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Ein eisiger Windstoß jagte durch die verlassene Straße und ließ Jungkook frösteln. Schützend schlang er seine Arme um seinen schmalen Körper und versteckte sein Kinn mehr in seinem Shirt, während einzelne Tränen auf das graue Pflaster tropften. Er fühlte sich so leer, so verletzt und sein ganzer Körper schmerzte. Am liebsten hätte er sich die Haut von seinem Leib gerissen, die Haut, in welcher er sich nicht wohl fühlte...die nur noch wie eine rissige Hülle seine innere Dunkelheit umgab.

Zitternd bog er um die nächste Ecke, als die Straßenlaternen erloschen und sich noch längere Schatten über den Bürgersteig zogen. Die ersten Sonnenstrahlen kämmpften sich ihren Weg über den Horizont, doch sie waren nicht mehr als ein schwaches Funkeln, was nicht ein winziges bisschen der Dunkelheit auf der Straße und erst recht nicht der Dunkelheit in Jungkooks Herzen nehmen konnte.

Nach einigen weiteren Minuten schleppte der Junge sich die breite Auffahrt zu ihrer Villa herauf. Vor der Garage konnte er einen schwarzen Sportwagen erkennen, was ihn bitterlich aufschluchzen ließ. Warum mussten seine Eltern ausgerechnet jetzt nach Hause kommen?

Mit zittrigen Händen kramte er in seiner Hosentasche herum und zog den Haustürschlüssel hervor. Mit verweinten Augen versuchte er diesen in das Schloss zu stecken, doch er konnte mit der verschwommenen Sicht kaum etwas erkennen, sodass er immer wieder abrutschte und ihm letztendlich ein verzweifelter Laut über die Lippen kam.

Plötzlich konnte er aber erkennen, wie sich der Hausflur erhellte und ihm keine Sekunde später grelles Licht durch die Glasscheiben entgegenstach. Kurz darauf hörte er ein Klacken und sah, wie sich die Tür einen Spalt breit öffnete. In dieser stand seine Mutter, eine schlanke Frau mit wunderschönen schwarzen Locken, gehüllt in einen samtenen Morgenmantel. Mit besorgter Miene musterte sie den verheulten und verletzten Jungen auf der Treppenstufe und keine Sekunde später kam sie auf ihn zu und schloss ihn fest in ihre Arme.

Überrascht stolperte Jungkook etwas zurück und rührte sich zunächst keinen Millimeter. Doch als er den Kopf der Frau, die deutlich kleiner war als er, an seiner Brust und ihre sanften Streicheleinheiten auf seinem Rücken spürte, schluchzte er qualvoll auf und schloss seine Arme ebenfalls um ihren zierlichen Körper.

"Jungkookie, mein Schatz", flüsterte die Frau gegen die unruhig zitternde Brust ihres Sohnes "wir haben uns Sorgen gemacht." Diese Worte brachten Jungkook nur noch mehr zum Schluchzen. Seine Eltern hatten sich Sorgen gemacht? Wann hatten sie das denn jemals? Sie waren doch nie da.

"Was ist dir denn passiert?", fragte seine Mutter anschließend und löste sich wieder etwas von dem völlig aufgelösten Jungen "und wo warst du überhaupt? Es ist früh am Morgen. Wegen dir konnte ich die ganze Nacht nicht ein Auge zumachen." Vorwurfsvoll musterte sie den Braunhaarigen, schüttelte dann jedoch seufzend den Kopf, ergriff die Hand ihres Sohnes und zog ihn hinter sich her in das Haus.

In der großen Küche angekommen, drückte sie ihn auf einen der schwarzen Barhocker und holte sofort den Erste-Hilfe-Koffer aus dem Schrank an der Ecke. Dann stellte sie sich wieder vor den Jungen und nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, um seine Wunden zu begutachten. "Aish...das sieht gar nicht gut aus", zischte sie und zog sofort eine Kompresse und Desinfektionsmittel aus der roten Box.

Jungkooks Tränen waren inzwischen versiegt. Nicht eine einzige salzige Kugel wollte ihm noch aus den Augenwinkeln kommen. Er war leer, ausgebrannt und zutiefst verletzt. Stumm ließ er seine Mutter einfach machen, zuckte nicht einmal auf, als die brennende Alkohollösung auf seine offene Lippe traf.

"Wo warst du denn? Wer war das?", begann die Mutter erneut zu fragen, während sie ein Pflaster auf die Wange des Jungen klebte und nach einigen Sekunden gänzlich von ihm abließ. Aus großen Augen musterte sie den blassen Schüler, der wie ein Häufchen Elend auf dem Hocker saß. Seine Schultern hingen herab und den Kopf hatte er wieder gen Boden gesenkt.

Doch seine Mutter hob sein Kinn erneut an und nun war die Sorge einem vorwurfsvollen, gar wütenden Blick gewichen. "Jeon Jungkook", ermahnte sie ihren Sohn mit fester Stimme "ich rede mit dir!" Aber Jungkook dachte gar nicht daran zu sprechen. Er hatte keine Kraft mehr und es interessierte ihn auch nicht, dass seine Mutter sich aufeinmal um ihn kümmerte.

"Mein Gott! Dein Vater und ich sind fast umgekommen vor Sorge...und dann stehst du so vor unserer Haustür", ihre Stimme schwoll immer weiter an "sei froh, dass dein Vater gerade schläft und dich nicht so sieht. Da hättest du was erleben können."

Ein verächtliches Schnauben verließ die Lippen des Jungen, während er sich weiter von seiner Mutter abwandte. Doch diese stellte sich gleich wieder vor ihn und stemmte ihre Hände zornig in die Seiten. "Du kannst doch nicht einfach nachts alleine rausgehen und mit solchen Verletzungen zurückkommen", begann sie erneut auf Jugnkook einzureden "und außerdem...wie riechst du überhaupt?"

Plötzlich packte sie den Jungen an seinem Shirt und zog ihn aus dem Hocker auf die wackeligen Beine. "Sag mir nicht, du warst auf einer Party?!"

Für einen Moment herrschte Stille in der weitäufigen Küche und die Frau schien wohl nach den richtigen Worten zu suchen. "Jungkook, du bist minderjährig! Du kannst doch nicht einfach auf eine Party gehen und dort auch noch trinken. Was ist denn bitte in dich gefahren?", allmählich wurde ihre Stimme immer mehr zu einem hysterischen Schreien und sie musste sich zusammenreißen nicht gänzlich aus ihrer Haut zu fahren.

"Ich bin also noch minderjährig...", erneut entwich dem Schüler dieses sarkastische Kichern ehe er seinen Kopf anhob und seiner Mutter herausfordernd entgegenfunkelte. "Natürlich. Du bist ein Kind, da kannst du doch nicht-" "Ich bin schon lange kein Kind mehr", unterbrach der Junge seine Mutter harsch und mit einer Stimme, die nur so vor Kälte triefte.

"Aber natürlich bist du das...du bist unser Sohn und definitiv noch nicht so alt, dass du alleine auf irgendwelche wilden Partys gehen kannst", motzte die Mutter jedoch und verschränkte die Arme wütend vor ihrer Brust. "Nein! Nein, das bin ich nicht", schrie Jungkook ihr aber mit einem Mal entgegen und trat einen weiteren Schritt auf sie zu.

Von oben herab besah er sie mit einem mehr als abschätzigen Blick und malte wütend mit seinen Kiefern aufeinander. "Ich bin seitdem ihr andauernd auf Geschäftreisen seid und nie...nie hier seid kein Kind mehr", fauchte er ihr entgegen, während sich auf einmal auch seine Augen wieder mit Tränen füllten. "Aber Jungkookie-" "Nein", fiel er der Frau erneut ins Wort und auch, wenn in ihrem Blick nicht eine Spur von Zorn mehr lag, konnte Jungkook die seine nicht mehr zügeln "ich bin schon lange erwachsen. Wann seid ihr denn mal da? Nie! Nie seid ihr hier! Ihr kümmert euch doch nur um euch selbst und eure ach so tolle Firma. Was mit mir passiert interessiert euch doch überhaupt nicht!"

Die Tränen schossen dem Jungen aus den Augen wie schon so oft in dieser Nacht, nachdem er einige Schritte zurückstolperte, um Abstand zwischen sich und seine Mutter zu bringen. "Also w-was...w-was interessiert es dich jetzt...w-wie e-es mir geht", mittlerweile war seine Stimme nicht mehr als ein brüchiges Flüstern und ein kalter Schauer bildete eine Gänsehaut an seinem gesamten Körper.

"Aber das ist doch gar nicht wahr...Jungkook, wir wollten nie, dass du...", traurig sah die Schwarzhaarige ihren Sohn an und streckte ihre Hand nach ihm aus, doch Jungkook schlug diese sofort zur Seite und stapfte an ihr vorbei in Richtung Treppe.

"Was ist denn hier los?", drang mit einem Mal eine weitere Stimme durch die Küche und keine Sekunde später trat ein breitschultriger Mann in einem Flanell-Schlafanzug durch den Türrahmen. Er hatte kaum Ähnlichkeit mit dem schmächtigen Jungen und nur seine nussbraunen Haare und seine Größe, ließen darauf schließen, dass er Jungkooks Vater war.

"Jungkook?! Was machst du denn hier? Und wie siehst du überhaupt aus?", fragte der Vater sofort, wobei sein Kinn schockiert aufklappte. Doch Jungkook dachte gar nicht daran, auf diese Fragen einzugehen, sodass er ohne ein weiteres Wort zu verlieren, an dem Mann vorbeirauschte und die Treppe heraufjagte.

"Jungkook! Was soll das?", hörte er noch die wütende Stimme seines Vaters, doch keine Sekunde später hatte er bereits die Tür zu seinem Zimmer mit einem lauten Knall zugeworfen und hastig den Schlüssel im Schloss herumgedreht. Daraufhin lehnte er sich mit dem Rücken gegen das weiße Holz und starrte in die Dunkelheit.

Binnen einer Sekunde stiegen ihm erneut die Tränen in die Augen und er sank vollkommen erschöpft mit dem Rücken an der Tür herab. Zitternd zog er seine Knie an seinen Körper, denn aufeinmal war ihm wieder so kalt, wie auf dem Weg nach Hause. Seine Wunden brannten höllisch, aber das was ihm am meisten Schmerzen bereitete, war sein gebrochenes Herz, dass in seiner Brust blutete.

Mit einem wehklagenden Schluchzen, dass jedem anderen ebenfalls das Herz zerreißen würde, vergrub er sein Gesicht in seinen Händen und kauerte sich noch mehr zusammen.

Warum? Warum musste es soweit kommen? Was hatte er falsch gemacht? Warum wurde er von allen im Stich gelassen?

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