Kapitel 2

Während ich die Geräte aus dem Lager schob und schonmal die Matten positionierte, sodass die Jugendlichen gleich beginnen konnten zu turnen. Vor uns stand ein Vorentscheid, der zeigen sollte, ob das harte Training im Winter sich auszahlte.

Verträumt strich ich über den rauen Bachen und atmete den Duft dessen ein. Wie oft hatte ich darauf gestanden und war so vertieft in dem was ich tat, dass ich alles um mich herum vergas? Jede freie Minute in meiner Jugend, hatte ich hier in der Turnhalle verbracht.

Nichts war wichtiger. Nur die nächste Kür, der neue Schritt und das anstehende Turnier zählte. Helen, meine Tante, musste mich manchmal aus der halle schleifen, damit ich überhaupt mal zum Essen oder gar zum Lernen kam. Für mich stand damals fest, ich wollte Profiturnerin werden...

Ich schluckte, als sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Es war vorbei und zu den Akten gelegt.

Die Hallentür öffnete sich und die ersten Mädchen kamen herein, begrüßten mich lächelnd, bevor sie in die Umkleide kamen, um sich umzuziehen. Ich ließ vom Balken ab und holte Gummibänder fürs Aufwärmen heraus.

,,Hey, Jenn. Ist es ein Problem, wenn Ty heute zu schaut?", fragte Zoey, als ich gerade aus dem Lager trat. Zoey lächelte mich breit an und mein Blick viel auf das Mädchen neben ihr. Ty war ein sehr schmales Mädchen, was allein mit ihrem Gesicht aussprach, was sie dachte.

,,Ich wusste gar nicht, dass du dich für's Turnen interessierst", sprach ich Ty an und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Zoey war schon seit über drei Jahren im Team und war insgeheim meine Hoffnung bis in die Landesmeisterschaft zu kommen.

,,Tue ich auch nicht", sie zuckte locker mit ihren Schultern und strich sich durch ihren Long Bob. ,,Aber Zoey besteht drauf, dass ich mir ihre Kür ansehe...und du weißt nicht, wie lange sie mich damit schon nervt", fügte Ty genervt hinzu, jedoch war ihr Seitenblick zu Zoey so liebevoll, dass ich mir ein wissendes Lächeln verkneifen musste.

,,Kein Ding. Wenn du möchtest, setzt du dich da drüben auf die Bank", erklärte ich ihr freundlich, bevor ich Zoey in die Umkleide schickte.

Ty ließ sich auf der Bank nieder und legte einen schwarzen Motorradhelm neben sich. Sie war gerade mal sechzehn und hatte mehr Charakter, als manch anderer in ihrem Alter.

***

,,Vergesst nicht! Am Sonntag pünktlich zu sein! Der Bus fährt um 8Uhr", rief ich den Mädchen noch hinterher, als sie laut redeten aus der Halle liefen, um entweder von ihren Eltern begrüßt zu werden oder heim zulaufen. Wir hatten heute eine Stunde überzogen, aber das war auch auf den Ehrgeiz der Jugendlichen zurück zuführen. Sie wollten am Sonntag abliefern.

,,Na, Ty ist der Sport, was für dich?", hörte ich die raue Stimme, die mir sofort einen Schauer über den Rücken laufen ließ, gerade als ich die restlichen Geräte wegräumte.

,,Hm weiß ich noch nicht, vielleicht sollte ich die nächsten Male nochmal zusehen, wenn Jenn nichts dagegen hat", erwiderte sie und rief mir den letzten Teil zu. Reed wusste nichts davon, was seine Schwester wirklich hier wollte.

Ich schob den Mattenwagen ins Lager und drehte ich lässig um, als würde es mir gar nichts ausmachen, dass er hier in meinem Revier auftauchte. Seine Haare waren noch leicht feucht und über seiner Schulter hing seine Sporttasche. Er kam vom Lacrossetraining. Das erklärte auch seine roten Wangen. Er trug einen einfachen dunkelblauen Hoodie über seiner schwarzen kurzen Sporthose.

Ty zuckte ganz kurz mit ihrer Augenbrauen, als wartete sie immer noch auf eine Antwort. ,,Klar. Das ist kein Problem. Wir trainieren jeden Mittwoch und Freitag, aber Zoey kommt auch manchmal nochmal unter der Woche, ihr könnt euch ja absprechen", ich erwiderte ihr Augenbrauen zucken, was sie kurz aus der Fassung warf. Aber nur ganz leicht weiteten sich ihre Augen, bevor sie sich wieder fing, als wäre nichts gewesen.

,,Danke", ihre Augen musterten mich, als müsste sie einschätzen, ob das was ich wusste, auch wirklich unter uns blieb.

,,Könntest du draußen warten? Ich komm gleich", sprach Reed zu seiner Schwester und jetzt war ich die, die ihre Fassung verlor. Verdammt.

Ty lief aus der Halle, nur um mir dann noch ein kleines Lächeln zuwerfen, was bedeutete, dass wir quitt sind. Verflucht...sie war gemeingefährlich.

,,Sorry falls Ty etwas...naja schwierig ist", Reed kratzte sich an seinem Hinterkopf und ich drehte mich zum Lager, um es abzuschließen. Ich brauchte irgendeine Beschäftigung, um ihn nicht die ganze Zeit auf die Lippen zu starren.  ,,Ich mag deine Schwester. Also keine Ahnung, was du hast", ich zuckte mit den Schultern und ließ den Schlüssel in die Tasche meiner Jogginghose.

,,War's das? Du wolltest dich für deine Schwester entschuldigen?", hinterfragte ich und warf ihm ein ungeduldigen Blick zu. Ich war ihm die ganze Woche aus dem Weg gegangen...nur damit er jetzt in meine Turnstunden platzen konnte?

,,Nein...du kannst dir denken, wieso ich hier bin", antwortete er und ich zog meine dunklen Augenbrauen hoch.

,,Ich weiß es nicht, Frischling." Ich verabschiedete mich kurz von den restlichen Schülern und wendete mich dann wieder Reed zu. ,,Vielleicht weil es keinen Grund gibt", fügte ich noch hinzu und Reed versuchte Augenkontakt aufzubauen, jedoch ging ich gar nicht darauf ein.

Ich lief an ihm vorbei und wollte gerade in das kleine Büro der Turnhalle, welches ich als Umkleide nutzte, da griff Reeds Hand nach meinem Handgelenk. ,,Oh doch, es gibt einen gewaltigen Grund", zischte er und zwang mich, mich um zudrehen und ihn anzusehen.

,,Stimmt. Das du mich geküsst hast, einfach so ohne mich zu fragen. Wir wissen beide, dass es unter Belästigung zählt...also sei froh, dass ich dich nicht bei meinem Cousin anschwärze", fauchte ich ihn an und riss meine Hand aus seinem Griff. Wobei es sichtlich amüsant wäre, wenn Zack wüsste, was Reed gemacht hätte... ich setze auf Zack, nur nebenbei.

,,Tja, aber du hast den Kuss erwidert...also glaub ich eher weniger, dass du etwas dagegen einzuwenden hattest", konterte er und ich holte empört Luft.

,,Ich wollte dein kleines Herz nicht zerbrechen. Das hätte dir sichtlich einen Riss in deinem großen Ego beschert", warf ich kalt ein, was Reed nur kurz Auflachen ließ. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Bildete er sich wirklich etwas darauf ein, dass ich einmal schwach wurde? Dass er einmal mit seinem Charme Erfolg bei mir hatte? Ich hatte Alkohol getrunken.

,,Ja okay, vielleicht hab ich den Kuss erwidert. Aber Nüchtern würde ich dich nicht mal mit der Kneifzange anfassen", entgegnete ich bissig und Reed Augen verdunkelten sich leicht. Hatte ich einen wunden Punkt getroffen?

,,Oh, Jenn...wir wissen beide, dass das nicht stimmt", flötete er mir zu und ich regte das Kinn etwas in die Höhe. Dieses arrogante Arschloch.

,,Red dir das ruhig ein, wenn du deine rechte Hand einsetzt...oder warst du Linkshänder? Verdammt, für diese Information, müsste ich mich für dich interessieren", konterte ich und tat so als würde ich nachdenken. Reed spannte sich an, als würde er gleich vor Wut platzen. Jedoch erwiderte er nichts, auch gut.

Ich schloss das Büro auf und trat herein.

,,Ach übrigens: Jennifer", dann knallte ich ihm die Tür vor der Nase zu.

Ich strich mir über das Gesicht, während ich versuchte mein rasendes Herz zuberuhigen. Normalerweise hätte ich mich nie auf solch ein Gespräch mit ihm eingelassen. Ich hätte ihm die alte Schulter gezeigt und fertig. Aber jetzt...nachdem Kuss...verflucht es machte zu viel Spaß ihn zur Weißglut zu bringen. Und es war nicht nur Spaß...

Ich griff nach meiner Wasserflasche und trank einen großen Schluck, bevor ich feststellen musste, dass ich Verlangen spürte, wenn er in meiner Nähe war. Ich wollte mehr als nur diesen Kuss...er hatte mir eine Kostprobe von etwas unbeschreiblichen gegeben.

Ich hasse ihn. 

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Vergiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat.

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