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Der schwarzhaarige Junge grummelte vor sich hin. Er hatte nicht gerettet werden wollen, und erst recht nicht von einem Mädchen!
Cuervo wollte jetzt unbedingt sein Schwert wieder zurück haben, und wieder in die Armee gehen. Sein Arm vermisste das so vertraut gewordene Gewicht einer Waffe, und seine Beine brauchten das stundenlange im Schnee herum marschieren mehr, als er es gedacht hätte. Verfluchtes Lazikenherz.
Schließlich war der Wandler an seinem Ziel angelangt, und öffnete die Tür mit einem kleinen silbernen Schlüssel. Sein Vater war nicht da, aber seine Tante, die Schwester seines Vaters. Warum er sie nie auch nur in Gedanken erwähnt hatte? Er hasste sie. Er hasste sie abgrundtief. Sie war klein, dünn wie ein Eiszapfen, und seinem Vater nach "Unglaublich toll". Das war mindestens 1 Millionen Meilen an der Wahrheit vorbei geschossen. Sie war furchtbar: Pingelig, trotzig, nervig, langweilig, egoistisch, eklig, humorlos, angeberisch, ekelhaft, besserwisserisch, selbstverliebt, ...
Falls euch noch weitere hässliche Adjektive einfallen, immer her damit!
Ihr Name war Diana, und sie war eine Wandlerin. Leider. Denn damit hatte sie noch etwas, womit sie angeben konnte, was ihr zweites Hobby nach Rummeckern war. Auch wenn das Tier, in das sie sich wandeln konnte, nun wirklich nichts besonderes war: Ein Pinguin.
Der Pinguin saß auf einem weißen Ohrensessel und kämmte ihre Haare. Als Cuervo das Zimmer betrat, zog sie nur die Nase hoch, und ließ sich sonst nicht weiter stören. "Ich lebe noch.", sagte der Junge knapp. "Aha", machte der Pinguin. "Ich gehe jetzt wieder." "Aha" "Ich bringe mich jetzt um." "Aha, viel Spaß." Cuervo knallte die Tür wieder zu, als er auf dem Flur stand. Der Pinguin war wirklich furchtbar. Cuervo glaubte ihr, dass es sie nicht einmal am äußersten Rand ihrer Haarspitzen jucken würde, wenn er sich tatsächlich umbrächte. Aber das hatte er ja auch nicht wirklich vor, er würde jetzt zu König Fulgor gehen, ihm das Larzikenherz zeigen, ihn vor weiteren Eismonstern im Schloss warnen und sich so möglicherweise über Umwege wieder in den Dienst einweisen lassen.
Mit vor Vorfreude feuchten Händen lief er durch das Schloss, und kam schnell an der gewaltigen Tür zu Fulgors Büro an. Zaghaft klopfte er. Cuervo fand es immer wieder ganz erstaunlich, wie Fulgor immer zum richtigen Anlass, zur rechten Zeit am rechten Ort sein konnte. Brauchte man eine Auskunft oder musste etwas wichtiges Überbringen, so suchte man ihn in seinem Büro auf. Aber dort schlief er ja nicht. Und irgendwelche wichtigen Gespräche führte er dort auch nicht. Und er konnte ja wohl nicht auch dort essen. Ab und zu musste er ja auch mal ins Bad oder er wollte etwas an die frische Luft - aber immer war er da wo man gerade dachte dass er da war. Cuervo hatte ihn noch nie durch die Gänge seines Schlosses wandern sehen. Besaß er Geheimgänge oder so?
Die Tür ging einen Spalt weit auf, und eine Wache blickte ihm kühl entgegen. "Ich habe eine sehr wichtige Nachricht, die die Sicherheit dieses Gebäudes betrifft.", sagte Cuervo, und der Wachmann ließ ihn passieren. Der Raum war groß, aber ziemlich leer. Die Wände waren schmucklos leer gehalten, und nur das große Panoramafenster an einer Seite des Zimmers, brachte etwas Licht. Neben dem Fenster stand ein gewaltiger Schreibtisch, und daneben, lag ein gewaltiger Wolf. Sein silbernes Fell war lang und struppig, und schwarze Augen, in denen man nicht einen Funken Freundlichkeit ausmachen konnte, sahen Cuervo an. Der Rabenwandler begann zu zittern. Lobo gähnte, und ließ seine messerscharfen Zähne aufblitzen. Kurz dachte Cuervo, Lobo hätte auf einmal zwei Köpfe bekommen, unvorstellbar war das nicht, auch wenn der Alphawolf auch mit einem sehr Angst einflößend war, aber es war nur Loba, die sich über den Rücken leckte, und dicht bei dem Rüden lag.
"Guten Tag, Cuervo", dröhnte plötzlich Fulgors Stime durch den Saal, und der König trat aus den Schatten hervor. Sofort ließ Cuervo sich auf die Knie nieder und senkte den Blick auf den glatten Boden: "Ich muss Euch etwas wichtiges erzählen: In der Bibliothek trieb ein Lazik sein Unwesen, und hat alles eingefroren. Aber ich bin befreit worden, und konnte das Monster töten." Fulgor kam mit langsamen Schritten auf den Jungen zu: "Ich erinnere mich, du bist der junge Wandler, dem es geglückt ist einen Laziken zu töten. Und du wurdest verwundet, und deshalb des Dienstes verwiesen." Cuervo nickte zitternd: "Ja eure Hoheit. Ich habe herausgefunden wie man diese Wesen tötet, aber noch niemandem erzählt wie." Fulgor hob die Augenbrauen, er war sichtlich interessiert. Der sommersprossige Junge zog das Stofftaschentuch aus seiner Jackentasche, und hielt es dem König mit seiner bandagierten Hand entgegen. Dieser nahm es ihm ab, und ging zum Schreibtisch. Lobo und Loba hoben neugierig die Köpfe, als ihr Herrchen das Herz des Laziken aus dem Stoff befreite, aber nicht berührte: "Das ist etwas sehr sonderbares", murmelte er, und machte Cuervo damit klar, ihm endlich zu erklären was das war. Aus Angst vor Bestrafungen tat ihm dieser auch den Gefallen: "Es ist das Herz eines Laziken, wenn man es ihnen herausschneidet, so sterben sie, und werden zu Schnee. Aber Ihr solltet es nicht berühren, da es sehr hässliche Wunden bringt", bei dem Wort "Wunden", hatte er Fulgors volle Aufmerksamkeit, und wickelte seine Knochenhand aus. Ein Schauer durchlief Cuervo selbst, als er das traurige Überbleibsel seiner linken Hand betrachtete. Es knirschte ganz leise, als er die Finger streckte. Denn obwohl weder Muskeln noch Sehnen noch vorhanden waren, hatte er keine Probleme die Knochen zu bewegen. Am unappetitlichsten war aber sein Handgelenk: Dort ging sein gesundes Fleisch nicht nahtlos in die Knochen über, sondern dazwischen befand sich schwarzes, totes Gewebe. Weich wie Haut aber unempfindlich wie seine Knochenhand, hing das tote Fleisch an ihm und es widerte ihn an wie nichts anderes. Ein Brechreiz überkam ihn, und er wandte den Blick ab, bevor er tatsächlich noch auf den Boden von Fulgors Arbeitszimmer kotzen würde. Der König war totes Fleisch offenbar gewöhnt, denn seine Augen hafteten deutlich länger auf Cuervos verätzter Hand. Dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht, und mit einer Handbewegung setzte er Cuervo vor die Tür.
Worüber der Junge nicht im Geringsten traurig war.
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