Kapitel 5
Ich entschließe mich Till diese Hiobsbotschaft erst beim Frühstück zu offenbaren, doch die Lust zum lernen ist mir nun auch mehr als ohnehin schon vergangen. Immerhin bin ich bis zum Startbildschirm meines Laptops gekommen. Weiter als sonst!
Gelangweilt klicke ich mich noch etwas durch das Internet, bevor ich auch mein Handy auf den Nachttisch lege und die Augen schließe. Durch die Wand höre ich Tills Stimme. Er telefoniert wie ich ihn kenne vermutlich mit Juli, denn in seiner Tonlage schwingt diese besondere Wärme mit, welches dieses Mädchen noch immer in ihm auslöst. Sie können ja Freunde bleiben, hat sie zu ihm gesagt. Es grenzt wohl eher an Folter als an Freundschaft, wenn ich meinen besten Kumpel danach wieder in die Augen sehe. Es wird still in meinem Zimmer und mir wird klar, dass sie wohl gerade aufgelegt haben, weshalb ich mich ganz unschuldig auf den Weg zur Toilette begebe. Die Zimmertür meines Freundes ist nur angelehnt, als ich sie ohne zu klopfen einfach aufschiebe.
“Hey…” Sanft schenke ich ihm ein Lächeln und lasse mich neben Till auf der Bettkante nieder, als dieser noch immer mit dem Finger über sein Handy Display schmiert. “Hey…”, kommt wenig emotionsvoll von meinem sonst immer gut gelaunten Freund zurück, bis wir beide einfach da sitzen und schweigen. Er sagt kein Wort mehr und doch spricht sein trauriges Gesicht bände, als ich ihn in den Arm nehme und es mir auf seinem Bett bequem mache.
“Du solltest das ganz mit ihr beenden”, flüstere ich meinem besten Freund leise ins Ohr als dieser stillschweigend an meiner Brust vor sich hin leidet, bis eine brüchige Stimme sich durch den Stoff nach oben kämpft. “Ich versteh sie einfach nicht… die ganzen Weiber...”, es ist nicht das erste Mal, dass Till mir sein Herz ausschüttet und jedes Mal kommt es mir so vor als ob Juli mir selbst gerade mit ihren manikürten Fingernägeln den Lebensmuskel zwischen den Rippen heraus presst.
“Ich dachte morgen suchst du dir eh ne neue Ische?” Ein hoffnungsloser Versuch ihn mit seiner eigenen Prophezeiung zu trösten, doch ich ernte nur einen strafenden sanften Schlag auf die Brust. “Als ob… Sie kommt mit ihrem Wichspisser… der Abend ist gelaufen.” “Quatsch! Samu kommt auch, aber der Abend gehört uns!”, ich bemühe mich optimistisch zu bleiben als ich mich aufsetze und ihn auf meinen Schoß rutschen lasse.
“Weiber und Möpse und Weiber und?”, beruhigend streichle ich ihm durch das zottelige blonde Haar, als er schwach lacht. “...und Möpse”, wiederholt er dankbar.
“Wenn Juli dich nicht will soll sie sehen was für einen Kerl sie verpasst!” Till sieht mir mit seinen weichen Augen entgegen. “Du weißt dass Samu stressen wird, wenn du auch nur eine Sekunde seine Hand loslässt?”, seine Trauer verfliegt zur Sorge um mich, als ich ihm nur ein Lächeln schenke. “Ich bin doch bloß der schwule beste Freund, der deine Einfühlsamkeit demonstriert”, erinnere ich ihn mit einem frechen Grinsen. “Wichser…”, nuschelt Till ohne Nachdruck und schlingt einfach seinen Arm um mich. “Schade dass du keine Möpse hast, du unbequemes Brett.” “Vergiss es… du kannst nicht alles haben”, so verbleiben wir den Rest des Abends und ich bin froh als Tills ruhiger Atem irgendwann den Raum erfüllt. Das wars dann heute wohl endgültig mit lernen, Pornos schauen oder sonstige Dinge die ich mir für den Abend vorgenommen habe.
Schrill nervt der Wecker von Till als ich völlig zerknautscht halb auf seiner Brust aus dem Schlaf gerissen werde. Mein Kopf brummt, als hätten wir Zwei die Ersti-Party bereits hinter uns gebracht, wobei mein Gürtel gemeinsam mit der engen Jeans unangenehm auf meine bis zum zerbersten gefüllte Blase drücken und sich auch noch das Klopfen von Steffen zu dem unangenehmen Weckton gesellt. Der wenig ansehnliche, doch ordentlich gekämmte Schwellkopf von Steffen schiebt sich emotionslos in Tills Tür, als er uns beide eng umschlungen in dem Bett vorfindet. “Will einer mit in die Uni fahren? Ich nehm heute das Auto” “Hä? Jetzt?”, verschlafen greift sich Till zwischen die Augen, als er sich unter mir befreit und endlich das nervige Klingeln ein Ende findet, auch wenn seine Zielsicherheit beim fischen des Handys, eher einem betrunkenen Schützen beim Tontaubenschießen gleicht. Auch ein blinder Hahn findet mal ein Korn. “Hast du mal auf die Uhr gesehen? Wir haben erst 7!” Das Entsetzen ist in Tills Stimme unüberhörbar und ich Versuche mir mit dem noch warmen Daunenkissen selbst das Leben zunehmen, doch bis auf Tills Schweiß und Staub, der sich langsam in meine Lungen saugt, geht mein Plan leider daneben, aber immerhin scheint Till Steffen endlich vertrieben zu haben.
Unser Akne Gesicht Steffen hat sich inzwischen damit abgefunden, dass manchmal einer von uns den Weg nicht zurück in das bestimmt 5 Schritte entfernte Nachbarzimmer findet. Ich meine das ist nach einigen Bier und etlichen Packungen Chips manchmal wirkliche eine größere Hürde als man glaubt! Besonders schlimm ist es nach unseren Mariokart-Abenden, auch wenn man ja nicht betrunken fahren sollte. Ich muss bei meinen eigenen Gedanken Schmunzeln was nichts an der Tatsache ändert, dass ich nicht die leiseste Ahnung habe was Steffen dabei Denken konnte. Nein… eigentlich kann ich nie sagen was Steffen denkt. Steffen ist eben ein Steffen. Wenn man glaubt dass Humanmediziner Ahnung von dem Menschen haben, müsste man unserem reizenden Mitbewohner wohl einen eigenen Studiengang eröffnen, nicht nur weil ich ne echte Niete in meinem Fach bin, auch Till kapiert ‘das Steffen’ nicht, was mich ausschließen lässt dass er wohl auch zu keiner Tierart angehört.
“Was grinst du Pisser so? Hast du mir mal wieder heimlich an den Arsch gegriffen, während du mich voll gesabbert hast?”, lässt Till sich rücksichtslos auf meine volle Blase fallen und einen Moment hoffe ich dass eine Inkontinenz noch auf sich warten lässt. Stöhnend verkrampfe ich mich unter ihm, bevor das Kissen ungebremst auf den wuscheligen Blondi auftrifft. “Wer wollte denn dass ich mir Möpse zulege und den Sack zwischen die Beine klemme?” “Das mit dem Sack kannste lassen, hast doch eh ne Pussy, du Muschi”, gibt er mich endlich frei und schiebt seinen schlanken Körper vor das blendende Licht, welches Steffen freundlicherweise beim reinkommen angemacht und - natürlich - angelassen hat. Verschlafen kratzt Till sich am, in einer lockeren Jogginghose eingepackten Hintern und mir wird bewusst was wohl der Unterschied zwischen ‘Männern’ und ‘Schwulen’ sein muss, denn Samuel habe ich noch nie in einer solch ‘reizenden’ und ‘anmutigen’ Art seinen Arsch kratzen sehen.
Ich schiebe mich Müde und unausgeschlafen aus dem Bett meines Kumpels und schwanke in die Richtung unseres Bades um den unangenehmen Druck endlich los zu werden. Das Gute an einer Männer WG ist ja wirklich, dass die Klobrille absolut immer oben ist! Wenn ich mich daran erinnere wie oft ich mir bei meiner verstorbenen Oma anhören musste dass ich die Brille wieder runterklappen soll, hat man sie gleich unten gelassen und einen kleinen, meistens den letzten Tropfen, beim Abschütteln auf dem Rand verloren, dann war das geschreie auch immer groß! Ruhe in frieden Omilein…
Kreisend plätschert mein Urin dunkelgelb in das Porzellan und ich analysiere anhand von Geruch und Farbe meinen Körperlichen Zustand. Eine Manier die eine Vorlesung des Medizinstudiums bereits im ersten Semester bei mir los getreten hat und welche ich seit jenem grausamen Tag nicht mehr los werde. Etwas wenig getrunken, doch ansonsten sollte alles mit meinen Harn in Ordnung sein, denn Morgens ist er ohnehin meistens Dunkler und wird erst im laufe des Tages klarer. Die Klospülung überschallt meine eigenen Gedanken, als ich mich schließlich dem Waschbecken und meiner Morgenroutine widme. Völlig zerknautscht sehe ich noch immer den Abdruck von Tills T-Shirtfalten auf meiner Wange, wobei mir auffällt dass ich meine Kontaktlinsen von gestern Abend auch mal wieder vergessen habe. Mit Zeigefinger und Daumen greife ich mir auf den dunkelbraunen Matschfleck welcher in Fachbüchern auch Iris genannt wird. Das heißt heute dann wohl Brillenparty für mich, aber vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht? Immerhin straft mich Samu ohnehin für jeden falschen Blick. Grob richten meine feuchten Finger das struppige rotbraune Haar und bis auf meine dunkle Brille empfinde ich mich selbst eigentlich als recht ansehnlich. Selbst der Dreitagebart und das Muttermal schräg unter meiner Lippe schaden meinem Optischen nicht und dennoch scheint meine Körpersprache auszustrahlen ‘Ich bin Vergeben!’, denn seit ich mit Samu zusammen bin, haben die Nachfragen nach meiner Nummer doch stark abgenommen. Was mich nicht stört, es ist mir nur eben aufgefallen und man macht sich ja so seine Gedanken…
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