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Das Papier auf dem Tisch liegt gleich neben der Teekanne. Es ist nicht besonders unauffällig.

Doch Louis versucht es so lang wie möglich zu ignorieren. Er nimmt sich die Kanne und schenkt sich etwas in eine Tasse, Milch dazu und anstatt sich danach an den Küchentisch zu setzen, schlurft er lustlos ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch setzt.

Die Ledercouch knatscht etwas und dann nimmt er sich die Zeitung zur Hand, die noch vom letzten Abend auf dem Couchtisch neben der Fernbedienung lag.

Louis' Teetasse wird mit der Zeit leerer und das Tempo, in dem er den internationalen Teil der Zeitung überfliegt, schneller.

Als er dann Schritte hört, die ins Wohnzimmer tapsen, nachdem eine Tür quietschte, dreht Louis sich um, legt die Zeitung zur Seite, und begrüßt den Mann lächelnd, der das Wohnzimmer betritt.

Seine braunen Haare sind verwuschelt und seine braunen Augen immer noch zu Schlitzen verzogen.

Louis kann erkennen, dass er die meiste Zeit in der Nacht auf der rechten Seite seines Gesichts geschlafen hat, da diese weitaus faltiger aussieht.

Er erkennt sogar einen leichten Abdruck des Kissenbezugs.

Der Mann hebt eine Hand zum stummen Gruß, gähnt und kratzt sich am Scheitel. Er lässt seine Augen müde wieder zu fallen und krächzt dann die Worte: „Hast du schon Tee gemacht?"

„Ja", sagt Louis leise.

Er weiß, dass mit Liam nicht zu Spaßen ist, wenn er morgens aufwacht.

Besonders nicht, wenn es so früh am Morgen ist und so ein wichtiger Tag wie heute.

Louis sieht wieder auf seinen Schoß, wo die Zeitung aufgeschlagen auf einer Meldung liegt.

Er hat sich den Artikel schon gestern im Vorbeigehen angesehen.

„Leiche im Wald gefunden. Wahrscheinlich Opfer eines wilden Tieres."

Louis setzt seine Tasse ab und nimmt sich die Zeitung genauer zur Hand.

Er lässt seine Augen über die vielen Buchstaben schweben, über die Seite, die schon so zerknittert ist, dass er offensichtlich weiß, dass Liam den Artikel mindestens drei Mal gelesen hat.

Und Louis weiß auch, dass sich Liam darüber aufgeregt hat.

„Louis", hört er es dann streng aus der Küche.

Und im nächsten Moment steht Liam im Wohnzimmer. In seiner einen Hand das Stück Papier, dass Louis umgangen ist.

Und bis jetzt war er erfolgreich.

„Was?"

„Du musst das hier noch ausfüllen."

„Ich habe noch nicht... die Zeit gefunden", murmelt Louis eine lahme Ausrede in den Raum und senkt seinen Kopf.

Es wird schlimmer.

Und er weiß, dass es nicht aufhören wird.

Jedenfalls nicht diese Woche.

Vielleicht nicht einmal diesen Monat.

Er versucht aus Liam die Person zu machen, die er braucht, aber nicht hat und Liam versucht diese Person für Louis zu sein, obwohl er weiß, dass er das nie sein wird.

„Du musst das ausfüllen. Bevor wir losgehen", meckert Liam und knallt Louis das Blatt auf seinen Schoß, direkt über die Zeitung.

„Vorschrift."

„Ich weiß doch", murmelt Louis. Er seufzt geschwächt und nimmt sich den Kugelschreiber, den Liam ihn eindringlich hinhält.

„Und beeil dich."

Louis nickt bedrückt und wendet sich dem Blatt zu.

Liam verlässt den Raum und kommt nach zwanzig Minuten wieder.

Louis ist schon fertig und bereit loszugehen.

Das Blatt Papier ist ausgefüllt und in seinen schwitzigen Händen.

Louis und Liam verlasen gemeinsam das große Haus und Liam wirft den Motor des alten Wagens an, als sie in diesem sitzen.

Louis vergisst erst sich anzuschnallen, tut es dann aber doch, nach einem strengen Blick, den er von Liam bekommt.

„Ich will nicht, dass du so bist, wenn wir da sind, ja? Es reicht schon, dass du klein und zierlich bist, aber das muss aufhören, Louis", lässt Liam verlauten.

Louis sinkt weiter in seinen Sitz.

Manchmal hat er nicht die Kraft, gegen die Natur zu gehen und es ist so viel einfacher einfach er selbst zu sein.

Aber er weiß was Liam meint und er weiß, dass er Recht hat.

Er weiß, dass er noch weniger respektiert und für voll genommen wird, wenn er sich verhält wie ein kleines Hündchen.

Was eine Ironie an sich ist, um ehrlich zu sein.

Die Landschaft wird ländlicher und im Radio dudelt Fleetwood Mac auf und ab und nach zwei Stunden Autofahrt hält Liam endlich an.

Auf einem verlassenen Parkplatz, direkt vor einem großen Haus.

Die Fenster sind groß und etwas verschmiert, wie Louis von hier sehen kann.

Das Dach ist aus Holz und hat nur noch einige Ziegel.

Und eigentlich sieht das Haus heruntergekommen und fast schon verlassen aus, aber schon allein, dass Louis drinnen Leute erkennen kann und weiß, dass wahrscheinlich hinten auf dem zweiten Parkplatz mehrere Autos stehen, macht das ganze weniger verlassen.

Zur Tür muss man einige Stufen hinauf gehen und dann drückt Liam auf eine Klingel, die mit goldener Verzierung umrahmt ist.

Um sich zu beruhigen und Liam das erste Gespräch nicht zu versauen, sieht Louis sich etwas in der Gegend um.

Neben dem Haus fängt der Wald an und die Bäume, die anfangen wieder grüne Blätter zu tragen, die im Wind wehen, lassen darauf schließen, dass der Wald schon alt ist.

Ihre Stämme sind dick und verwuchert und am Boden des Waldes kann Louis die verschiedensten Pflanzen erkennen, viele davon giftig und fast ausgestorben.

Dieser Wald ist etwas ganz besonderes und dass in ihm so einige Probleme auf die falsche Art gelöst werden, ist wirklich eine Schande.

Die Tür öffnet sich vor den beiden und Louis' Blick schnellt wieder zurück zu Liam.

Dieser hat seine Augenbrauen nach unten gezogen, die Stirn kraus, blickt er auf den Mann, der ihm die Tür geöffnet hat.

„Liam Payne und Louis Tomlinson."

Der Mann geht beiseite, lässt die beiden vor der Tür ins Haus und schließt die Tür hinter ihnen wieder.

Louis steht etwas ungewiss im Flur und blickt sich weiter um.

Der untere Teil des Hauses ist sehr offen. Eine Küche, ein Wohnzimmer und eine Ecke, die wie ein Arbeitszimmer oder Büro aussieht. Alles nicht durch Wände oder Vorhänge getrennt.

An einem großen Tisch sitzen einige Leute, die sich nur stockend unterhalten zu scheinen.

Louis beißt sich auf seine Unterlippe, sieht auf seine Schuhe und überlegt.

Liam sagt, dass er anders sein soll und auch wenn Louis sich sicher ist, dass ihm das mehr als schwer fallen wird, versucht er es.

Liam legt seine Hand auf Louis' Rücken und führt ihn näher an den Tisch heran.

Er will gerade den Mund öffnen und etwas sagen, da platzt jemand dazwischen. „Liam Payne!"

Ein Mann im langen Mantel erhebt sich, sein Gesicht leuchtet auf und seine Arme streckt er zur Seite aus.

Louis erstarrt augenblicklich und versucht nicht zu sehr in Liams Seite zu kriechen.

„Harry." Liam klingt etwas unfreundlicher.

„Wir haben schon etwas auf euch gewartet, um ehrlich zu sein. Und ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt."

Harry, so wie er nun einmal zu heißen scheint, schwingt sich um den Tisch herum.

Louis wendet seinen Blick auf den Boden und klammert sich an das Formular, dass in seinen Händen schon zerknittert.

„Ich habe versucht so schnell wie möglich zu kommen, aber wir gerieten in einen Stau und wie du dir sicherlich denken kannst, habe ich deine Telefonnummer nicht."

„Außerdem sind Handys hier nicht erlaubt", nickt Harry und das Lächeln fällt ihm erst aus seinem bleichen Gesicht, als sein Blick auf Louis fällt.

„Außerdem sind Handys nicht erlaubt, ja." Liam wiederholt Harry und sieht sich genauer im Haus um.

Während Harrys Blick auf Louis fixiert ist.

„Wollt ihr beide euch nicht setzen?"

Harry deutet auf zwei freie Stühle und Louis kann nur das tun, was Liam ihm rät: Einfach mitspielen.

Er setzt sich neben Liam an den langen Holztisch, sein Formular zwischen seine Beine geklemmt.

Louis versucht die Unsicherheit und Schüchternheit zu unterdrücken oder zumindest nicht an die Oberfläche zu lassen, doch es erweist sich als äußerst schwer und so lächelt er die anderen an wie eine Aufziehpuppe, deren Batterie fast leer ist.

Liam faltet die Hände auf dem Tisch zusammen und wartet auf Harrys weitere Worte.

Und die kommen dann schließlich auch.

Diesmal nimmt Harry nicht am anderen Ende des Tisches Platz. Er sitzt direkt gegenüber von Liam und seine Augen werden noch einen Stück grüner, als er versucht Liam in Grund und Boden zu starren.

„Die Sache ist die: Wir waren es nicht."

Liam schweigt.

„Und ich weiß, dass du mir nicht glaubst... ich meine: Wieso solltest du auch? Aber ich kann für jeden meiner Leute ein Alibi nennen und jedes einzelne davon ist wasserdicht."

„Außer dein eigenes", murmelt Liam.

„Außer mein eigenes." Harrys Stimme wird ruhiger und sein Blick gleitet wieder zu Louis. „Und das nicht, weil ich schuldig bin."

„Die Polizei ist sowieso der Meinung es sei ein wildes Tier gewesen."

„Es war ja auch eines", sagt Harry. „Nur keines meiner." Er lächelt wieder halbherzig.

„Wie kommt es denn, dass du als einziger kein Alibi hast?" Liams Augen formen sich wieder zu misstrauischen Schlitzen.

„Wie das kommt? Oh, nun Liam. Das kommt daher, dass ich eine gewisse Phase hatte, als der Mord passierte und außer mir war niemand in meinem Zimmer." Er schmunzelt.

Ein weiterer Blick zu Louis.

„Du willst mir also weiß machen, dass du deine Phase genau dann hattest, als ein Mord passiert und niemand... Du hattest niemanden bei dir?" Liam verschränkt die Arme vor der Brust. Er ist sich sicher, dass es Harry war.

Wer hätte es sonst sein sollen?

„Liam: Ja. Genau davon spreche ich doch."

„Du bist ein Alpha, Harry. Soll ich dir das wirklich abnehmen? Du bist in deinen besten Jahren und ein Alpha!"

Harry nickt. „Richtig."

„Und trotzdem..."

„Wir drehen uns im Kreis." Harry seufzt. „Wenn du mir jetzt fürs Protokoll bitte sagen würdest, dass du auch zur Kenntnis genommen hast, dass niemand aus der Stadt es war... Das wäre nett."

Liam nickt. „Die, um die ich mich kümmere, waren alle zur Tatzeit mit mir in einer Besprechung."

„Die da wäre?" Harry legt den Kopf zur Seite und verzieht den Mund.

Louis traut sich wieder aufzusehen.

Liam beißt sich gerade auf seinen Lippen herum, weil er das nächste wirklich nicht sagen will.

„Ich höre...?" Harrys Stimme drängelt und dann lehnt er sich mit seinen Armen auf den Tisch.

Seine langen Haare fallen über seine Schultern und seine Augenbrauen schieben sich ein Stück weit auf seiner Stirn nach oben.

„Wir haben einen Omega unter uns..."

Harry schnaubt. „Sicher."

Liam schaut zu Louis. Sein Blick ist unsicher.

„Du hättest gleich in dem Moment, in dem du diesen gewissen Omega kennenlernst, ihn mir übergehen sollen. Das ist das Gesetz."

Harry hat Recht.

Ein Omega darf nicht allein in der Stadt leben.

Das Gesetz schreibt vor, dass er sich dem nächsten Pakt anschließt.

Und der nächste Pakt in näherer Umgebung ist dieser hier.

„Louis, würdest du ihm bitte das Formular geben?", flüstert Liam traurig. Er wusste, dass der Tag kommen wird, an dem er Louis abgeben müsste.

Er wollte nur nicht, dass der Tag so schnell da sein würde.

gedanken, feedback, wünsche? jamie xx

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