7. Kapitel (Amaris)

Der Wald umfängt mich mit offenen Armen und eine sanfter Lufthauch wirbelt mir durch meine Haare. Ganz in der Nähe höre ich das Gezwitscher der Vögel, welche mir von ihrem Tag erzählen, während die Sonne bereits langsam ihren Tanz beendet und dem Mond und seinen Gefährten Platz macht.

Vermutlich sollte ich schon längst auf dem Heimweg sein, gerade weil ich einen anstrengenden Tag in der Buchhandlung hinter mir habe und auch die nächsten nicht viel besser werden, doch ich liebe es in der Dunkelheit laufen zu gehen. Und das lasse ich mir um nichts in der Welt entgehen!

Erstens habe ich dann meine Ruhe, weil mir keiner entgegen kommt, denn im Gegensatz zu mir, sind die meisten Leute so schlau und verschwinden ab einer gewissen Uhrzeit von der Straße. Zweitens hasse ich es wirklich, wenn ich beim Joggen zu vielen Gesichtern begegne, denn dann fühle ich mich immer so beobachtet.

Auch wenn ich um ehrlich zu sein, nicht ganz nachvollziehen kann, warum viele so eine große Angst vor der Nacht haben, denn ich finde sie einfach nur bezaubernd und magisch. Es ist jedes Mal so, als ob ich in eine andere Welt abtauchen würde, die einen zum Träumen einlädt. Alles sieht ganz anders aus, es wirkt so, als ob der Mantel der Nacht meine Umwelt einhüllt und in ihrer ganzen Pracht erstrahlen lässt.

Vor allem aber gibt sie mir in Verbindung mit meiner Umgebung und meiner Beschäftigung ein Gefühl der Freiheit, was ich nur bei wenigen anderen Dinge spüre. Und ich liebe es verdammt nochmal!

Gerade dieser Wald ist für mich mein zweites Zuhause geworden, so oft wie ich mich in meiner Freizeit hier aufhalte. Es ist einfach jedes Mal, als würde er mich mit offenen Armen umfangen.

Ich treibe mich zu einem schnelleren Tempo an, während ich immer wieder heruntergefallen Ästen ausweiche. Mein Herz schlägt kräftig gegen meine Brust und mein Atem kommt nur noch stockend, dennoch denke ich gar nicht daran, aufzuhören, denn nur so wird mein Gedankenkarussell zum Erliegen kommen, was seit Tagen immer schneller wird und meine Nächte kurz werden lässt.

Langsam spüre ich die Auswirkungen und auch Frau Grimm hat mich heute morgen noch einmal besorgt gemustert, doch ich weigere mich strikt, mir nach meinem letzten Zusammenbruch frei zu nehmen, vor allem weil es sich um so etwas komplett Belangloses handelt...

Plötzlich vernehme ich ein lautes Heulen, welches sich eindeutig zu nah anhört. Ein kalter Schauer fährt mir über den Rücken und mein Blick spiegelt meinen Schock darüber wieder. Leider sehe ich den herumliegenden Ast nicht kommen, über welchen ich im hohen Boden fliege.

Ich kann einen Schrei nicht unterdrücken, als ich spüre, dass ich mir mein Knie und meine Hände aufgeschürft habe, da ich instinktiv in eine Schutzhaltung gegangen bin. Fuck! Wieso muss so etwas auch immer mir passieren?! Das ist wieder so typisch ich! Scheiße, tut das weh! MIST! Ein leises Stöhnen entweicht meinen Lippen und ich bin mir nicht sicher, ob ich mir nicht den Fuß verknackst habe...

Doch ich komme gar nicht dazu, mir mehr Gedanken darüber zu machen, denn das Heulen von eben, ist nun noch viel näher und es klingt nicht gerade so, als ob dieser Wolf kommen würde, um mit mir einen Kaffeeklatsch abzuhalten.

Moment.. Wölfe? Die sind doch schon seit ... vier Jahren nicht mehr hier gesichtet worden... Wieso sind nun also wieder hier? Sie sind damals einfach aus dem Naturreservat verschwunden und keiner konnte sich erklären warum. Nicht, dass ich bis dahin überhaupt irgendeinen gesehen hätte, obwohl ich diese Tiere eigentlich sehr faszinierend finde. Angefangen bei ihrer sozialen Ader bis hin zu dem Entstehen ihrer unterschiedlichen Fellmusterungen.

Dennoch bin ich um ehrlich zu sein, nicht gerade scharf darauf, in meinem jetzigen Zustand einem zu begegnen! Schließlich könnte ich im Ernstfall noch nicht einmal das Weite suchen... Vielleicht ist es ja zu meinem Glück nur ein einziger Wolf? Aber es sind doch Rudeltiere? Oh gütiger Himmel! Bitte, lass es nur einen sein! Bitte!

Aber scheinbar scheint mich irgendwer zu hassen, denn als ob dieses eine Heulen nicht schon genug wäre, höre ich nun auch noch ein zweites. Was ich in diesem Moment allerdings kaum wahrnehme, ist, dass dieses deutlich weniger bedrohlich klingt und mir ein warmer, angenehmer Schauer über den Rücken rieselt. Statt der Angst, keimt so etwas wie Freude in mir auf. Doch auch das blende ich in diesem Moment komplett aus, da alles in mir auf Flucht ausgerichtet ist. Fuck!

Hektisch versuche ich mich endlich zu erheben, allerdings bleibt es bei diesem Versuch, denn mit einem erneuten Schrei, sinke ich wieder zu Boden! Das kann doch jetzt nicht wahr sein!

Ich glaube trotz allem nicht, dass etwas gebrochen ist, aber ich kann definitiv nicht rennen, geschweige denn, dass ich irgendeine Chance habe, vor diesen Tieren zu fliehen! SHIT! Ich will noch nicht sterben! Nicht hier, nicht heute! Nein!

Okay, ganz ruhig, Amaris! Denk nach! Wölfe sind eigentlich sehr scheue Tiere. Sie greifen keine Menschen an. Wir sind für sie völlig uninteressant und sie haben mehr Angst vor uns, als wir vor ihnen. Eine kleine Stimme in meinem Inneren kann es jedoch auch in diesem Moment nicht lassen, mich daran zu erinnern, dass dies nicht für tollwütige Wölfe gilt. Echt jetzt?! Das ist mal so absolut gar nicht hilfreich!

Ich fange an zu zittern und versuche noch einmal aufzustehen, doch es ist zwecklos! Stumme Tränen fließen mir übers Gesicht, da die Panik mich nun doch zu überwältigen droht, als ich plötzlich ein lautes Rascheln neben mir wahrnehme.

Okay, wenn ich sterben sollte, dann würde ich gerne jetzt in Ohnmacht fallen! Dann muss ich immerhin nicht den Anblick meines zerfetzten Körpers ertragen! Doch zu meinem Erstaunen erscheint kein Wolf aus dem Gebüsch neben mir, nein, es ist ... Thorin!

Schlagartig ist mein Kopf komplett leer gefegt. Denn er hat obenrum nichts, gar nichts, an! Hatte ich schon erwähnt, dass er gut aussieht? Verboten gut? Nein? Mir war bereits im Café bewusst, dass Thorin in den letzten Jahren gut an Muskelmasse zugelegt hat, es war schließlich nicht zu übersehen, aber als mein Blick nun so über ihn gleitet...

Ich muss meine Augen förmlich dazu zwingen, ihm weiterhin ins Gesicht zu blicken, auch wenn es mir nicht gerade leicht fällt. Vergessen sind die beiden Wölfe und die drohende Gefahr. Im Momentnimmt Thorin meine Gedankenwelt völlig ein und ich weiß genau, dass ich mir später vermutlich selbst eine dafür scheuern werde.

,,Was machst du hier?!" Meine Frage kommt schärfer heraus, als beabsichtigt. Aber offenbar ist mein Unterbewusstsein schon so sehr darauf gepolt, mich vor meinem ehemaligen besten Freund zu schützen, dass ich automatisch in eine offensive Haltung gehe. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung...

Offenbar stört es ihn allerdings nicht, denn Thorin verzieht mal wieder keine Miene. Darf ich ihm bitte das Gesicht zerkratzen? Das will doch eh keiner sehen! ,,Die Frage lautet wohl eher, was du hier machst, meinst du nicht? Immerhin wohne ich hier im Wald."

Nicht sabbern, Amaris... Denk dran, du willst ihm die Augen auskratzen... ,,Ich war joggen, wie man unschwer erkennen kann!"

,,Und offenbar scheint der Nachthimmel heute sehr interessant zu sein oder warum schaust du nicht auf den Boden und passt auf, wo du hintrittst? Oder war mein Auftritt so umwerfend?" Ich will ihn schlagen. Fest.

Tse, als ob er so gut aussehen würde... Und selbst wenn... Als ob ich sein sowieso schon viel zu großes Ego auch noch puschen würde... Das hält ja jetzt schon keiner aus! Davon kann er meinetwegen weiterhin träumen, aber in der Realität wird das nie geschehen! Leider sitze ich aber immer noch auf dem Boden, das heißt, dass ich eh nur sein Bein erwischen würde...

In diesem Moment fällt mir allerdings auch wieder ein, nachdem mein Hirn scheinbar endlich beschlossen hat, wieder gescheit zu funktionieren, warum ich überhaupt auf die Nase geflogen bin und erneut fange ich an zu zittern und die Angst hüllt mich mit ihren Schwingen erneut ein. ,,Amaris?"

Thorin kniet sich vor mich und sein er schaut besorgt auf meinen Fuß, den ich noch immer schützend an mich gezogen habe. Auch das Brennen meiner Handflächen hat bedauerlicherweise nicht wirklich nachgelassen.

Ein Blick in seine Augen, die von Sorge durchwebt sind, reicht jedoch, dass ich kurz davor bin, mich wieder zu vergessen, doch ich kämpfe verbissen dagegen an, denn auf der einen Seite finde ich es unheimlich und es gefällt mir absolut nicht, was es in mir auslöst, auf der anderen Seite gibt es im Moment aber auch wirklich wichtigeres! Wie besagte Wölfe zum Beispiel, die hier sicherlich immer noch irgendwo herumlaufen!

Und so sehr ich meinem ehemaligen besten Freund momentan auch einen Platz in der Hölle beschaffen würde, so möchte ich dennoch nicht, dass uns heute hier beiden etwas passiert! ,,Amaris? Hallo?"

,,Wölfe! Thorin, hier sind Wölfe! Wir müssen hier schleunigst weg!" Ja, vermutlich klinge ich gerade leicht hysterisch. Vielleicht wirke ich auch etwas verrückt und durchgedreht, so hoch wie meine Stimme im Augenblick ist. Und ja, unter anderen Umständen hätte ich mich selbst wohl auch nicht richtig ernst genommen.

Das mag ja alles sein und ich möchte es auch überhaupt nicht abstreiten, allerdings löst es in mir im Moment völligen Unglauben aus, als mein Gegenüber mich anschaut und sich dabei offensichtlich ein Schmunzeln verkneifen muss.

Sag mal, nimmt dieser Mistkerl mich überhaupt ernst?! Ich hatte es schon immer gehasst, wenn ich das Gefühl hatte, dass man mich nicht für voll nahm. Sei es wegen meiner geringen Größe oder deshalb, weil mir an genug Tagen einfach eine gewisse Schlagfertigkeit fehlt. Zumindest traf der letzte Aspekt an einigen Tagen und bei den meisten Menschen zu...

,,Amaris, du weißt doch, dass Wölfe vollkommen ungefährlich sind, so lange man sie nicht stört. Außerdem höre und sehe ich nichts, was dafür spricht, dass sich hier welche aufhalten. Komm bitte erst einmal herunter. Dein Knöchel sieht gar nicht gut aus."

Ich soll mich beruhigen?! Meint er das etwa ernst?! ,,Thorin, ich weiß, was ich gehört habe! Es war ein lautes Heulen, was viel, viel zu nah gewesen ist! Das kannst du doch gar nicht überhört haben! Wir sollten hier wirklich schnellstens verschwinden!"

Die Frage nach meinem Knöchel übergehe ich geflissentlich, denn ich ahne, dass ich mir mal wieder,meine Bänder überdehnt habe, was mich einige Wochen an eine Schiene fesseln würde.

Es ist nervig und derweilen auch sehr schmerzhaft, aber im Grunde nichts Dramatisches oder was großer Aufmerksamkeitbedarf.

Es scheint so, als ob Thorin einmal tief durchatmen muss, wie um sich zu beruhigen, nur um danach einmal tief auszuatmen. ,,Amaris,da war wirklich nichts. Die Nacht spielt einem oft Streiche. Du weißt, dass man in der Dunkelheit alles in einem anderen Licht wahrnimmt.

Das gilt auch für Geräusche. So und nun komm, ich bringdich nach Hause. Es wird kalt und du bist nun wirklich nicht warm genug angezogen, um deine Nacht hier draußen zu verbringen."

Ich bin nicht warm genug gekleidet? ICH?! Hat er sich heute schon einmal im Spiegel angeschaut?! Schließlich bin ich definitiv nicht die, die oberkörperfrei herumläuft im HERBST ...

Zudem durchfährt mich ein leichter Stich, denn er scheint mich erstens nicht ernst zu nehmen und zweitens glaubt er mir offenbar auch nicht. Im selben Augenblick,indem mich dieser Gedanke durchzuckt, könnte ich mich dafür aber auch schon wieder selbst einen Kopf kürzer machen, denn es ist vollkommen irrational und unnötig!

Hatte ich mir selbst nicht erst heute morgen geschworen, dass ich dieses ganze Kapitel mit Thorin Stück für Stück abschließe und dabei keinen Schritt zurückweichen werde?

Ein weiterer mir gegenüber gebrochener Schwur, wie so oft inden letzten Tagen... Vielleicht sollte ich Theas Einladung wirklich annehmen und mit ihr und ein paar anderen Freunden in den Club gehen und mich einfach mal etwas gehen lassen...

Möglicherweise könnteich mich fallen lassen und so auf andere Gedanken kommen...

Mir entfährt ein spitzer Schrei, als ich auf einmal den Boden unter den Füßen verliere. Instinktiv kralle ich meine Hände in das Nächstbeste, was ich zu fassen bekomme. In diesem Fall: Thorins Schultern.

In seinen Blick mischt sich etwas, was ich in diesem Augenblick nicht zu deuten wage und auf seine Lippen legt sich ein schmutziges Lächeln: ,,Jetzt bringe ich dich also schon zum Schreien?"

Egal, welche Worte mir auch davor auf der Zunge gelegen haben, in diesem Moment bin ich sprachlos. Das hat er nicht wirklich gesagt oder?

Vollkommen perplex starre ich ihn an, noch immer geschockt von seinen Worten. Offenbar wird auch ihm bewusst, was er da gerade von sich gegeben hat und dass es absolut unpassend war, denn Thorin scheint tatsächlich rot zu werden und schaut nun stur gerade aus, während er sich langsam in Bewegung setzt, um mich nach Hause zu bringen.

Es ist schwierig zu beschreiben, was es in mir auslöst, dass er mich so durch die Gegend trägt. Auf der einen Seite bin ich wahnsinnig sauer auf ihn, verletzt und enttäuscht.

Vor allem liegt mein zerbrochenes Vertrauen, wie die Scherben von einem kaputten Spiegel, zwischen uns. Auf der anderen Seite bin ich aber auch wahnsinnig glücklich darüber, dass ich ihn wieder sehe und dass ich nun endlich weiß, dass es ihm wirklich gut geht.

Das war nämlich ein weiterer Bestandteil meiner damaligen Sorgen, denn schließlich wusste ich ja nicht, ob ihm etwas zugestoßen ist. Wobei ich dies vermutlich erfahren hätte...

Der Gedanke, wie gut es sich anfühlt, in seinen Armen zu liegen, seine Wärme durch meine Jacke zu spüren, ist schließlich der Grund, warum ich mich in seinen Armen zu winden beginne, denn alles hier kann und darf einfach nicht sein!

Den Schmerz in meinem Fuß, der mittlerweile durch das abklingende Adrenalin stärker zu Tage tritt, versuche ich zu ignorieren:,,Lass mich runter, Thorin! Ich kann selbst laufen!"

,,Amaris, dein Knöchel ist dick angeschwollen. Zwar bin ich kein Arzt, aber ich denke, es wäre alles andere als gut, wenn du jetzt selbst den Weg zu dir nach Hause zurück legst."

Mit hochgezogener Augenbraue und einem entschlossenen Blick schaut er mich an und obwohl ich es ungern sage..., in diesem Fall hat er leider recht. Ich käme nicht allzuweit.

Und auch wenn ehemaliger bester Freund etwas anderes behauptet..., diese Wölfe müssen hier auch noch irgendwo sein und ich will nun wirklich nicht zum Wolfsfutter werden!

So lasse ich mich schweigend von Thorin nach Hause tragen.

Dabei bemerkt allerdings keiner von uns, dass wir beobachtet werden...


Und damit wünsche ich euch einen wunderbaren guten Morgen, meine lieben Eulen!🦉☀️

Ja, meine Cuts werden aktuell immer fieser. Ich weiß... 🤣

Aber zuerst... Wie geht's euch? 🥰

Scheint bei euch heute auch die Sonne?🤗☀️

Zum Kapitel geht es nun hier entlang. Wenn Sie mir bitte folgen würden. *Bitte einfach dem Schild, was hier steht, folgen.*😂

Was sagt ihr denn zu der Dynamik zwischen den beiden? 🥳

Und wer sie da wohl beobachtet? 😬

Fragen über Fragen... Die, dann hoffentlich bald geklärt werden...😅

Hinterlasst gerne einen Kommentar und ein Sternchen, wenn euch das Kapitel gefallen hat.♥️

Habt alle einen schönen Tag und passt auf euch auf. 😉☺

Eure Weltenwandlerin 🌍🌏🌎

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