Der Winterball - Teil 6

Kapitel 6

Saddest

Sie stand dicht an Lucan gedrückt und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl sie sich zwischen all den wichtigen Leuchten um sich herum fühlte. Noch vor wenigen Wochen war sie ganz unten in der Gesellschaft gewesen. Jetzt ganz offiziell zu den wichtigsten Familien zu gehören belastete sie irgendwie. Sie hatte all diese Aufmerksamkeit nie gewollt, sich nicht bewusst dazu entschieden so schnell aufzusteigen. Es war einfach geschehen, genauso wie sie ganz plötzlich zwei Ehemänner hatte und man sie nun von der Seite unauffällig beobachtete. Niemand hatte sie zuvor beachtet. Sie war ein niemand gewesen, eine junge Frau ohne Familie, ohne Namen, ohne Zugehörigkeit.

„Entspann dich, Saddy du siehst aus, als würdest du dich gleich übergeben", hauchte Lucan ihr leise zu und reichte ihr eine weitere kleine Leckerei, damit sie etwas in den Magen bekam, der vor Aufregung rebellierte.

„So fühle ich mich auch, am liebsten würde ich wegrennen oder sie alle anschreien, dass ich keine zwei Köpfe habe und die woanders hinsehen sollen! Als wäre ich eine Zirkusnummer!", meckerte sie leise und warf einer ältere Dame einen schnellen bösen Blick zu, die sie unverhohlen gemustert hatte. Wie sie das hasste!

„Die Frauen sind nur neidisch und die Männer wissen, dass du die schönste Frau hier bist", schnurrte Lucan so charmant, dass sie lächeln musste. Es war süß von ihm, dass zu sagen, auch wenn sie ganz genau wusste, dass er log.

„Nett, dass du das sagst, aber wenn ich mich recht erinnere, hält den Titel Seraphin McLoo. Ich hab die Nachrichten rund um sie verfolgt", gestand sie und war sich darüber bewusst, dass ihre Sucht nach Klatsch eigentlich nicht gut war aber diese Schwäche hatte sie schon immer gehabt und jetzt, wo sie ihre Brüder nicht mehr verfolgen musste und sie alles umging, was mit ihr selbst zu tun hatte, was der Skandal rund um Seraphin McLoo wesentlich interessanter gewesen.

Sie war so auffallend hübsch, dass laut darüber spekuliert wurde in wie weit ihre Eltern an ihrer DNA herum gepfuscht hatten, um ein geradezu monströs perfektes Kind zu bekommen. Es hatte sogar einige Gutachten gegeben, die allerdings keinerlei Beweise dafür finden konnten. Denn jede Einmischung in die Natur, abgesehen von der üblichen Säuberung, war streng untersagt und wurde als Kapitalverbrechen betrachtet. Die Menschheit kämpfte um ihr überleben, das letzte, was man brauchte, waren dabei Manipulationen in der DNA die nicht hilfreich waren, aber ein hohes Risiko mit sich brachten unerwünschte Nachwirkungen zu haben, die man auch noch vererben konnten. Einige Wissenschaftler gingen sogar davon aus, der der Grund für die niedrigen Geburtenzahlen bei Frauen genau auf so etwas zurückging. Noch immer war es ein Rätsel warum Embryonen, die zwei X-Chromosomen besitzen, so oft abgestoßen wurden und selten überlebten oder warum die Fruchtbarkeit überhaupt so rapide zurückging. Das letzte, was man brauchte, waren Designer-Babys. In dieser Hinsicht verstand die Weltregierung keinen Spaß und dieses Vergehen wurde steht's mit der Höchststrafe belegt.

Warum Seraphin Eltern diesbezüglich ins Visier geraten waren, war offensichtlich. Während nämlich ihre Eltern blond waren, erstrahlten Seraphin lange Locken in einem feurigem Rot, das ihr wohl auch den Namen eingehandelt hatte. Ihre Augen waren von einem stürmischen braun mit gelben Sprenkeln und der Rest an ihr war reine Perfektion. Ihre Haut war ebenmäßig und Perfekt, genauso wie ihre Gesichtszüge. Keine Unreinheiten, keine Außergewöhnlichkeit, sie war das lebende Ideal. Nun ja, bis auf ihren Charakter.

Kieran hatte Saddest erzählt, dass Seraphin sich an ihn und Lucan gewandt hatte, um einen Mann zu finden. Zuerst hatte sich Saddest gewundert, warum eine Frau wie sie, scheinbar so perfekt, es nötig hatte einen Mann zu finden. Dann aber hatte Saddest die rothaarige Schönheit live erlebt. Sie war, um es vorsichtig auszudrücken: reizbar. Es reichte wenig um ihr Temperament zu wecken und die Männer hatten keinerlei Chance, diese Tretminen, die sie um sich herum gelegt hatte, zu vermeiden.

„Sie ist Schottin, was erwartet man da. Ich glaube, die Kleine braucht nur einen Mann der sie zu bändigen weiß und ihr vielleicht auch man den Hintern versohlt. Ihre Eltern haben sie einfach nur verwöhnt", meinte Lucan und schien wenig begeistert von ihr. Saddest legte den Kopf schräg.

„Sie macht jeden Mann einen Kopf kürzer der ihr mit solchen Macho-Sprüchen kommt. Sie braucht einen ruhigen Mann, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen und..."

„Du bist so süß, wenn du träumst, Baby, aber so eine Furie braucht jemanden, der sie unter Kontrolle hat und genau das sucht sie", unterbrach er sie und zog sie nahe an sich was ihnen wieder einige neugierige Blicke beschert. Gott, wie sie das hasste!

„Hat sie dir das gesagt?", fragte Saddest zweifelnd. Sie war ja selbst manchmal ziemlich launisch und warf mit Sachen um sich, aber sie hatte nie das Gefühl gehabt dabei jemanden zu brauchen der sie „unter Kontrolle hatte". Auch wenn sie zugab, dass sie es mochte wenn ihre Brüder im Schlafzimmer die Kontrolle übernahmen. Aber das alles war im Rahmen.

„Nein, Saddy. Wahrscheinlich weiß sie das selber nicht. Sie sucht nach ruhigen Typen, die ihr wieder davonlaufen, weil sie mit ihr nicht klarkommen. Sie braucht einen an den sie sich die Zähne ausbeißt und keinen den sie mit einem Happen verschlingen kann", lachte er wieder und Saddest schüttelte ungläubig den Kopf. Das würde sie niemals glauben! Die Zeit in der Frauen sich unterwarfen, waren vorbei! Wer tat das schon freiwillig und wo sollte man einen Mann herbekommen, der so respektlos mit einer Frau umging?

„Über was tuschelt ihr schon wieder?", fragte Kieran und betrachtete seinen Bruder etwas genervt, der nur mit der Schulter zuckte.

„Saddy will mir nicht glauben, dass Seraphin McLoo nur einen Mann braucht, der sie auf Spur bringt", meinte Lucan und Kieran runzelte daraufhin zweifelnd die Stirn. Aber der zuckte desinteressiert mit den Schultern und griff nach Saddest Hand.

„Nicht unsere Baustelle, abgesehen davon, dass ihre erfolgreiche Verpartnerung unserer Sache dient. Hawke Nolan wird mit Sin reden, damit haben wir alles getan, was wir konnten. Wir sind aus dem Schneider", meinte Kieran ganz pragmatisch und wandte sich dann zu Saddest.

„Du hast immer noch nichts gegessen und das ist dein drittes Sektglas!", tadelte er, schob das Glas aus ihrer Reichweite und nahm einen der Service-Leuten den Snackteller aus der Hand, um ihn Saddest zu reichen.

„Hört auf mich zu füttern! Ich kann das wohl für mich selbst bestimmen, ich bekomme kaum etwas runter und ich brauche den Alkohol um diesen Abend zu überleben!", entgegnete sie und drückte den Teller demonstrativ von sich weg. Kieran sah von ihr zu Lucan.

„Dass du das auch noch zulässt, der Arzt hat gesagt, sie braucht noch mindestens zehn Kilo!" Lucan zuckte mit den Schultern und grinste anzüglich.

„Ich mache es etwas weniger aggressiv Bruder oder hast du die Sahne von gestern Abend vergessen?", fragte dieser und wackelte mit den Augenbrauen, was Saddest die Röte in die Wangen trieb. Sie erinnerte sich sehr gut an gestern Abend und das sollte Kieran auch, denn er hatte es schließlich von ihrem Körper geleckt und sie von seinem.

„Du bist unmöglich!", empörte sich Saddest halbherzig, worauf Lucan ihr zuzwinkerte, nach einem weiteren Teller griff der durch Angestellte herumgereicht wurde und ihr vor die Nase hielt. Schokoladencreme und Früchten.

„Was glaubst, du kann ich hiermit anstellen? Hm?", fragte er provokant und Saddest schnaufte.

„Gar nichts, wir sind mitten auf einen Ball, heb dir deine versauten Gedanken für später auf!", fuhr Saddest ihn an, doch das schien Lucan anders zu sehen. Er sah zu seinem Bruder.

„Du meinst doch auch, dass sie etwas essen sollte, oder?"

Darauf erwiderte Kieran nichts, griff lediglich nach ihrer Hand und zog sie in Richtung der Waschräume, dicht gefolgt von einem breit grinsenden Lucan.

Beta: Geany

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