Kapitel 3
Bewaffnet mit Pinsel und Eimer stand ich vor dem flachen Gebäude, was in ein paar Wochen in ein Therapiezentrum verwandelt werden soll. Ein Ort für Leute mit psychischen Störungen, die hier in Woodshill eine Auszeit bekommen und wieder zu sich selbst finden sollen. Das ist zumindest Nicks Traum.
Letzte Woche hatte Nick ganz stolz das Schild aufgestellt, wo sein Name drauf stand. Und daneben stand ein kleiner weißer Schaukasten, in welchem er die Kurse aushängen wollte, welche angeboten werden.
,,Sieht gut aus oder?", hinterfragte Nick, an welchem schon massenhaft Farbe klebte und lächelte mich stolz an. Er winkte mich in das Gebäude herein. Bisher war der ganze Boden noch mit Folie abgeklebt und überall stapelten sich Kisten,Tüten und Möbel, die noch ausgepackt werden mussten.
,,Es wartet noch ziemlich viel Arbeit auf uns", stellte ich etwas ernüchternd fest und dachte etwas zweifelnd an die Eröffnung in zwei Wochen.
,,Ja...aber es haben sich so viele Leute freiwillig gemeldet, um zu helfen", erklärte Nick und da sah auch schon Owen und Ava aus dem ersten Gruppenraum. Ich grüßte sie und musste mir ein Schmunzeln verkneifen.
Ich hatte glatt vergessen, dass das hier Woodshill ist. Hier stand man nicht alleine da, egal in welcher Lage man sich befand. Und das Therapiezentrum würde ein paar Arbeitsplätze schaffen und den Tourismus noch mehr ankurbeln, also eigentlich eine Win-Win-Situation für alle.
Nick führte mich herum und zeigte mir seinen groben Plan. Dass Gebäude war ebenerdig, sodass es auch für eine körperliche Behinderung gemacht war. Es gab insgesamt drei Gruppenräume, einen Ruheraum, in welchen mehrere Möglichkeiten zum Entspannen bereitgestellt werden sollen, einen kleinen Gymnastikraum und einen großen Garten mit Terrasse.
Ich war bei der Besichtigung dabei gewesen, egal wie verwildert der Garten auch war, Nick hatte sich sofort verliebt und hätte dem Makler vermutlich am liebsten sofort den Vertrag aus den Händen gerissen. ,,Hey Reed!", rief mir Ella entgegen und winkte mir zu. Sie war gerade dabei ein Beet mit Blumen zu bepflanzen, während Zack und Lincoln die Büsche in Form schnitten.
,,Ich sag es doch. Ohne, dass ich gefragt habe, haben alle heute früh vor der Tür gestanden und haben ihre Hilfe angeboten...schon etwas gruselig", kommentierte Nick und strich sich durch seine dunkelblonden Haare.
Ich lächelte meinen besten Freund an und stieß ihn mit meiner Schulter an. ,,Du triffst dich ja auch mit Owen, also solltest du das nicht hinterfragen", sagte ich und zwinkerte ihm zu. Zwar wusste ich nicht, ob das zwischen den Beiden nur Freundschaft war, aber da ich über die Sexualität von Nick Bescheid wusste und sein Dauergrinsen nur viel zu gut kannte, brauchte es keine Worte.
Nicks Handy klingelte. ,,Oh verdammt. Das ist sicher Elliot, der weitere Möbel bringt. Schnapp dir dein Zeug und geh in den Gymnastikraum, der muss noch fertig ab geklebt und gestrichen werden", sagte er, bevor er ans Handy ging.
Ich bahnte mir den Weg zu dem angewiesenen Raum und wich Laurie aus, die mit einer Ladung neuer Pflanzen in den Garten lief. Hier war wirklich meine halbe Altersklasse vertreten und die, die zwei,drei Jahre älter waren.
Aus dem Gymnastikraum ertönten die Klänge von ,,Don 't stop me now" von Queen. Das ich nicht alleine streichen musste, freute mich insgeheim, jedoch als ich die halb offene Tür etwas weiter aufschob, rutschte mir mein Herz ganz kurz in die Hose. An der Wand stand niemand geringeres als Jenn, die leise zu dem Refrain mit sang und die Wand in einem hellen orange strich. Verflucht.
Mein Blick glitt über ihren sportlichen Rücken. Ihre schwarzen Haare hatte sie in einen hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, wodurch ihr langer Hals betont wurde. Das hier war keine Therapie, sondern Folter.
,,Gaffst du nur, oder hilfst du mir?", fragte sie, ohne sich umzudrehen, bevor sie die Farbrolle wieder in den Farbeimer tauchte und sich wieder ganz der Wand widmete, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
,,Woher wusstest du, dass ich es bin?", hinterfragte ich etwas perplex, bevor ich den Raum vollständig betrat und mir eine Farbrolle schnappte.
,,Weibliche Instinkte", sie zuckte mit den Schultern und schaltete über ihr Handy die Musik etwas lauter. Ein deutlicheres Zeichen, dass sie kein Bock auf mich hatte, konnte sie mir nicht geben.
So verbrachten wir die nächsten Stunden schweigend zu den Klängen von Queen, AC/DC und weiteren Rockbands. Wenigstens hatte sie einen angenehmen Musikgeschmack.
,,Wieso hilfst du hier eigentlich mit?", fragte ich, als mir das Schweigen irgendwann wirklich zu blöd war und wir eine neuen Farbeimer im Flur holten.
,,Weil ich eine hilfsbereite Person bin", entgegnete sie mir trocken und öffnete den Eimer. Ich verdrehte die Augen, bevor ich ihr den Stock reichte, mit welchem wir die Farbe umrührten.
,,Falls du es noch nicht gehört hast, ich werde hier Kurse geben. Nicht viele, kommt stark auf die Nachfrage an", erklärte sie und sah zu kurz zu mir hoch.
,,Das hört sich doch gut an. Was für Kurse? Ich wusste gar nicht, dass du irgendwelche therapeutischen Weiterbildungen hast", animierte ich sie weiter zu reden.
Jenn tauchte ihre Farbrolle in die Farbe und stand auf. ,,Hab ich auch nicht. Aber ich habe einen Trainerschein und ich werde hier Yoga-Kurse geben...vielleicht auch einige kleinere Sportkurse", sie zuckte mit den Schultern und wendete sich wieder ihrer Wand zu.
,,Und woher weißt du bitte, was für Weiterbildungen ich habe?"
,,Das war eine reine Vermutung und anscheinend war sie richtig", ich drehte mich zu meiner Wand. Das Gespräch fühlte sich so steif und gezwungen an. Wie ich dieses Gefühl hasste. Was sollte das hier eigentlich?
Seit dem Kuss ging alles den Bach runter. Ich würde nicht behaupten, dass wir vorher die besten Freunde waren, aber die Situation jetzt war um Welten schlechter.
Gerade als ich etwas sagen wollte, streckte Nick seinen Kopf durch die Tür. ,,Also falls ihr Hunger habt, Eloise und Helen haben etwas zu Essen vorbei gebracht", sagte er, bevor er wieder im Flur verschwand.
***
Eloise und Helen hatten draußen im Garten auf einem Tisch belegte Brote und warme Würste vorbereitet. Zudem befand sich ein Blech von Helens berühmten Schokokuchen auf dem Tisch.
,,Du musst mir irgendwann wirklich das Rezept verraten", schwärmte ich, als ich mir ein zweites Stück Kuchen gönnte. Helen lachte herzlich und schüttelte den Kopf.
,,Reed, das tut mir sehr leid, aber das ist ein Familiengeheimnis", meinte sie und ich zog einen Schmollmund. ,,Gehöre ich nicht schon fast zur Familie? Schließlich ist dein Mann mein Chef und Zack und Jenn sind meine Kollegen", argumentiere ich weiter schmunzelnd.
,,Gib's auf. Für das Rezept musst du in diese Familie einheiraten", erklärte Owen und legte mir mitfühlend seine Hand auf die Schulter. Wie von Zauberhand glitten unsere Augen zu Jenn, die sich gerade ein belegtes Käsebrot schnappte.
Sie sah hoch und funkelte uns an. ,,Vorher bring ich mich um."
Ich zuckte mit den Schultern. ,,So ein schlechter Ehemann wäre ich ganz sicher nicht", kommentierte ich ihre Aussage und lächelte sie charmant an.
,,Oh, sicher ist es in Amerika verboten Minderjährige zu heiraten", fauchte sie mich an und mein Lächeln wurde etwas breiter.
,,Na wenn das so ist, können wir auch so lange warten, bis ich dir alt genug bin", entgegnete ich und ging ein Schritt auf sie zu. Meine Augen glitten über ihr Gesicht und beobachteten, wie sie sich zusammen riss, mich nicht wütend anzuschreien. Ich sah ihr direkt in ihre blauen Augen, die sich vor Wut verdunkelten.
,,Bis dahin, bin ich so alt, dass ich einen Gehstock brauche und Helen hätte sicherlich sehr gerne kleine Mini-Jenns", sie reckte mir ihr Kinn entgegen und ihre Augen verformten sich zu Schlitzen.
,,Oh, dafür müssen wir ja nicht verheiratet sein", Jenn schnappte empört nach Luft, jedoch unterbrach sie den Augenkontakt nicht. Ein warmer Schauer lief mir über den Rücken. Jetzt hatte ich sie aus dem Konzept gebracht. Ein Punkt für mich.
,,Das spricht aber gegen die christlichen Regeln", mischte sich plötzlich Owen ein, als wäre er der Vorzeigechrist überhaupt und ließ mich kurz zusammen zucken. Verflucht, Owen!
Jenn sah ihren Cousin fast schon dankend an, bevor sich ihren Teller schnappte und uns verließ. Dabei ließ sie es sich aber nicht nehmen nochmal einen wütenden Schulterblick zu zuwerfen.
Diese Frau raubte mir wirklich den letzen Nerv.
,,Sie wird dir die Eier grillen, wenn du sie anfasst", kommentierte Owen meinen Blick und ich musste mir stark ein Lächeln verkneifen.
Wenn er wüsste....
○●○●○●
Vergiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat.
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