Was ist die "Grundidee" eines Songs?
Bevor wir starten: Wir werden in den ersten 5 Abschnitten dieses Buches gemeinsam drei Songs schreiben. Um die Kommunikation über diese Songs leichter zu machen, fände ich es gut, wenn diese Songs jetzt schon Namen kriegen. Diese Namen werden wahrscheinlich nichts mit dem Inhalt zu tun haben, da wir den Inhalt hier ja noch nicht kennen, aber bitte schlagt
HIER
mögliche Songtitel vor. Im nächsten Kapitel werden wir über die besten drei abstimmen, und diese dann verwenden. Gerne klischeehaft, gerne einfach nur komisch... Hauptsache, sie lösen irgendwas in euch aus.
So.
Hier sitzen wir nun, das weiße Blatt Papier vor uns, und wollen einen Song schreiben. Beziehungsweise drei Songs. Wo fangen wir an?
Nun, was ist die Grundidee eines Songs? Ich habe auf diese Frage eine wirklich wahnsinnig kontroverse Antwort: Mal so mal so. Und hier hört das Kapitel auf.
Spaß.
Ohne viele Vorworte werde ich dieses Kapitel so strukturieren, dass ich, sortiert von Normal zu Seltsam, erst geeignete, dann ungeeignete Grundideen aufliste, mit Beispielen für Songs, die aus solchen Grundideen entstanden sind. Kommentiert gerne weitere Grundideen. Wenn genug zusammenkommt, mache ich irgendwo später noch ein weiteres Kapitel zum Thema Grundideen.
Geeignete Grundideen:
Die Keimzeile:
Bedeutung: Mit "Keimzeile", einer Grundidee, der ich im Abschnitt "Lyrics" noch ein ganzes Kapitel widmen werde, meine ich eine einzelne, meist sehr poetische Textzeile, aus der man den ganzen Song aufbaut.
Vorteile: In einer Keimzeile steckt oft schon ein großer Teil des Themas des Songs, oft auch schon ein Teil des Rhythmus, und ihr gerecht werden zu wollen ist eine hervorragende Inspiration um einen Song auch fertig zu stellen.
Nachteile: Oft hat man eine Keimzeile in der Hand und weiß dann einfach nicht weiter. Denn so viel wie sie auch an kreativem Potential eröffnet und offen hält: Es ist immer noch nur eine Zeile. Sie muss ziemlich faszinierend sein, um alleine den Schaffensprozess eines ganzen Songs antreiben zu können.
Beispiele: Die berühmteste Keimzeile die mir einfällt ist "Smells Like Teen Spirit". Der Erzählung nach schrieb Kurt Cobains Freundin den Satz "Kurt smells like Teen Spirit" eines Nachts betrunken an die Wand über seinem Bett. "Teen Spirit" war eine billige Deo-Marke, die Kurt jedoch nicht kannte. Als er also aufwachte, war er völlig hingerissen von diesem Satz, und hat daraus den ganzen Nirvana-Song "Smells Like Teen Spirit" gemacht. Einige Songwriter, beispielsweise die deutsche Sängerin Dota Kehr, sagen auch, dass sie IMMER, bei JEDEM ihrer Songs von einer Keimzeile ausgehen.
How to use: Damals hat man hierfür noch Notizbücher empfohlen, aber ich glaube, darüber sind wir hinweg. Jeder hat doch immer ein Handy dabei. Ich empfehle: Macht euch eine Notiz im Handy auf, und immer, wenn euch ein interessanter Satz begegnet oder einfällt, schreibt ihn dort dazu.
Kommentiert HIER gerne Keimzeilen, die euch einfallen
Die Melodie:
Bedeutung: Mit "Melodie" meine ich eine Gesangsmelodie, oft nur über ein paar Takte, die einem als erstes einfällt, und die man später zu einem Song verarbeitet.
Vorteile: Die Melodie bereits zu wissen, nimmt einem viele Entscheidungen ab. Die Tonart ist damit schon gegeben, die Menge an geeigneten Akkorden eingeschränkt. Die meisten Melodien enthalten auch bereits die Stimmung, die der Song haben wird.
Nachteile: Das klingt jetzt vielleicht dumm, aber eine kurze Melodie ist oft weniger originell. Oft ähnelt sie anderen Songs so sehr, dass sie in diese abdriftet und einem verloren geht. Gerade wenn einem kein geeigneter Text einfällt, verfällt die Grundidee somit oft nach einer Weile, und der Song ist auf nichts mehr aufgebaut. Das ist zumindest meine Erfahrung.
Beispiele: Komponisten, die nicht ihre eigenen Texte schreiben, wie Henri Mancini oder Elton John, sind häufiger gezwungen, so zu arbeiten. Sie schreiben Melodien entweder bevor oder nachdem sie die Lyrics von ihren dazugehörigen Lyricisten erhalten haben, und passen das ganze aufeinander an.
How to use: Meine Empfehlung: Macht euch einen Discord Server oder eine Whatsapp-Gruppe wo nur ihr drin seid. Wenn euch eine Melodie einfällt, singt sie in eine Sprachnachricht und schickt sie damit an euch selbst.
Kommentiert HIER gerne Melodien, die euch einfallen. Wie ihr die aufschreiben sollt... euer Problem lol
Die Bassmelodie:
Bedeutung: Ich meine die Melodie, die der Bass spielt. Surprising, huh?
Vorteile: Wenn es eine gute, catchyge Bass-Melodie ist, steckt der ganze Groove des Songs darin. Eine geile, originelle Bassmelodie ist ein SEGEN. Alles Andere, die Stimmung, der Rhythmus und die Akkorde, können daraus viel müheloser wachsen als aus einer Gesangsmelodie.
Nachteile: Eine wirklich tolle Bassmelodie ist wirklich schwer zu finden. Mir persönlich ist das noch nie passiert. Aber vielleicht habe ich ja mit jemandem von euch Glück.
Beispiele: Das berühmteste Beispiel ist hier der Queen-Song "Another One Bites The Dust". Angeblich hat der Bassist, John Deacon, diese eine Basszeile (ihr kennt die, ich muss nicht beschreiben wie ikonisch sie ist) einen ganzen Abend lang auf Loop gespielt, weil sie ihn nicht losgelassen hat, ihm aber auch nicht richtig eingefallen ist, wie man einen ganzen Song draus machen könnte. Aber dass ein Song daraus gemacht werden musste, war klar. Und es wurde ein Song daraus.
How to use: Auch hier: Per Sprachnachricht an sich selbst.
Kommentiert HIER gerne Bassmelodien, die euch einfallen
Das "Thema":
Bedeutung: Es gibt Songs, die entstehen, weil ein Künstler weiß, dass er einen Song über ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Person schreiben will. Meiner Erfahrung nach sind dafür Dinge, die einen wütend machen, besonders geeignet.
Vorteile: Wenn man sich wirklich zu 100% klar ist, wo das Thema, über das man schreiben will, anfängt und aufhört; wenn man wirklich etwas zu sagen hat, dann schreibt sich der Text quasi von alleine. Und je "fester" das Thema ist, desto nebensächlicher werden Melodien und Instrumental.
Nachteile: Oft beantwortet sich die Frage "wo soll ich jetzt anfangen" durch ein Thema nicht ganz. Dann sitzt man da, mit dem weißen Papier vor sich, und denkt "Ich will einen Song darüber schreiben, wie gruselig schnell die Zeit verfliegt" und das Thema ist so groß, dass einem das auch nicht weiterhilft. Man sitzt immer noch da, und weiß nicht, wo man anfangen soll.
Beispiele: Billie Eilish sagte angeblich eines Tages zu ihrem älteren Bruder "ich kenne ein Mädchen, was mir alles nachmacht, und ich will einen Song darüber schreiben". Beziehungsweise hat sie das auf Englisch gesagt, aber das könnt ihr euch ja denken. Daraus entstand jedenfalls der Song "Copycat". Zudem kann man vermutlich quasi jeden Musical-Song als von-einem-Thema-motiviert zählen. Selbiges gilt für Songs, die für Filme geschrieben wurden. Und, hierfür habe ich keine Quellen, aber ich GLAUBE, dass Lorde in jedem ihrer Songs vom Thema ausgeht.
How to use: Wenn man einen Song über ein bestimmtes Thema schreiben will, muss das Thema sehr klar eingeschränkt sein. Es passt keine ganze Aufschlüsselung der ganzen Tragik des Lebens in einen Song, selbst wenn dieser Song 20 Minuten lang sein sollte. Man muss sich bewusst sein, was noch zu dem Thema dazugehört, und was nicht mehr. Ich mache es mit einer Mindmap. In die Mitte kommt das Thema, über das ich schreiben will, drum herum in Assoziations-Bäumen kommen Worte, die zu dem Thema gehören. Dann nehme ich mir einen roten und einen grünen Textmarker und markiere, was noch in meinem Thema für den Song mit drin sein soll, und wo mein Thema aufhört. Oft hilft das. Aber wenn das Thema wirklich viel zu groß (oder viel zu klein) ist, fällt einem das beim Erstellen der Mindmap auf, und dann kann man auch nichts mehr machen.
Kommentiert HIER gerne Themen, die euch für Songs einfallen
Mittelmäßige Grundideen:
Akkordfolgen:
Bedeutung: Man kann einen Song auch ausgehend von einer Akkordfolge schreiben. Man nimmt eine Akkordfolge, spielt diese, oder Teile von dieser, immer wieder auf Loop und improvisiert Gesang und andere Instrumente darüber, bis etwas so gut klingt, dass man es verwenden möchte.
Vorteile: Mit der Akkordfolge anzufangen hat zwei große Vorteile. Erstens: Die restlichen Elemente des Songs können gleichzeitig entstehen. Man experimentiert über der Akkordfolge zugleich mit Rhythmen, Instrumenten, Gesang und Textzeilen, und wenn es alles zusammenpasst, spürt man es sofort. Zweitens: Es ist die "freieste" Art des Schreibens. Über einer Akkordfolge kann noch alles entstehen. Man ist an keiner Zeile und keinem Thema festgekettet. Schnell sortiert sich alles Unpassende durch Trial-and-Error heraus.
Nachteile: Man braucht eine Akkordfolge, mit der man starten kann. Und diese Akkordfolge fällt meist in eine von zwei Kategorien. Entweder, sie ist sehr "basic", was die ganzen coolen Sachen, die man sonst so mit Akkorden anstellen kann, eliminiert, und dafür sorgt, dass der ganze Rest umso interessanter sein muss, damit das Ergebnis nicht klingt wie ein sehr generischer Popsong. Oder sie ist sehr kompliziert, was das Improvisieren über die Akkordfolge viel viel anspruchsvoller macht, besonders, wenn sie dazu auch noch sehr lang ist.
How to use: Akkordfolgen als Notiz aufzuschreiben ist ziemlich einfach. Wenn ihr Akkorde spielen könnt, wisst ihr vermutlich auch schon, wie man sie aufschreibt. Dennoch wird in diesem Buch noch ein Kapitel dazu kommen, wie man Akkorde schreibt und liest.
Kommentiert HIER gerne eure liebsten Akkordfolgen.
Schlechte Grundideen:
Spezifische Eigenschaften, die einen Song nicht ausmachen.
Sowas wie "Ich möchte einen Song mit 142 bpm schreiben" oder "Ich möchte einen Song in F-mixolydisch schreiben" ist keine gute Grundidee. Das sind eher Challenges, mit denen man an anderen Grundideen herumexperimentieren kann. Sie machen keine richtige Eigenschaft des Songs aus, und sind bloß Fachbegriffe, keine Inspirationen.
So. Das war fürs Erste alles, was mir eingefallen ist. Kommentiert
HIER
gerne weitere Arten von Grundideen, und wo ihr sie in diesem Schema einordnen würdet.
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