauso leicht an wie mein Herz. „Oh. Ich glaube dagegen habe ich nichts einzuwenden."
Jetzt muss er wieder grinsen, und es ist schön und unbeschwert. Sowie er selbst. „Ich auch nicht."
Wir lächeln uns einfach an, wissend, dass wir uns bald wiedersehen werden. Und es nimmt unseren Ängsten weniger an Macht. Sie werden kleiner und unsere schlagenden Herzen lauter. Sie haben eine neue Melodie komponiert. Die Melodie der Sehnsucht. Ein warmes, ungeduldiges Poltern, das eifrig gegen das Gewebe stupst, und man kann es in dem Tempo der Schläge spüren. Ein Teil unseres Zuhause. Es ist dort. Immer. Und es wird es auch bleiben, solange wir uns nicht von den Labyrinthen abwenden.
„Erzähl mir etwas", fordert er mich dann auf und seine Tiefen strahlen vor Erwartung auf. So faszinierend und braun. Ein wahres Wunder.
Ich bin etwas überrumpelt und stehe auf, weil ich mich dazu entschieden habe, endlich das Outfit für morgen herauszusuchen. „Ich soll dir etwas erzählen?"
Er nickt, während er wachsam beobachtet, wie ich den Haufen von Kleidung durchwühle. „Welches Lied hörst du gerade am meisten?"
Einen Moment denke ich nach. „Animal von Troye Sivan. Es ist ganz neu. Und ich habe mich sofort darin verliebt."
Kaum habe ich die ersten Kleidungsschichten in den großen, geräumigen Schrank gepackt, ertönen die erste Töne des genannten Songs. Ich kann nicht anders außer zu grinsen.
„Und wenn du es hörst, woran denkst du?", fragt er gespannt nach.
Ich sehe direkt in sein Gesicht. „An dich. Ich denke andauernd an dich. Und das gibt mir Kraft, weiterzumachen."
Er lächelt zufrieden und setzt sich nun selbst auf. Tessa kommt auf einmal in das Bild, schnüffelt an seinem Handy, und er lacht auf. Und ich lache mit ihm, weil ich will mir diese Möglichkeit nicht entgegen lassen, gemeinsam mit ihm lachen zu können. „Hey, Tessa! Ich weiß, dass du gerade eifersüchtig bist, aber du musst verstehen, dass mein zweites Lieblingsmädchen nicht bei mir sein kann."
„Dein zweites Lieblingsmädchen?" Er kann nicht sehen, wie ich versuche, fragend die Augenbraue hochzuheben, aber weil ich das nie gekonnt habe, gebe ich schnell auf. Mit einer Hand trage ich meine Auswahl für Morgen auf das Bett und dann stelle ich mein Handy so auf den Nachttisch, dass Tom den perfekten Blick zu mir und den Kleidungsstapel hat.
Er schiebt Tessa aus der Sicht, und die blaue Hündin legt sich neben ihm, den Kopf auf seinem Schoß. „Du kennst die Wahrheit", sagt er und zwinkert mir spielerisch zu, während er behutsam über den Kopf seiner Hündin streichelt. „Aber ich kann sie nicht laut aussprechen, ohne von ihr hier aufgefressen zu werden."
„Oder du willst mir nicht die Wahrheit sagen", grinse ich breit, ehe ich mich wieder an die Kleidung wende und sie skeptisch nach und nach begutachte. „Was meinst du? Wie soll ich meinen Vater zum ersten Mal gegenübertreten?"
„Mit deinem wunderschönen Lächeln, das mir das Herz gestohlen hat."
„Tom!" Hitze staucht sich augenblicklich in meinem Gesicht an, und ich hoffe, dass er es von der Entfernung aus nicht erkennt.
„Was denn?" Er zuckt mit den Schultern und sein Grinsen nimmt diese verstohlene Züge an mich, die es nie verfehlen, mich schwach zu machen. „Ich habe nur auf deine Frage geantwortet, und ich finde, das schönste, was du tragen kannst, ist dein Lächeln."
Ich lasse das schwarze Kleid in meinen Händen los. „Wieso kannst du nicht einfach hier sein und mich küssen? Mich in die Arme nehme, sodass ich alles um mich herum vergessen kann? Nur für diesen einen Augenblick."
Er hört auf Tessa zu streicheln und seine Gesichtszüge nehmen an Schmerz an.
„Ich weiß nicht, ob ich das morgen schaffen kann. Ich weiß noch nicht mal, ob mein Vater nun tatsächlich ein Mörder ist oder nicht. Und... ob er mich überhaupt sehen möchte. Was ist, wenn er das gar nicht will?" Meine Stimme gibt nach, und ich setze mich niedergeschlagen auf das Bett. Meine Schultern senken sich, mein Blick hängt am Boden, und ich komme mir wie ein Häufchen Elend vor. Es ist so viel passiert in den wenigen Tagen, und das Gewicht davon nehme ich mit jeden weiteren Atemzug stärker wahr. Als atme ich es wie giftige Toxine ein.
„Du bist seine Tochter – und wenn ich darüber nachdenke, dass er vielleicht gar nichts von dir weiß, dann wäre es das größte für mich als Vater, wenn ich doch irgendwie eine Tochter hätte. Und ich denke, kein Serienmörder dieser Welt hätte nicht ein Herz für seine wundervolle und starke Tochter übrig." Tom blickt mich an, und ich kann dasselbe in seinem schwermütigen Blick lesen, was ich mir auch so sehnlichst wünsche. Ihn bei mir zu haben. Seine Schulter, damit ich meinen kraftlosen Kopf dagegen lehnen kann. Seine Arme, die mich wie unser Zuhause einhüllen und das Toxin nicht in mich eindringen lassen. Seine honigraue Stimme ganz dicht an meinem Ohr, das verliebte Kribbeln in meinem Bauch, und seine Stirn gegen meine. Ein feines Zeichen unserer Verbundenheit. Aber das ist nicht möglich, und irgendwie habe ich dazu beigetragen, dass es so ist. Ich und mein unberechenbarer Wille. Und meine Verzweiflung und Ängste. Ob das etwas Gutes ist, kann ich nicht sagen, aber es ist irgendetwas dazwischen.
„Er heißt aber auch nicht Tom Holland", lächle ich schwach und steige über das Bett, um Toms Gesicht wieder näher an meines zu führen. „Und er ist auch nicht der Junge, in den ich so sehr verliebt bin." Das bringt ihn zum Lächeln, und seine Augen leuchten auf. Wie ein Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit unserer Herzen. Ich sehe es und halte mich daran fest. Ganz, ganz fest.
„Ich glaube an dich, Emilia", sagt er mit seinem ehrlichen Lächeln und blickt mich mit funkelnden Tiefen an, „und wir beide werden das schaffen. Wir sind schließlich das außergewöhnliche Feathergirl..."
„Und der wunderbewirkende Sonnenjunge", beende ich seinen Satz mit flattrigem Herzen, und da ist wieder einer dieser Momente, in denen wir uns einfach ansehen. Keine Worte gebrauchen, um einander zu verstehen, weil die Hingabe, Sehnsucht und Tiefe unserer Blicke genug für sich sprechen. Es ist eine Stille, die gar nicht so still ist, aber die Wörter werden nicht gehört. Sie werden mit unseren Herzen gespürt, und das ist nur möglich, weil wir in dem ein und dasselbe Zuhause leben. Weil es unser Zuhause ist.
„Ich...", fangen wir beide anzusprechen, aber unterbrechen damit einander. Und wir müssen bei diesem Zufall atemlos und breit grinsen.
„Fang du an", fordert er mich sanft auf und das Sonnenlicht in seinen braunen Tiefen fängt mich auf. Es ist ungeduldig, wartet auf etwas, das ich nicht weiß, und ich frage mich, ob es das, was ich mir gerade mit wilden Herzschlägen ausmale.
„Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass Tessa gerade deine Hose vollsabbert."
Sofort reißt er die Augen auf und starrt zur schlafenden Hündin auf seinem Schoß. „Iiih, Tessa!", ruft er aufgebracht und schiebt den Kopf der Hündin weg, worauf sie wach wird und ihn verschlafen mit ihren großen Tintenaugen anblickt. „Du machst mich ganz feucht!", kommt es empört von ihm und er streicht sich über den großen, nassen Fleck auf seiner Jeans.
Und bei dieser Wortwahl breche ich einfach in Gelächter aus.
Tom wird daraufhin ganz rot im Gesicht, aber das stört mich nicht. Ich lache weiter, und irgendwann muss auch er lachen. Es ist, als würden wir gerade unsere Freude miteinanderteilen, und es ist ein unvergleichbares und warmes Gefühl, das ich ganz sicher nicht so schnell verschwinden lasse. Es gehört nämlich zu ihm. Zu Tom.
Irgendwann haben wir uns beruhigt und sind gleichzeitig mit unseren Handy in der Hand in unsere Kissen fallen. Tom hat mir mit einem enttäuschenden Ausdruck mitgeteilt, dass er bald schlafen muss, und ich habe bemerkt, dass die Schatten unter seinen Augen dunkler geworden sind. Wir haben aber noch geredet. Darüber, dass ich Harry das Pancake-Machen beibringen werde und dass wir unbedingt mal gemeinsam bowlen müssen, weil wir beide das noch nie getan haben, aber es auf jeden Fall ausprobieren wollen. Und dann habe ich ihm davon erzählt, dass einige Deutsche sehr höflich sind und andere wiederum nicht; und dass sie an ihrer englischen Aussprache arbeiten müssen, weil ich nicht immer jeden verstanden habe. Und dass ich nicht gerade der größte Fan von ihren ganzen Esskultur bin, aber nichts Käsespätzle toppen kann. Tom hat darauf bestanden, dass ich das Wort nochmal sage. Und nochmal. Und dann hat er gesagt, dass es zu seinem neuem Lieblingswort wird und mir ein Screenshot von unserem Chat geschickt. Er hat mich jetzt unter „Sein Käsespätzle" eingespeichert, und mich damit erneut zum Lachen gebracht.
Und dann haben wir uns einfach wieder nur angesehen, mit klaren Hoffnungsschimmer und ganz viel Leidenschaft in unseren Tiefen.
Ich habe noch eines zu ihm gesagt, bevor er als Erstes von uns beiden in das Land der Träume verschwunden ist: „Ich habe auch ein neues Lieblingswort. Gut. Es ist nicht ein ganzes Wort, aber stell dir einfach vor, dass zwischen den Wörtern ein Bindestrich ist und es somit ein ganzes Wort ergibt. Und zwar dieses: Ich-bin-hoffnungslos-in-dich-verliebt, Thomas-Stanley-Holland." Das hat ihn dieses schöne, atemberaubende Grinsen meines wunderbewirkenden Sonnenjungen strahlen lassen, in das ich mich von Anbeginn verliebt habe, und selbst im Schlaf umspielt es weiterhin seine Lippen.
Er schläft nun seit einigen Minuten friedlich und tief. Und ich kann nicht einfach auf den roten Knopf drücken. Ich will nicht, dass dieser Augenblick endet. Oder dass unsere Zweisamkeit erlischt. Sie soll anhalten. Die ganze Zeit über, bis ich wieder bei ihm sein kann. Also mache ich einfach das Licht aus und beobachte ihn, bis ich selbst einschlafe.
Und es ist das erste Mal seitdem mein Bruder ins Krankenhaus gekommen ist, dass ich nicht mitten in der Nacht aufwache. Ich schlafe durch. Und Tom ist ganz dicht bei mir.
~*~*~
Von „Mein Sonnenjunge", 7:00 Uhr:
„Ich-bin-auch-hoffnungslos-in-dich-verliebt, mein-wunderschönes-und-starkes-Feathergirl."
Ich drücke mein Handy ganz dicht an meine Brust, als würde ich so Toms geschriebene Worte in mein Herz einschweißen wollen. Sie geben mir Mut und Sicherheit.
Alles wird gut, spreche ich mir in Gedanken zu und wandere mit den Augen dabei zu dem kleinen, weißen Haus vor mir, ganz ruhig. Er ist dein Vater. Er wird dir schon nichts tun.
Langsam mache ich einen Schritt nach dem anderem. Das Haus liegt abgelegen von dem Viertel, fast so, als würde es sich ausgrenzen. Ein schwarzer BMW steht vor der Garage, und die vielen Blumen im Vorgarten sind vertrocknet und haben kaum noch Leben in sich. Die grauen Vorhänge sind zusammengezogen, als wolle man anderen deutlich machen, dass man mit niemand reden möchte. Ich folge dem Kieselstein weg bis zur Holzveranda hoch. Es ist das einzige Haus in dieser Gegend, das etwas Amerikanisches hat. Mit vielem Schnick-Schnack auf der Veranda und der alten Hollywoodschaukel. Aber es wirkt auch als einziges leblos.
„Verschwinden Sie!", ruft plötzlich eine tiefe und männliche Stimme. Erschrocken halte ich inne und blicke auf, aber ich kann niemand sehen. „Haben die Leute von der Ihrer blöden Zeitung nicht verstanden, dass ich kein Bock auf ein Interview habe? Ich will meine Ruhe!"
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und ziehe ermutigt die Luft ein und aus. Und dann lasse ich die nächsten Worte über meine Zunge gleiten wie flüssiger Honig, aber er ist fest und trocken: „Ich bin nicht von der Zeitung. Ich bin hier, weil ich auf der Suche nach meinem Vater bin."
Plötzlich ist alles ganz still. Nur mein Herz hämmert in wilden Schlägen gegen meine Brust.
Die Tür vor mir öffnet sich, und ein fremder Mann steht vor mir.
„Du... Du siehst aus wie deine Mutter."
~*~*~
Random: Ich bin dieses Wochenende in der Vorpremiere von Christopher Robin gewesen, und dieser Film ist ein wahres Meisterwerk. Winnie Pooh hat schon immer eine wichtige Rolle in meiner Kindheit gespielt und ist mir lieber als jede Barbiepuppe oder anderes Spielzeug gewesen, und dieser Film.. er ist so schön und traurig, beinhaltet so viele Weisheiten und geheime Messages. Er ist nicht direkt Kinder. Er ist etwas für Leute wie uns, die gerade mitten dabei sind, erwachsen zu werden, ihren Platz in dieser Welt suchen und nach einem gut bezahlten Job. Leute, die zwischen Kindheit und Jugend zerrissen sind und sich der Realität stellen müssen. Und das Erwachsenwerden ist schwer und hässlich. Wir sind dabei, die Magie und ihre Wunder zu vergessen. Wir fragen uns, wer wir sind und wo unser Platz in dieser Welt liegt. Aber es ist wichtig, dass wir wissen, was für uns wichtig ist. Ob es Liebe oder Erfolg ist, ob es Familie oder Reichtum ist... Und es ist nicht schlimm, immer im Herzen ein Kind zu sein.
Schaut euch bitte den Film an, falls ihr ein wenig Inspiration für das Erwachsenwerden und das Leben braucht.
Liebe Grüße,
Sternendurst
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