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Sewolt Ochsenstein und seine Räuberbande waren weitergezogen. Zwar befanden sie sich noch immer auf den Ländereien der Familie von Schwarzenburg, doch sie hatten mehr Abstand zwischen sich und der Burg gebracht.

Seitdem sie aus sicheren Quellen erfahren hatten, dass die Prinzessin von Schwarzenburg eine dunkle Hexe war, und diese grauenhaften Kreaturen namens Seelenstehler an ihrer Seite kämpften, wollten sie lieber diesen Abstand wahren. Die Burg würden sie ohnehin nicht mehr zu stürmen wagen, nachdem diese Dämonen die Burg bewachten.

Sewolt merkte, wie ihm diese Distanz gut tat. Er hatte nicht ständig das Bedürfnis, überlegener sein zu wollen. Er konnte sein Leben auf einmal mehr genießen.

Außerdem wusste er, dass es mehrere kleine selbsternannte Dörfer außerhalb der Burgmauern gab, die der Königsfamilie auch nicht unbedingt wohlgesonnen waren. Eventuell konnten sie sich einem von ihnen anschließen.

Als er damals der erste Heerführer gewesen war, hatten sie diese Dörfer ab und an besucht, um sich zu vergewissern, dass sich hier draußen nichts Illegales abspielte. Denn es war diesen kleinen Dörfern verboten, Getreide oder ähnliches anzupflanzen, ohne, dass der König davon profitierte.

Denn diese Leute hatten selbst den Entschluss gefasst, hier draußen leben zu wollen. Niemand zwang sie dazu. Zumindest dachte der König so. Und somit durften sie zwar leben, aber kein Luxusleben führen.

Doch was für eine Wahl hatten diese Menschen schon gehabt?

Wenn man hier draußen geboren wurde, und hier aufwuchs, dann kannte man kein anderes Leben. Man hörte Geschichten über das Königshaus, und bekam einen Zorn auf genau jenes, ohne die Menschen dort jemals kennengelernt zu haben. Das war die große Macht der Worte. Die Leute glaubten nun einmal, was man ihnen erzählte, und gaben dies dann auch den eigenen Kindern weiter.

Der Räuberhauptmann und seine Männer errichteten ein Lager. Es war früher Morgen, und sie waren die halbe Nacht gereist. Jetzt würden sie für ein paar Tage an diesem Ort bleiben, jagen gehen, und sich ausruhen.

"Wie geht es dir?", fragte Sewolt einen seiner Männer. Sein Name war Fritz. Er war damals dabei gewesen, als sie die Seelenstehler zum ersten Mal gesehen hatten. Doch da Fritz schon ein älterer Mann war, hatte er momentan eher mehr schlechte als gute Tage.

"Meine Beine schmerzen von der langen Reise. Ich hoffe wir finden bald ein Dörfchen, wo wir verweilen können. Ich weiß nicht, wie lange mich meine Füße noch tragen werden."

Sewolt seufzte und setzte sich neben ihn auf den Waldboden. "Wenn es dir zu viel wird, dann sag uns Bescheid. Dann machen wir eben ein paar mehr Pausen. Das macht auch nichts. Schließlich haben wir sowieso keine Ahnung, wohin wir gehen. Genügend Abstand zur Burg haben wir ohnehin schon."

Fritz nickte ihm dankend zu, sagte jedoch nichts mehr. Also stand Sewolt kurze Zeit später auf, drückte ihm noch einmal die Schulter, und gesellte sich zu ein paar anderen Männern.

"Nickel und ich werden auf Jagd gehen", begann Wille. "Ich habe vorhin kleine Pfotenabdrücke gesehen, die noch relativ frisch waren."

"In Ordnung. Nehmt noch zwei weitere Männer mit. Vielleicht findet ihr auch noch ein paar Beeren", antwortete der Räuberhauptmann.

"Mit den Beeren wird es zu dieser Jahreszeit eher schwierig, aber wir sehen uns um." Danach wandte sich Wille ab, um auf Nickel zuzugehen.

Sewolt blickte gen den Himmel, und war sich sicher, dass heute ein schöner Tag werden würde. Nach den letzten vielen trüben Tagen, waren die Sonnenstrahlen, die heute durch die Baumkronen scheinen würden, eine richtige Wohltat.

~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~

Ein Tag nach dem anderen verging, an denen mir Corinna einige Sprüche beibrachte, die ich, wenn ich zurück in der Burg war, unbedingt sofort niederschreiben musste.

Aber sie lernte mir nicht nur verschiedene Zaubersprüche, sondern half mir auch bei meiner Stärke, dem Feuer. Sie zeigte mir, was ich damit alles anstellen konnte.

Ich war richtig froh über die Tatsache, dass wir im Wald waren, und uns niemand stören konnte. Denn so war ich imstande, die vielen Zauber auszuprobieren. Ich merkte, wie es mir immer leichter fiel, und hatte nach unserem vierten gemeinsamen Tag auch keine Angst mehr, dass ich jemanden allein durch meine Berührung verletzen könnte.

"Du lernst sehr schnell." Corinna lächelte mich an. Ich wollte etwas erwidern, als wir beide ein seltsames Geräusch vernahmen und uns in diese Richtung drehten.

Auch die Seelenstehler schienen wachsam.

Es war ein sonderbares Schwirrgeräusch, und glich einem Schwarm feindseliger Insekten, die immer näher kamen.

Heute war ein sonniger Tag. Endlich wieder. Denn die letzten Tage hatten die Wolken den Himmel verdeckt. Vereinzelt hatte es sogar geschneit. Der Winter würde also nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Inmitten der vielen Sträucher und Bäume konnten wir tatsächlich einen Schwarm ausmachen, der direkt auf uns zusteuerte. Die Insekten, oder was auch immer das für Tiere waren, sahen in der Ferne wie kleine schwarze Punkte aus.

Der Schwarm wurde immer lauter. Fragend warf ich Corinna einen Blick zu, die lediglich mit den Schultern zuckte und abwarten zu schien.

Das sind die Schattenfeen, Meistern.

Ich schaute zu Erlinda, die ihren Kopf neigte und mich tiefenentspannt anguckte.

"Die Schattenfeen?", fragte ich laut, damit mich auch Corinna verstehen konnte.

Zur Antwort neigte mein erster Seelenstehler erneut den Kopf. Und dann waren sie auch schon da.

Als sie vor uns Halt machten, erstarb auch dieses komische Schwirrgeräusch abrupt.

Ich machte mir erst gar nicht die Mühe, sie zu zählen. Es waren einfach zu viele Schattenfeen, und ich war mir sicher, dass ich nicht zu allen direkten Blickkontakt hatte.

"Ich habe noch nie in meinem Leben Schattenfeen gesehen." Meine Gleichgesinnte war begeistert und trat ihnen gegenüber. Sie lächelte sie interessiert an.

Eine der Schattenfeen flog aus dem Schwarm heraus auf mich zu. Ich hatte diese Feen bis jetzt noch nicht gut in Augenschein nehmen können, doch sie sahen in der Tat sehr außergewöhnlich aus.

Vor allem ihre vier Arme irritierten mich. Die Schattenfeen sahen eigentlich wie winzig kleine Menschen aus, wäre da nicht die Vielzahl an Armen. Oder ihr abgerundeter, großer Po, der einen klebrigen Faden abwerfen konnte. Oder eben ihre schwarzen bis fast schon durchsichtigen Flügel.

"Mein Name ist Maji", stellte sich diese eine Fee bei mir vor. Ihre Stimme klang zart und weich, so angenehm, dass ich ihr vermutlich stundenlang zuhören könnte, sollte sie mir einmal eine Geschichte erzählen wollen.

"Freut mich, Maji." Ich lächelte sie an. "Warum seid Ihr hier? Schickt Euch mein Gemahl?"

Die Schattenfee schüttelte ihren kleinen Kopf. Dabei flogen ihre schwarzen, kurzen Haare von einer Seite zur anderen.

"Euer Gemahl schickt uns nicht, nein. Wir suchen Euch schon seit einigen Tagen. Denn wir wollten Euch etwas Wichtiges mitteilen. Und Euch bitten, wieder in die Burg zurückzukehren."

"Ihr macht mich neugierig. Was ist es, dass Ihr mir sagen wollt?"

Für einen kurzen Moment sagte die Fee nichts. Sie spannte mich regelrecht auf die Folter. Daher hob ich fragend eine Augenbraue, bis sie ihren übergroßen Mund öffnete, und etwas sagte, was mein Herz vor Schock kurz stehenbleiben ließ. Denn, obwohl es absehbar gewesen war, kam es nun doch sehr unerwartet.

"Der König ist tot."

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