Kapitel 30

Seine Hand klopft Flach gegen seine Stirn, als würde er sich selbst über etwas ärgern, doch dann kehrt das weiche Lächeln wieder zurück und er zieht seinen Block erneut auf seinen Schoß. Ungeniert mustern mich seine fleckigen Augen und ich spüre wie sein intensiver Blick mir das Blut in die Wangen kriechen lässt. “Was machst du?”, drücke ich unsicher meine Botschaft gegen das Glas, als mein Traumtänzer die Seiten wieder zurückschlägt und die Skizze zum Vorschein kommt, welche er vor meiner Ankunft begonnen hat.

“Darf ich bleiben?”, folgt die nächste unbeholfene unsichere Frage, als er grinsend seine Skizze umschlägt um ein “Das tust du doch eh?” für mich hinterlässt. Ich fühle mich ertappt als ich einfach ein Herzchen in den bunten Neonfarben aus meiner letzten Kreativität presse und einen Smilie mit einem großen “Stimmt”. Er legt sich einen Finger auf die Lippen und winkelt die Knie so an das ich nicht mehr auf die Zeichnung auf seinem zierlichen Schoß sehen kann. Immer wieder wandern seine Augen über mein Gesicht, was mich schüchtern nervös werden lässt und mir fällt erst jetzt wieder die hässliche dunkle Brille auf, die ich meinen gestrig vergessenen Kontaktlinsen zu verdanken habe. Eilig, auch wenn es bereits viel zu spät ist ziehe ich sie von meiner Nase um seiner Musterung möglichst im besten Licht zu begegnen, doch diesmal klopft er sanft von innen an die Scheibe um mit dem Finger auf das Gestell in meiner Hand zu deuten. Spätestens das ist der Moment in dem mir mein Blutdruck ans Bein pisst und sich mein Gesicht in die purpurne Tomate verwandelt. Von meiner selbstsicheren Art ist gerade mal so gar nichts übrig, doch das scheint meinen kleinen Prinzen aus dem Regenbogen Glitzerland recht wenig zu stören, denn dieser fesselt mich mit seinen wachen Augen an die Regungslosigkeit. Fehlt nur noch das er eins seiner Einhörner los schickt und mir damit mein pochendes Herz aus der Brust sticht, meinen Willen zumindest hat er bereits fest im Griff, denn wie von selbst landet die Brille wieder auf meiner Nase. Es sind nur einige Minuten in denen er mich so forschend Ansieht, doch seine Blicke überfordern mich mit jeder vergehenden Sekunde mehr, bevor er mich endlich wieder Teilhaben lässt und mir seine Zeichnung offenbart. Ohne den Hauch eines Zweifels in dem Gesicht mir könnte die Bleistiftskizze von mir selbst nicht gefallen, erkenne ich nun endlich auch die vielen Linien, welche bereits zuvor auf dem Papier gelandet waren. Da wo Nichts das Papier gefüllt hatte, saß nun ich an der Mauer, wie am letzten Abend, den Platz vor dem Fenster besetzend. Ein Lächeln schmückt meine Lippen, als er sogar an das Muttermal unter meinem Mundwinkel gedacht hat. “Die steht dir Gut”, das oder so etwas ähnliches soll es wohl bedeuten als er mit dem Zeigefinger zweimal an seine Schläfe deutet und einen Daumen nach oben macht. Für mich zählt jedoch nur das anhaltende Lächeln, dass heute so Leichtfertig auf seinem Gesicht die ernsten Züge vertrieben hat.

Ich fühle mich herausgefordert und nehme meine grellen Textmarker um ebenso Geheimnisvoll etwas auf meinen karierten Block zu zaubern. Tatsächlich scheint er neugierig zu warten, während die Käsestange auf der Papiertüte Stück für Stück weniger wird. Was er wohl noch immer nicht verstanden hat:

Mein künstlerisches Talent ist geringer als bei einem leblosen Stein, welcher vielleicht noch eine schöne Maserung auf seiner Oberfläche trägt.

Die Sonne wandert hinter meinem Rücken entlang und zieht dunkle Schatten auf mein neonfarbenes Kunstwerk als ich ihm einen einzigartigen wackligen Regenbogen offenbare. Seine Wangen werden Zartrosa, als er aus mir unverständlichen Grund nickt.

Er schiebt wieder eine freie Seite auf als er nachdenklich Innehält ehe er seine Frage in Worte fasst und mir an die Scheibe schiebt. “Warum?” “Warum ein Regenbogen?”, die Frage kommt verwirrt aus meinen Lippen, doch ehe ich sie aufschreiben kann schüttelt mein Gegenüber den Kopf und ergänzt. “Warum? - Kommst du immer wieder her?” Nun verstehe ich und meine Züge werden weicher. Weil ich dich irgendwie süß finde und schon ein wenig für dich schwärme, kann ich einem jungen Mann als Mann ja wohl kaum so dreist offenbaren, weshalb ich meine Antwort anders aber immer noch ehrlich verfasse. “Weil ich dich wirklich kennenlernen will!” Als hätte ich doch meine ersten Gedanken auf das Papier geschmiert errötet der Kleine hinter dem Glas und ich Prüfe irritiert meine Nachricht, als unser Date von einem Mädchen gestört wird, welches die Tür hinter Mr. Green day aufschiebt. Erst als mein Blick die Ankommende ansieht, dreht sich auch mein Schwarm um und sieht zu ihr. Ich kann mir einen angesäuerten Blick nicht verkneifen als mein kleiner Sonnenschein nickt und dieser Blondine mit der merkwürdigen Vogelscheuchen Frisur seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Ihrer Kleidung nach muss sie auch Künstlerin sein, aber irgendwie mag ich sie nicht. Ob das an dem vertrauten Umgang mit meinem schweigenden Prinz liegt, weiß ich nicht recht, aber allein dass er das Metallmäppchen mit den vielen Bleistift zuklappt, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, denn ich kann mir vorstellen das unser Rendevou wohl jetzt beenet ist.

Tatsächlich schenkt er mir ein entschuldigendes Lächeln und klopft sich den Staub von den Knien um ihr zu folgen, nach dem er kurz angebunden ein “Bis Morgen” an die Scheibe presst. Die nervige Tussi verzieht im Hintergrund meiner Wahrnehmung das Gesicht und verschwindet wieder aus der Tür und damit aus meinem Blickfeld. Das es bereits anfängt zu Dämmern wird mir erst jetzt wirklich klar und obwohl wir den ganzen Tag damit verbracht haben hier am Fenster kleine Briefchen zu schreiben, stimmt mich dieses abrupte Ende irgendwie Traurig. Ob das seine Freundin ist? Zumindest schien ihr abwertender Blick mir gegenüber auch nicht unbedingt wohlgesonnen. Der Gedanke daran dass diese Vermutung der Wahrheit entsprechen könnte macht mich Wahnsinnig und ich spüre wie ich mich zu einem der kleinen hässlichen Gremlins entwickle, der nach 12 Uhr nass oder gefüttert worden ist. Gerade als ich mich in Gedanken darum bemühe wie ich diesen Blonden Störfaktor beseitigen kann, kommt mein kleiner Regenbogen noch einmal in das leere Atelier.

Sein Blick verzieht sich zu einem erleichterten Lächeln als er mich noch immer unverändert an der Scheibe sitzen sieht und er ein Stück des braunen Müllpapiers abreißt. Von irgendwo zaubert mein Künstler einen Stift hervor, wobei ich langsam davon ausgehe, dass er einfach immer irgendwo etwas zum Zeichnen versteckt hat, falls mal der Fall eintritt und unerwartet eine dringende Zeichnung gemacht werden muss, doch was er aufschreibt, lässt all die Eifersüchtigen Gedanken wie von einem Okan aus furzenden geflügelten rosa Spiderschweinen wegschleudern die ihre von Amor geklauten Pfeile tollwütig auf mich abfeuern, denn auf dem abgerissenen Stück dass er mir mit einem Lächeln zeigt steht endlich ein Name.

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