15. Schwerwiegende Entscheidungen
Ich ließ das Frühstück heute mal wieder ausfallen und eilte auf direktem Weg zum Unterricht, als es so weit war. Helin hatte ich eine kurze Nachricht geschrieben, doch sie schien sich selbst keine Sorgen gemacht zu haben, denn von ihr hatte ich keine Nachrichten erhalten. Was auch immer sie dachte, was ich mit Aidan gemacht hatte. Sie vertraute mir wohl, dass ich damit klarkam. Im Unterricht konnte ich mich allerdings kaum konzentrieren. Meine Gedanken drifteten immer wieder zu dem Entschluss, den ich gefasst hatte. Ich wusste nicht, welche Auswirkungen es auf mich hätte, würde ich die Verbindung zu Aidan trennen. Viele Fälle gab es nicht. Besonders nicht unter Alphas. Ich würde wohl mal in die Bibliothek des Internats gehen müssen. Dort fand ich bestimmt Literatur zu dem Thema. Ich sollte mich nur nicht von den Aev erwischen lassen.
Mein Mate würde nicht zulassen, dass ich mich so von ihm lossagte. Es würde die Aev als das entlarven, was sie waren. Bösartige Werwölfe, die nicht mal ihre zukünftige Luna bei sich behalten konnten. Nach dem Unterricht lief ich also direkt zur Bibliothek. Alle anderen würden jetzt zum Mittagessen gehen und ich konnte ungestört recherchieren. Ich trat in den riesigen Raum und sog tief die Luft ein. Der Geruch der Bücher dominierte deutlich, doch auch den Bibliothekar konnte ich riechen. Er war ein paar Gänge weiter. Ich sah mich forschend um und ging dann an den Regalen entlang. Die meterhohen Regale beeindruckten mich. Schließlich bog ich in den Gang, in dem ich den Bibliothekar gerochen hatte und beobachtete, wie er einzelne Bücher herauszog. „Entschuldigen Sie bitte. Ich muss etwas für den Unterricht recherchieren und bräuchte Ihre Hilfe, die passende Literatur zu finden.“ machte ich auf mich aufmerksam und der junge Mann erschrak.
Beinahe wäre er von der hohen Leiter gefallen und sah jetzt überrascht zu mir herunter. Offensichtlich hatte er um diese Uhrzeit nicht mit Schülern gerechnet. „Oh. Hallo. Warte einen Moment am Tresen. Ich muss das hier schnell fertig machen.“ wies er mich an und ich ging wieder an den Schreibtischen in der Mitte des Raumes vorbei. Zum Tresen, wie angeordnet. Kurz darauf kam der Bibliothekar und hievte einen Stapel Bücher auf einen der Schreibtische. „Worüber musst du denn recherchieren?“ wollte er wissen und kam lächeln zu mir. Seine Augen waren von einem besonders hellen Braun und ich war erstaunt, wie widersprüchlich seine Erscheinung war. Einerseits helle Augen und Haut, andererseits schwarze Haare und dunkle Kleidung.
Ich überlegte einen Moment, doch ein anderes Thema zu nennen und dann selbst nach der richtigen Literatur zu suchen, doch es würde mit seiner Hilfe sicher schneller gehen. „Über Mate und diejenigen, die ihre Verbindung selbst gelöst haben.“ erklärte ich zögerlich und schluckte unsicher, als der Bibliothekar mich geschockt anstarrte. „Das ist sehr ungewöhnlich. Bist du sicher, dass du dich damit auseinandersetzen möchtest?“ hakte er nochmal nach, lief aber schon in eine Richtung, in der groß MATE an ein Regal geschrieben war. „Ja.“ sagte ich fest und erkannte, dass er mir nicht glaubte, dass das für den Unterricht war. „Nun gut. Ich helfe dir ein paar Bücher herauszuholen.“ meinte er schließlich und stieg auf die Leiter, die am Anfang des Regals hing. „Danke, Herr…?“ sagte ich und sah ihn auffordernd an, um seinen Nachnamen zu erfahren. „So viel älter als du bin ich nicht. Du kannst mich Ezra nennen.“ antwortete er lächelnd und zog dann das erste Buch aus dem Regal.
„Danke, Ezra.“ sagte ich daraufhin und erwiderte das Lächeln, während er langsam am Regal entlanglief und dabei die Leiter hinter sich herzog. Sie schien oben am Regal mit Schienen befestigt zu sein. „Das ist meine Aufgabe hier. Du bist Avalon Mase, nichtwahr?“ erkundigte er sich und sah mich aus seinen seltsam hellen Augen neugierig an. „Ja.“ bestätigte ich zögernd und ein zufriedener Ausdruck trat auf Ezras Gesicht. „Würdest du mir einen Gefallen tun, Avalon?“ fragte er und drückte mir die ersten drei Bücher in die Hand, die er bereits aus dem Regal gezogen hatte. Überrascht sah ich ihn an. Was konnte er denn von mir wollen? „Kommt darauf an. Welchen Gefallen?“ wollte ich unsicher wissen. Ezra drückte mir noch ein Buch in die Hand. „Lies etwas über die Aev. Ich würde dir auch einen Sammelband heraussuchen.“ meinte der Bibliothekar und lief zurück zu den Schreibtischen im Mittelgang.
Zweifelnd betrachtete ich ihn, entschied mich dann jedoch, dass ich sein Angebot lieber annahm. Er sollte mich nicht verraten. „Okay.“ gab ich also nach und folgte ihm zu dem Regal, dass das Rudel der Aev behandelte. „Ich wünschte manchmal, ich hätte eine Mate. Bitte denk daran, dass man es nie wieder rückgängig machen kann, falls man die Verbindung durchtrennt… Das solltest du zumindest für deinen Unterricht bedenken.“ meinte Ezra und zwinkerte mir zu, als er alibimäßig auf meine Ausrede verwies. Ihm war klar, dass ich hier nicht für den Unterricht recherchierte, sondern für mich. Ich seufzte leidend. „Das ist mir bewusst, aber manchmal ist es eher eine Last, einen Mate zu haben, als ihn nicht mehr zu haben.“ erklärte ich meinen Gedankengang vage und ignorierte Ezras traurigen Blick. Es war deutlich, dass er da anderer Meinung war.
Er hielt mir den Sammelband über die Geschichte der Aev hin und ich nahm ihn skeptisch. „Ich habe die Bücher da schon gelesen und für mich hört es sich eher so an, als dachten die Mates das, aber eigentlich ging es ihnen nur schlechter, sobald sie die Verbindung gelöst haben.“ erklärte Ezra schließlich zweifelnd und lief mit mir zum Tresen. „Das werde ich dann wohl selbst sehen. Ähm… gibt es hier irgendwo einen Raum, in dem ich die Bücher ungestört durchgehen kann?“ wechselte ich schließlich das Thema und war sicher, dass man mir meine Unsicherheit ansehen konnte. Ich wollte auf keinen Fall, dass mich jemand bei meiner Recherche erwischte. Ezra starrte mich eine Weile nachdenklich an, dann seufzte er ergeben und nickte langsam.
„Komm mit. Du kannst in mein Büro. Da kommen auch die anderen Bibliothekare nicht rein.“ meinte er und führte mich einmal quer durch die Bibliothek. „Danke, Ezra.“ wiederholte ich mich und sah zu ihm auf, während er die Tür zu seinem Büro aufsperrte. „Nicht viele Schülerinnen kommen hier vorbei und fragen um Hilfe, Avalon. Außerdem wirst du vielleicht irgendwann eine Luna sein. Da habe ich gerne noch was bei dir gut.“ erwiderte der Bibliothekar grinsend und ließ mir den Vortritt in den kleinen Raum. Überall lagen aufgeschlagene Bücher und andere Schriften herum. Er lebte in der Bibliothek offensichtlich seine Leidenschaft. Ich musste unwillkürlich lächeln und setzte mich vorsichtig auf den Schreibtischstuhl. „Du bist wohl ein wenig chaotisch.“ meinte ich leicht belustigt.
Ezras Wangen nahmen einen hellen Rotton an und er räumte auf dem Schreibtisch hektisch ein paar Bücher beiseite, damit ich meine Lektüre ablegen konnte. „Keine besonders gute Eigenschaft für einen Bibliothekar, oder?“ meinte er leicht peinlich berührt, während ich die Bücher ablegte. „Ich finde es nicht schlimm. Daran sieht man, dass du dich hier wohl fühlst.“ erwiderte ich grinsend und wenn möglich wurde er noch roter. „Ich lass dich dann mal mit deinen Büchern allein. Sag Bescheid, wenn du gehst. Dann kann ich hier wieder absperren.“ verabschiedete Ezra sich und eilte davon. „Klar. Bis dann.“ rief ich ihm hinterher und grinste dann breit. Es gefiel mir, wie offensichtlich er seine Gefühle zeigte. Kaum ein Werwolf gab sich so offen.
Ich legte den Sammelband über die Aev erstmal beiseite, beschloss aber, zumindest einmal reinzuschauen. Ezra wird ihn mir aus einem bestimmten Grund gegeben haben und das interessierte mich. Ich nahm mir das erste der anderen Bücher und sah mir das Inhaltsverzeichnis an. ‚Gefährten Verlust‘ war der Titel und ich musste mich bemühen, bei diesem aussagekräftigen Titel nicht zu lachen. Ich entdeckte ein Kapitel mit der Überschrift ‚Freiwillige Trennung‘ und blätterte dorthin. Das hörte sich im Moment am vielversprechendsten an. Ich überflog den Text und stellte fest, dass hier davon ausgegangen wurde, dass beide Seelengefährten das Band durchtrennen wollten, das sie zusammenhielt. Dazu würde ich Aidan niemals bekommen.
Ich legte das Buch wieder weg und griff zum nächsten. ‚Die Wahl der Göttin Luna‘ stand in schwungvoller Schrift auf dem Einband und ich runzelte die Stirn. Heutzutage glaubte kaum noch jemand an die Göttin des Mondes. Man wusste mittlerweile, dass sie nur ein Hirngespinst alter Werwölfe war, doch wenn Ezra meinte, das Buch konnte mir helfen, sollte ich wohl zumindest hineinschauen. Leider schien das Buch so alt, dass ich es nur schwer lesen konnte und ein Inhaltsverzeichnis hatte es auch nicht. Die Schrift war etwas zu stark geschwungen und die Worte wurden auch in großen Teilen anders geschrieben. Verdammt hätte ich nur im Unterricht besser aufgepasst. Dann hätte ich nicht solche Probleme, das zu lesen. Vielleicht sollte ich den Bibliothekar beten, die wichtigsten Teile vorzulesen. Er konnte die veraltete Sprache sicher gut. Viele Bücher hier waren recht alt.
Ich legte auch dieses Buch beiseite und nahm das nächste. Es schien ein Tagebuch zu sein. Ich blätterte etwas durch die einzelnen Seiten. Es schien einer Werwölfin namens Liana zu gehören. Sie hatte einen Mate, der aus einem rivalisierenden Rudel kam. Ähnlich meiner Situation. Ich las durch die Einträge Lianas und seufzte, als ich erkannte, wie sie die Bindung zu ihrem Mate durchtrennt hatte. ‚Ich werde es heute tun. Ich muss es tun. Nur so werden wir unbeschadet weiterleben können. Ich werde ihm den Dolch ins Herz stechen. Es gibt keinen anderen Ausweg.‘ stand dort in Lianas schöner Handschrift und ich runzelte die Stirn. Ich wollte Aidan doch nicht töten. Ich war keine Mörderin. Ich blätterte zum nächsten Eintrag. ‚Er hat es überlebt. ÜBERLEBT! Aber es ist zerstört. Alles ist zerstört! Wir sind zwei Seelen nicht mehr eine.‘
Erschrocken blickte ich auf die immer dunkler werdenden Worte. Auf den noch verbleibenden Seiten wurden Lianas Worte immer wirrer und ihre schöne Handschrift immer schlampiger. Auf der letzten Seite stand in sauberer Handschrift etwas, dass nur ein Nachtrag sein konnte. Anscheinend hatte Liana Selbstmord begangen, nachdem das zerstörte Band sie in den Wahnsinn getrieben hatte und damit das niemals vergessen wurde, hatte man ihr Tagebuch der Bibliothek hinzugefügt. Nachdenklich legte ich nun auch das Tagebuch weg und blickte auf das letzte der Bücher. Bis jetzt hatte ich nur eine Möglichkeit gefunden, mich von Aidan zu lösen und ich fand sie nicht besonders gut, da es durchaus passieren konnte, dass er dabei starb. Das letzte Buch wirkte anders.
Der Einband war schwer und mit schwarzem Samt bezogen. Vorsichtig öffnete ich es und war erstaunt über die schwungvolle Handschrift. Es wirkte, als hätte hier ein Künstler geschrieben. Ich strich ehrfürchtig über eine Initiale am Anfang des Textes. Wieder kein Inhaltsverzeichnis. Allerdings schien es sich um eine Forschungsarbeit zu handeln. Es wurde sehr detailliert beschrieben, was das Mateband war und wie es funktionierte. Ich verlor mich in dem Text und las Seite um Seite aufmerksam durch. Der Autor schien sehr weitreichende Forschungen gemacht zu haben und ich war überrascht, wie viel er entdeckt hatte, wovon ich gar nicht wusste. Zum Beispiel, dass Mate, wenn sie verbunden waren, gemeinsam träumen konnten, um nicht voneinander getrennt zu sein. Neugierig blätterte ich weiter. Ich war so vertieft, dass ich jedes Gefühl für die Zeit verlor.
Gerade als ich bei ‚Brechen einer Matebindung‘ ankam, wurde die Tür zum Büro geöffnet und ich sah erschrocken auf. Ezra stand in der Tür und lächelte mich mit geröteten Wangen an. „Ich ähm… Ich hatte geklopft, aber du hast nicht geantwortet.“ entschuldigte er peinlich berührt sein plötzliches Eindringen und sah interessiert auf das Buch in meinen Händen. „Ich war wohl etwas vertieft. Was gibt es denn?“ meinte ich lächelnd, spürte aber, wie ich selbst leicht rot wurde. Was sollte das denn? „Die Bibliothek schließt immer zum Abendessen. Du musst leider gehen. Aber ich kann die Bücher hierlassen, dann kannst du morgen weiter recherchieren.“ erklärte er sein Auftauchen und klimperte mit den Schlüsseln in seiner Hand. Überrascht kramte ich mein Handy hervor und sah auf die Uhr.
Es war tatsächlich Zeit fürs Abendessen. „Danke. Dann komme ich morgen wieder.“ erklärte ich und eilte an ihm vorbei, damit er die Bürotür hinter mir abschließen konnte. „Gerne. Was hast du denn bisher herausgefunden?“ fragte er interessiert und lief neben mir her zum Ausgang. „Leider nicht so viel, wie ich gehofft hatte. Ich wollte fragen, ob du mir aus ‚Die Wahl der Göttin Luna‘ die wichtigsten Stellen vorlesen oder übersetzen könntest? Ich habe wohl nicht besonders gut aufgepasst im Sprachunterricht.“ erklärte ich leicht verlegen und lächelte zu ihm auf. „Natürlich. Hier ist sowieso nie viel los. Und ich bin wirklich gut im Vorlesen.“ grinste Ezra und schloss auch die Bibliothektüre hinter uns ab. Ich fühlte mich in seiner Nähe überraschend wohl. Wahrscheinlich lag es an seinem Geruch. Er roch nach Büchern und Wald und das hatten mich schon immer beruhigt.
„Ist es für dich in Ordnung, wenn ich dich zur Cafeteria begleite? Dann können wir noch über das Buch reden, dass du gerade in der Hand hattest.“ schlug Ezra dann vor und seine Augen begannen vor Aufregung beinahe zu leuchten. Er war ein ziemlicher Buchliebhaber. Ich lächelte ihn wieder an. „Klar. Wie ist der Titel des Buches? Ich konnte keinen entdecken.“ meinte ich und steuerte die Cafeteria an. „Schwarzer Samt. Das ist der Titel. Der Autor hatte starkes Interesse an Kunst und abstraktes fand er besonders anziehend. Deshalb hat er den Band nach dem benannt, worin er eingeschlagen war. Außerdem vergleicht er das Mateband häufig mit schwarzem Samt.“ erklärte Ezra begeistert und ich nickte gefesselt. Seine Begeisterung war eindeutig ansteckend.
So liefen wir plaudernd durch die Gänge und das erste Mal seit langem konnte ich die Blicke der anderen auf mir ignorieren. Es fesselte mich, wie Ezra seine Gedanken zu dem Buch darlegte und immer wieder nach meinen Eindrücken fragte. Er war wirklich aufmerksam und bezog mich ein, wo er konnte, was mich seltsam faszinierte. Er war anders als jeder andere Mann, den ich kannte. Er schien vor Wissen überzusprudeln und scheute sich nicht, seine Gefühle offen darzulegen. Leider kamen wir viel zu früh an der Cafeteria an, doch Ezra verabschiedete sich zu meinem Erstaunen noch nicht. Stattdessen hielt er mir die Tür auf und lief mit mir zur Essensausgabe, während er über die interessante Linguistik in ‚Schwarzer Samt‘ redete. Ich spürte sofort die Blicke aller anderen auf mir, ignorierte sie aber vorerst.
„Ich finde die Graphematik… “ wollte Ezra dann ansetzen, als er plötzlich von mir weggezogen wurde. Überrascht sah ich zu dem Werwolf, der ihn zur Seite gestoßen hatte. „Was soll das?!“ fauchte ich sauer und starrte James wütend an. Besagter Betaanwärter konzentrierte sich allerdings eher auf Ezra, der ihn verwirrt ansah. „Was hast du zu Aidan gesagt?“ gab James schließlich zurück und sah nun mich aus golden glühenden Augen an. „Nur das, was ich von Anfang an hätte sagen sollen.“ erklärte ich genervt. Warum sollte ich lügen? Schließlich stimmte es. Ich hätte ihm von Anfang an sagen sollen, dass er sich von mir fernhalten soll. Dann hätte es keine verletzten Tika gegeben. Und unsere Verbindung wäre jetzt nicht so schmerzhaft, denn ich hätte sie schon gelöst.
Ezra räusperte sich plötzlich und ich sah überrascht zu ihm. „Ich denke, ich sollte dann mal lieber gehen. Wir sehen uns morgen, Avalon.“ meinte er mit leicht geröteten Wangen. Am liebsten hätte ich widersprochen, doch er hatte recht. Das sollte ich nicht vor ihm ausdiskutieren. „Bis morgen, Ezra.“ verabschiedete ich mich und er eilte davon. Sofort verließ mich mit ihm auch die Ruhe, die sich in der Bibliothek über mich gelegt hatte. Ich seufzte, wandte mich von James ab und lief auf den Tisch der Tika zu. „Was hat das denn zu bedeuten? Wer ist das?“ rief der Betaanwärter aus und lief hinter mir her. Was interessierte ihn das denn bitte? „Das geht dich nichts an. Ich gehe die Aev allgemein nichts mehr an. Ich habe mit euch abgeschlossen.“ knurrte ich zurück und setzte mich auf den freien Platz neben Helin. Diese betrachtete mich schon die ganze Zeit aufmerksam, hatte aber bis jetzt kein Wort mit mir gewechselt.
Falls sie sauer war, ließ sie es sich auf jeden Fall nicht anmerken. „Aidan geht dich… “ begann James wieder auf mich einzureden, aber die Tika um mich herum begannen plötzlich, ihn anzuknurren. Erleichterung durchflutete mich, als James die feindseligen Blicke meines Rudels bemerkte und verschwand. „Danke.“ murmelte ich und begann zögerlich zu essen. Die anderen Tika taten es mir gleich und fingen wieder an zu essen. Helin neben mir blieb allerdings stumm. Ich schluckte herunter und sah sie etwas unsicher an. „Bist du sauer?“ flüsterte ich und hatte tatsächlich etwas Angst vor ihrer Antwort. Schließlich hatte sie mich fast vierundzwanzig Stunden nicht mehr gesehen. „Nein. Ich habe mir nur etwas Sorgen gemacht. Wo warst du?“ sagte meine beste Freundin schließlich lächelnd und ich atmete auf.
Das war doch schonmal ein gutes Zeichen. „Ich habe heute Nacht im Wald geschlafen und das Essen ausgelassen. Nach dem Unterricht bin ich in der Bibliothek gewesen. Ezra hat mir geholfen, etwas zu recherchieren. Können wir die Details später bereden? Ich habe wirklich Hunger.“ erklärte ich knapp und hob meine vollgeladene Gabel an die Lippen. Helin schien sich nun ebenfalls zu entspannen. „Klar. Jace kommt auch später bei uns vorbei. Vielleicht können wir uns mal wieder einen ruhigen Abend machen. Und du erzählst alles?“ schlug sie vor und ich schob mir die Gabel in den Mund. Ich nickte zustimmend und aß hungrig weiter. Mein Bauch kribbelte angenehm. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich solchen Hunger hatte. Ich hätte das Mittagessen nicht auch auslassen sollen.
Helin und ich plauderten etwas, bis Jace kam und sie sich eher an ihn wandte. Ich merkte, wie sie sich noch immer zurückhielt, wenn er da war. Sie schien seltsam blockiert, doch ich war mir sicher, dass es wieder werden würde. Die beiden ergänzten sich einfach an den richtigen Stellen. „Wir könnten ins Gästehaus gehe und uns Popcorn machen.“ schlug Helin gerade vor, als die Türen der Cafeteria laut gegen die Wand knallten. Erschrocken verstummten alle Gespräche und die meisten Werwölfe sahen zur Tür, doch ich wusste auch so, wer das war. Ich hatte ihn schon von weitem gespürt. „Oh oh.“ murmelte Helin ängstlich neben mir, als er auf unseren Tisch zusteuerte. „Lasst uns lieber gehen.“ seufzte ich, stand, ohne ihn zu beachten, auf und lief zur Geschirrabgabe, wo ich mein Tablett abstellte.
Helin folgte mir mit ihrem Mate, schien sich aber bei der immensen Aufmerksamkeit nicht wohlzufühlen, die jetzt auf uns lag. „Was hast du mit diesem Bibliothekar gemacht?“ rief Aidan da wütend und packte mich am Arm. Wut kochte in mir hoch, doch ein argwöhnischer Blick in den Raum verriet mir, dass eine Eskalation jetzt nicht im Sinne der Tika wäre. Ich richtete mich also selbstbewusst auf und funkelte meinen Seelengefährten böse an. „Nichts. Er hat mir nur Bücher für die Recherche herausgesucht.“ antwortete ich möglichst gleichgültig, doch ich konnte nicht leugnen, dass ich mich mit Ezra außergewöhnlich gut verstanden hatte. Mein Blick glitt vorwurfsvoll zu James, der sofort wegsah. Er hatte Aidan offensichtlich Bericht erstattet. „Das glaube ich dir nicht.“ zischte der Aev-Alphas Sohn wütend, doch dazu hatte er momentan sicher kein Recht.
Ich riss mich von ihm los. „Glaube, was du willst. Ich meinte es ernst, als ich sagte, du sollst dich fernhalten. Ich will dich nicht.“ gab ich knurrend zurück und sagte es mit Blick auf Naomi extra laut. Sollte sie sich ihn doch holen. Ich wollte nicht riskieren, dass sie meinen Freunden nochmal so weh tat. Ein zufriedenes Grinsen trat auf die Lippen der Amber-Werwölfin und ich wandte mich schnaubend ab. Aidan stand nur stumm da und starrte mich schockiert an. Ähnlich seinem zukünftigen Beta. Es war mir egal. Ich hatte mit den Aev abgeschlossen. Sie hätten nie zu mir gepasst. Ich griff nach Helins Hand und zog sie hinter mir her aus der totenstillen Cafeteria. Jeder hatte mein Statement mitbekommen und ich war mir sicher, das würde Folgen haben. Hoffentlich würde es nicht zu schlimm kommen.
Als ich aus dem Internatsgebäude eilte, hatte Helin endlich wieder ihre Sprache gefunden. „Das war… krass.“ meinte sie noch leicht überfordert und ihr Mate, der uns natürlich gefolgt war, nickte zustimmend. Ich ließ ihre Hand wieder los und fuhr mir überfordert durch die Haare. „Ich wollte es gar nicht so eskalieren lassen.“ seufzte ich entschuldigend und lief konzentriert zum Gästehaus der Tika. Momentan sollte hier niemand sein, doch ich strengte mein Gehör etwas an, um mir ganz sicher sein zu können. „Meintest du das ernst, dass du ihn nicht willst?“ fragte Jace nun nachdenklich und schlang beruhigen einen Arm um Helins Taille. „Ich glaube schon. Etwas in unserer Verbindung ist kaputt und ich habe kein Interesse daran, es wieder zu reparieren.“ erklärte ich, unsicher wie die beiden reagieren würden. Helin seufzte schwer und sah zwischen mir und Jace hin und her.
Was sie wohl dachte? „Sind die Differenzen so unüberwindbar?“ wollte sie schließlich wissen und ließ den Blick auf mir liegen. „Ja. Deshalb war ich heute in der Bibliothek. Ich will eine Möglichkeit finden, die Matebindung zu lösen.“ murmelte ich, doch Helin und Jace hatten es gehört. Sie blieben fassungslos stehen und musterten mich besorgt. Helins Mine wirkte besonders traurig. „Denkst du wirklich, dass ist die beste Lösung?“ fragte sie betrübt und ich erinnerte mich, wie sehr sie diese Verbindung anfangs für mich wollte. Seit dem Tod meiner Eltern war ich immer etwas ernster und trauriger als alle anderen Mädchen in unserem Alter. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, mein Mate würde das ändern. Meine Gedanken flogen zu den Küssen mit Aidan. Manchmal hatte er meine Stimmung wirklich aufgehellt.
„Ja. Allerdings muss ich dafür erstmal eine Möglichkeit finden, bei der ich nicht verrückt werde und auch niemand sterben muss.“ sagte ich schließlich fest und blickte Helin direkt in die Augen. „Das ist eine ziemlich schwerwiegende Entscheidung, Avalon. Vielleicht solltest du dem noch etwas Zeit geben.“ mischte Jace sich wieder ein und warf einen kurzen Blick auf seine eigene Mate. Hatte er etwa Angst, ich würde sie damit auch auf die Idee bringen, sich von ihm zu lösen? „Noch habe ich keinen Weg gefunden, Jace.“ erwiderte ich sanft und dachte dabei, dass Ezra auch dagegen war und selbst versuchen würde, mich davon abzubringen. Meine Gedanken blieben an seinen hellen Augen hängen. Er war so anders. Irgendwie gefiel mir das. „Ich kann dir bei der Recherche helfen, wenn du möchtest.“ bot Helin dann an und lenkte meine Gedanken wieder zu sich.
Ich musterte sie skeptisch. Wahrscheinlich würde sie mich auch eher zurückhalten und ich wollte nicht, dass die Aev davon windbekamen. Jace‘ Blick sagte mir darüber hinaus, dass auch er nicht begeistert von Helins Angebot war. „Ist schon gut. Ezra hilft mir.“ winkte ich also ab und stieg die Treppen des Gästehauses hoch. Wir waren an unserem Ziel angekommen. „Ist Ezra dieser hübsche Bibliothekar aus der Cafeteria?“ wechselte meine beste Freundin interessiert das Thema und ein gewisses Glitzern war in ihren Augen zu erkennen. Sie ging wohl davon aus, dass er mich interessierte. Und das auf eine Art, wie Aidan mich eigentlich interessieren sollte. Ich rollte nur grinsend mit den Augen und ersparte mir die Antwort, während wir hinein gingen. „Du findest ihn also hübsch?“ murmelte Jace schlecht gelaunt und zog einen Schmollmund. So ein eifersüchtiger Mate.
Helin lachte und kuschelte sich an ihren Seelengefährten, bevor sie antwortete. „Nicht so hübsch wie dich. Außerdem ist der doch eher was für Avalon, wenn sie schon nicht ihren Mate haben will. Ein ruhiger Typ wie der würde ihr sicher guttun.“ Ich machte einen gespielt beleidigten Laut und warf meine Haare über die Schulter, während ich in die Küche eilte. „Du übertreibst.“ stieß ich noch hochnäsig hervor, bevor wir alle drei lachen mussten. „Du bist echt unvergleichlich.“ meinte Jace schließlich leicht lächelnd und begann, die Schränke zu durchwühlen. „Ich weiß.“ gab ich grinsend zurück und holte einen großen Topf heraus. Wir wollten schließlich Popcorn machen. „Wie ist dieser Ezra denn so?“ fragte Helin dann neugierig, aber mit prüfendem Blick auf ihren Mate. Sie wollte wohl nicht, dass er das in den falschen Hals bekam.
Ich überlegte kurz. Besonders viel Zeit hatte ich mit ihm ja noch nicht verbracht. „Er scheint ganz in Ordnung zu sein und irgendwie macht er mich neugierig. Er sieht so anders aus und verhält sich auch anders als die meisten Werwölfe. Er ist bei unseren kurzen Gesprächen immer rot geworden.“ antworte ich schließlich und grinse belustigt, als mir mal wieder auffiel, wie offen er war. „Also ist er sensibel? Ich glaube, dann ist er doch nichts für dich.“ scherzte Jace und stellte endlich Popcorn-Mais und Öl vor mich. Ich rolle mit den Augen und befülle den Topf. „Ich habe gar nicht vor, etwas mit ihm anzufangen.“ versuchte ich, das Thema zu beenden, doch Helin ließ das natürlich nicht so leicht zu. „Also ich denke, du solltest es mal versuchen, wenn du deine Verbindung zu Aid tatsächlich löst. Bestimmt brauchst du dann Ablenkung und vielleicht entsteht daraus etwas festes.“ meinte sie nachdenklich und setzte sich auf einen der Küchenstühle. Natürlich dachte sie das.
„Ich brauche keinen Mann, um mich vollständig zu fühlen, Helin.“ murrte ich leicht beleidigt. Eigentlich wusste sie, wie ich dazu stand. Sie schnaubte nur und kramte dann demonstrativ ihr Handy hervor. „Hört doch auf, euch anzugreifen. Ich habe schon fast das Gefühl, wieder zuhause zu sein.“ versuchte Jace die Situation wieder aufzulockern und strich Helin beruhigend durch die Haare. Wir grinsten beide leicht. Jace hatte eine Schwester im Teenageralter, die in letzter Zeit ziemlich zickig war. „Manchmal brauchen wir das, Jace.“ erklärte ich ihm lächelnd und wechselte mit Helin einen kurzen Blick. Wir mussten uns ab und zu etwas anmeckern. So ließen wir unseren Frust der letzten Tage raus und vertrugen uns danach meistens sofort wieder. Es tat unsrer Freundschaft irgendwie gut. Meine Freundin nickte bestätigend und lehnte sich dann leicht an ihren Verbundenen.
Die beiden schienen sich wortlos zu verstehen. Es machte mich zwar etwas eifersüchtig, doch ich war mir sicher, selbst mit Aidan nie etwas so liebevolles und verständnisvolles haben zu können. Dafür war ich selbst einfach von Grund auf nicht harmonisch genug. Es herrschte ein paar Sekunden vollkommene Stille zwischen uns, bis plötzlich das Popcorn aufplatzte. Erschrocken zuckten wir zusammen und mussten dann über uns selbst lachen. Manchmal waren wir schon komisch. „Wie kommst du denn mit dem Unterrichtsstoff zurecht?“ fragte Jace schließlich und lehnte sich locker an den Schrank neben mir. Ich sah skeptisch zu ihm auf, grinste dann aber doch entspannt. „Ich denke, ich bin ganz gut dabei. Harry hat mir ja geholfen, das Verpasste wieder aufzuholen.“ meinte ich schulterzuckend und schüttete das Popcorn in die große Schüssel auf der Ablage.
Bei der Erwähnung meines Cousins und Helins Ex-Freund verzog Jace leicht das Gesicht, fasste sich aber schnell wieder, als er den warnenden Blick seiner Mate bemerkte. „Also ich finde, du solltest dich mal Ezra etwas nähern. Es wird dir nicht helfen, dich zu lösen, wenn Aidan der Einzige ist, der dich seit Jahren mal küssen durfte.“ kam Helin dann wieder auf unser vorheriges Thema und sah mich entschlossen an. Sie war unverbesserlich. „Entspann dich mal, du Kupplerin. Er ist zwar nett, aber er ist ein Angestellter des Internats. Ihm ist es sicher nicht mal gestattet, etwas mit einer Schülerin anzufangen.“ erwiderte ich in der Hoffnung, sie damit zum Schweigen zu bringen. „Wie du meinst. Wir werden sehen, was daraus wird.“ behauptete meine beste Freundin daraufhin verschwörerisch und ich schnaubte genervt. Sie würde sich etwas wirklich lästiges ausdenken.
„Lass die Kupplungsversuche für heute, Mate. Wir wollten uns doch einen entspannten Abend machen.“ ergriff Jace beschwichtigend das Wort und hielt Helin auffordernd eine Hand hin. „Na gut, aber dann lasst uns wenigstens einen Liebesfilm schauen.“ schmollte sie, ergriff die Hand und zog Jace aus der Küche. Ich seufzte. Es würde eine lange Nacht werden. Das war schonmal klar. „Und danach etwas spannenderes!“ rief ich und eilte mit dem Popcorn hinterher. Es tat mir schon jetzt gut, mal wieder etwas mehr Zeit mit meinen Freunden zu verbringen und aus dem kleinen Internatszimmer rauszukommen. Vielleicht konnte ich auch endlich mal wieder abschalten und vergaß mein Dilemma. Es hatte mich schon lange genug belastet. Ich würde mir morgen wieder genug Sorgen machen können.
Am nächsten Morgen wurde ich durch die aufgehende Sonne geweckt und hätte am liebsten weitergeschlafen. Allerdings war mir bewusst, dass mir dann Helin nur wenige Stunden später auf die Nerven gehen würde. Sie hatte den ganzen Abend nicht aufgehört, mich über Ezra auszufragen und jetzt wollte ich lieber schon weg sein, wenn sie wach wurde. Leider hatte sie allerdings in einem Punkt recht. Ich mochte Ezra und genoss seine Nähe. Außerdem brauchte ich seine Hilfe, um mich von Aidan zu lösen. Wenn ich da schon gewusst hätte wie sehr, hätte ich nie gezögert, mich ihm zu nähern. So stand ich schnell auf, zog mich für den Unterricht später um und eilte aus dem Rudelhaus. Ich wollte vor dem Unterricht noch etwas weiter in meiner Recherche kommen und vielleicht würde ich auch das Frühstück auslassen. Ich hatte am Morgen sicher keinen Nerv, meinen Mate zu sehen.
So kam es, dass ich kurze Zeit später durch die Gänge des Internats schlich und schließlich etwas unsicher in die Bibliothek schlüpfte. Was, wenn Ezra noch gar nicht hier war? Würde mich ein anderer Bibliothekar einfach wieder wegschicken? Als ich niemanden erblickte atmete ich erleichtert auf und eilte durch die hohen Bücherregale, bis ich an Ezras Büro ankam. Sein Geruch schwappte mir entgegen und unter der Tür schimmerte Licht hindurch. Anscheinend waren meine Sorgen unnötig gewesen. Zaghaft klopfte ich an und trat einen kleinen Schritt zurück. Ich hörte wie laut ein Buch zugeschlagen wurde und dann wildes Geraschel, als die Person hinter der Tür sich bemühte, aufzustehen. Sekunden später riss Ezra panisch die Tür auf und sah sich um. Sobald er mich erkannte, wich die Anspannung aus seinem Gesicht und er schien sichtlich erleichtert. „Avalon? Was machst du denn so früh schon hier?“ wollte er neugierig wissen, bedeutete mir aber mit einer einladenden Geste, in sein Büro zu kommen.
Ich spürte, wie auch von mir eine Anspannung wich, die mir vorher nicht aufgefallen war und betrat den kleinen Raum. Auf dem Stapel meiner Bücher waren plötzlich noch ein paar mehr Exemplare und ich warf Ezra kurz einen fragenden Blick zu. „Ich habe dir noch etwas mehr Literatur herausgesucht.“ erklärte er schlicht, doch ich glaubte eine leichte Röte auf seinen Wangen zu entdecken. Allerdings konnte ich mir nicht ganz sicher sein, denn er ließ sein schwarzes Haar leicht über seine Augen fallen und mied meinen Blick. Seltsam. Ich nahm das oberste Buch und schlug es auf. Es war wieder ein Tagebuch. Interessant. Ich seufzte. Warum konnte ich die Antwort nicht schon haben? „Hast du schon gefrühstückt?“ lenkte Ezra das Gespräch jetzt auf ein Thema, das ich lieber ignoriert hätte. „Nein. Ich wollte meinem Mate nicht begegnen.“ antwortete ich ehrlich und ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen. Ich sah zu Erza hoch und erstarrte.
Er hatte sich nicht rechtzeitig abgewandt und das, was ich ursprünglich als leichte Röte gedeutet hatte, entpuppte sich nun als etwas anderes. Ich starrte ihn noch kurz an, dann sprang ich wutentbrannt auf und strich sein Haar beiseite. Ein großer blauer Fleck kam zum Vorschein und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! „Wer war das?“ wollte ich knurrend wissen und Ezra sah betrübt auf mich herunter. „Ich bin mir sicher, das ist dir bereits bewusst.“ meinte er vage, doch natürlich war mir klar, wer ihm das angetan hatte. Es gab nur einen Werwolf hier, der die Kraft und den vermeintlichen Grund dafür hatte. Allerdings hatte er damit eindeutig eine Grenze überschritten. Ich riss mich von Ezras Anblick los und wollte gerade losstürmen, als ich plötzlich Ezras Hand auf meiner spürte. Seine hellen Augen lagen sanft auf mir und die beruhigende Berührung ließ mich zögern.
„Sei nicht wütend, Avalon. Solange er dein Mate ist, hat er jedes Recht dazu, andere Männer von dir fernhalten zu wollen.“ meinte er in verständnisvollem Tonfall und ließ mich los, als er merkte, dass ich nicht weiter losrennen wollte. „Aber… “ begann ich verwirrt. Allerdings unterbrach der Bibliothekar mich mit einem einfachen Kopfschütteln. „Begegne Gewalt nicht mit Gewalt, Avalon. Dafür bist du viel zu schlau.“ meinte er immer noch seelenruhig, obwohl er derjenige war, der diese Gewalt erfahren hatte und nicht ich. Ich war dafür wütend genug für uns beide. Und unbesonnen. „Das lasse ich sicher nicht auf mir sitzen. Er hatte nie das Recht, dich zu verletzen. Kein Mann muss mich für irgendetwas beschützen.“ sagte ich, schlüpfte aus Ezras Büro und huschte in Richtung des Ausgangs der Bibliothek. Natürlich ließ mich der Bibliothekar aber nicht einfach ziehen.
Er folgte mir seufzend und sperrte die Bibliothek ab, als er hinter mir hereilte. „Wenn du ihn jetzt deshalb beachtest, wird er es wieder tun, Avalon. Ich kenne Leute wie ihn. Lass dich nicht darauf ein. Ich bitte dich.“ redete er auf mich ein und hielt nun mit mir Schritt. Frustriert sah ich zu ihm und hätte am liebsten widersprochen, doch wahrscheinlich hatte er recht. Ich würde Aidan nur einen Gefallen tun, wenn och jetzt zu ihm stürmte. Allerdings gab es etwas Besseres, das ich tun konnte. „Welchem Rudel gehörst du eigentlich an?“ erkundigte ich mich nachdenklich bei Ezra und blieb mitten im Gang stehen. Irritiert starrte er mich an, bevor ich auffordernd eine Braue hob und er sich zu Antworten beeilte. „Ich bin rudellos. Die Schule ist mein Zuhause.“ Zwar war ich extrem überrascht von dieser Antwort, doch sie war das Beste, was passieren konnte. „Perfekt!“ sagte ich grinsend und hakte mich bei ihm unter.
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