Abgabe für Wettbewerb 1: "Glück"
Klapptext:
Kauri, eine junge Zentaurin aus Miriyandu, steht kurz davor in die Jade-Herde aufgenommen zu werden. Nur eine letzte Prüfung steht zwischen ihr und einem festen zu Hause. Um diese zu erfüllen, muss sie sich mit den Nöck aus dem dunklen See verbünden. Doch Kauri's Vergangenheit ist eng mit diesen Wassergeistern verwoben...
Glück:
Ein Ort voller Magie. Aeria. Mystische Geschöpfe nennen es ihr Zuhause. Träumer ihre Zuflucht, Realisten die Fantasie.
In einem stetigen Rhythmus bewegte sich die Herde fort. Das Tappen von unzähligen Hufen auf trockenem Gras. Etwas abseits von ihnen lief eine weitere Zentaurin, gerade einmal 19 Winter alt. Im Gegensatz zu den restlichen Zentauren war sie nicht über und über mit Symbolen bemalt. Sie trug einen einfachen Bogen und ihr Mähnen- und Schweifhaar war mit Kordeln unordentlich zusammengebunden. Dicht bei ihr hielt sich ein sandfarbener Kojote, beide sahen abgemagert aus. Kauri's Kehle war wie ausgedörrt. Ein Blick auf die restlichen Zentauren zeigte, dass sie nicht die einzige war. Seit Tagen hatte die Herde kein Wasser mehr gefunden. Möglicherweise würden sie ihr Tal verlassen müssen. Ein weiteres mal wanderte ihr Blick in Richtung des dunklen Sees, die vermutlich letzte Wasserquelle im Tal, die nicht ausgetrocknet war. Grund dafür waren die Nöck. Sie waren wilde Wassergeister. Großartige Musiker, so großartig, dass sie mit ihrem Saitenspiel töten konnten. Früher, als sie noch in Miriyandu gelebt hatte, hatte sie eng mit ihnen zusammengelebt, doch hier waren Zentauren und Nöck verfeindet. Wenn sie der Herde hier erzählt hätte, dass sie eine Nöck geliebt hatte, sänken ihre Chancen aufgenommen zu werden gen null. Ihre Hand glitt in ihre lederne Umhängetasche und sie tastete nach dem Amulett. Edda's letztes Geschenk. Die Trauer traf sie ein weiteres mal. Oh, verdammt ich vermisse dich so! Anouk schien ihre Trauer zu spüren, denn sie rieb sich an Kauri's Vorderbeinen und winselte leise. Auch sie hatte Edda geliebt. Die Stimme der Leitstute, Laika, riss sie aus ihren Gedanken. „Kauri! Komm her! Deine letzte Prüfung erwartet dich!". Nervosität kribbelte durch ihren Körper, ehe sie in Galopp fiel und innerhalb von einigen Sekunden bei Laika war. Sie neigte den Kopf, um der Leitstute Respekt zu zollen. „Wie du siehst finden wir seit einer Weile kein Wasser mehr. Uns bleibt also nichts anderes übrig als das Tal zu verlassen oder mit den Nöck zu verhandeln. Das Tal zu verlassen, kommt nicht in Frage, ohne vorher Kundschafter vorrauszuschicken. Dafür reicht unsere Zeit allerdings nicht. Folglich müssen wir mit den Nöck verhandeln. Da du aus einer Gegend stammst, in der die Wassergeister häufiger vertreten sind, wird dies deine letzte Prüfung sein. Nimmst du sie an?". Kauri atmete tief durch. Die Nöck waren gefährlich, aber sie kannte das Geheimnis der Wassergeister und sie brauchte eine Herde. „Ich nehme die Prüfung an, Leitstute.". Diese Worte hatte sie in den letzten Monaten schon so oft gesagt. Neun Mal, um genau zu sein. Jeder Prüfung hatte sie sich gestellt. Jede hatte sie bestanden. Das hier, war die letzte. Das letzte Mal hörte sie wie Laika antwortete: „Möge der Wind mit dir und dein Vorhaben erfolgreich sein!". Das letzte mal drehte sie als einsame Stute ab und verließ die Nähe der Herde. Das letzte mal war es nur Anouk die sie begleitete. Wenn sie die Herde wieder sah, würde sie ein Zuhause haben. Sie verfiel in einen Galopp, Anouk jagte in großen Sprüngen neben ihr her. Zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren. Die Sonne ging langsam unter und tauchte alles in orangefarbenes Licht. Im Laufen öffnete sie die Kordel, welche ihre Haare zusammengehalten hatte. Ihre dunklen Haare ergossen sich über ihre Schultern. Der Wind trieb den Geruch nach Wasser in ihre Richtung. Genauso hatte Edda immer gerochen. Für einen Moment erlaubte Kauri sich selbst in Erinnerungen zu schwelgen.
Edda, die sich auf ihren Rücken schwang, die Arme um ihre Schultern legte und das Gesicht in ihren Haaren vergrub.
Die vielen Abende die sie sich am See verabredet hatten.
Das erste Mal als Kauri, Edda's Musik gelauscht hatte.
Das erste Mal als sie sich geküsst hatten.
Das letzte Mal als sie sich umarmt hatten, kurz bevor die Wachen in ihr Versteck gestürmt waren, kurz bevor sie in verschiedene Richtungen davongelaufen waren, ohne zu wissen wohin der jeweils andere ging. Ohne zu wissen, ob sie sich wiedersehen würden.
Kauri griff in ihre Tasche und zog Edda's Amulett hervor. Vorsichtig band sie sich die dünne Lederschnur um den Hals. Sie umschloss das Schmuckstück mit ihren Händen. „Wünsch mir Glück."
Der Mond stand mitten am Himmel, als sie beim dunklen See ankam. Sie beugte sich hinunter und tauchte die Hand ins Wasser. „Na kierra fallum." Ich komme in Frieden. Rief sie. Das Wasser des See's begann zu brodeln. Ein Glühen tauchte aus den Tiefen auf, das Wasser schoss in die Höhe, formte menschenähnliche Körper, türkis glühende Augen leuchteten auf. „U wje ta narr? Was willst du hier?" fragte ein alter Wassergeist, dessen Augen weißlich leuchteten. „Me ou terad. Mit euch verhandeln" antwortete Kauri. Der alte Nöck musterte sie von oben bis unten. Vermutlich fragte er sich, wer ihr die Sprache der Nöck beigebracht hatte. „Was verlangst du?", die Tatsache, dass der Nöck Miriyandu sprach, überraschte Kauri. „Meine Herde braucht diesen See, um zu überleben. Ich verlange Frieden zwischen uns und eurem Volk." antwortete sie. „Was hast du zu bieten?", natürlich, er verlangte einen Preis. Doch Kauri hatte nichts. Gar nichts. Panik drohte sie zu überfallen. Um sich selbst zu beruhigen, griff sie nach dem Amulett. Das Amulett! Es war von Nöcken aus jotunheimischem Eis gefertigt! Behutsam löste sie die Lederschnur um ihren Hals und trat näher an den See heran. „Ein Amulett, von eurem Volk geschmiedet." Kauri streckte den Arm aus und der Nöck griff nach dem Amulett. Für einen Moment spürte sie das Verlangen ihren Arm zurückzuziehen, ihre letzte Erinnerung an Edda nicht einfach so aufzugeben. Doch der Nöck zog es ihr rasch aus der Hand und beäugte es staunend. Dann wurden seine Augen groß und er keuchte überrascht auf. „Mileno, hol die Prinzessin. Ich denke wir haben gefunden, was sie sucht.". Einer der Nöck antwortete: „Ja, König Elamon." und verschwand in den Tiefen des Sees. „Wie meint ihr das? Von wem sprecht ihr überhaupt?" Kauri hätte den alten Wassergeist beinahe angeschrien, nur mühselig konnte sie sich davon abhalten. Er beantwortete ihre Frage nicht. Mileno tauchte mit einer Nöck wieder auf. Sie sah Edda ähnlich. Verdammt ähnlich. Im Gegensatz zum Rest ihres Volkes hielt sie sich nicht in der Mitte des Sees, sondern rannte in Richtung Ufer, bis sie direkt vor Kauri stand. „Sie kennen meine Schwester?" „Sprecht ihr von Edda? Ich kannte sie. Wisst ihr, wo sie sich befindet?" „Woher kanntest du sie?", die Nöck ignorierte Kauri's Frage einfach. „Sie lebte in einem See in Miriyandu, da wo ich herkomme." antwortete Kauri zögerlich. „Und dann habt ihr widerliche Bestien sie verschleppt!", ein weiterer Wassergeist war aufgetaucht. Kauri hatte das Gefühl, als würde sich ein Dolch in ihr Herz bohren. „Ergan!" knurrte sie, „Ich habe sie geliebt und sie mich, das ist es was dich so wütend macht. Dass du sie nicht für dich gewinnen konntest!". Ergan hatte in demselben See gelebt, wie Edda und noch immer wurde Kauri den Verdacht nicht los, dass er es war, der sie an die Wachen des Dunkelschrecks verpfiffen hatte. „Schatz, was geht hier vor sich?" fragte die Nöck, die Edda als ihre Schwester bezeichnet hatte. „Dieser miese Gaul ist dafür verantwortlich, dass deine Schwester nie nach Hause gekommen ist! Seine Herde hat sie verschleppt, wie so viele von uns!". „Ist das wahr?" wandte sich die Nöck an Kauri, die sich verzweifelt das Gehirn zermatterte um auf ihren Namen zu kommen. Edda hatte ihr einmal erzählt, wie ihre Schwester hieß. „Natürlich nicht!" schnaubte Kauri, „Wir haben uns geliebt!" „Das ich nicht lache, zwei Frauen, die einander geliebt haben sollen! Natürlich lügt sie." höhnte Ergan. Klar, hatte Kauri gewusst, dass nicht alle dieses Thema als selbstverständlich ansahen, doch sogar Eddas Schwester, Amai, so hieß sie, sah verunsichert aus. „Nein, ich lüge nicht wirklich!", langsam wurde sie panisch, als immer mehr Nöck aus dem See auftauchte und sie feindselig anstarrten. Ergan war der erste, der eine Geige zog und sie an das wässrige Kinn hob. Hin und hergerissen schwankte sie dazwischen ihren Bogen zu ziehen oder sich die Ohren zuzuhalten. Sie entschied sich für letzteres und presste die Hände auf ihre Ohren, während sie gleichzeitig ein paar Schritte zurückwich. Die Nöck begannen zu spielen.
Die tieftraurige Musik, gelangte zwar gedämpft an ihre Ohren, lies ihr aber trotzdem das Herz schwer werden. An etwas Schönes denken, an etwas Schönes denken. Wiederholte sie krampfhaft in Gedanken, doch es nützte nichts. Sie rief sich Eddas Gesicht vor Augen, doch alles, was es in ihr auslöste, war Sehnsucht, ein Schmerz, der sich tief in ihr Herz bohrte. Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen, sie würde nicht gegen die Macht der Musik ankommen. Sie würde an gebrochenen Herzen sterben, wie alle die die Nöck verärgerten. Da berührte etwas Warmes ihre Beine. Anouk. Die Kojotin kuschelte sich an sie, stellte sich auf die Hinterbeine und schleckte ihr liebevoll die Hand, die sie irgendwann hatte, sinken gelassen. Der Blick in ihren braunen Augen sprach Bände. Und Kauri erinnerte sich.
Ich war gerade auf Miriyandu geflohen, den Schmerz des Vermissens noch tief im Herzen. Als ich sie fand. Feststeckend in einer Falle, die vermutlich Wilderer gestellt hatten. Ich tat ihr einen Gefallen und befreite sie. Von da an hatte ich eine Begleiterin. Eine Begleiterin die mir bereits mehrmals geholfen hatte. Eine Begleiterin, die mich den Schmerz für kurze Zeit vergessen ließ, wenn wir uns balgten oder in kalten Nächten, eng aneinander gekuschelt schliefen.
Der Gedanke an Anouk, füllte ihr Herz mit Wärme und übertönte den Klang der Geigen. Kauri griff nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil an. Sie ließ los. Mit einem knallen zerfetzte der Pfeil die Saiten von Ergans Geige und machte sie unbrauchbar. Fünf weitere Treffer und die Hälfte der Nöck waren entwaffnet. Die restlichen ergriffen die Flucht, ehe auch ihr Instrument dran glauben musste. Zurück blieben der alte Nöck und Amai. Ergan war unter der Wasseroberfläche verschwunden, kaum hatte Kauri ihren ersten Treffer gelandet. Amai hatte, wie Kauri jetzt auffiel, nie eine Geige in der Hand gehabt. Der alte Nöck räusperte sich. „Ich glaube dir. Ich erkenne eine Lüge, wenn ich sie höre und der Einzige, der hier gelogen hat, war Ergan.". „Bist du dir sicher Vater?" fragte Amai. „Natürlich. Ich lüge nicht. Abgesehen davon, wenn Amai damit einverstanden ist, wäre ich ebenfalls für Frieden zwischen unseren Völkern. Dieser Konflikt ist doch Kinderkram!". Kauri fiel ein Stein vom Herzen als Amai sagte: „Ich stimme dir zu Vater, es wird Zeit, dass wir uns wieder der Suche nach meiner Schwester widmen können. Unter einer Bedingung: Die Zentauren müssen sich vergewissern, dass in dem Wasser, das sie trinken kein Nöck ist!". Ein Grinsen huschte über Kauris Gesicht, als sie sich vorstellte was wäre, wenn die Zentauren darauf nicht achten würden. „Ich werde es der Leitstute ausrichten! Und Danke, vielen Dank, ihr habt mir soeben eine Herde geschenkt!" sagte Kauri lächelnd, ehe sie sich zum Gehen wandte.
Als sie bei ihrer Herde ankam, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Laika war hocherfreut, als sie von Kauris Erfolg hörte und befehligte die Herde auf der Stelle umzudrehen und zurück zum Dunkelsee zu gehen. Diesmal lief Kauri nicht außerhalb, sondern in der Mitte der Herde und unterhielt sich fröhlich mit einer anderen Zentaurin, Naomi hieß sie, über das Bogenschießen. Naomi war etwa gleich alt wie sie, hatte dunkelbraunes Fell und eine lange Mähne, die sie zu vielen kleinen Zöpfen geflochten hatte. Außerdem ein süßes Lächeln und abertausende Sommersprossen, genau wie sie selbst. Und zum ersten Mal seit langem spürte Kauri wieder die Schmetterlinge in ihrem Bauch.
Epilog
Tausende Meilen vom Jadetal entfernt saß eine Nöck in einer Taverne und war in eine Zeichnung vertieft. Die Zeichnung zeigte eine Zentaurin, auf ihrem Rücken lag ein Kojote, wie sie inmitten einer Herde von anderen Zentauren über die Steppe galoppierte. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie hat ihr Glück gefunden, genau wie ich. dachte sie, ehe sie ihren Stift weglegte und dem jungen Wirt ein strahlendes Lächeln schenkte.
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