Julie und Lucas - Teil 2


Türchen 19

Lucas

"He", meinte er und hielt dem hübschen blonden Mädchen einen Alkoholfreien Punsch hin, den seine Mutter ihm gegeben hatte. Sie saß immer noch am Fenster, so wie sie es um diese Jahreszeit immer tat und starrte in die dunkle Nacht hinaus, als würde sie darin mehr erkennen als er.
"Danke", meinte sie, nahm ihm die Tasse ab und wandte ihren Blick wieder von ihm ab. Das tat sie immer öfter. Während sie ihm noch vor wenigen Jahren auf Schritt und Tritt heimlich gefolgt war, war er für sie immer uninteressanter geworden und Lucas befürchtete ernsthaft seine Chance bei ihr endgültig verspielt zu haben. Besonders nachdem seine Schwester diese beiden Trottel erwähnt hatte, die mit Lucas in eine Klasse gingen und keine Gelegenheit offen ließen, um sich Julie zu nähern.

"Ich hab gehört Kain und Peeter haben dich mal wieder versucht einzuladen?", fragte er und sah Julie durchdringend an als sie den Blick wieder in seine Richtung hob. Ihre blau-grauen Augen sahen ihn fragend an, dann legte sie den Kopf schräg und zuckte mit den Schultern.
"Ja.", sagte sie simpel als wäre es nichts Besonderes und wieder verspürte Lucas den wohlbekannten Frust in sich aufsteigen. Angeblich war sie ja heimlich in ihn verliebt, zumindest sagte das seine Schwester andauernd und seine Eltern auch, aber wenn er sie ansah, wirkte sie nicht wie eines der Mädchen, die ihn anhimmelten. Sie wirkte kalt, abwesend, geradezu desinteressiert und er hasste es sich so unsicher in ihrer Nähe zu fühlen. Deswegen sollte er sich auch von ihr fernhalten, denn sie schien doch tatsächlich die Macht zu haben, sein Ego immer wieder mit nur einem Blick zu zerschmettern.
"Nimmst du es irgendwann an?", fragte er und sorgte dafür, dass seine Stimme seinen Ärger darüber verdeutlichte. Wieder ein fragender Blick ihrerseits. Sie versuchte ihn zu lesen und das, obwohl sein Unmut darüber wohl deutlich genug sein sollte.
"Ich weiß nicht, kommt darauf an", sagte sie und Lucas verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen Blick auf, denn er sich von seinem Vater Hawke abgeschaut hatte. Doch natürlich funktionierte er bei Julie nicht, bei ihr funktionierte generell gar nichts.

"Worauf?, knurrte er und Julie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.

"Ob du mich mal fragst", meinte sie dann plötzlich ohne das sich ihre Stimmlage auch nur im Geringsten veränderte. Er spürte wie sein Herz einen Schlag aussetzte, blickte sie dann aber misstrauisch an.
"Kommt darauf an", wiederholte er ihre Worte von vorhin.
"Worauf?", tat sie es ihm gleich und nahm wieder ein Schluck und Lucas atmete tief durch bevor er diese eine Frage stellte, die endlich Klarheit schaffen würde.
"Ob du wirklich in mich verliebt bist", sagte er und Sienna nickte ohne das sich ihr Gesichtsausdruck dabei veränderte. Aber da war sie die einzige, denn er fühlte regelrecht wie sein Kopf rot wurde und er kurz davor war aus der Haut zu fahren.

Sie hatte genickt, einfach genickt. Als hätte sie eine Wettermeldung abgeknickt oder etwas anderes ohne größere Bedeutung, als wäre das so eine einfache und unwichtige Information. Wie konnte sie da nur nicken? Man gestand niemanden seine Liebe, indem man nickte, verdammt! Was war mit der Frau?
Lucas lachte leise, drehte sich um und ging einfach weg um sich wieder auf die Couch zu setzen und begann wieder zu schmollen. Natürlich wusste er, dass Julie ihre Probleme mit Gefühlen hatte aber bei der Frage nach liebe schien sie nicht verunsichert, ganz im Gegenteil und das machte ihn irgendwie sauer. Das war schließlich kein einfaches Gefühl und auch kein unbedeutende. Aber sie schaffte es genau das daraus zu machen. Sie sollte rot werden, sie sollte zögern, es sollte ihr schwerfallen, sie sollte verdammt nochmal eine angemessene Reaktion zeigen bei einem so weitreichendem Geständnis, aber das würde wohl nicht passieren und genau das war sein Problem. Er selbst war nicht so. Er konnte nicht so cool bleiben wie sein Bruder, er war laut und schnell beleidigt, er war sensibel - zumindest sagte das seine Mutter ständig. Denn auch wenn er versuchte den starken Mann heraushängen zu lassen schaffte er es selten. Vernunft war auch keines seiner Stärken und da er auch noch keine wirkliche Übung mit Mädchen hatte, blieb er auch darin irgendwie hilflos.
"Gehst du mal mit mir aus?", fragte Julie, die überraschend plötzlich vor der Couch stand und auf ihn herabblickte. Diese Augen waren verstörend und obwohl sie drei Jahre jünger war als er, schien sie dabei absolut cool bleiben zu können. Dabei hatte sie es so laut gesagt, dass es an dem Tisch ihrer Eltern so still geworden war, dass man eine Nadel fallen hören konnte. Was sollte er darauf erwidern? Sie war hübsch, zweifellos, und er kannte sie schon lange. Aber er wusste nicht wirklich wie er mit ihr umgehen sollte. Sie war fünfzehn, was sollte er mit einer fünfzehnjährigen anfangen?
Er erhob sich, räusperte sich und versuchte seine flatternden Nerven unter Kontrolle zu halten. Das war nicht das erste Mal, dass er um ein Date gebeten wurde und er war kurz davor ihr dasselbe zu sagen wie den Mädchen vor ihr: "Nö. Sorry", das war seine übliche Antwort, weil er nicht einfach irgendein Date haben wollte, aus dem sich sowieso nichts entwickeln würde. Für einen Jungen in seinem Alter war es vielleicht komisch aber er wollte die eine kennenlernen, die die es ernst meinte und nicht nur nach Erfahrung suchte. Gott, eigentlich war er ein vollkommener Softie.

"Kommt darauf an", begann dieses Spiel wieder, diesmal mit Publikum, was dafür sorgte, das sein Gesicht noch heißer brannte, obwohl er doch cool bleiben wollte.
"Worauf?", fragte Julie wie abgesprochen. Ob sie das merkte? So richtig?

"Ob es dir ernst ist, mit deiner angeblichen Liebe zu mir", meinte er zweifelnd und wieder legte sie den Kopf schräg. Gott, konnte sie das nicht einmal lassen? Und warum fand er es so süß, dass ihre großen runden Augen ihn verständnislos anblickten?
"Ja. Das tue ich", sagte sie wieder ganz lapidar und er wäre wirklich am liebsten aus der Haut gefahren. Er trat nahe vor sie, wobei er sie einen ganzen Kopf überragte und ungehindert in die erwartungsvollen Gesichter seiner und auch Julies Eltern blicken konnte. Das machte ihn viel zu nervös! So ging das nicht!

Er umfasste kurz entschlossen ihr zartes Handgelenk und zog sie hinter sich her, während er aus dem Wohnzimmer ging und in den Eingangsbereich ein wenig Privatsphäre suchte. Er hörte das Schleifen von Stuhlbeinen und die warnende Stimme von Julies Mutter Saddest: "Kieran! Lucan hinsetzen! Lass die Kinder das unter sich klären!" fuhr diese ihre Partner an und Lucas schickte Stoßgebete Richtung Himmel.
"Du siehst nicht aus als würdest du mich lieben!", fuhr er Julie an und diese legte wieder Kopf schräg. Sie musste das lassen, dringend.
"Wie sieht man den aus, wenn man jemanden liebt?", fragte sie nun deutlich verunsichert und das war so niedlich, dass Lucas sich schrecklich fühlte. Verflucht, was sollte er darauf antworten

"Naja, eben wie Lisa letzte Woche, als sie mich eingeladen hat, weißt du noch?", fragte er und wusste erst was er da gesagt hatte als er den Schmerz in ihren Augen sah. Ohja, sie erinnerte sich, sie war ja auch dabei gewesen, sie und Sienna standen direkt neben ihm als Lisa ihm gesagt hatte, dass sie in ihn verliebt sei und gerne mit ihm ausgehen würde. Er hatte ihre Einladung zwar nicht wirklich angenommen, hatte sich aber dazu breitschlagen lassen sie nach Hause zu begleiten. Das war das erste Mal gewesen, dass er in Julies Augen ein sehr deutliches Gefühl gesehen hatte: Schmerz und Wut, genau wie jetzt.

"Tut mir leid, dass ich nicht aussehe wie Lisa!", fauchte Julie wütend, riss sich von ihm los und wollte zurück ins Wohnzimmer stürmen.
"Nein, warte!", hielt Lucas sie auf und sie warf ihm einen so eisigen Blick zu, dass ihm dabei alles gefror. Wirklich alles.
"Ich will mit dir ausgehen aber ich will nicht, dass du dich an mir ausprobierst, okay?", setzte er schnell hinterher und sie sah ihn wieder fragend an.
"Mädchen in deinem Alter suchen nichts Festes, sie wollen sich selbst erforschen und ich will mich nicht in ein Mädchen verlieben, dass mich zum Schluss sowieso verletzt.", gestand er und setzte mit dieser Offenbarung alles auf eine Karte. Vielleicht war es naive von ihm zu glauben, er könnte schon mit achtzehn die wahre Liebe finden aber wollte so naive sein. Seine Mutter war kaum älter und sein Bruder hatte seine zukünftige Partnerin auch sofort gefunden. Warum nicht auch er?
"Ich bin nicht auf der Suche nach mir selbst, ich weiß, wer ich bin. Ich verspreche dich nicht zu verletzen", sagte Julie und sah ihn lange einfach nur an. Solange bis dann auch er endlich nickte und dann wieder keine Ahnung hatte wie es nun weiter gehen sollte.
"Dann will ich mit dir dieses Wochenende zum Feuerwerk gehen", sagte er und war stolz auf sich wie fest seine Stimme dabei klang. So wie er glaubte, wie ein Mann klingen sollte. Entschlossen und kraftvoll. Julie lächelte und nickte schnell wobei ihm wieder das Herz fast stehen blieb und er konnte wirklich nur hoffen, dass sie ihr Wort hielt und es ihm nicht in tausende Stücke brach. 

Beta:Geany

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