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Mühsam schleppte Jungkook sich in Richtung Sporthalle, schlurfte langsam mit hängendem  Kopf und schlaffen Schultern über den Vorplatz und kaute sich in Gedanken versunken auf der Unterlippe herum. Mehrmals wurde er von einigen Schülern angestoßen oder zur Seite geschubst, die ihm zu allem Überfluss auch noch fiese Beleidigungen an den Kopf warfen. Doch er war es ja gewohnt und so richtig bekam er das auch gar nicht mit.

Alles, was um ihn herum geschah wirkte viel mehr wie ein verschwommenes Bild und tauchte in einem diesigen Nebel unter. Viel zu sehr, war der Junge mit sich selbst und seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

Am liebsten wäre er auch gar nicht zu dem Spiel gegangen, doch sein Klassenlehrer hatte alle darauf hingewiesen, dass es sich um das Halbfinale handelte und jeder Schüler, der nicht erscheinen würde, umgehend eine massige Strafe kassieren würde. Darauf konnte Jungkook gut verzichten, er hatte sowieso schon genug Probleme um die Ohren, da wollte er nicht auch noch in der Schule welche machen. Obwohl er in der letzten Woche bereits zwei schlechte Noten bekommen hatte - mangelhaft, das war ihm noch nie passiert und jetzt gleich im Doppelpack.

Ein schweres Seufzen verließ seine Lippen, als vor seinem Auge plötzlich das Bild des großgewachsenen Basketballers auftauchte, der gestern einfach aus seiner Wohnung geflüchtet war. Er hatte ihn wieder alleine gelassen, so wie alle anderen auch.

Erneut wurde Jungkook unsanft zur Seite geschubst und stieß hart mit der Schulter gegen die Backsteinwand des Tribünengangs. Schmerzlich verzog er das Gesicht, raffte sich jedoch sofort wieder auf und stolperte in Richtung Zuschauerränge. Was nützte es jetzt aufzugeben? Er hatte doch sowieso schon alles verloren, von daher interessierte ihn das jetzt auch nicht mehr. Er konnte sich also auch in die Halle setzen und sein Herz bei dem dortigen Anblick des Sportlers einfach noch weiter bluten lassen.

Als er gerade auf einen freien Platz zwischen all den aufgebrachten Schülern zuhielt, fiel ihm jedoch jemand völlig anderes in die Augen und er hätte wohl nicht damit gerechnet, dass es ausgerechnet dieser jemand sein würde, der sein Herz entzwei riss und es gar ausbluten ließ.

Direkt neben dem freien Platz saß Yoongi, starrte den Dunkelhaarigen ebenfalls überrascht an und begann unruhig seine Hände zu kneten. Jungkook konnte dem Blick des Blondschopf nicht eine Sekunde länger standhalten und senkte seinen Kopf augenblicklich schüchtern gen Boden. Niemals hätte er damit gerechnet, dass Yoongi ausgerechnet hier sitzen würde, wo er sich doch extra nicht ihren Stammplatz ausgesucht hatte. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass sein Freund wohl dasselbe gedacht haben musste.

Unklar darüber, was er jetzt tun sollte, ballte er seine Hände zu Fäusten und linste erneut zu dem anderen Jungen herauf. Doch der Blick, mit dem Yoongi ihm da begegnete, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Der Blonde hatte seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt und seine Lippen festaufeiander gepresst. In seiner Miene prangte nichts weiter als pure Wut und Ablehnung, sodass Jungkook scharf die Luft einzog und sich etwas kleiner machte. So finster hatte Yoongi nicht mal Taehyung angefunkelt.

Wobei er wieder daran dachte, dass er sich gleich irgendwie durch dieses Spiel kämpfen musste. Nervös ließ er seinen Kopf über die Zuschauerreihen fahren, suchte verzweifelt nach einem anderen freien Platz, doch die Tribüne war bereits brechend voll und die Fanclubs heizten die Stimmung mit ihren Gesängen auf. Wie in Zeitlupe drehte Jungkook sich wieder zu dem Platz neben Yoongi herum, dessen Blick sich in der Zeit nicht eine Spur weit verändert hatte.

Das beklemmende Gefühl in dem Braunhaarigen wurde immer größer, als er sich langsam seinen Weg zu dem Stuhl herüberbahnte. Mit jedem weiteren Meter drohte er unter der Last und dem zornigen Funkeln seines Gegenübers zu zebrechen, doch er musste da irgendwie durch - das musste er schon immer. Er besaß ein Kämpferherz. Zumindest hatte er das immer gedacht, doch allmählich wurde ihm bewusst, dass auch sein Herz nicht alles mitmachen würde.

Mit Knien so weich wie Pudding und einer Gänsehaut am ganzen Körper wollte er sich gerade neben den Blondschopf sinken lassen, als diesem ein verächtliches Schnauben entwich, er gleichdarauf aufsprang und sich mit großen Schritten seinen Weg von der Tribüne herunterbahnte.

Jungkook konnte gar nicht so schnell reagieren, da verschwand der helle Schopf bereits durch den Ausgang und sein hilfloses "Yoongi..." ging in der blechernden Stimme des Kommentators unter, die jetzt durch die Halle schallte.

"Herzlich Willkommen zum Halbfinale der Schulmeisterschaften! Na wie sieht's aus? Wie ist die Stimmung, Jefferson High?", schürte er die Schüler auf den Tribünen an, die laut in ihre Hände klatschten und wild aufschrien. Jungkook hingegen starrte immer noch auf den Ausgang der Zuschauerränge,  auf den Punkt, wo sein bester Freund verschwunden war. Yoongi würde Ärger bekommen, das stand fest und das nur wegen ihm. Jungkook wollte das alles nicht. Er hatte nie vorgehabt, seinen besten Freund zu verlieren oder ihn an jemanden abzutreten. Doch allmählich hatte er das Gefühl, dass er niemals mehr die Hauptrolle in Yoongis Leben einnehmen würde. Yoongi war seine Familie und er war Yoongis. Und jetzt hatten sie nichts mehr. Naja er zumindest. Yoongi hatte ja diesen Jimin.

Genau in dem Moment dröhnten laute Bässe in seine Ohren, das Publikum war auf dem Höhepunkt seiner Lautstärke angelangt und plötzlich rannte das Basketballteam auf das Spielfeld. Jungkook konnte nicht anders, als den Blick endlich von dem Ausgang abzuwenden, doch als ihm keine Sekunde später die lockigen, schwarzen Haare, die von einem Bandana zurückgehalten wurden, in die Augen trafen, bereute er es sogleich wieder.

Das Team hatte sich zur Begrüßung in einer Reihe aufgestellt und in den Augen aller Spieler stand der Stolz geschrieben, es überhaupt so weit geschafft zu haben. Doch Jungkook bekam davon gar nicht viel mit, denn seine Augen lagen weiterhin nur auf den dunklen Iriden des Mannschaftkapitäns, dessen Lächeln irgendwie aufgezwungen wirkte und dessen Brust sich schnell hob und senkte. Er schien angespannt zu sein, wohlmöglich weil es hier wirklich um alles oder nichts ging.

Aber Jungkook konnte das Gefühl nicht unterdrücken, dass da noch mehr war. Taehyung sah müde aus, mit den dunklen Augenringen und der Blässe auf seinen Wangen. Er wirkte nicht wie sonst und das viel dem Jüngeren sofort auf. Ob es an ihrem Streit lag? Vielleicht hatte Taehyung sich auch die ganze Nacht Gedanken um ihre Situation oder Art von Beziehung gemacht? Vielleicht hatte er sogar an Jungkook gedacht?

Schnell verwarf Jungkook all diese wirren Gedanken wieder und schüttelte kurz den Kopf. Die Hitze war ihm in die Wangen gestiegen und er konnte dem Anblick des Basketballers nicht länger standhalten, sodass er unruhig versuchte etwas anderes zu fixieren, aber es wollte ihm nicht gelingen. Nervös flogen seine Augen über die Zuschauer, in dessen Gesichtern die Vorfreude und der Ehrgeiz standen. Sie wirkten alle so glücklich, unbeschwert und heiter.

Ein Stich zog durch sein Herz, als er an den Anblick seines eigenen Spiegelbildes von heute morgen dachte, dass sich langsam mit dem finsteren Blick von Yoongi vermischte. Sich nicht anders zu helfen wissend, fixierte er ein weiteres Mal den großen Lockenschopf auf dem Feld, der nun dabei war einige Abschlusssprints zu machen. Dennoch konnte Jungkook, dass Bild in seinem Kopf nicht loswerden, wie Taehyung sich haareraufend in seinem Bett hin- und herwälzte.

Aber er hatte bestimmt an das Spiel gedacht, genau, daran muss es liegen. Er war bestimmt sehr aufgeregt und angespannt, da es hier ja schließlich um den Finaleinzug ging. Wenn die Jefferson Baskets heute gewinnen würden, dann würden sie nicht nur in das National Final Tournament der vier besten Highschool Teams einziehen, wahrscheinlicih würden sie sogar das Ticket zur Ausrichtung lösen. Das würde nicht nur für die Sportler dort unten alles bedeuten, sondern auch der Schule Ehre machen.

Jungkook wollte sich gar nicht ausmalen, was für eine riesige Last auf den Schultern des Mannschaftkapitäns lag und wahrscheinlich hätte er an seiner Stelle schnellstmöglich Reißaus genommen. Doch er war schließlich nicht Taehyung, der genau in diesem Moment den Sprungball für sich entschied und schnell zu einem seiner Mitspieler passte.

Und damit begann das Spiel.


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