Kapitel 4
Die kalte Luft brannte angenehm in meiner Lunge, während sich kleine Wölkchen vor meinem Mund bildeten. Der Waldboden knirschte unter meinen Laufschuhen und ein leichtes Lächeln lag auf meinen Lippen. Das hatte ich gebraucht. Mehr als nötig.
Zack und ich waren heute extra früh aufgestanden, um vor der Arbeit noch eine Runde zu joggen. Früher hatten wir das viel öfter gemacht, aber dann kam der Skiunfall, seine Kur und die Physiotherapie. Es tat gut einfach den Kopf frei zubekommen und die Ruhe zu genießen, die der Wald ausstrahlte. Ich warf Zack einen Seitenblick zu. Trotz seines Unfalls vor ein paar Monaten, war er wieder halbwegs fit und hielt mein Tempo mit, wobei er natürlich nie zugeben würde, wenn ihm das Tempo zu schnell wäre.
In den letzten Metern legten wir noch einen kurzen Sprint ein, bevor ich nach lächelnd nach Luft schnappte und mir einen Schluck Wasser gönnte. Zack keuchte kurz auf und strich sich seine feuchten schwarzen Haare aus der Stirn. ,,Sag bloß, dass ich dich fertig gemacht hab, Cosuin", neckte ich ihn und steckte die kleine Wasserflasche wieder in meine Bauchtasche.
,,Nein. Ich hatte nur nicht so viel Schlaf wie du", erklärte er und zuckte mit seinen Schultern, während ein ganz bestimmter Ausdruck in seine Augen trat.
,,DAS will ich wirklich nicht wissen", entgegnete ich und verzog kurz mein Gesicht. Zack und ich teilten förmlich alles mit einander, aber was er mit Ella trieb, überschritt definitiv eine Grenze.
Zack begann sich zu dehnen, bevor er ganz beiläufig fragte: ,,Und bei dir? Was geht da mit Sinclair?"
Ich zuckte unmerklich zusammen, als er den Namen aussprach und musste sofort an den Kuss denken. ,,Mit Reed? Was soll da sein?", entgegnete ich mit einem zu langen Zögern. Zack war Polizist durch und durch...natürlich fiel ihm das auf. Verdammt.
,,Das frag ich ja dich", hielt er an dem Thema fest und ich seufzte. Machte er jetzt gerade wirklich einen auf großen Bruder?
,,Sonst haben dich doch die anderen Jungs auch nicht interessiert", kommentierte ich es genervt und lief langsam in Richtung Woodshill zurück.
,,Ja weil die anderen irgendwelche Touris waren", Zack zog seine dunklen Augenbrauen hoch und musterte mich, womit er mir keinen Ausweg ließ.
,,Zwischen mir und Reed ist nichts", zischte ich und Zacks Mundwinkel zuckten nach oben. Direkt ins Schwarze getroffen.
,,Ach und deswegen bringt er dich so aus dem Konzept und macht dich rasend?", Zack steckte lässig seine Hände in seine Hosentaschen ,,Jenn ich kenn dich besser, als jeder anderer, spiel mir nichts vor."
,,Ich spiel dir nichts vor. Da ist nichts. Und das wird es auch nicht. Punkt", beendete ich dieses Gespräch, bevor ich wieder in ein schnelleres Tempo verfiel, auch wenn meine Muskeln klagten. Aber das musste jetzt sein, sonst würde mich Zack nicht in Ruhe lassen.
***
Der Arbeitstag verlief ruhig. Wir würden morgen auf eine Weiterbildung fahren, da wir in der Touristensaison nicht nur Polizisten waren, sondern auch Ranger und somit auch für die Sicherheit auf den Wanderwegen sorgten. Deswegen fuhren wir jedes Jahr in die Nachbarstadt und machten dort eine Weiterbildung mit den anderen kleineres Revieren im Umkreis.
,,Zack, ich mach mich los", rief ich als ich mein Büro verließ und meinen Rucksack schulterte. Ich war gerade mal drei Schritte gekommen, als Zack in der Tür seines Büros erschien.
,,Könntest du das hier auf dem Rückweg noch bei Reed abgeben? Die Formulare hat er vergessen mit zu nehmen und die braucht er morgen", meinte Zack und streckte mir einen Stapel Blätter hin. Ich sah erst auf den Stapel und dann in die blauen Augen meines Cousin.
,,Reicht das nicht, wenn du sie ihm morgen gibst? Und er sie einfach auf der Fahrt ausfüllt?", hinterfragte ich und unterdrückte einen genervten Unterton.
,,Nein", mehr gab Zack nicht von sich, während er mir immer noch demonstrativ die Blätter hinhielt.
,,Kannst du sie ihm nicht vorbei bringen? Das ginge doch viel schneller?", ich ließ nicht locker, was meinem Cousin ein Seufzen über die Lippen zwang.
,,Nein. Otis muss zum Tierarzt und da Ella heute nicht kann, muss ich das übernehmen", erklärte er ,,Und wenn, du hast doch eh nichts gegen Reed hast du heute früh gemeint, also mach's einfach."
Ich nahm ihm die Zettel aus der Hand und verfluchte ihn innerlich, jedoch kehrte ich ihm den Rücken und verschwand vom Revier. Ich hasse ihn.
***
Die Sinclairs wohnten auf einem großen Gehöft etwas außerhalb der Stadt. Ihr Grundstück war riesig und umfasste mehrere Hektar Land, da Reeds Eltern in der Landwirtschaft tätig waren.
Ich stieg aus meinem Wagen und musterte das Grundstück vor mir. Das Haus war ein typisches Farmerhaus mit weißer Fassade, die hier und da abbröckelte. Neben der Haustür wuchs wilder Wein, welcher schon die halbe Wand eingenommen hatte, aber dem haus auch einen gewissen Charme verlieh. Das Grundstück war umzäunt mit einem einfachen Holzzaun, der mir bis zur Hüfte ging. Hinter dem Haus erstreckten sich zwei große Scheunen und ein riesiger Gemüsegarten, in welchem eine Frau gerade Unkraut jätete.
Ich öffnete das kleine Tor und trat auf den Hof. Sofort vernahm ich ein unbekanntes Geräusch, was ich schwer einordnen konnte. War das wildes Flügelschlagen? Und plötzlich vernahm ich fauchen, was aber ganz sicher nicht von einer Katze kam. Fuck.
Auf mich kam eine riesige Gans gerannt und mir sackte das Herz in die Hose. Darauf war ich nun wirklich nicht vorbereitet. Ich blieb wie erstarrt stehen und ging in meinem Kopf durch, ob es schlau war zu rennen oder so zutun als wäre ich nicht hier. Niemand bereitet uns auf solch einen Fall in der Polizeischule vor.
Gerade als die Gans auf meiner Höhe war und nur noch den Hals strecken müsste, um mich zubeißen. Hörte ich ein Pfeifen. ,,Augustus! Lass das", rief Maria, Reeds Mum, und kam zu mir geeilt. Die Gans hielt inne, schlug jedoch trotzdem noch drohend mit seinen Flügeln.
,,Augustus! Mach dich weg!", redete Maria auf die Gans ein und scheuchte sie zurück auf den Hof. Sie wischte ihre verdreckten Hände an ihrer Schürze ab, die sie auf einem hellblau karierten Kleid trug und sah mich entschuldigend an.
,,Tut mir leid, hätte ich gewusst, dass wir heute Besuch bekommen, hätte ich Augustus sicherlich nicht erlaubt hier draußen herum zulaufen", meinte Maria und lächelte ich warm an. Sie war sehr schmal und ihr sah man die tägliche körperliche Arbeit an, jedoch strahlte sie eine so glückliche Stimmung aus, dass sie es vermutlich abstreiten wurde, dass sie überarbeitet wirkt.
Ich sah etwas perplex der Gans hinter her und schluckte. ,,Ich hätte vermutlich vorm Tor warten sollen, mein Fehler...", sagte ich während ich den Blick nicht von der Gans lassen konnte. Sie war beängstigend und faszinierend zugleich.
,,Ach Quatsch. Gott sei Dank, bin ich früh genug dazwischen gekommen", winkte sie ab und zog sich ihr Kopftuch zurecht, was ihre grau melierten Locken zurück hielt. ,,So, was kann ich für dich tuen? Möchtest du mit rein kommen?", fragte sie freundlich und ich schüttelte den Kopf.
,,Nein. Ich muss das hier nur Reed bringen oder du gibst es ihm einfach", erklärte ich und zeigte ihr die Papiere. Maria sah mich etwas fragend an.
,,Reed wohnt ihr schon seid Jahren nicht mehr...", begann sie und nun war ich die Verwirrte. ,,Aber das hier ist seine eingetragene Adresse", meinte ich und Maria lächelte mich wieder an.
,,Ja er wohnt noch auf dem Grundstück. Fahr einfach die Straße weiter hoch und dann kommst du auf ein Waldstück, da steht sein Wohnwagen." Ich sah Maria noch kurz etwas perplex an, bevor ich nickte und mich bedankte, bevor ich zu meinem Wagen lief.
Reed wohnte also in einem Wohnwagen irgendwo im Wald. Der Typ wurde mir immer suspekter. Aber egal, ich liefere die Papiere einfach ab und dann verschwinde ich ganz schnell wieder. So schwer kann das ja nicht sein...
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Vegiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat
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