~ 8 ~

Robin war mit dem ersten Heerführer Simon Reichenstein in einen Schwertkampf verstrickt. Irgendwie musste er sich abregen, denn heute Nacht war Vollmond. Und Vollmond hieß für ihn nie etwas Gutes.

Seine Gemahlin hatte schon mitbekommen, dass man ihn heute lieber nicht ansprechen sollte, und sie hatte sich tatsächlich von ihm ferngehalten. Er wusste nicht einmal was sie den ganzen Tag lang getrieben hatte.

Sie wollte das Dorf sehen. Pah! Robin schlug Simons Schwert heftig zur Seite und baute Frust ab. Was war an dem Dorf schon sehenswert? Sie wollte doch nicht tatsächlich den Markt besuchen?

„Prinz Robin!“ Einer ihrer jungen Wachen stürmte aufgebracht in den Saal herein. Er schien außer Puste zu sein und stützte seine Beine an den Oberschenkeln ab.

„Sprecht!“, forderte der Prinz. Beide ließen sie die Schwerter sinken.

„Wir werden angegriffen!“

„Von wem?“ Jäh formten sich seine Augen zu Schlitzen.

„Wir glauben es sind die Räuber!“

Robin biss die Zähne hart aufeinander und malmte sein Unterkiefer. Die Räuber! Wenn sie angriffen, konnte das nur eines bedeuten. Sie wollten zu ihr. Zu seiner Gemahlin. Zu Olivia.

Hastig wechselte er einen Blick mit seinem ersten Heerführer, der genau wusste, was zu tun war. Beide mussten sie so schnell wie möglich zu Olivia, bevor es zu spät war.

Warum musste ihm dies genau heute passieren? Heute, bei Vollmond. Er stieß ein verärgertes Knurren aus und eilte mit großen Schritten an dem jungen Wachmann vorbei. Ehe er aus dem Saal gestürmt war, sah er sie schon kommen. So schnell würde er Olivia wohl nicht erreichen können. Noch dazu, wo er nicht einmal mit hundertprozentiger Sicherheit sagen konnte, ob sie überhaupt in ihrem Zimmer war.

Die Schwerter klirrten, als sie aufeinandertrafen. Durch den Kampf mit Simon war er schon aufgewärmt, doch keineswegs erschöpft. Er war wütend. Richtig wütend, dass sie es wagten die Burg zu stürmen. Seine Burg zu stürmen. Sie mussten doch wissen, dass das für sie den Tod bedeutete.

Sein Schwert traf den ersten Gegner mit voller Wucht in den Bauchraum, wo die wichtigsten Organe saßen. Genau im gleichen Moment sank dieser zu Boden und blieb reglos liegen.

Doch Zeit zum Ruhen blieb Robin nicht, denn schon griff der nächste Räuber erbarmungslos an. Sie waren zu dritt. Simon, der junge Wachmann und er. Doch ihre Gegner waren in der Überzahl. Er hoffte nur seine Bogenschützen am Bergfried würden gute Arbeit leisten und noch einige von den Räubern abwimmeln können.

Als er dem nächsten Räuber die Kehle durchschnitt spritze ihm das Blut auf sein Gesicht. Robin knirschte mit den Zähnen, wenn er daran dachte, was für eine Sauerei sie ihn der Burg anstellten und das alles danach gereinigt werden musste. Er mochte gar nicht daran denken, was Olivia alles zu sehen bekam. Zwar war er nicht einverstanden damit gewesen, sie zu heiraten. Doch auf eine seltsame Art und Weise mochte er sie und er wollte auf keinen Fall, dass ihr etwas zustieß. Dabei ging es nicht einmal so sehr um seinen Ruf und um seine Pflicht dies zu tun, sondern auch um sie.

Robin sah im Gefecht des Kampfes zum jungen Wachmann hinüber, welcher am Bein verletzt wurde und gnadenlos von seinem Gegner angegriffen wurde. Robin ließ sein Schwert über die Oberschenkel seines eigenen Gegners gleiten und sah zu, wie dieser in sich zusammenging. Dann widmete er sich dem Mann, der den Wachmann angriff und stieß ihm mit einem kehligen Knurren die Spitze seines Schwertes durch den Rücken. Dieser ließ augenblicklich seine Waffe fallen.

Robin drehte sich zu Simon um, welcher ebenso mit seinem Räuber fertig geworden war und nachdem sie sich angesehen hatten, liefen sie beide die Treppe nach oben.

Oben angekommen, sahen sie den Wachen vor Olivias Schlafgemach, welcher sie mit allem was er hatte verteidigte. Doch er schien schon beinahe am Ende seiner Kräfte zu sein. Zu all dem war er schwer verletzt und blutete aus dem Bauch. Zwei Räuber kämpften gegen ihn und schienen ihren Spaß dabei zu haben.

„Macht die beiden fertig!“, zischte Robin seinem ersten Heerführer zu. Dieser antwortete mit einem knappen Nicken und stürmte auf die beiden los.

Robin hingegen, nun, er musste sich um seine Gemahlin kümmern.

~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~

Ich stieß einen spitzen Schrei aus, als plötzlich mein Fenster eingeschlagen wurde und ein Mann, der bestimmt schon vierzig Winter gezählt hatte, hereingeklettert kam. Sein Haar hing ihm tropfend vom Kopf und seine Kleidung war durch den Regen durchnässt.

Ob er mir Gutes oder Böses wollte, wusste ich in dem Moment, als er sein langes Schwert zog und auf mich zukam.

„Lasst mich in Frieden!“, kreischte ich und lief auf die andere Seite meines Zimmers. Dort stand mein Spiegel, welchen ich mit meinem Kerzenleuchter zerschlug und der nun in tausend kleine Splitter zersprang.

Der Mann lachte über meinen Versuch, ihn abzuwimmeln und kam immer näher auf mich zu. Er schien keine Eile zu haben, denn er wusste sich in Sicherheit.

Ich bückte mich, hob einen der Spiegelsplitter auf und schleuderte ihn in seine Richtung. Er streifte ihn kurz am Arm, woraufhin der Mann einen beängstigenden Gesichtsausdruck aufsetzte und mit der Schwertspitze auf mein Herz zielte. Als sie mich berührte, konnte ich sofort spüren, dass sie sehr scharf war.

Wütend schwang ich den Leuchter hoch und versuchte das Schwert fortzuschlagen, doch der Mann lachte lediglich.

„Mumm hast du ja.“

„Für Euch immer noch Eure Prinzessin!“, fauchte ich und versuchte mich ein weiteres Mal mit meinem Kerzenhalter zu verteidigen.

Plötzlich wurde die Tür eingetreten, und ein weiterer Schurke kam auf mich zu.

„Ist sie das?“, fragte der Neuzugang. Seine Zähne waren braun und sein Auftreten war ungepflegt, als er auf mich zuging.

„Ja, das ist sie“, lachte mein Peiniger und legte mir das Schwert unter mein Kinn. „Sie wird uns viel Freude bereiten!“

Ich stieß einen Kampfschrei aus und schlug mit meinem Leuchter um mich, bis mir dieser brutal aus der Hand gerissen wurde und ich gegen die Wand gedrückt wurde.

„Du kommst jetzt mit uns!“, zischte der Mann und packte mich unsanft am Arm. Ich schrie, schlug um mich, biss ihm sogar ins Handgelenk, doch es nütze nichts. Mein Peiniger ließ mich nicht los. Er zerrte mich immer weiter in Richtung Fenster, und ich wehrte mich immer mehr. Panik stieg in mir hoch und überschwemmte mich fast, doch ich schlug weiterhin um mich. Schließlich packte auch der zweite Mann mit an und ich hatte beinahe keine Bewegungsfreiheit mehr.

Mein Herz pochte mir bis tief in meine Knochen und ich schrie lauter denn je. Einer der Männer verpasste mir eine Ohrfeige und zischte, ich sollte die Klappe halten. Doch ich dachte nicht einmal daran.

Eine kühle Nachtbrise wehte vom Fenster herein und ließ mich erschaudern. Mein Haar bewegte sich zum Wind und plötzlich konnte ich förmlich spüren, dass noch jemand das Zimmer betreten hatte.

„Hände weg von meiner Gemahlin!“, knurrte eine mir bekannte Stimme drohend. Erleichterung durchströmte meinen Körper.

Die beiden Männer drehten sich zu dem Prinzen um, welcher angriffslustig im Türrahmen stand. Seine Kleidung war blutverschmiert und ein animalischer Ausdruck zierte sein Gesicht. Mit den dunklen Blutflecken auf seiner Haut sah er noch gefährlicher aus, als er es ohnehin schon war, doch ich war noch nie so froh gewesen, Robin von Schwarzenburg zu sehen.

„Wie ich sehe, muss ich mich deutlicher ausdrücken.“ Robin griff erbarmungslos an und wartete nicht auf den ersten Schritt der Gegner. Er hatte den ersten Schritt gemacht und mit einer gezielten Bewegung landete eines der Schwerter mit einem dumpfen Knall auf dem Boden.

Der zweite Mann ließ ebenso von mir ab, weswegen ich hastig einige Schritte von dem Fenster fortlief und neben den Spiegelsplittern stehen blieb. Ich beobachtete wie sich Robin elegant bei dem Kampf bewegte, selbst jetzt wo es kein Üben mehr war. Er schien es im Blut zu haben.

Als der erste Mann, jener Mann, welcher durch das Fenster gekommen war, sein Schwert zuckte, setzte mein Herz aus. Stahl traf auf Stahl und beide schienen sie begabte Schwertführer zu sein. Robin führte sein Schwert so schnell, dass ich ihn nur noch als verschwommenen Schatten wahrnehmen konnte. Er kam dem am Boden liegenden Schwert immer näher, bückte sich rasch und hatte plötzlich zwei in der Hand.

War er mit einem schon gefährlich gewesen, so war er mörderisch mit zweien. Dies schien auch sein Gegner mitbekommen zu haben, doch für ihn war es bereits zu spät. Ich musste kurz wegschauen, als Robin seine Klinge nach oben zog und seinem Gegner einen sauberen Schnitt durch den Bauch vollzog. Mit der zweiten Klinge stieß er kraftvoll an die Stelle, wo das Herz sein sollte und der Mann kippte sofort weg.

Mein zweiter Peiniger hatte dies alles mitangesehen und lief hastig auf das Fenster zu. Dort war er gerade dabei sich abzuseilen, doch Robin durchtrennte das Seil und der Mann stürzte die Burgmauer hinab. Ob er überlebte oder nicht, wusste ich nicht.

Robins eisblaue Augen trafen mich. Er atmete schnell und sein Ausdruck war noch immer gefährlich. Simon Reichenstein betrat das Zimmer, sah das er nichts mehr zu tun hatte und kehrte um.

„Geht es Euch gut?“ Robin war vor mir zum Stehen gekommen und betrachtete mein Handgelenk. Die Männer hatten fest zugepackt, doch darum sorgte ich mich nicht. Mein ganzer Leib zitterte, von der Aufregung, dem Ungewissen und der Angst. Doch vor allem auch deswegen, weil ein Toter in meinem Zimmer lag, mein Fenster zerschlagen war, sich der Teppichboden blutverschmiert zeigte und ich beinahe entführt worden wäre.

„Danke“, flüsterte ich, denn zu mehr wäre ich nicht fähig gewesen.

„Dankt mir nicht dafür.“ Seine Hand wollte mein Gesicht berühren, doch er hielt inne, als er die vielen Blutflecken darauf sah. „Kommt mit.“ Ohne mir eine Wahl zu lassen, schnappte er sich meine Hand und führte mich aus dem Zimmer. Doch vor meiner Tür hatte sich ein Blutbad sondergleichen abgespielt. Entsetzt musste ich feststellen, dass mein Wache nicht mehr da war, doch Robin ließ mir nicht viel Zeit mich umzusehen, denn er dirigierte mich mit schnellem Schritt weiter.

Als wir vor seinem Zimmer ankamen, war es kurz vor Mitternacht. Robin setzte mich langsam auf seinem Bett ab und musterte mich.

„Ich gehe mich waschen und bin in ein paar Stunden zurück. Simon Reichenstein passt gut auf Euch auf.“

„Nein“, war meine einsilbige Antwort. Da sich Robin schon zum Gehen gewandt hatte, drehte er sich noch einmal zu mir um.

„Nein?“

„Bitte bleibt bei mir.“ Ich hatte nie geglaubt, dies jemals zu einen Schwarzenburg zu sagen, doch es war mir einfach rausgerutscht. Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit.

„Glaubt mir, ich würde gern.“ Robin seufzte und kniete sich vor mich. „Ich beeile mich so schnell wie möglich wieder bei Euch zu sein, doch ich muss jetzt gehen.“ Einige Sekunden weilte er bei mir, berührte meine Fingerspitzen und stand dann auf, um aus dem Zimmer zu gehen. Ich eilte zur Tür und schaute ihm hinterher, doch er war so schnell verschwunden, dass ich nicht einmal wusste in welche Richtung er gelaufen war.

„Keine Sorge, meine Prinzessin. Heute Nacht wird Euch nichts mehr passieren.“ Ich blickte in Simon Reichensteins Gesicht, welches ebenso mit Blutflecken bedeckt war. Ich nickte, ging zurück ins Zimmer und schlug die Hände vor das Gesicht.

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