News report
"Tikaani", sagte Carag mit scharfer Stimme. Ernst blickte er sie an. "Lass das doch nicht die Kinder hören."
Tikaanis Blick schweifte zu ihrem Sohn, der in diesem Moment seiner Schwester das Haar raufte und versuchte, sie umzuwerfen, weil sie aus Langeweile angefangen hatten, zu kämpfen.
Sie zuckte die Schultern. "Die hören das doch gar nicht. Und jetzt komm, wir sollten uns einen warmen Platz suchen." Sie wickelte Rain, die sie nun auf ihrem Arm trug, fester in ein Tuch ein, das sie in dem Laden gefunden hatte. Sie lief voraus, wobei sie sich neugierig und auch ängstlich umsah. Einen Augenblick lang befürchtete sie, dass in der Stadt wirklich keiner mehr lebte, doch dann sah sie Licht in einem Fenster. Ein Blick durch die Gardinen ermöglichte ihr die Sicht auf einen laufenden Fernseher. Erleichtert atmete sie aus.
"Yuka, lass das", warnte Carag seinen Sohn, als dieser über den Zaun eines Gartens klettern wollte, um den Gartenzwerg, der dort stand, zu inspizieren. Er hatte sowas schließlich noch nie gesehen.
"Ich will doch nur gucken", beschwerte sich der Elfjährige, während er mit hängendem Kopf zurückkam. "Wo sind wir überhaupt?"
Seine Schwester schubste ihn kraftlos. "Mama hat uns was zu essen gesucht, hast du das nicht gehört?" Atemwölkchen bildeten sich vor ihrem Gesicht, das Mädchen zitterte. Eigentlich war sie an die Kälte gewöhnt, aber nur, wenn sie ihren dichten Pelz hatte.
Tikaani hielt Rain enger an sich und Carag legte seiner Tochter eine Hand auf die Schulter. "Warte nur, Amaruq. Wir sind gleich da, dann gibt es Essen und es ist warm, okay?"
Ein schmerzerfülltes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Es wirkte erzwungen.
Tikaani stieß die Tür zu einem beleuchteten Café auf. Nur ein paar runde Tische standen im Inneren und die einzigen Gäste waren ein altes Ehepaar.
Die Familie trat ein und schloss die Tür hinter sich, um die Kälte draußen zu lassen.
Eine Frau kam aus einem privaten Raum und lächelte sie an, wobei sie irritiert vom Erscheinungsbild der Familie wirkte. "Hallo, was kann ich für Sie tun?"
Tikaani und Carag sahen einander an, ehe er das Wort ergriff. "Ähm, hallo. Wir möchten nur eine Kleinigkeit zu essen. Und, äh, können sie uns sagen, ob es hier Unterkunften gibt? Wir benötigen einen Schlafplatz."
Amaruq schaute sich neugierig um und rüttelte an der Hand ihres Vaters. "Haben die Men-"
Blitzschnell mischte sich Yuka, dem der Fehler seiner Schwester sofort aufgefallen war, ein: "Dad, kann ich so ein Croissant haben? Das sieht total lecker aus, Amaruq will bestimmt auch eins." Er las gerade das Wort von einem Schild ab, weswegen er es auch merkwürdig aussprach.
Tikaani stieß erleichtert den Atem aus, von dem sie gar nicht bemerkt hatte, das sie ihn hielt. Beinahe hätten sie sich verraten. Wer weiß, wie viel diese Frau und das komisch dreinschauende Ehepaar über Wandler wussten.
Das Ablenkungsmanöver funktionierte, denn Amaruq vergaß sofort, was sie ursprünglich hatte sagen wollen und stritt nun stattdessen mit ihrem Bruder. "Ich will überhaupt kein Croissant, das sieht gar nicht lecker aus!"
Entschuldigend lächelte Carag die Frau an der Theke an. "Äh, ja, sorry. Also, haben Sie hier Unterkunften oder Hotels oder so?"
"Und einen Ort, wo man telefonieren kann?", fügte Tikaani hinzu. Sie mussten sich um einige Sachen kümmern. Zum einen mussten sie nach Holly und den anderen sehen, zum anderen brauchten sie Infos zur aktuellen Lage. Und sie mussten versuchen, herauszufinden, wo Rains Familie steckte. Schließlich machte es gar keinen Sinn, dass die Menschen ein Baby in einem Ort gelassen hatten, den sie mutwillig zerstört hatten. Es sei denn, Rain war das Kind von Wandlern, was deutlich mehr Sinn machte. Aber diese waren dann entweder verschwunden oder tot.
"Es gibt ein kleines Hotel, hier." Die Frau holte einen Stadtplan hervor und zeigte auf das Hotel. "Ist nicht weit weg von hier. Ist auch sehr günstig. Darf ich fragen, woher Sie kommen?" Fragend betrachtete sie die Kleidung der Fremden.
Carag biss sich auf die Lippe. "Wyoming. Wir haben einen Wanderurlaub gemacht und wurden von einem Sturm überrascht."
"Ein Sturm?" Die Frau legte die Stirn in Falten. "Hab ich gar nicht mitgekriegt." Sie seufzte. "Na ja, jedenfalls könnt ihr im Hotel auch jemanden kontaktieren." Sie sah immer noch skeptisch aus, hinterfragte die Familie aber auch nicht.
Sie ließen sich an einem der Tische nieder und bestellten Gebäck und Trinken für alle.
Tikaanis Blick fiel auf den Bildschirm, der in einer Ecke des Cafés hing. Eine Reporterin erzählte etwas, im Hintergrund wurde ein heruntergebranntes Dorf abgebildet. Ihr Herz setzte fast aus.
"Machen Sie den Fernseher lauter!", rief sie der Frau aufgeregt zu und stieß Carag an.
Die Frau schaute sie verwirrt an, gehorchte aber.
"Vor einer halben Stunde sind die Kundschafter an dem Dorf angekommen. Vor kurzem hat eine Gruppe Menschen aus einem Dorf in den Bergen sich entschlossen, sich auf die Suche nach Woodwalkern zu machen. Durch einen Tipp wurden sie auf ein unbekanntes Dorf aufmerksam gemacht, in dem scheinbar die Wandler hausten...", ertönte die Stimme der Reporterin.
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