Kapitel 21
Meine Fingerspitzen waren schon ganz wund, von dem Falten der Einladungskarten.
Ich strich eine weitere Karte glatt und klebte den vorgedruckten Text hinein.
Im Hintergrund lief die DokuSoap meiner Granny, welche sich um irgendwelche Dramen eines Krankenhauses drehten.
Ich faltete die Karte zu und steckte sie in den fertigen Umschlag, den meine Granny feinsäuberlich beschriftet hatte.
Das ging schon den ganzen Nachmittag, jedoch war ein Ende noch lange nicht in Sicht.
Ich seufzte frustriert auf, als ich den Umschlag zuklebte und in den Karton legte, wo sich schon vierzig andere Einladungen befanden.
Mein Rücken knackte, als ich ihn etwas dehnte und meine Finger bewegte.
Die ganze Woche war vollgepackt gewesen mit Hochzeitsvorbereitungen und Arbeit, dass ich gar nicht sonderlich viel Zeit für etwas anderes hatte.
,,Wie war eigentlich Vancouver?", erkundigte sich Granny, während sie unschuldig einen weiteren leeren Umschlag schnappte, um mit schwarzer schnörkeliger Schrift den Namen darauf zusetzen.
,,Woher weißt du, dass ich Vancouver war?", fragte ich etwas überrascht und sah die ältere Dame an.
Ihre weißen Haare trug sie in einem kurzen Bob, was sie modern wirken ließ.
,,Deine Granny hört und sieht alles, Ellalein", antwortete sie und hielt mir mit ihren dünnen Fingern den Umschlag hin, bevor sie ihre Augenbrauen hochzog.
,,Oder sagen wir es so, ich hatte zuverlässige Quellen", fügte sie hinzu und ein leichtes Schmunzeln trat auf ihre Lippen. Ich seufzte auf und beklebte die nächste Karte.
,,Es war schön", gab ich die kürzeste Antwort, die mir einfiel und vertiefte mich wieder im Falten der Karten, als wäre es gerade das Wichtigste überhaupt.
Wir haben uns geküsst.
Genau dieses Bild tauchte wieder in meinem Kopf auf und meine Wangen wurden warm, bei dem Gedanken daran wie sich seine Lippen angefühlt haben.
Den Morgen darauf haben wir verschlafen, weshalb wir förmlich aus dem Hotel gerannt sind...da blieb nicht viel Zeit zum Reden...um ehrlich zu sein gar keine.
Diese Woche war ich so beschäftigt gewesen, dass ich keine Zeit hatte bei ihm vorbeizuschauen...zusätzlich hatte ich auch etwas Angst, was mich erwarten könnte.
Ein harter Korb?
Ein tut mir leid, dass ich dir Hoffnung gemacht habe?
Ich wollte für eine kurze Zeit in der Traumvorstellung bleiben, dass ich Zack geküsst habe und ich es nicht bereuen musste.
Zack hatte ebenfalls viel zutun gehabt, schließlich war er gestern wieder im Krankenhaus gewesen, damit er seinen Gips abbekommt.
Hier und da haben wir mit einander geschrieben, weswegen ich weiß, dass der Bruch verheilt war und er nun Physiotherapie bekommen soll, damit er den Fuß langsam wieder belasten kann.
,,Aber es ist...", fing ich wieder an, jedoch wurde ich von Granny unterbrochen mit einem Pssscht!.
Ihre Augen waren auf den Fernseher gerichtet, wo gerade ein Arzt eine Krankenschwester küsste. Ahja.
Granny hatte ein Talent dafür, Widerworte zu ignorieren und die wichtigen Informationen aus Menschen heraus zukitzeln.
Ich schüttelte nur leicht den Kopf, während ich weiter bastelte.
,,Der Matthews Junge ist ein ordentlicher Kerl", argumentierte sie und ich zog meine Augenbrauen hoch.
,,Weil er Polizist ist?", hinterfragte ich sofort und meine Granny seufzte, als würde sie es aufgeben mir Zack schön reden zu wollen.
,,Nein. Er ist freundlich, er grüßt mich immer wenn er mit dem Wagen vorbei fährt...aber nicht nur deshalb...ach ich spür das einfach als ältere Dame", meinte sie und winkte sie ab.
Das war auch ihr liebstes Argument, dass sie einfach auf ihre Lebenserfahrungen verwies.
Ich hörte wie die Haustür aufschwang und zwei Personen in den Flur eintraten.
,,Guten Abend", begrüßte uns Max mit einem breiten Lächeln, bevor er zu Granny ging und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. Nach ihm trat Nick in den Raum, welcher mir kurz zulächelte.
,,Wir wollten fragen wie weit ihr seid und ob ihr noch Hilfe braucht", erklärte Nick und ließ seine Hände in seine gefütterte Jeansjacke gleiten.
,,Ihr kommt wie gerufen. Es warten noch zwanzig Einladungen und danach müssen sie zur Post", antwortete ich erleichtert.
Die Jungs setzen sich zu uns an den Esstisch.
18.47Uhr Zack
Hast du Lust spontan vorbeizukommen?
Ich blinzelte mehrmals und ich wusste gar nicht, was in meinem Körper die Überhand gewann, entweder die Nervosität oder die Freude über diese Nachricht. Verflucht, aber irgendwann musste ich mich der Realität stellen?
Ich konnte nicht davor wegrennen, dass dieses Treffen all meine Träume zerstören könnte.
,,Komm hau schon ab. Wir sind hier fast fertig", meinte Max, als wüsste er ganz genau, wer mir geschrieben hat.
Ein leichtes Lächeln hat sich auf seine Lippen geschlichen, als er mit seinem Kopf auf die Tür deutete. Ich schluckte.
,,Ruf an, wenn du jemanden brauchst, der ihn vermöbelt", Max zwinkerte mir zu und ich fasste allen Mut zusammen, um aufzustehen und dieses Haus zu verlassen.
19.01Uhr Ella
Gib mir zehn Minuten.
So näher ich dem Haus kam, so zappliger wurde ich. Vielleicht läuft ja auch alles gut?
Vielleicht stößt er mich nicht weg...schließlich kenne ich ihn und seine Albträume, die ihn verfolgen.
Aber vielleicht macht es ihm genauso viel Angst wie mir. Die Tatsache, dass wir mehr als Freunde waren und das seit dem Zeitpunkt, als ich das Haus das erste Mal betreten habe.
**
Ich betrat den Flur und sofort kam mir ein köstlicher Duft entgegen.
Was war das? Ich roch nochmal und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
,,Ich bin in der Küche", rief mir eine bekannte Stimme zu und ich schlüpfte aus meinen Schuhen.
Zack stand am Herd, wo im Ofen Baguette backte. Über seine Schultern hing ein Geschirrhandtuch und ich lächelte leicht.
,,Du kannst kochen?", fragte ich und ging einen Schritt auf ihn zu. Seine Krücken lehnten am Kühlschrank. Ihn ohne Gips zusehen war etwas ungewöhnlich, aber ich mochte das Bild.
Ohne den Gips sah er viel selbstbewusster aus, so als hätte er wenigstens etwas von der Lebensenergie zurück bekommen.
,,Ja in der Tat. Ich weiß in den letzten Wochen, sah es nicht danach aus. Deswegen dachte ich, dass ich diesen Eindruck ändern müsste", erklärte er und drehte sich das erste Mal zu mir. Seine schwarzen Haare waren noch etwas feucht und hingen ihm ins Gesicht.
Mein Lächeln wurde etwas breiter, als ich in seine eisblauen Augen sah.
,,Meinst du, du kannst den schlechten Eindruck, den du die letzten Wochen bei mir hinterlassen hast, wirklich noch ausbessern?", neckte ich ihn und verlor mich für ein kurzen Moment in das schmale Lächeln, was sich jetzt auf seinen Lippen bildete.
Wie schön wäre es, wenn das hier ein Anfang wäre. Der Anfang von einer Liebe, die viel tiefer ging als alles, was ich je erlebt hatte.
,,Du wirst nicht mehr so frech sein, wenn du erstmal die Tomatencremesuppe gegessen hast", konterte und und wendete sich wieder der Suppe zu, welche vor ihm in einem Topf köchelte.
Ich saugte diesen Moment in mich auf, wie er dort in seinen dunklen Klamotten am Herd stand und seelenruhig kochte, als wäre es das normalste der Welt für mich zu kochen.
Bitte, lass das nicht meine Henkersmahlzeit sein.
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Vergiss das ☆ nicht, wenn dir das Kapitel gefallen hat.
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