~ 41 ~
Corinna war seit einigen Stunden auf dem Rücken eines ihrer Seelenstehler unterwegs. Abrupt befahl sie ihnen jedoch, dass sie stehen bleiben sollten.
Einzelne weiße Flocken tanzten vom Himmel. Es war eine klare Nacht. Aufgrund der Kälte fühlte sich ihre Nasenspitze schon leicht taub an.
Die Gedanken, wie es der Prinzessin wohl ging, wollten nicht aus ihrem Kopf verschwinden. Eigentlich hatte Corinna gehofft, dass es ihr nicht so viel ausmachen würde, doch da schien sie sich getäuscht zu haben.
Aus irgendeinem ihr unerklärlichen Grund mochte sie die Prinzessin von Schwarzenburg. Dabei sollte Corinna keine Adeligen mögen. Diese waren nur arrognat und auf sich selbst bezogen. Sie kümmerten sich nicht um die Ausgestoßenen. Also wieso sollte sich Corinna nun um eine von ihnen kümmern? Weshalb ließ sie der Gedanke nicht mehr los, ob es ihr gut ging?
Verärgert darüber, wie weich ihr Herz mittlerweile geworden war, wies sie ihre Seelenstehler an, erneut umzudrehen.
Sie musste nach der Prinzessin sehen. Oder zumindest in Erfahrung bringen, wie es um sie stand.
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Hitze.
Ich brannte.
Stand in Flammen.
Meine Haut war dem Feuer schutzlos ausgeliefert.
Ich schrie.
"Olivia."
Die Stimme gehörte zu jemandem, dem ich vertraute. Tief in mir drinnen wusste ich dies. Doch ich hatte keine Ahnung, wem ich diese Stimme zuordnen sollte.
Meisterin.
Zischendes Stimmenwirrwarr in meinem Kopf. Zu wem gehörten diese?
Kälte.
Spitze Eiskristalle durchlöcherten mich.
Schmerzte meine verbrannte Haut.
Ich schrie.
Meisterin.
Wieder diese gezischten Wörter in meinem Kopf. Wurde ich verrückt?
Meine Temperatur sank herab.
Ich fühlte mich besser.
Stand nicht mehr in Flammen.
Wurde nicht mehr von Eiskristallen attackiert.
Verlor erneut das Bewusstsein.
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"Was ist passiert?" Königin Affra von Eisenbach starrte ihren Sohn durch ihre stechend grünen Augen besorgt an. So niedergeschmettert hatte sie ihren einzigen Sohn selten gesehen.
Die Königin hatte sich einen kurzen Augenblick alleine mit ihm erhofft, doch ihr Gemahl war schneller in dem großen Saal angekommen, als ihr lieb gewesen war.
"Du hast versagt?" Die zornige Stimme des Königs durchschnitt die unangenehme Stille, welche entstanden war.
Friedrich von Eisenbach zuckte zusammen. Er wusste, dass diese Neuigkeit seinem Vater nicht gefallen würde. Keine von den vielen Neuigkeiten, wohlgemerkt.
Der Prinz begann von den letzten Wochen zu erzählen. Während der Gesichtsausdruck seines Vaters immer verärgerter wurde, konnte er Unglauben und Besorgnis in dem seiner Mutter erkennen.
"Dieses Kind hat eine verdammte Hexe geheiratet!", stieß der König wütend fluchend aus. "Ich werde sofort einige Wachen in die Bibliotheken schicken, um mehr über die Seelenstehler zu erfahren. Irgendwie muss man sie töten können."
"Glaub mir Vater, wenn ich dir sage, sie sind nicht umzubringen. Erst wenn die dunkle Hexe stirbt, sterben auch sie."
"Das glaube ich nicht. Jedes Lebewesen kann getötet werden."
"Nicht diese. Sie sind schon tot. Irgendwie."
"Jedes Lebewesen kann getötet werden", wiederholte König Utz von Eisenbach wütend. Zornesfalten standen ihm auf der Stirn, bis er zu seiner Gemahlin blickte und er ihren sorgenvollen Blick bemerkte. "Sie werden uns nichts tun. Dafür sorge ich."
Königin Affra nickte, und rang um ein Lächeln. Dann verließ sie jedoch den großen Saal, ohne noch ein Wort zu sagen. Der König und der Prinz konnten ihrem langen orangen Haar nur nachsehen, bis es um die Ecke verschwand.
Die Königin wusste, dass die Familie von Schwarzenburg nicht lange warten würde, bis sie zuschlagen würden. Sie war keine törichte Frau. Schließlich hatte ihr Sohn die Prinzessin nicht mit Samthandschuhen angefasst. Vermutlich hatte er vorhin nicht alles erzählt, doch das brauchte ihr Sohn auch gar nicht. Sie kannte ihn immerhin schon sein ganzes Leben lang. Die Königin wusste, wie ihr Sohn tickte, dachte und handelte.
Der Prinz von Schwarzenburg war bestimmt außer sich vor Zorn. Selbst wenn er seine Gemahlin nicht liebte, durfte niemand eine zukünftige Königin so herabwürdigend behandeln.
Königin Affra von Eisenbach suchte einen Mann im Dorf auf, welcher ihr hoffentlich behilflich sein konnte. Sie wusste, dass es wohl nicht allzu lange dauern würde, bis ihr Ende anbrach. Doch sie wollte ihren Sohn schützen.
Ihn in Sicherheit wissen.
Schließlich war er ihr Kind. Ihr Baby.
Niemals würde sie wollen, dass er starb. Gar vor ihren Augen. Schon alleine der Gedanke bereitete ihr Magenschmerzen.
Nein, das durfte sie nicht zulassen. Sie musste ihr Kind beschützen. Es erneut versuchen. Nicht scheitern, so wie schon einmal vor einigen Jahren bei ihrer Tochter. Selbst wenn er erwachsen war und ein guter Krieger. Es änderte nichts an der Tatsache, dass sie seine Mutter war, und ihn immer beschützen würde.
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Schweißperlen standen mir auf der Stirn. Ich roch unangenehm. Mein Haar klebte eklig an meinem Kopf.
Meine Augen waren geschlossen. Ich versuchte sie zu öffnen, doch es gelang mir nicht.
Meine Lippen fühlten sich trocken an. Aufgerissen. Spröde.
Ich fühlte mich durstig. Wollte etwas sagen. Um Wasser bitten. Doch mein Mund klebte zusammen. Ich brachte keinen Ton über die Lippen.
Meine Finger zuckten kurz, und ich spürte, dass ich auf etwas Weichem lag. Meinem Bett vielleicht.
Wie wenn die Stimme Lichtjahre entfernt war, hörte ich sie dumpf. Keine Ahnung wem sie zuzuordnen war. Ich wollte erneut um Wasser bitten, doch blieb stumm.
Ich wollte der Stimme weiter lauschen, denn ich mochte sie. Es war ein männlicher Tonfall, da war ich sicher. Wärme und Geborgenheit verband ich damit. Diese Stimme lullte mich eigenmächtig ein.
Unbemerkt fiel ich abermals in einen tiefen, traumlosen, unruhigen Schlaf.
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Der Priester sah seine Chance gekommen. Noch nie war ihm die Prinzessin von Schwarzenburg so schutzlos ausgeliefert gewesen. Er brauchte einfach zu sagen, dass er für sie beten würde, währenddessen er nichts anderes vorhatte, als ihr ein Messer in ihr schwarzes Herz zu rammen.
Dunkle Hexen mussten im Fegefeuer brennen. Sie waren gefährlich. Mehr als das.
Gestern hatte er mit eigenen Augen gesehen, wie die Seelenstehler angerannt gekommen waren. Mit einem lauten Brüllen, einem drohenden Fauchen, waren sie durch das Dorf geprescht.
Der Priester hatte sie zum ersten Mal gesehen. Ihm war bei deren Anblick ganz anders geworden. Gleichzeitig hätte er sich am liebsten übergeben wollen. Dieser Gestank, der an ihnen haftete, war mehr als penetrant. Schon alleine das zeigte, dass niemand von ihnen hier auf dieser Welt sein sollte.
Weder die Seelenstehler, noch die Hexe.
"Mein Prinz." Der Priester neigte den Kopf und begrüßte Robin von Schwarzenburg. Dieser ließ die Prinzessin fast nicht aus den Augen. Neben ihm stand der erste Heerführer, Simon Reichenstein. Im Moment war auch die Heilhexe vom Markt anwesend. Sie besuchte die Prinzessin zweimal am Tag.
"Priester. Was wollt Ihr hier?", fragte der Prinz. Man sah ihm an, dass er noch keinen Schlaf gefunden hatte, seitdem es der Prinzessin so schlecht ging.
"Ich möchte ein Gebet für die Prinzessin sprechen."
"Jetzt können ihr nur mehr die Götter helfen", murmelte die helle Hexe.
Hoffentlich nicht, dachte sich der Priester. Nachdem Robin ihm erlaubt hatte, dass er zur Prinzessin durfte, öffnete er die Tür und trat ein.
Er hätte es wissen müssen. Doch er war nicht darauf vorbereitet gewesen.
Zwei Seelenstehler lagen auf dem Boden, direkt neben dem Bett der Prinzessin. Als der Priester eintrat hoben sie die Köpfe. Der größere der Seelenstehler stand dann sogar auf und beäugte ihn misstrauisch.
Schlagartig klopfte auch das Herz des Priesters schneller. Konnten sie seine Gefühle lesen? Gar seine Gedanken? Es ließ ihn nervöser werden. Vielleicht hatte er sich mit dieser Aufgabe übernommen. Am besten er sprach ein Gebet für sie, und verschwand dann wieder.
Keinen Augenblick später wurde er sich seiner Gedanken bewusst. Nein. Der Priester würde niemals ein Gebet für eine dunkle Hexe sprechen! Selbst wenn er nach diesem Tag zu seinen Göttern gesandt wurde.
Er versuchte die Seelenstehler zu ignorieren, welche ihn mit ihren blutroten Augen verfolgten. Ihre Körper schienen angespannt zu sein, so als würden sie dem Priester auf der Stelle den Kopf von den Schultern beißen, sobald dieser etwas Unüberlegtes tat.
Der Priester musste nun tatsächlich auf der Hut sein. Das scharfe Messer, welches er unter seinem weiten Mantel versteckt hatte, war nun so schwer wie Blei. Er konnte es mit jedem Schritt, den er vorwärts ging, spüren. Täuschte er sich, oder klimperte das Messer sogar bei jedem weiteren Schritt?
Verärgert darüber, dass er so nervenschwach war, verdrängte er diese Gedanken. Er bildete sich momentan zu viel ein.
Endlich war er neben der schlafenden Prinzessin angekommen. Ihre Haut war blass und verschwitzt. Das braune Haar klebte an ihrem Kopf, so als wäre sie in einen Topf voll Wasser gefallen. Ihre Augenlider zuckten unruhig.
Vorsichtig und darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, zog der Priester das Messer hervor. Er durfte nicht über die Konsequenzen nachdenken. Musste einfach tun.
Doch ehe er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, war ein ohrenbetäubendes Fauchen zu hören. Aus Schreck ließ der Priester das Messer zu Boden fallen. Klirrend kam es auf.
Mit nur einem Satz war der größte Seelenstehler neben ihm. Dieses Tier fletschte die Zähne und offenbarte dem Priester somit eines seiner tödlichen Waffen.
Zeitgleich schossen unzählig viele klebrige Fäden auf den Priester zu. Erst im zweiten Moment erkannte er, dass es sich hierbei um Schattenfeen handelte.
Schattenfeen! Verfluchte, elendige Biester! Er hätte es wissen müssen.
Robin von Schwarzenburg und sein treu ergebener erster Heerführer stürmten ins Zimmer. Mittlerweile konnte sich der Priester nicht mehr bewegen, so eingeengt war er durch diese klebrigen Fäden nun.
Der Priester brauchte nichts erklären, oder schönreden. Das Messer zu seinen Füßen sprach ohnehin für sich selbst.
Er hatte versagt.
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