Der Plan zur Flucht - 2
Vorsichtig rollte ich mich auf den Boden zusammen. Ich würde bald schlafen müssen, aber vorher wollte ich noch etwas versuchen. Mein Plan barg ein großes Risiko, doch vielleicht würde ich so in ein paar Tagen entkommen können. In der liegenden Position spannte ich so viele Muskeln wie nur möglich an, dann leitete ich sehr langsam den ersten Schritt der Verwandlung ein. Mit meiner gesamten Willenskraft befahl ich nur einem Teil meiner Muskeln mit der Verformung zu beginnen. Ein ungeheuer großer Schmerz breitete sich in meiner Brust aus. Ich brüllte laut auf und brach die Verwandlung ab. Mein gesamter Körper zitterte. Speichel tropfte aus meinem Maul und meine Ohren zuckten unkontrolliert.
Trotzdem hatte ich etwas sehr wichtiges erfahren: ich konnte die Kugel langsam durch meinen Körper pressen, wenn ich mich nur immer wieder sehr vorsichtig stückchenweise zu verwandeln begann. Falls ich die Verwandlung jedoch zu weit treiben würde, würde der Druck die Kugel in tausend Stücke zersplittern lassen. Nur wenn ich vorsichtig genug war, konnte ich es vielleicht schaffen.
Schwer atmend senkte ich meinen großen Kopf auf meine Pfoten. Noch immer pochte ein starker Schmerz durch meine Brust. Er war um einiges stärker, als der Schmerz, den ich von einem Messerhieb gewöhnt war. Vielleicht lag es daran, dass ich versuchte, einen stumpfen Gegenstand mit Gewalt durch Muskelgewebe zu pressen. Das Projektil würde keinen sauberen Schnitt durchführen, sondern alles auf seinem Weg mit brutaler Gewalt zerstören.
Ich spürte wie die Schwäche und Müdigkeit in meinem Körper schlagartig zurückkehrte. Der Heilungsprozess hatte also bereits begonnen und forderte seinen Tribut. Eigentlich müsste ich jetzt unbedingt Nahrung zu mir nehmen, doch da es hier nichts gab, konnte ich nur hoffen, dass eine Mütze Schlaf genauso viel wert war. Langsam dämmerte ich in eine traumlose Schwärze. Bei jedem noch so kleinen Geräusch erwachte ich jedoch wieder.
Die Stunden verstrichen. Nichts geschah, während ich in meinem leichten Schlaf versuchte, etwas Energie wieder zu bekommen. Schließlich weckte mich das Knurren meines eigenen Magens auf. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich vermutet, dass hinter mir ein gewaltiger hungriger Höhlenbär stand. Vorsichtig rappelte ich mich auf. Am liebsten hätte ich mich gestreckt, doch sobald ich meine Pfoten auch nur etwas weiter nach vorne lehnte, stieß ich gegen die harten Gitterstäbe. Dieser Käfig war eindeutig nicht für ein Tier meiner Größe gedacht. Irgendwann gab ich es auf, meine müden Muskeln aus ihrem Schlaf zu wecken und schüttelte mich stattdessen wie ein nasser Hund, doch nicht ein kleiner Wassertropfen löste sich aus meinem matten Fell. Was würde ich jetzt nicht alles für eine anständige Mahlzeit geben, aber es gab hier noch nicht einmal einen Schluck zu trinken. Schnaubend legte ich mich wieder auf den Boden. Immerhin konnte ich hier sonst nicht viel anderes machen.
Seelisch bereitete ich mich gerade darauf vor, mich ein zweites Mal zu verwandeln, als die Tür aufging. Ich erwartete, dass erneut die grausame junge Frau meine Gesellschaft suchte, doch ich wurde enttäuscht. Stattdessen trat der Mann ein, der dafür verantwortlich war, dass diese Bestie nicht ihre gerechte Strafe bekommen hatte. Wenn ich ihn nun genauer musterte, kam es mir so vor, als wäre der junge Mann etwas älter als das Mädchen. Im Gegensatz zu ihr ging er auch deutlich überheblicher auf mich zu. Seine kalten braunen Augen blickten gebieterisch auf mich herab, als er vor meiner Zelle stand. Ich machte mir noch nicht einmal die Mühe, meinen Kopf zu heben, stattdessen blickte ich ihn nur gelangweilt von unten an.
„Jetzt fühlst du dich nicht mehr so stark oder, Bestie?", fragte mich der junge Mann mit einem breiten Grinsen. Seine Augen funkelten voller Stolz, obwohl er nicht einen Finger gekrümmt hatte, um mich gefangen zu nehmen. Es war die tapfere und grausame junge Frau gewesen, die mich mit eisernem Willen zur Strecke gebracht hatte.
„Weißt du, eigentlich muss ich mich bei dir bedanken. Ohne dich hätte sich Serina niemals dazu herabgelassen, einen Mann zu heiraten, schon gar nicht mich. Sie hat immer nur einen verachtenden Blick für mich übrig gehabt, genauso wie für viele andere von uns. Scheinbar dachte sie immer, sie sei etwas Besseres, bloß weil sie die Tochter unseres Anführers ist und ein bisschen schießen kann. Dann kamst allerdings du oder besser gesagt zuerst kamen diese Welpen. Dante berichtete, dass die ach so hochnäsige Eisprinzessin auf einmal Mitleid verspürt hat. Glaubst du das? Mitleid für einen Wolf?! Wie dumm kann man nur sein!?" Den letzten Satz schrie der junge Mann so laut, dass ich am liebsten die Pfoten auf meine Ohren gepresst hätte. Doch damit hätte ich nur preisgegeben, dass er mir unangenehmen war. Aus diesem Grund lag ich weiterhin reglos auf dem Boden und blickte den Mann gelangweilt an. Wäre ich in meiner Menschengestalt gewesen, hätte ich vielleicht noch eine Augenbraue hochgezogen und gelangweilt geseufzt. So konnte ich nur hoffen, dass der Blick aus meinen bernsteinfarbenen Augen laut genug „langweilig" schrie.
„Das Beste ist jedoch, dass ich das große Geheimnis weiß. Ich bin nach der Schlacht noch einmal zurückkehrt, um den toten Wölfen ihre Reißzähne aus dem Maul zu brechen. Sieh was ich schon alles gesammelt habe." Er holte unter seinem braunen Pullover eine lederne Kette hervor. Mindestens ein Dutzend Wolfszähne hingen an ihr. Dann kramte er in seiner Hosentasche und holte zwei weitere Zähne heraus. Diese waren viel kleiner als die anderen. Sie mussten einem Jungwolf gehört haben. Das verdammte Schwein! Plötzlich knurrte ich so laut auf wie ich konnte, doch im Gegensatz zum Mädchen, lachte der junge Mann bloß. „Wird da der große böse Wolf sentimental? Es war doch nur ein verdammtes Balg. Die Mutter sollte froh sein, dass ihr diese Plage nicht mehr am Hals hängt", spottete der Mensch.
Wütend sprang ich auf. Mit einem scharfen Blick taxierte ich den Menschen. Keine noch sie winzige Bewegung blieb unbemerkt, doch ich konnte nichts tun. Ich wollte diesem Mann mehr als alles andere die Kehle herausreißen. Ich wollte meine Zähne tief in sein Fleisch bohren und ihn in Fetzen reißen. Dieser Mensch sollte für seine Taten leiden!
„Du kommst nicht aus dieser Zelle heraus! Spar dir die Mühe! Weißt du, was das wirklich witzige ist? Man hat mir erzählt, es seien zwei Welpen gewesen, doch als ich das ganze aus der Nähe betrachtet habe, konnte ich nur einen Schädel finden. Ich habe die zwei Zähne herausgebrochen und das ganze Chaos genauer begutachtet. Sofort fiel mir der Fehler auf, es gab nur vier Pfoten, vierundzwanzig Rippen und nur ein Herz. Dort lag eindeutig nur ein Welpe. Die Tochter des Chefs hatte uns alle verraten! Sie hat ein Jungtier entkommen lassen und als Tarnung das andere zerstückelt. Ein wirklich geschickter Plan, doch nun habe ich sie und ihren Vater fest im Griff. Die kleine Eisprinzessin weiß es noch nicht, aber ihr Vater hat der Hochzeit nur zugestimmt, weil ich gedroht habe, den Verrat öffentlich zu machen. Sie hat keine Chance mehr aus dieser Hochzeit zu entkommen und sobald ich ihr Ehemann bin, wird sie endlich das tun, was ich ihr sage. Weißt du, was das allerwitzigste ist? Diesen Traum verdanke ich dir, mein Großer. Ich verdanke meine perfekte, süße Rache einer Bestie. Ist das nicht wundervoll?" Der junge Mann lachte laut grausam auf. Einen Moment später zog er sich immer noch breit grinsend zurück. Er hatte seine Taten endlich einem anderen Wesen anvertrauen können und daraus für sich Genugtuung gewonnen. Hatte ich wirklich gedacht, dass das Mädchen eine Bestie sei? Vielleicht sollte ich meine Aussage korrigieren.
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Tut mir leid für die Verspätung.
Hab gestern meine Weisheitszähne rausbekommen und danach fühlte ich mich wie KO geschlagen.
Danke für die Erinnerung ;)
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