Kapitel 49
Ich spüre wie die Hitze mir in die Ohren schießt als die kindlich ehrlichen Worte durch die stille Nachbarschaft hallen und sich in mir der panische Fluchtinstinkt eines frisch geworfenen Fohlen manifestieren möchte, dumm nur das wir wohl beide kaum weit genug kommen würden, wenn uns ein Jaguar mit braunen Knopfaugen im Nacken sitzt. Eine der Stückchen Tüten ist beim Aufprall wie eine Pinata voll Konfetti geplatzt und verteilt Erdbeerplunder, Croissants und Nugatteilchen als wären es die kleinen Bonbons an Fasching. Nur das ich wohl zum Showwagen der Bäcker gehören muss und deshalb mit Backwaren um mich schmeiße. Immerhin der Hund freut sich mich zu sehen, denn dieser Schnappt sich gleich eins der Buttercroissants und läuft jubelnd mit seiner Beute durch den kleinen Garten.
Mein Blick fährt zurück zu Aarons Fenster, doch da wo das schöne Lächeln mich eben noch begrüßt hat, schwingt nun nur noch die weiße Gardine im Wind. "Also… Hi erstmal?", das Chaos welches mich wie mein Schatten begleitet belasse ich einfach und hoffe der Hund hat es beseitigt bis Aarons Mutter dem Hilferuf des kleinen Jungen folgen konnte. Zögerlich hebe ich die Hand zum Gruß und gehe einige Schritte auf den vermutlich kleinen Bruder meines Prinzen zu welcher jedoch das krasseste Pokerface besitzt das ich je gesehen habe, denn ich kann absolut nicht sagen was er von mir hält. "Ich bin Joe… ein Freund von Aaron", versuche ich einen zweiten Ansatz mit dem Killerzwerg Freundschaft zu schließen, doch dieser verschränkt die Arme vor der Brust und macht sich im Türrahmen breit. "Ich weiß was du willst! Und jetzt vergiftest du auch noch Montie mit Schokolade!" giftig sehen mich die großen Augen an, welche es mir eiskalt den Rücken hinab laufen lassen. Was für eine Reinkarnations der Hölle war dieser Knirps nur?
"Was?! Ich vergifte hier niemanden? Und außerdem stellt man sich erst mal mit Namen vor!" Ich verziehe ernst das Gesicht als ich ebenso eine abwehrende Geste einnehme wie mein Halbermeter an Widersacher, wobei er von so nah wirklich winzig wirkt. Vielleicht habe ich ihn auf den ersten Blick zu alt geschätzt? Oder es liegt an der Tatsache das ich keine Ahnung von Kindern habe. Immer nervende, klebrige Tyrannen die nur existieren um ihre Eltern und Umgebung zu foltern.
"Er hat recht Luke." Mein Blick wird von einer mehr als warmen Stimme von dem Gartenzwerg gelöst, welcher mir mit seinem Blick eine eindeutige Kampfansage gemacht hat und trifft auf eine wunderschöne junge Frau im perlmutt weißen Pyjama welcher ihre perfekte Figur trotz des luftigen Schnittes nicht besser beschreiben könnte. "Äh.. Ich hoffe ich hab sie nicht geweckt?!", wenn meine Wangen nicht bereits kochen würden, würden sie es spätestens jetzt tun, denn mir fällt es schwer mich zu entscheiden wohin ich der hübschen Frau zusehen habe. Die Hände hat sie zärtlich um die Schultern des Kindes gelegt um die kleine Kratzbürste sanft wieder nach drinnen zu schieben. Dabei lässt er es nicht entgehen mir noch einmal Heimlich die Zunge heraus zu strecken. "Keine Sorge, dass schafft Luke jeden Morgen ganz allein. Ich bin Elaine die Mutter von Aaron und Luke" Mir fällt beinahe alles aus dem Gesicht als die hübsche Frau mir die Hand reicht und ich sie vielleicht für die ältere Schwester meines Punkrockvögelchens geschätzt hätte. Wann ist sie bitte mit Aaron schwanger geworden? Im Mutterleib? Womöglich noch früher! "Joe… Joe-Noah!" Mit festem Händedruck erwidere ich die Geste und schenke der jungen Mutter ein warmes Lächeln. "Freut mich. Komm doch rein Joe. Aaron hat gar nicht gesagt dass wir heute Besuch erwarten, aber lass dich nicht von dem Chaos stören" Ich wollte gerade die zurückgelassene Tasche aus dem Garten holen, da trägt sie Montie bereits stolz an mir vorbei um auch die restlichen Tütchen genüsslich auf seinem Platz zu zerlegen, doch alles scheint vergessen als Aaron am oberen Ende der Treppe in mein Blickfeld gelangt.
Mein Dauergrinsen kehrt schlagartig wieder als mein Freund bloß in Boxershorts und T-Shirt die wenigen Stufen nach unten kommt. "Hey… ich hoffe ich stör nicht?" Wie angewurzelt stehe ich auf der Willkommen Fußmatte und weiß selbst nicht was ich von diesem abgedrehten und völlig anders als erwarteten Frühstückstreffen halten soll, doch Aaron schüttelt nur seine weiße Stirnlocke und deutet mir an endlich wirklich herein zu kommen.
Die Wohnung ist schön hell Eingerichtet mit großen Fenstern und liebevollen Details. Aber was mir sofort auffällt ist dass die Wände mit Aarons Gemälden getackert sind, als würde man durch seine ganz persönliche Galerie spazieren gehen. Das jugendliche Gesicht von Aarons Mutter schiebt sich aus der offenen Wohnküche zurück auf den Flur und scheint ganz Offen und Natürlich mit der Gebärdensprache umzugehen. Ganz anders als Aaron selbst, welcher sie zumindest in meiner Gegenwart zu vermeiden scheint. Doch bevor ich Länger darüber nachsinnen kann fragt Elaine mich allen anschein nach die selbe Frage. "Müesli oder French Toast mit Preisel- und Blaubeeren? Deinen Bäckereiüberfall hat Montie leider getilgt", entschuldigt sich seine Mutter mit einem weichen Lächeln und ich weiß gar nicht wie ich mich gerade Verhalten soll. "Ähm.. Toast?" Entschließe ich mich endlich, auch wenn mir der Zusatz French mal so gar nichts sagt und Obst jetzt auch nicht gerade das ist von dem ich mich normalerweise ernähre, aber besser als dieses Pferdefutter.
Luke schiebt sich auf einen der Barhocker am Tresen und sieht auf diesen hohen Stühlen noch winziger aus als ohnehin schon, doch egal wie alt er jetzt wirklich ist dass er mich nicht Leiden kann strahlt er mit jedem seiner winzigen Muskeln aus und ich weiß jetzt schon dass ich heute Nacht von Chucky alias Luke die Mörderpuppe träumen werde.
"Gute Wahl", holt mich die hübsche Frau wieder aus meinem Blickduell mit ihrem Jüngsten, als sie eine flache Schüssel aus dem Schrank zieht und Aaron die Blaubeeren reicht, damit dieser sie in einem Sieb waschen kann. Das sie genau weiß dass ich ein, nein wohl eher beide Augen auf ihren ältesten Sohn geworfen hat, hemmt meine Gesprächigkeit ungemein, denn in meiner Geistigen überforderung weiß ich nicht wirklich wie ich die Situation zu deuten habe. Der normale Ablauf neu gewonnener Bekanntschaften ist in der Regel nicht, Schwul, Knutscht mit deinem Sohn rum und heißt Joe. Sonder in der Regel erfahren es die Eltern nie oder erst wenn ich die Gelegenheit hatte mich wenigstens erst einmal mit Namen vorzustellen und von meinen Qualitäten zu überzeugen. Das ist hier ja mal wie Flitzekacke in die Hose gegangen und ich hoffe nur das ich nicht auch noch anfange zu stinken…
Unser Schweigen wird nur von den Geräuschen der Frühstücksvorbereitungen begleitet und was mit bei Aaron keineswegs unangenehm ist, fühlt sich hier mit jeden Ticken der Wanduhr wie eine weitere Drehung im Folterrad an, aber mir will einfach nichts Einfallen.
Endlich dreht sich mein Regenbogen wieder zu mir und schenkt mir mit einem seiner Lächeln ebenso ein wortloses Grinsen im Gesicht, gegen welches ich mich einfach nicht wehren kann, bevor er mir eine der blauen Perlen entgegen wirft, sodass ich sie mit dem Mund fangen könnte, wenn der Versuch nicht alles andere als Misslingen würde und ich halb auf dem Küchentresen lande. Mein Versagen erheitert meinen Prinzen als er selbst eine der Beeren in die Luft wirft um diese geübt aufzufangen. "Angeber!" Neckend entreiße ich ihm die kleine Schale und vergesse vor lauter Rivalenkampf das seine Mutter noch immer nur einen Schritt neben mir die Eier für den Teig in die Schüssel schlägt.
Für den Moment fällt die Schwere von meinen Schultern und ich kann die Augen kaum aus dem himmelblauen Sprenkeln nehmen die Aarons Lächeln wie das Glück selbst begleiten.
"Gleich Knutschen sie wieder! Eklig!" Das sind die Worte die mir die Luft aus den Lungen presst und mir den eisigen Schauer über den Rücken laufen lässt, doch Elaine scheint die Worte gar nicht wahrzunehmen, oder ignoriert sie einfach gekonnt. Anders als Aaron, der diese Wohl von den Lippen hinter mir abgelesen hat und eine mir unverständliche Geste von sich gibt. Das einzige was mir aufschluss auf die 'gefallenen Worte' gibt ist Aarons genervter Gesichtsausdruck, den ich nur zugut von Tills Gesprächen mit seinen Hunderten Geschwistern kenne. Auf einmal kann ich das Lachen nicht mehr unterdrücken, als ich erkenne wie viel Liebe in diesen vier Wänden wohnt.
"Irgendwann findest du auch jemand zum Knutschen Luke!" Neckend rolle ich ihm eine der frisch gewaschenen Beeren zu, als dieser sie nur unsanft auf der Tischplatte zerquetscht. "Bäh! Ne!"
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