Kapitel 17
Die ganze Reise bis nach Vancouver, wo das Treffen stattfinden soll, hat sich angefühlt, als sei ich gelähmt.
Nicht nur aus dem Grund, weil ich tot müde war. Elliot hat uns heute früh um drei Uhr über den Bergkamm geflogen, wo wir auf der anderen Seite von einem Taxi empfangen wurden, was uns wiederum zum Flughafen fuhr.
Zum Glück wurde die Anreise und Hotel sogar von der Army finanziert, sonst wäre dies auch der erste Punkt auf der Kontraliste, wieso ich dort nicht hinfahren würde.
Die ganze Zeit starrte ich aus dem Fenster, sei es das vom Taxi oder vom Flugzeug.
Wieso machte ich das hier eigentlich?
Vor zwei Jahren habe ich mir geschworen, die wieder nur einen Fuß in die Nähe der Army zu setzen, ja ich habe sogar den Kontakt mit allen abgebrochen, weil ich dachte so könnte ich den Dämonen entfliehen und die Ereignisse, die wir erlebt haben würden verblassen. Fehlanzeige.
Allein die Tatsache, dass ich dort mit einem Gips erscheinen musste, gefiel mir ganz und gar nicht.
Aber ja, vielleicht half es mir. Innerlich freute es mich sogar den ein oder anderen Kameraden wieder zusehen, die die fünf Jahre meiner Army Zeit wie Brüder für mich geworden waren. Ich war neugierig, was aus ihnen geworden war. Aber vielleicht riss mich dieses Ereignis auch mit in den Abgrund.
,,Mensch, für die ist wirklich nichts zu teuer", kommentierte Ella anerkennend ihr Zimmer.
Es war klein und minimalistisch eingerichtet, jedoch hatte sie einen Balkon und eine schöne Aussicht über einen Park.
,,Vielleicht haben wir auch einfach nicht das Kleingedruckte gelesen und es wartet noch eine saftige Rechnung auf uns", warf ich ein und Ella seufzte. Sie hob ihren kleinen Koffer auf das Bett, bevor sie wieder zu mir kam. Ich wartete auf dem Flur, da mein Zimmer ein paar Türen weiter weg war.
Ja, darauf hatte ich bestanden. Zwei getrennte Zimmer. Egal was dieses Ereignis mit mir machte, ich wollte es nicht an Ella herauslassen, genau wie diese unangenehme Spannung, die ich schon seit gestern Abend verspürte.
,,Red nicht immer alles so schlecht", nörgelte sie schmunzelnd. Danach schloss sie die Zimmertür hinter sich und schleppte meine Tasche in Richtung meines Zimmers. Eigentlich hätte ich die Tasche auch selbst schleppen können, aber Ella ging heute total auf in ihrer fürsorglichen Rolle. Dabei verkaufte sie es als selbstverständlich und fragte nie nach, sondern es einfach durchzog.
Ich ließ mich auf mein Bett fallen und atmete tief ein. Das hier tat gut. Einfach mal kurz entspannen.
Ella meinte, es sei eine gute Idee, wenn wir uns bis heute Abend beide erstmal etwas ausruhen würden. Schließlich wussten wir beide nicht, was uns erwartete und wie lange dieser Abend gehen würde.
Jetzt lag ich hier auf den weißen Laken des Hotelbettes und versuchte das Chaos in meinem Kopf zu beruhigen. Es irgendwie auszuschalten für einen kurzen Moment.
Ich hätte im Flugzeug schlafen können, so wie es Ella getan hatte, dabei hat sie eins, zwei leise aber total lustige Geräusche von sich gegeben, weshalb ich einfach nicht anders konnte, als sie neben mir zu beobachten.
Mit meinen Augen jedes Detail ihres Gesichtes nach zufahren und zu erkunden. Ich weiß, ich habe mich selbst wie ein Spanner gefühlt.
Natürlich habe ich kein Auge zu bekommen, wie auch?
Ich ging jedes mögliche Szenario in meinem Kopf durch und das machte mich wahnsinnig.
Die letzten Wochen hat sich mein Alltag auf mein Haus, Ella und meine Familie beschränkt, alles davon hatte ich unter Kontrolle und es nichts außergewöhnliches passiert...außer das mit Ella, was ich nicht für ansatzweise vorhersehbar fand, dass wir uns jetzt so verflucht gut verstanden, als kannten wir uns schon ewig.
Ich konnte nur nochmals betonen, wie beängstigend ich das empfand.
,,Jetzt geh ran", fluchte ich leicht verzweifelt und starrte auf den schwarzen Bildschirm meines Handy. Ich stand in dem kleinen Bad und in einer halben Stunde müsste ich Ella abholen. Verdammt, wieso versagte jetzt ausgerechnet das Einfachste.
,,Was gibt's?", meldete sich Lincoln und war sichtlich überrascht, dass ich ihn via Videocall anrief. Er war zuhause. Das war gut.
,,Hey. Ich rede gar nicht viel drumherum, du musst mir zeigen wie ich eine Krawatte binde", begrüßte ich ihn und Lincolns Mundwinkel zuckten nach oben.
Ich hatte die Wahl zwischen Elliot, Linc und meinem Bruder. Da ich bezweifle, dass Elliot das konnte und mein Bruder mich damit noch Jahre aufziehen würde, entschied ich mich für Linc.
,,Du weißt, dass es YouTube Tutorials gibt?", hinterfragte er und ich schluckte. Langsam öffnete ich meine Hand und schloss sie wieder, verflucht wieso zitterte sie so stark?
Ich strich mir zusätzlich auch nervös durch meine schwarzen Haare, die ich versucht hatte mit Gel zurichten.
,,Oh. Warte kurz", endlich verstand Lincoln. Er stand vom Sofa auf und lief in Richtung Schlafzimmer. Im Hintergrund hörte ich Ava reden, die gerade auch anscheinend telefonierte. ,,Nein, trag die Haare offen", hörte ich sie reden, bevor die Tür hinter Lincoln ins Schloss fiel.
,,Ist es so schlimm?", fragte er, während er mich besorgt ansah und ich nickte.
,,Sorry, wenn ich dich damit störe, aber ich wollte Ella nicht belästigen", antwortete ich und bereute es sofort Lincoln angerufen zu haben. Denn hier ging es nicht nur um das Binden von Krawatten.
,,Nein. Ich habe es dir damals schon angeboten, dass du mit mir reden kannst. Also mach dir keinen Kopf. Hast du deine Medikamente dabei?", erwiderte er sofort und ich versuchte meinen Atem zu beruhigen.
,,Ja. Aber die nehme ich nur zum Schlafen gehen, zusätzlich hatte ich vor heute zumindest etwas Alkoholisches zu trinken", erklärte ich und knöpfte mein weißes Hemd mit zittrigen Händen zu.
,,Du willst es verstecken", sprach Lincoln das aus, was ich dachte. Ich wollte normal wirken, nicht zerbrochen oder kaputt. Nein, stark und so als hätte ich alles verarbeitet und verdaut.War das albern, dass ich vor meinen ehemaligen Kameraden so tat, als ob alles okay ist? Auch wenn es nicht mal ansatzweise so war?
Ich wollte nicht in ihre Gesichter sehen, wenn sie erkannten, dass ich gebrochen war.
Die restliche halbe Stunde telefonierten wir, redeten über Gott und die Welt, während mit Lincoln zeigte wie ich eine Krawatte band, auch wenn dies zu einer Nebensache wurde.
Ich war froh ihn angerufen zu haben. Denn genau das brauchte ich jetzt. Jemand der mir zuhörte und nicht direkt zwei Zimmer weiter wohnte. Ella würde mich den ganzen Abend nicht aus den Augen lassen, wenn sie wüsste, dass ich einer weiteren Panikattacke so nahe gewesen war.
Ich klopfte mit etwas ruhigeren Händen als noch vor wenigen Minuten an Ellas Zimmertür, die sofort aufgerissen wurde. Da war jemand genauso nervös, nur auf eine andere Art und Weise wie ich.
Da stand sie und für einen kurzen Moment war mein Gehirn leer gefegt. Sie trug ein rotes Kleid, was oben eng geschnitten war und unten ihre Beine locker um spielte. Schlichter roter Stoff um spielte ihre Kurven und ich schluckte.
Ihre braunen Locken fielen ihr fließend über die Schultern. Vermutlich war es das erste Mal, dass ich sie mit offenen Haaren sah. Und mir fehlten einfach die Worte.
Sie wollte mich foltern. Ganz klar.
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Vergiss das ☆ nicht, wenn dir das Kapitel gefallen hat^^
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