Kapitel 3

Ella hatte das Haus nicht verlassen. Das hatte ich sofort mitbekommen, als sie das Wohnzimmer verließ und ich nicht die Haustür ins Schloss fallen hörte.

Anfangs war es mir egal, weil ich dachte sie würde vielleicht nur da Bad benutzen oder etwas länger brauchen, um ihre Schuhe zubinden.

Aber als ich das Geschirrklimpern in der Küche hörte, stand ich auf. Was dachte sie sich dabei? Einfach herzu kommen...und aufzuräumen?

Erst war ich etwas perplex, als ich sie in der Küche sah, wie sie mit hochgekrempelten Ärmeln vor der Spüle stand und im Begriff war Aufzuwaschen.

,,Was zum Teufel tust du da?", kam über meine Lippen und ich verzog mein Gesicht. Sie benahm sich wie meine Mutter und das ging mir gewaltig gegen den Strich.

Sie drehte sich zu mir um und sah mich an wie verschrecktes Reh, was ihr natürlich noch ähnlicher sah, da sie dunkelbraune Augen hatten und dunklebraune Locken, die in einem Dutt zusammengebunden waren. So wie eigentlich immer.

Ihre Haare trug sie nur sau selten offen...zumindest nie, wenn wir uns sahen und das war meistens, wenn ich in die Klinik kam.

,,Den Saustall beseitigen", gab sie zu und schluckte. Hatte sie Angst? Ich entspannte mein Gesicht und seufzte. Okay, vielleicht hatte ich überreagiert.

,,Ella, das musst du nicht", erklärte ich und sah sie an. Langsam entspannte sich auch hier Haltung und sie strich sich eine Locke hinter das Ohr.

,,Ich will aber. Ich hatte eh daheim nichts zutun, also alles in Ordnung. Wirklich. Du kannst wieder zurück ins Wohnzimmer, ich mach das fertig und dann bin ich auch ganz schnell wieder weg...wirklich versprochen", rasselte sie etwas nervös herunter und ich musste etwas schmunzeln. Das tat sie immer wenn sie nervös war, wieso ich das wusste? Jap, das fragte ich mich in diesem Moment auch.

,,Alles gut...danke", sagte ich etwas unbeholfen und Ella lächelte mich warm an.

,,Keine Ursache. Bringst du mir die Teller aus dem Wohnzimmer? Dann hast du wieder etwas mehr Platz. Wenn du dich dran gewöhnst, nur die rechte Krücke zu benutzen, dann hast du die linke Hand frei", sie drehte sich zur Spüle und begann das Geschirr zu spülen.

Meine Mutter hätte mich vermutlich zurück auf das Sofa geschickt und protestiert, dass ich ihr helfe. Ella hingegen bezog mich ein und behandelte mich zwar wie jemand, der Hilfe brauchte, aber irgendwie war es etwas anderes.

Ich stand noch einen Moment etwas perplex in der Tür, bevor ich zurück ins Wohnzimmer humpelte, um das Geschirr zu holen.

Dafür ließ ich die linke Krücke auf dem Sofa liegen und versuchte es so, wie Ella es gesagt hatte. Zwar hatte ich auf den kurzen Weg in die Küche zwei mal das Gefühl, dass ich gleich fallen würde, jedoch gelang es mir irgendwie. Ich stellte die Teller und das Besteck neben sie auf die Arbeitsfläche und schnappte nach Luft. Wieso überanstrengte mich das alles so?

Wir schwiegen uns an, während sie die Teller aufwusch und ich nur nutzlos an der Kochinsel lehnte, um mein gesundes Bein nicht zu überanstrengen.

,,Du solltest auch mal duschen gehen. Das hört sich vielleicht komisch an. Aber wenn du das Bein mit dem Gips in deine Mülltüte steckst und sie oben zubindest, kommt kein Wasser drauf und das hilft dir", erklärte sie weiter, so als hätte sie es schon dutzende Male gemacht.

Sie ließ das Wasser aus der Spüle und suchte in den Schränken nach einen Geschirrhandtuch, um die Sachen abzutrocknen.

,,Danke. Woher weißt du das?", fragte ich, sodass ich wenigstens auch etwas zum Gespräch beigetragen habe. Sie ließ sich gar nicht von ihrer Arbeit ablenken, als sie mir antwortete.

,,Ich pflege seit Jahren meine Granny, glaub mir sie ist viel anstrengender als du." Sie lachte kurz auf und ich verzog skeptisch das Gesicht.

,,Du hast mich gerade mal eine halbe Stunde erlebt...du weißt nicht, wie schlimm ich sein kann", stellte ich das in Frage, was sie gerade gesagt hat und sie drehte sich kurz zu mir um.

,,Du bist kein siebzigjährige Frau, der man erstmal den Fernseher erklären muss oder ihr beibringen, dass mit Rollstuhl nicht mehr so einfach mal in den Supermarkt fahren kann...oder dass sie mit dem Rollstuhl, egal wie dünn sie sich macht, nicht mehr durch manche Türen passt", argumentierte sie schmunzelnd, bevor sie anfing das Geschirr wegzuräumen.

,,Soll ich dir die Teller draußen stehen lassen? Da musst du dich dafür nicht extra bücken?", fragte sie höflich und ich schluckte. Ich war ein fast Fremder für sie und sie tat das gerade alles freiwillig. Ich wollte gar nicht wissen, was sie alles für Freunde tat.

,,Ja...danke. Wirklich danke", antwortete ich knapp und Ella machte eine abwegige Handbewegung.

,,Keine Ursache", lächelte sie und schob sich ihre Ärmel wieder herunter. Diese Frau schickt der Himmel.

,,Kann ich noch etwas tuen?", fragte sie freundlich. Dabei hatte ihre Mimik nicht davon, dass sie mich bemitleidete oder mich für inkompetent in meinem Zustand hielt, sondern einfach nur Höflichkeit.

Sie tat das hier zwar für mich, aber mit komplett anderen Absichten, als es andere getan hätten. Aber trotz dessen, wollte ich keine Last für sie sein...für niemanden.

,,Nein. Alles gut. Danke nochmals..." Sie nickte und zog sich ihre Strickjacke wieder an, bevor sie in den Flur lief, um sich ihre Schuhe wieder anzuziehen. Wir verabschiedeten uns knapp und die Haustür fiel hinter ihr ins Schloss.

Stille. Ich stand fast schon sprachlos in meinem Flur, während mich die Stille wieder einhüllte.

Ich schüttelte meinen Kopf und ging zurück in mein Wohnzimmer, um mich dort wieder auf mein Sofa zu legen, dort wo ich auch die letzten Tage gelegen hatte.

Meinen Kopf legte ich auf die Rückenlehne und ein tiefes Seufzen kam über meine Lippen. So sehr ich die Ruhe auch fürchtete, so gut tat sie manchmal auch.

Mein Körper fühlte sich so antriebslos an, dass hatte ich früher auch schon, aber ich hatte mich immer überwunden und hatte Sport getrieben, um mich aus diesem Loch heraus zu kämpfen, in welches ich mich immer wieder drohte zu stürzen, wenn ich zur Ruhe kam.

Der Dämon der in mir lauerte und genau solche Momente ausnutze, um mich an Dinge denken zu lassen, die ich gar nicht sehen wollte. Aber ich war so erschöpft, dass ich einfach in einen traumlosen Schlaf fiel.

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Vergiss das ☆ nicht, wenn dir das Kapitel gefallen hat^^

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