Kapitel 31
,,Du blockierst ihn jetzt! Das kann ja keiner mit ansehen", Livi riss mir das Handy aus der Hand. Zwar wehrte ich mich und versuchte es wieder zurück zubekommen, aber das brachte rein gar nichts. So schnell wie sie ihn blockiert hatte und dann das Handy in ihrem Ausschnitt verschwinden ließ, sodass ich erst recht nicht auf die Idee kam es zurück zu holen.
Ich seufzte frustriert und wickelte die Wolldecke enger um meine Schultern. Aber vielleicht war es auch besser so, wer weiß, was ich ihm noch alles dummes geschrieben hätte. Dafür machte ich allein Livi und ihren Wein verantwortlich. ,,Er muss weg, ich darf ihn nicht trinken und Max will ihn nicht", da wurde mir schon das erste Glas gereicht.
Diese Frau war herrisch. Vielleicht würde ich Max etwas Mitleid geben, wenn er nicht schon längst mit dieser Frau unter einer Decke stecken würde und nach fast zehn Jahren Beziehung, kann man dem Typen eh nicht mehr helfen. ,,Du solltest dich um deine Schwester kümmern und nicht noch weiter abfüllen", beschwerte sich Max, als er nach Hause kam und mich verheult und mit Weinglas auf ihrem Sofa sitzen sah.
Einen Moment später saß er neben mir mit einem Bier in der Hand. (Ich kann nur nochmals sagen, ich mochte ihn.)
Plötzlich vibrierte mein Handy, was immer noch in Livis BH steckte, was Max durch aus interessant fand. ,,Wer ruft dich denn so spät noch an?", fragte sie und holte mein Handy heraus. Ja das wüsste ich auch gern. Livi sah viel zu lange auf den Bildschirm meines Handy, bevor sie mir mein Handy reichte. Owen. Was wollte er denn?
,,Hey", sagte ich und stellte das Weinglas auf den Tisch vor mich.
,,Hallo, Ella", jegliche Farbe musste mir aus dem Gesicht gewichen sein, denn Max und Livi sahen mich plötzlich an wie zwei Erdmännchen. Wäre ich nicht total schockiert von der Stimme, die ich gerade hörte, hätte ich das Bild von den Beiden vermutlich sehr unterhaltsam gefunden.
,,Hallo", erwiderte ich total unfähig irgendetwas weiteres von mir zugeben und begann mit meiner linken Hand das Taschentuch zu zerrupfen, was in meinem Schoß lag.
,,Ich stand vor deiner Tür...aber du warst nicht da und weil du mich blockiert hast, hab ich Owens Handy genommen", erklärte er und ich schluckte schwer. Er stand vor meiner Tür? Was wollte er dort? ,,Ich habe ihn gezwungen", hörte ich nur aus dem Hintergrund und musste etwas schmunzeln.
,,Okay...das mit dem Blockieren war meine Schwester", waren die ersten Worte, die aus meinem Mund kamen und da wurde Livi hellhörig. Ihre Augen verfinsterten sich und ich ahnte schon, dass sie mir mein handy aus der Hand nehmen wollte.
,,OH ich glaube Enja ist wach. Komm mit, wir schauen mal nach ihr", Max war schneller, griff nach seiner Verlobten und schleifte sie hinter sich aus dem Wohnzimmer. Natürlich protestierte sie lautstark, was anders hätte ich auch nicht erwartet.
,,Oh", dann war Stille und ich atmete tief ein. Es war so schön und schmerzhaft zu gleich seine Stimme zu hören. Innerlich machte ich mich auf alles bereit.
,,Der Grund wieso ich anrufe...ich werde ab Montag in eine Klinik fahren. Nick hat mir einen Platz besorgt", begann er und mein Herz zog sich zusammen. Ich setzte mich aufrechter hin. ,,Für wie lange?", es war fast nur ein Hauchen, weil ich es eigentlich gar nicht wissen wollte.
,,Sechs Wochen...kommt drauf an wie es hilft", erklärte er und er atmete tief ein. ,,Ich weiß, das ist eine lange Zeit und ich weiß auch nicht, ob es hilft...aber es ist das Richtige." Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln und ich wimmerte kurz.
,,Ella...", begann er nach einer viel zu langen Pause. ,,Jetzt hau es endlich raus, mein Akku ist fast leer", jammerte Owen.
,,Ich weiß es ist vielleicht viel verlangt und ich kann nichts versprechen, aber würdest du auf mich warten? Ich weiß, ich bin ein verdammter Idiot...ich hätte nicht einfach gehen dürfen, aber als ich gesehen habe, was ich gemacht habe...", er stockte kurz und wie gerne würde ich ihn gerade einfach in den Arm nehmen wollen.
,,Ich konnte nicht. Ich wollte dich nie verletzen, und es tut mir so unfassbar leid, dass du das ertragen musstest. Dafür gibt es eigentlich keine Entschuldigung", seine Stimme brach und es tat mir in der Seele weh, ihn so verletzt zu hören.
,,Das weiß ich, Zack. Und ich habe dir verziehen, weil ich weiß, dass es nicht mit Absicht war und ganz und gar nicht gegen mich gerichtet"
,,Ella..."
,,Ich werde auf dich warten. Egal wie lange es dauert. Ich werde da sein"
Sechs Wochen später....
,,Mhhhhh, was gibt es heute?", fragte Owen, der wie ein ausgehungerter Hund um die Ecke kam und mir entgegen lief, als ich die Klinik betrat. Er schnupperte extra deutlich und schloss dabei die Augen. ,,Warte, verrat es mir nicht. Sechs Wochen Kuchenerfahrung muss mir eigentlich reichen, um es zu eriechen", fügte er hinzu und ich lachte auf.
Ja okay, die letzten Wochen hatte ich gebacken...sehr viel gebacken. Zum Wohlwollen aller meiner Mitmenschen. Sogar Jenn kam jetzt öfter in die Klinik, nur um mal ,,nach dem Rechten" zu schauen und ging dann Freudestrahlend mit einem Stück Kuchen, oder Muffin oder Keks wieder heraus. Ich stellte die Box mit dem Kuchen auf die Rezeption und konnte nur mit dem Kopf schütteln.
,,Zack kommt heute wieder heim", sagte ich und Owen wollte gerade nach der Box greifen, jedoch hielt er sofort inne und sah mich an, als wollte er fragen, ob wir das jetzt gut heißen oder ob wir das Thema totschwiegen. ,,Ich weiß...", dehnte er in die Länge, da er anscheinend meine Meinung darüber nicht in meinem Gesicht ablesen konnte.
Zack und ich hatten telefoniert. Oft. Wir haben täglich geschrieben...aber es war trotzdem etwas total anderes, dass er wieder zurück kam...und ich hatte Angst. ,,Meinst du, er will mich immer noch? Ich meine es sind jetzt sechs Wochen vorbei und vielleicht...", begann ich etwas unsicher und Owen verdrehte theatralisch die Augen. ,,Jetzt rede keinen Blödsinn. Natürlich will es dich und das wissen wir beide ziemlich gut", er nahm sich den Kuchen und verschwand damit ohne weiteres im Pausenraum. Damit war anscheinend das Gespräch für ihn beendet.
Ich weiß gar nicht, was ich ohne Owen gemacht hätte...ohne ihn hätte mich Zack vor sechs Wochen nicht angerufen...ohne ihn wäre ich vermutlich total versauert.
***
Gegen 17 Uhr fuhr ich den Rechner herunter und räumte das Zeug weg, was ich heute alles auf den Schreibtisch ausgebreitet hatte, bevor ich in den Pausenraum gehen wollte, um mich umzuziehen. Es war heute voller als gedacht, aber nicht wegen den Patienten, sondern eher wegen den Leuten, die mich von der Arbeit abgehalten hatten. Erst kam Helen, die wissen wollte wie sie die Hochzeitstorte schmücken sollte, auch wenn ich es ihr schon tausend Mal gesagt hatte.
Dann kam Maggie, die mal wieder irgendwelche Veranstaltungen planen wollte, nur um wieder die armen Bewohner von Woodshill zu zwingen beim Aufbau zu helfen, Owen ist dabei ziemlich schnell in die Mittagspause verschwunden. Alles in allem hat mir das so viel Zeit gekostet, dass ich eine Überstunde machen musste und länger in der Klinik blieb. Danke für nichts.
Die Kliniktür schwang auf und ich drehte mich etwas verwundert um, da ich nun wirklich niemanden mehr erwartete. Vielleicht hat Ava etwas vergessen.
Da stand er und nahm mir die Luft zum Atmen. Seine hellblauen Augen musterten mich, während auf seinen Lippen ein vorsichtiges Lächeln lag. ,,Hallo Ella", sagte er und ich ließ die Akten fallen, die ich gerade einsortieren wollte. Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, was ihn noch nervöser machte als sonst.
In seinen Händen hielt er allen erstes eine grüne Pflanze mit einem hellgelben Übertopf. ,,Das ist so eine Monstera...die mochtest du doch", erklärte er und ich lächelte ihn breit an, bevor die Tränen meine Sicht verschleierten und ich los rannte. Direkt in sein Arme. Wie sehr hatte ich diesen Duft vermisst.
Ich schloss kurz die Augen, als ich mich an ihn schmiegte und betete, dass das hier kein böser Traum war, sondern Realität. ,,Du bist zurück", wisperte ich und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn an zusehen.
,,Und ich bleibe...für immer, wenn du das willst"
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