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"Guten Tag, mein Prinz." Eine junge Frau mit schwarzen, langen Haaren in einem langen, roten Kleid vollführte einen etwas unbeholfenen kleinen Knicks vor Robin. Dann schaute sie ihm in die Augen und lächelte leicht.
Robin von Schwarzenburg war gerade dabei gewesen, die Burg zu verlassen, doch direkt vor dem Tor wurde er nun von dieser Frau aufgehalten. Sie glich beinahe der Erzählung von Olivia, als sie ihm von der dunklen Hexe berichtet hatte.
Es ließ ihn misstrauisch werden. Deswegen formten sich seine Augen sofort zu einem Strich, ehe er diese Frau genauer betrachtete.
Vielleicht glich sie ihr nicht nur beinahe ...
"Wer seid Ihr?", wollte er scharf von ihr wissen.
Die Frau ließ sich aber durch seinen strengen Tonfall nicht beirren. "Mein Name ist Corinna. Wir haben uns schon einmal unterhalten. Ich denke, Ihr wisst genau, wer ich bin. Einer der Seelenstehler Eurer Gemahlin kam heute zu mir. Sie will mich sehen."
"Bedauerlicherweise will sie das." Er knurrte sie kaum hörbar an, was die dunkle Hexe allerdings nur mit einem spöttischen Lächeln quittierte.
Corinna kannte den Fluch, welcher auf der Familie von Schwarzenburg haftete. Obwohl eigentlich auch nur die neueren Generationen von einem Fluch sprachen. Damals, vor etlichen Jahren, waren die Wölfe noch als Stärke gesehen worden. Als Segen.
Im Laufe der Jahre hatte sich dies allerdings geändert. Corinna verstand nicht, wieso das so war. Die Wölfe unter Kontrolle zu haben, war doch machtvoll. Welcher Herrscher würde sich dies nicht erträumen?
Mehrere Hexen hatten zusammen Magie praktiziert, um den Zauber zu vollführen. Corinna wusste das alles auch nur deshalb, weil sie gerne las. Vorzugsweise über historische Ereignisse. Außerdem stand sie mit einigen anderen dunklen Hexen in Kontakt. Auch wenn sie diese nur selten sah, tauschten sie sich immer über Neuigkeiten und die Geschichte aus.
Corinna wusste daher, dass ein König der Familie von Schwarzenburg vor vielen, vielen Jahren angeordnet hatte, die Wölfe unter Kontrolle haben zu wollen. Dass er sich auch verwandeln konnte, beziehungsweise es immer mindestens einmal innerhalb eines Mondzyklus tun musste, war ein positiver Nebeneffekt gewesen. Zumindest hatten die Schwarzenburgs das damals so gesehen.
Früher hatten sich die Könige öfter in ihren Wolf verwandelt. Sie hatten dabei keine Schmerzen verspürt. Die Schmerzen, die Robin von Schwarzenburg nun jedes Mal haben musste, kamen daher, weil er sich gegen den Wolf sträubte. Da war sich Corinna sicher. Würde er sich innerhalb eines Mondzyklus freiwillig in den Wolf verwandeln, müsste dieser nicht jedes Mal bei Vollmond aus ihm herausbrechen. Zwar kannte die dunkle Hexe keine Einzelheiten, doch sie vermutete, dass Robin sich niemals aus freiem Willen in den Wolf verwandelte. Wieso auch immer. Es musste ein absolut befreiendes Gefühl sein.
Doch deswegen war Corinna nicht erneut in die Burg gekommen.
Sie war hier, weil sie der Prinzessin helfen wollte. Zumindest, weil sie sich irgendwie dazu verpflichtet fühlte.
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Ich hatte das Bett heute noch nicht verlassen. Zwar hatte ich den Wasserkrug angefasst und daraus getrunken, dennoch traute ich meinen Händen nicht.
Genau deswegen hoffte ich, dass die dunkle Hexe namens Corinna bald auftauchte. Sie war sich sicher gewesen, dass einer meiner Seelenstehler sie finden würde.
Erlinda schafft das schon, Meisterin.
Serafina versuchte mich schon seit Stunden mit ihren Worten zu beruhigen. Es gelang ihr meistens, aber ich hatte dennoch Sorge, dass ich etwas zerstörte. Oder jemanden.
Das letzte was ich wollte, war, jemandem wehzutun. Schon gar nicht Robin. Oder Clementia. Oder Simon Reichenstein.
Ich hatte meinen Gemahl darum gebeten, niemanden in mein Zimmer zu lassen. Zum Glück hatte er sofort zugestimmt. Vielleicht hatte er auch eine Ahnung, dass ich gefährlich werden könnte, da ich keinen Schimmer hatte, wie meine Magie funktionierte.
Zwar hatte mir Robin angeboten, dass er die Hexe vom Markt holen lassen wollte, doch ich hatte mich dagegen gesträubt. Sie war eine helle Hexe. Ziemlich sicher konnte sie mir nicht helfen. Vor allem, da sie dies ja schon einmal anmerken hatte lassen.
Die Tür schwang mit einem lauten Knall auf. Sie krachte gegen die Wand dahinter, und der Türknauf blieb zwischen den, nun bröckelnden, Steinen stecken.
Erschrocken setzte ich mich kerzengerade in meinem Bett auf. Auch Serafina war aufgesprungen und fletschte ihre Zähne.
Im ersten Moment war niemand zu sehen, doch schon einen Augenblick später erschien Corinna im Türrahmen. Neben ihr mein Gemahl, welcher die aufgeschlagene Tür skeptisch musterte.
"Olivia!" Die dunkle Hexe lächelte mich breit an. "Ich spreche dich jetzt einfach mit du an. Wir dunkle Hexen sind ja so etwas wie eine Familie. Außerdem brauchst du meine Hilfe, nicht umgekehrt. Also gehen wir nach meinen Regeln vor."
Ohne sie aus den Augen zu lassen schwang ich die Beine aus dem Bett und stand auf. Ich stellte mich neben Serafina, die sich erstaunlicherweise beruhigt hatte. Anscheinend wusste sie, dass mir jemand gleicher Art nichts antun würde. Ich hingegen war da nicht so sicher. Schließlich kannte ich sie nicht.
Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Robin sein Schwert zog. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Corinna benahm sich nicht unbedingt vorzeigbar.
"Du warst schnell hier. Danke", sprang ich auf ihren Vorschlag - oder vielmehr Befehl - ein.
"Ich war nicht weit weg." Sie machte irgendeine komische Handbewegung, grinste mich danach aber wieder an. "Ich kann deine Magie spüren. Sie ist sehr machtvoll. Daher schlage ich vor, wir verschwinden erstmal von hier."
"Auf gar keinen Fall!", mischte sich Robin sofort aufgebracht ein. "Ihr geht mit meiner Gemahlin nirgendwo hin!"
Corinna verdrehte die Augen, wandte sich dann aber an den Prinzen. "Wenn es Euch lieber ist, wenn sie ihre Magie in der Burg ausprobiert, dann gerne. Nur zu. Ein paar Adelige weniger würde dieser Welt bestimmt auch nicht schaden."
Geschockt von ihren Worten, und dass sie so etwas überhaupt vor dem Prinzen zu sagen wagte, mischte ich mich ein.
"Ich gebe ihr recht, Robin. Vielleicht ist es besser, wenn ich meine ersten Versuche nicht in der Burg ausprobiere. Ich habe wirklich Sorge, dass ich jemanden verletze."
Robin knirschte mit den Zähnen. Ihm gefiel diese Situation gar nicht. Er funkelte mich an, nickte jedoch schließlich.
"Wie lange werdet ihr weg sein?"
"Ein paar Tage", antwortete ihm Corinna.
Robin presste erneut seine Zähne hart aufeinander. "Könnt Ihr ein paar Tage präziser definieren?"
Die dunkle Hexe rollte abermals mit den Augen. "Wir werden keinen ganzen Mondzyklus weg sein. Eure Gemahlin muss jedoch erst mit ihrer Magie vertraut werden. Denkt Ihr etwa, das geht von heute auf morgen?", fragte sie mit gereiztem Unterton in der Stimme.
Ich konnte die Spannung zwischen den beiden spüren. Sie konnten sich dem Anschein nach bis auf den Tod nicht ausstehen.
"Pass auf dich auf, Olivia", verlangte Robin mit mehr Zärtlichkeit in seiner Stimme. Er riss sich für mich zusammen, und dafür war ich ihm dankbar.
"Das werde ich." Ich schenkte ihm ein schnelles Lächeln, und schaute noch einmal kurz in sein helles Augenpaar. Darin konnte ich Besorgnis und eine Mischung aus vielen anderen Gefühlen erkennen.
Ich wollte ihn nicht in der Burg zurücklassen. Wirklich nicht. Doch so war es das vernünftigste.
"Gut, dann verschwinden wir jetzt. Sollen wir in deiner wahren Gestalt durch das Dorf gehen, oder soll ich meine Magie wirken lassen?"
"Vielleicht wäre deine Magie angebrachter. Ich weiß nicht, wie die Bevölkerung auf uns reagieren würde, und ich habe mich noch nicht unter Kontrolle."
Die Hexe grinste wissend und ließ dann ihren Zeigefinger kreisen. "Wir müssen uns beeilen und dürfen nicht trödeln. Es ist schwierig für mich, mehrere Personen und einen Seelenstehler zu verwandeln. Es kostet mich einiges an Kraft."
Ich nickte, und danach vollführte Corinna ihren Zauber. Robin starrte sie nur blinzelnd an, als könnte er nicht glauben, was er sah.
Corinna ließ mich die Leute als kleines Mädchen sehen, welches die Hand ihrer Mutter - in diesem Fall Corinna - hielt. In der anderen Hand wickelte sich eine braune lederne Leine um mein Handgelenk. An dessen Ende war ein zotteliger, kleiner, schwarzer Hund zu erkennen.
Schmunzelnd betrachtete ich meinen Seelenstehler, welcher für die Menschen nun absolut harmlos wirkte. So, als könnte dieser nicht einmal mehr einem Huhn etwas zu Leide tun.
"Lass meine Hand bloß nicht los", wies mich die dunkle Hexe streng an.
"Werde ich nicht", versicherte ich ihr.
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Schaut gerne bei meiner Instagramseite vorbei. Dort heiße ich "violetcrowautorin" und bringe euch dort auch immer auf den neusten Stand über meine Geschichten.
Ich hoffe sehr, dass euch "Wolfsfluch" bis jetzt gefällt, und freue mich selbstverständlich über jeden, der dabei bleibt und meine Story zu Ende liest.
Auf jeden Fall bin ich mir sehr sicher, dass ich einen zweiten Teil schreiben werde. Ich war immer unsicher, ob ich es tun soll. Aber die Antwort lautet definitiv JA!
Ich werde es tun.
Hoffentlich kann ich den ein oder anderen unter euch dafür begeistern, auch den zweiten Teil zu lesen. Aber bis dahin dauert es ja noch ein bisschen. Schließlich sind wir hier ja noch nicht fertig ;).
Alles Liebe,
Violet Crow ♡
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