Kapitel 50
Knackend bringt die Titanic den Eisberg zum brechen und die angespannte Stimmung versinkt in den tiefen des Ozeans. "Also Joe, was machst du noch so außer Wahrsagen?" In der Stimme von Elaine tanzt eine Herzlichkeit mit, welche das übliche Kennenlern Ausfragen tatsächlich auf eine angenehme Weise erträglich macht und ich mich nicht wie bei meiner Mutter fühle, bei der man glaubt mit einer Tüte über dem Gesicht blind und gefesselt an einer Wand zu stehen, während fünf Schützen mit geladenen Gewehren nur darauf warten dass ihr Hauptmann das Kommando zum Abdrücken gibt. Nein, hier geht es wohl tatsächlich nicht darum zu erörtern wie viele Serienmorde, Amokläufe oder Sexkeller ich vermutlich zu verbergen habe, sondern lediglich darum was für ein langweiliges Leben mich in meiner Reinheit geformt hat. "Na ja ich studier an Aarons Uni Humanmedizin, hilft mir später sicher mein schwankendes Einkommen als Teenie-Wahrsager zu stabilisieren" Sie muss lachen, als ich auf ihren Scherz eingehe und sieht mich einen Herzschlag warm an. In der zwischenzeit hält Aaron mir mit einem fragenden Ausdruck eine Packung Saft, Milch und eine Flasche Wasser entgegen und ich muss beim Blick in die offenstehende Kühlschranktür erschüttert feststellen, dass im Inneren, sowie neben dem Kühlschrank nur gesundes Zeug zu sehen ist. Da ist der Teig in welchen Elaine das Toastbrot gerade tränkt der Checkpott an Zucker für ein gesundes heranzüchten von Altersdiabetes.
Kein Wunder dass die Tupperdose von meinem Sonnenscheinchen aus lauter Paprika und weiteren bunten Leben versauenden Gesundmachern besteht. Das ist wie die Heilige Regel in unserer WG, man isst was der andere oder in unserem Fall was Steffen einkauft. Dabei kommt es nicht selten vor das auch mal was über eine Generation abgelaufen ist, aber es ist nie so frisch und gesund, dass wenn sich mal ein Obst oder Gemüse Teilchen in unsere Reichweite verirrt, die Vitamine noch vorhanden sind. Eher laufen diese auf einer selbstgebauten Brücke über den Regenbogen, um dem Zwerg am anderen Ende mit einer Schimmelpilzparty das Warten neben seinem Goldtopf zu erheitern.
Ich deute auf das Wasser und Aaron nickt mir lächelnd zu. "Humanmedizin? Das klingt nach einem sehr ausfüllendem Berufsweg? Aber du scheinst weniger begeistert?" Elaine muss ihre Schlussfolgerung wohl anhand meiner Stimmlage feststecken, denn sie trifft mitten ins Schwarze. "Eigentlich ist es eher der Wunsch meiner Eltern, als meiner." Nicke ich bestätigend und leicht beschämt über diese Schwäche, doch da rettet Luke mir mit seiner frechen Art den Hintern. "Eigentlich will er eine Frau werden und kein Hummern Medizinmann!" Es muss seinem Alter geschuldet sein das er unter dem Begriff Human nichts versteht, doch die Vorstellung ein Arzt mit roten Scherenhänden zu sein, lässt auch mich Lachen. "Nicht Hummer, Human. Ein Allgemeinmediziner für Menschen. Ein Arzt also" "Mr. Krabs ist eh cooler als du", quittiert Luke meine angeheiterte Erklärung mit einem weiteren völlig verwirrenden Kommentar.
Das Fett spritzt in der Pfanne, als sie den ersten eingelegten Toast zu braten beginnt.
"Danke Schatz" Mit einem zarten Kuss auf die Stirn entlässt Elaine ihren Ältesten von seinen morgendlichen Pflichten, als Aaron sich zwischen mich und den Kampfhund niederlässt um das sprudelnde Nass tanzend in unsere Gläser zu gießen und mit Kampfhund meine ich natürlich nicht Montie. Aarons Finger suchen die weiche Wärme meiner Nähe, ohne die flüchtige Berührung vor seiner Mutter auch nur Ansatzweise verstecken zu wollen. "Und was willst du eigentlich mal machen Joe?" Mit ihrer Frage holt mich seine zauberhafte Mutter wieder in das Hier und Jetzt, doch eine Antwort habe ich darauf nicht wirklich zu geben. "Was ich werden will?", wiederhole ich ungläubig die Frage, welche ich ihr doch vor wenigen Herzschlägen erst beantwortet habe, doch noch während der eigenen Frage dämmert mir der haarfeine unterschied. "Darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht… Es ist ohnehin egal was ich diesbezüglich möchte…", erkläre ich ehrlich und in ihrem warmherzigen Blick erkenne ich das erste Mal eine andere Gefühlsregung als Freundlichkeit und Liebe. "Du solltest dir darüber mal Gedanken machen… Schließlich ist es dein Leben und nicht das deiner Eltern..." Ich bemerke wie Aaron aufmerksam zwischen den Lippen seiner Mutter und meinen hin und her sieht, doch so ganz scheint er dem Gespräch nicht Folgen zu können, weshalb er irgendwann einfach den Blick auf das Glas vor sich fallen lässt. Auf dem Tisch spiegelt sich die Morgensonne, welche durch das Innere wabern zu tanzen begann. Mich überfordert die Situation in der ich Aaron gerne ebenso in unser Gespräch eingebunden hätte, doch mir will nicht recht klar werden wie, denn Elaines Hände benötigt sie am Herd und zum Lippenlesen sitze ich wohl auf der falschen Seite des Tisches. Sie bemerkt dass meine Gedanken gerade abgedriftet sind, denn sie schweigt ohne meine Aufmerksamkeit weiter auf sie zu lenken, sondern reicht mir ohne Worte einen Toast, einige der Blaubeeren und Puderzucker und ich muss zugeben dieser überzogene süße Toast duftet fantastisch.
"Hey… sieh mich an", hebe ich Aarons Blick wieder zu meinem an um ihn anzulächeln. "Wie sagt man 'Das sieht fantastisch aus?'" Seine Stirn kräuselt sich doch dann wischt er mit einer fließenden Bewegung und flachen Hand vor seinen Lippen entlang um in einer runden Bewegung vor seinem Bauch zum stehen zu kommen. Viel langsamer und ohne die Mimik mit zu übernehmen, versuche ich die Geste nach zu machen, als Luke von hinten dazwischen blökt. "Das heißt schmeckt gut und nicht fantastisch!"
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