Bordstein


Es gab eine Zeit in Franks Leben, da fühlte er sich einsam und traurig. Seine einzigen Freunde hießen Jack Daniel, Johnnie Walker und Jim Beam. Am liebsten hätte er sich gleich im "Jack Daniel's Lake" ertränkt.

Abends verließ er immer seine Wohnung. Wie ein wildes Tier regelmäßig das Wasserloch ansteuert, so zog es ihn in irgendeine Bar, keine bestimmte, es war ihm alles egal. Es spielte auch keine Rolle, mit wem er ins Gespräch kam, jede Gesellschaft war ihm recht.

An diesem Abend waren es zwei grobschlächtige Gesellen aus dem Arbeitermilieu, mit denen er sich die Kante gab. Frank konnte einiges vertragen, die beiden Haudegen eher weniger. Als die Bar schließlich geschlossen wurde, machte man sich gemeinsam auf den Heimweg.

Es war für ihn keine schöne Vorstellung, allein in seine Wohnung zurückkehren zu müssen, deshalb sagte Frank: "Kommt doch mit zu mir, ich habe noch reichlich Alkohol."

Das war ein Fehler, denn so besoffen die beiden auch waren, eines glaubten sie begriffen zu haben: Hier wollte ein fremder Mann sie mit in seine Wohnung nehmen, das musste ein Schwuler sein! So einer hatte Prügel verdient.

Frank hatte ganz vergessen, dass seine androgynen Züge noch immer nicht ganz verblichen waren, obwohl er schon längst nicht mehr so mädchenhaft wirkte wie damals in London als Siebzehnjähriger. Das farbenfrohe Seidenhemd war in diesem Zusammenhang wohl auch die falsche Wahl.

Jedenfalls machte der eine den Anfang, indem er auf Frank zuging und Anstalten machte, ihm mit der Faust eine zu verpassen. Zum Glück hatte der Alkohol doch erhebliche Auswirkungen auf die Treffsicherheit, so dass Frank ungehindert ganz dicht an den Gegner herantreten konnte, dessen längere Arme ihm nun nicht mehr gefährlich werden konnten.

In seiner Jugend hatte Frank einige Jahre lang Kampfsport betrieben, vor allem Judo. Auch wenn er jetzt als untrainierter Alkoholiker nicht gerade sportlich wirkte, so hatte er die entscheidenden Moves in seinem Gehirn abgespeichert und diese kamen nun zur Anwendung.

Schnell hatte er den Kontrahenten am Boden und mit einem der Haltegriffe fixiert, für die er in seiner aktiven Zeit bekannt war. Noch nie hatte sich jemand wieder daraus befreien können und so war es auch jetzt.

Der zweite Angreifer stand immer noch unentschlossen und orientierungslos herum. Er hatte wohl erwartet, sein Kollege würde schon alles alleine erledigen. Stattdessen hatte Frank dessen Haare fest gepackt und hielt den Kopf direkt über die Bordsteinkante aus Granit. Diese Kante würde den Schädel spalten, wenn Frank ihn darauf knallen ließe.

Ewig konnte er nicht warten. Bald würde der zweite Mann angreifen, also musste der erste ausgeschaltet werden. Blitzschnell kalkulierte Frank, wie viel Wucht notwendig wäre, um den Gegner außer Gefecht zu setzen. Töten wollte er ihn auf keinen Fall, also krachte der Kopf mit gebremstem Schwung auf den Granit und Frank löste den Haltegriff im selben Moment.

Er sprang zwei Schritte zurück und sah mit Erleichterung, dass sich sein Opfer schon wieder bewegte.

„Lass dich hier nie wieder blicken, wir machen dich fertig!"  

Das waren die Worte, die Frank gerade noch hören konnte, während er aus der Gefahrenzone sprintete. 

Als er nach kurzem Schlaf in seinem Bett erwachte, hatte das verschwitzte Seidenhemd, welches er immer noch trug, einen langen Riss. Daran konnte Frank erkennen, dass er das alles nicht nur geträumt hatte.

   

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