Ritter und Samurai


Man kann als gegeben voraussetzen, dass es zwischen Rittern und Samurai sehr viele Unterschiede gibt, die jedoch hier nicht von Interesse sein sollen. Vielmehr interessiert mich die Frage: Was haben das abendländische und das fernöstliche Rittertum gemeinsam?

Wenn man Parzival als Musterbild eines Ritters ansieht, zu dem er sich vom "reinen Tor", vom Rohdiamanten, ausgehend immer mehr vervollkommnet, dann wird eine grundlegende Gemeinsamkeit deutlich: Körper und Geist zu kultivieren, das ist die Aufgabe, die es zu meistern gilt. 

Stete Übung in den Künsten des Kampfes, sei die Auseinandersetzung nun körperlicher oder geistiger Art, ist eine Selbstverständlichkeit auf dem Weg des Kriegers

Auf die heutige Welt übertragen, bedeutet das, den Körper durch vielfältigen Sport zu trainieren und lebenslang zu lernen, nicht nur kognitiv, sondern auch mental und spirituell, so wie ich es in dem Gedicht "Dào" (in: NACHTLICHT) zum Ausdruck zu bringen versuche.

Es ist ganz und gar nicht wichtig, dass der Ritter oder Samurai möglichst viele tatsächliche Auseinandersetzungen bestreitet, entscheidend sind vielmehr seine ständige Bereitschaft, Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, Eigenschaften, die letzten Endes mehr Kämpfe verhindern als auslösen. 

Die Ehe des Parzival ist ein Beispiel für die ideale Beziehung zwischen Mann und Frau. Letztere ist es, die den Ritter zur Liebe hinführt, wie Condwiramurs (conduire amour) es tut.

Der von Kürenberg, ein Minnesänger aus dem 12. Jahrhundert, gibt ein Beispiel dafür, wie eine edle Frau sich den Mann formen kann:

"Ich zog mir einen Falken länger als ein Jahr. Nachdem ich ihn mir gezähmt, wie ich ihn haben wollte, und ihm sein Gefieder mit Gold wohlgeschmückt, erhob er sich hoch in die Lüfte und entflog in fremdes Land. (...)"

Zu meinem Gedicht "Blanchefleur" (in: NACHTLICHT) habe ich mich von Motiven des Parzival-Stoffes anregen lassen. Die Form habe ich jedoch nach fernöstlichem Vorbild gewählt.

Nach dem Muster des japanischen Senryu sind die drei Strophen gebildet, für jeden der im Schnee aufleuchtenden drei Blutstropfen eine. Das Gesicht der "weißen Blume" Blanchefleur (Condwiramurs) in der extrem abstrahierten und reduzierten Form korrespondiert mit japanischer Ästhetik, die ganz ähnlichen Prinzipien folgt. Abendländischer Inhalt und fernöstliche Gestaltung vereinen die gemeinsamen Grundlagen von Rittern und Samurai.

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