... 9 ...
Die Zwiebelsuppe wurde langsam kalt, aber Drago wollte mit dem Essen eigentlich warten, bis Cuervo da war. Nur tauchte der Typ nicht auf. Aufseufzend begann Drago die Suppe nach einer halben Stunde eben ohne Gesellschaft zu essen, als sich plötzlich Pantano neben ihn setzte: "Hi Drago! Na? Mit wem gehst du auf den Ball?", Drago zwinkerte ein paar Mal, um zu verstehen was der blonde Junge eben gesagt hatte. Ball? Wann? Hä? Irritiert sah der Reiter den Gleichaltrigen an. "Na der Ball in einem Monat! Hast du den vergessen?", der Junge warf sich in Pose: "Ich werde mit Ladrona gehen, noch hat sie mir nicht zugestimmt, aber ich werde das sture Frauenzimmer schon noch weichklopfen können." Er ginste fies und wandte sich wieder an Drago, dem der Appetit langsam aber sicher völlig verging. "Mit wem gehst du, Drago?" "Ach", der Türkisaügige zuckte mit den Schultern, "ich denke ich gehe gar nicht hin -" beinahe hätte Pantanos Zeigefinger ihn aufgespießt, und er rutschte unbehaglich einen halben Meter von ihm weg. Den Angeber schien das nicht zu stören: "Wie wäre es mit Valentia? Oder Primavera?" Pantano, dessen Name Drago immer unwillkürlich an eine Kartoffel erinnerte, ohne dass er wusste warum, war wieder zu ihm herangerückt. "Lass mich in Ruhe. Okay? Ich habe echt keine Lust mich mit dir abzugeben. Und danke, ich weiß selbst mit wem ich tanzen will.", genervt stand der Reiter auf, und ließ Pantano ungläubig zurück. Drago ließ ihm seine Suppe da, damit er nicht ganz so traurig war. Fast kichernd ging Drago aus dem Saal.
Luce empfing ihn schwanzwedelnd, und gemeinsam trotteteten sie durchs Schloss. Ein Ball in einem Monat. Hm. Was kümmerte ihn das schon? Sollten sie halt tanzen wenn ihnen danach zu Mute war. Sollten sie halt alle glücklich sein! Wütend kickte Drago gegen ein kleines Tischchen auf dem eine Vase stand. Klirrend zerschellte sie auf dem Eisboden. Luce bellte erschrocken auf. Den ganzen Weg über zu seinem und Esmeraldas Zimmer wütete der junge Reiter im Schloss. Allerdings ohne nochmal etwas kaputt zu machen, er hatte dann doch zu viel Respekt vor Lobo.
Während er so den Gang entlanglief und missmutig auf seine Schuhspitzen starrte, hörte er plötzlich wohlbekannte Stimmen. Erstaunt hob er den Kopf: Da kamen doch tatsächlich Ladrona und Cuervo gemeinsam den Gang entlang. Und sie redeten zusammen! Drago staunte nicht schlecht. Sonst war das hübsche Mädchen doch nicht so an dem verquatschten und tollpatschigen Rabenwandler interessiert? Hatte er irgendetwas verpasst?
"Hey Drago!", Cuervo winkte ihm zu, "wir müssen dir etwas erzählen, ganz dringend!" Drago zog die weißen Augenbrauen hoch. Das klang sehr ernst, was sein Freund da gesagt hatte. "Um was geht's? Alles in Ordnung mit euch?" "Da ist ein Larzik in der Bibliothek! Er hat das ganze Zimmer eingefroren! Und ich musste schon wieder einem das Herz rausreißen! Aber dieses Mal habe ich es nicht mit der bloßen Haut angefasst. Jedenfalls ist da jetzt komplettes Chaos! Und überall ist Eis! Und Ladrona musste mich retten! Und ..." Ladrona würgte Cuervo ab: "Lass gut sein. Wenn es ihn interessiert, kann er selber nachschauen", sprachlos blickten sie die beiden Jungen an, "gibts noch Essen oder sind wir zu spät?" Als Drago seine Stimme wiedergefunden hatte, war die Wandlerin schon verschwunden. "Wie...?", so ganz hatte er seine Stimme noch immer nicht gefunden, aber Cuervo sprang für ihn ein: "Ach, was weiß ich. Ich könnte dir nochmal genau erzählen wie es war!"
Eine Stunde später
"Findest du nicht auch wir sollten irgendwem Bescheid sagen?", beendete der Rabenwandler seinen Vortrag. Der Reiter zuckte die Schultern: "Also ich gehe nicht zu Fulgor und sag ihm, dass da ein toter Larzik ..." "Nein, der liegt da doch nicht mehr! Ich habe doch erzählt dass sie dann einfach wieder zu Schnee werden. Hast du schon vergessen? Hörst du mir überhaupt zu?" "Klar höre ich dir zu", Drago seufzte, "also haben wir nur ein vereistes Chaos und einen Haufen Schnee als Beweis, dass da ein Larzik war?" "Und sein Herz", Cuerco griff in seine Tasche, und holte ein rundes Etwas, das in ein Stofftaschentuch gewickelt war, hervor. "Okay, und das Herz eines Larziken das einem alles bis auf die Knochen wegätzt wenn man es berührt. Klasse." Drago fühlte sich nicht in Feierlaune. Cuervo schlug ihm auf die Schulter: "Und natürlich das Herz des hübschesten Mädchens des Schlosses!" Drago schüttelte nur den Kopf: "Und was bringt uns das alles?" Der Schwarzhaarige musste nicht lange überlegen: "Die Gunst Fulgors und Ladronas natürlich! Ich gehe jetzt zum König und zeig ihm das Herz..." "Ja, und sag ihm am besten nicht Bescheid, was seine Auswirkungen sind wenn man es berührt. Vielleicht verreckt er dann daran." "Ach Drago, was bist du so schlechter Stimmung?" "Hm." "Du musst in die Welt lächeln, nur dann lächelt sie zurück." Drago versuchte zu lächeln: "Hast du etwas von dem Ball gehört?" "Der Ball! Ach verdammt! Total verschlafen! Der ist schon in einem Monat, nicht wahr?" "Ja." "Mit wem gehst du?" "Mit niemandem, ich gehe nicht ..." "Prima! Dann kann ich ja mit dir tanzen!" Wieder entlockte Cuervo Drago ein Grinsen. "Nicht dein Ernst." "Doch! Du kannst doch tanzen, das wird perfekt." "Das wird eine Katastrophe!" "Kommt drauf an wie man es sieht. Aber du hast ja recht. Ich bin schon ein Clown, aber aus dir könnte noch was gescheites werden.", Cuervo zwinkerte ihm zu, "aber jetzt sollte ich echt mal wieder zu meiner Mutter und melden dass ich noch am Leben bin.", er winkte noch kurz, dann war er auch schon verschwunden.
"Idiot.", Drago grinste. Nein, mit Cuervo als Tanzpartner auf einen Ball zu gehen war das dümmste was ihm passieren konnte.
Carino murmelte vor sich hin, während er seine private Bibliothek nach weiteren Landkarten durchstöberte. Er hatte schon eine Menge gefunden, aber darauf war Tiro nicht abgebildet. Es war eben wirklich nur ein kleines Dorf. Nach stundenlanger Arbeit machte der Mann eine Pause. Er setzte sich an einen Schreibtisch und lehnte sich in dem Sessel zurück, sodass er das Deckengemälde betrachten konnte. Das Deckengemälde! Natürlich! Warum war er nicht schon eher darauf gekommen? Dort an der Decke, war sehr detailgetreu Atasea abgebildet, ebenso die umliegenden Ortschaften. Nur leider war Carinos Augenlicht nicht mehr so gut, als dass er die zahllosen kleinen Namen von Straßen und Orte lesen konnte. Aber er gab nicht auf. Er hatte Ala gesagt, er würde sich darum kümmern, also tat er das jetzt auch. Flugs schaffte er eine Leiter heran, die frei stehen konnte, und ging die Stufen hinauf. Es war eine sehr hohe Leiter und Carino zählte 25 Stufen, aber die Decke war ja auch sehr hoch. Endlich oben angekommen, erfasste ihn ein leichtes Schwindelgefühl, und er befahl sich, nicht nach unten zu blicken. Über ihm ragte nun Atasea auf, in ihrer alten Pracht und Schönheit. Der Mann hatte damals als Pfarrer gepredigt, aber seitdem König Fulgor Gott als schwach und unnütz abgestuft hatte, gab es keine Kirchen oder Kloster mehr, die in Takt waren. Also hatte er sich nun als Berater einen Namen gemacht. Wenngleich für den gefürchtetsten Mann des Landes.
Seine Finger strichen über das raue Deckengewölbe, und suchten jeden noch so kleinen Fleck ab. Und endlich hatte er Tiro gefunden: Im Norden Ataseas, mit kleinen einfachen Häusern und Feldern rings herum, sah es vollkommen normal aus. Wenn da nicht die Leute mit den bunten Haaren wären, die der Künstler ebenfalls seinem Gemälde hinzugefügt hatte. Tiro lag nicht allzu weit entfernt, aber eben doch so weit, dass eine einfache Bauernfamilie dort nicht einfach mal eben hinreisen konnte. Zufrieden stieg der Elf die Leiter wieder hinunter, räumte sie weg und ließ sich wieder in den bequemen Sessel fallen.
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