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Nachdem ich Robin gefunden, und ihm alles über die dunkle Hexe erzählt hatte, hatte er natürlich sofort einige Soldaten losgeschickt, um sie zu suchen. Ich war mir jedoch ziemlich sicher, dass sie nicht gefunden werden würde.

Es war abends, und Robin und ich lagen nebeneinander auf der Matratze. Ich war schon vor einigen Stunden zu Bett gegangen, da ich mich absolut nicht wohlfühlte. Doch eingeschlafen war ich nicht. Das lag aber nicht daran, dass ich unbedingt auf meinen Gemahl hatte warten wollen, sondern schlicht an meinen Gedanken, die nicht leise sein wollten, und meine innerliche Unruhe.

Mit den Füßen strampelte ich meine Bettdecke von den Beinen, welche leise auf dem Boden aufkam.

"Ist dir heiß?", wollte Robin sichtlich verwirrt von mir wissen.

"Ja."

"Draußen ist es frostig." Robin setzte sich auf und musterte mich eingehend. Ich konnte seine Verwirrung nachvollziehen, denn in unserem Zimmer knisterte zwar das Holz im Kamin, und spendete Wärme, doch heiß war es in diesem Zimmer deswegen nicht. Schön warm, ja. Aber nicht so, dass ich unter normalen Umständen ohne Decke schlafen würde.

Er legte mir eine Hand an die Stirn, woraufhin sich sein Blick verfinsterte. "Du glühst. Das ist bestimmt Hexenwerk. Wir sollten umgehend die helle Hexe vom Markt zu uns in die Burg holen."

Ich rollte mit den Augen, denn meiner Meinung nach übertrieb Robin maßlos. Den kompletten Nachmittag über hatte er nichts anderes gemacht, als gemeinsam mit seinen Männern diese Frau von heute Morgen zu suchen. Erfolglos.

"Mir haben ihre Worte auch Angst gemacht. Irgendwie. Aber vermutlich habe ich mich irgendwann die letzten Tage zu wenig warm angezogen."

"Olivia." Seinem Tonfall nach zu urteilen, wollte er jetzt nicht mit mir diskutieren.

Ich konnte es ihm nicht verübeln. Denn ich hatte Robin jedes noch so kleine Detail meines Gesprächs mit der schwarzhaarigen Hexe erzählt. Vielleicht hätte ich genau dies nicht tun sollen.

Nun machte sich mein Gemahl nämlich unnötig Sorgen um mich. Diese dunkle Hexe war bestimmt zu vielem fähig, aber ganz sicher nicht dafür, dass ich mich im Moment so matt fühlte.

Oder?

~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~

"Simon Reichenstein!" Der junge Prinz hämmerte wild gegen die verschlossene Tür des erstes Heerführers.

"Mein Prinz." Verschlafen öffnete dieser seine Tür und schaute einem aufgebrachten Robin ins Gesicht. "Was kann ich für Euch tun?" Er war  in seinen Schlafklamotten bekleidet, doch das störte keinen der Männer.

"Olivia geht es immer schlechter. Ich muss zu der hellen Hexe auf dem Markt. Begleitet Ihr mich?"

"Gebt mir ein paar Minuten, um mich vollständig anzuziehen."

Der Prinz nickte, und Simon Reichenstein schloss die Tür hinter sich erneut. Wenn sein Prinz ihn brauchte, dann war er immer zur Stelle. Egal ob bei Tag, oder bei Nacht. Niemals würde er ihn alleine lassen, selbst dann nicht, wenn es eine Bitte und kein Befehl war.

Simon Reichenstein zog sich in Windeseile an und stand kurze Zeit später marschbereit neben Robin von Schwarzenburg.

Er hatte seinen zukünftigen König in der Vergangenheit selten so besorgt erlebt. Seitdem er vermählt war, allerdings öfter.

Frauen bereiteten nichts als Sorgen und Kummer, da war sich der junge Krieger sicher. Gut, dass er diese Probleme nicht hatte. So konnte er sich nämlich voll und ganz auf seine Arbeit als erster Heerführer konzentrieren. Mit einer Frau an seiner Seite ging das schlecht.

"Als ich sie im Zimmer zurückgelassen habe, war ihre Haut trocken und heiß. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie. Dieses Biest heute im großen Saal hat nicht umsonst gesagt, dass es eine Erleichterung wäre, wenn sie tot wäre. Bestimmt hat sie irgendeinen Zauber gesprochen, während die beiden alleine waren."

Aus Robins Stimme sprach die pure Verzweiflung. Er kannte sich mit Magie nicht gut genug aus. Zwar war er ein Wolf, und er wusste, dass einer seiner Vorfahren vor etlichen Jahren verflucht worden war, doch das war es dann auch schon mit seinem Wissen über die Magie. Sonderlich viel war das nicht.

"Es wird bestimmt alles gut werden. Mittlerweile kenne ich die Prinzessin auch schon ziemlich gut. Sie ist stärker, als Ihr ahnt."

"Trotzdem macht es mich verrückt", gab Robin zu, während die beiden Männer in die Stallungen eilten. Dort wurden sie von den Stallburschen aufgrund der Uhrzeit zuerst verdutzt angestarrt. Danach sputeten sie jedoch, um Feuerherz und einen Schimmelwallach zu holen.

Die beiden Männer trieben die Pferde sofort in einen schnellen Trab, damit sie schleunigst die Hütte der Hexe erreichten. Dort angekommen, klopfte Robin stark gegen die Tür, sodass diese leicht erbebte.

"Mein Prinz." Die helle Hexe öffnete einen Augenblick später die Tür. Sie war vollständig bekleidet, und es sah so aus, als hätten die beiden Männer sie soeben bei etwas unterbrochen. Doch die helle Hexe ließ beide Männer ohne Kommentar eintreten.

Robin warf einen Blick auf den Holztisch, welcher mittig im Raum zu sehen war. Dort lag ein weißer toter Vogel darauf, dessen Innereien deutlich zu sehen waren. Die Hexe sezierte den armen Vogel wohl gerade. Wenn der Prinz auf die Hände der hellen Hexe schaute, dann konnte er auch ihre blutigen Finger erkennen.

"Wir benötigen Euer Wissen", begann Robin sofort.

"Um was geht es denn?"

"Meine Gemahlin fühlt sich krank. Sie hat hohes Fieber, und außerdem hatte sie heute Besuch."

Die Hexe zog eine Augenbraue nach oben. "Schön, wenn sie Besuch hatte. Gegen das Fieber empfehle ich kühle Wadenwickel, viel trinken, und ausreichend Ruhe."

Robin fuhr sich aufgebracht mit einer Hand durch seine schwarzen Haare. "Sie hatte Besuch von einer dunkeln Hexe", wisperte er gepresst.  Eigentlich hatte er es nicht aussprechen wollen, doch dieser Hexe musste er es erzählen. Andernfalls konnte sie seiner Gemahlin nicht viel helfen.

Der Hexe entkam ein überraschter, greller Laut.

"Wo ist diese dunkle Hexe nun?"

"Wissen wir nicht. Deswegen benötigen wir Eure Hilfe."

Die Mundwinkel der alten Frau zogen sich nach oben, jedoch schüttelte sie kurze Zeit später den Kopf. "Ich kann Euch nicht helfen, mein Prinz. Wie es aussieht, hat diese dunkle Hexe den Schlummer der Magie Eurer Gemahlin aufgehoben. Ich bin nur eine helle Hexe. Ich kann nichts dagegen tun. Lediglich für die Prinzessin beten, und hoffen, dass sie stark genug ist."

Sämtliche Farbe wich aus Robins Gesicht. Das waren keine Worte, die ihm gefielen. "Ihr könnt nichts dagegen tun, oder Ihr wollt nicht?" Seine Stimme klang drohend.

"Selbstverständlich will ich, doch ich wüsste nicht wie. Ich kann mit Euch kommen, und mir die Prinzessin ansehen. Vielleicht kann ich ihre Schmerzen lindern."

"Gut. Dann kommt mit uns mit." Robin wollte sofort wieder aufbrechen, um nach Olivia zu sehen. Er fühlte sich nicht wohl dabei, sie so lange alleine zu lassen.

"Lasst mir noch schnell meine Hände waschen." Die Hexe zeigte dem Männern mit einem schiefen Grinsen ihre blutverschmierten Handinnenflächen.

Robin nickte knapp, und sah ihr dabei zu, wie sie den weißen Vogel in ein verschließbares Glas sperrte. Dazu murmelte sie irgendwelche unverständlichen Worte, und wusch sich danach gründlich die Hände.

Die Hexe ritt auf dem Schimmelwallach des ersten Heerführers mit. Als sie die Burg erreichten, machten sie sich sofort wieder auf den Weg zur Prinzessin. Robin machte sich mittlerweile schon ernsthafte Sorgen, wie es ihr im Moment gehen würde. Hoffentlich konnte die Heilhexe tatsächlich ihre Schmerzen lindern. Denn er war sich sicher, dass sie diese mittlerweile haben dürfte.

~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~

In einer kleinen Höhle im Inneren der Burg herrschte reges Treiben. Dunkle, kleine Schatten huschten von einer Ecke zur anderen.

Schattenfeen.

Wenn man den Worten der Bevölkerung Glauben schenken wollte, dann waren sie lästige, kleine Biester. So unerwünscht wie die Fliegen im Sommer, die ständig bei den Pferden herumschwirrten.

Sie waren kaum größer als die Handfläche eines ausgewachsenen Mannes. Ihre Zähne verliefen spitz und waren lang. Der Mund war groß, ansonsten hätten diese Zähne auch keinen Platz darin gefunden. Ihre beiden Beine waren lang, ebenso wie ihre vier Arme. Die schwarzen Flügel besaßen einige Lücken, waren ziemlich undurchsichtig und ließen die kleinen Feen sehr schnell fliegen. Wenn sie wollten, dann konnten sie sich wie ein Schatten fortbewegen - leise und ungesehen.

Ein bisschen erinnerten Schattenfeen an Wespen. Auch diese Insekten waren, laut der Bevölkerung, störend. Denn Schattenfeen besaßen ebenso einen Stachel und ein dickeres Hinterteil. Doch ihr Stachel sonderte kein Gift ab, sondern sie konnten damit einen klebrigen Faden abwerfen, der dem Netz einer Spinne glich.

Sollten sie sich also bedroht fühlen, oder jemanden einengen wollen, dann schafften sie dies in wenigen Sekunden mithilfe dieses klebrigen Fadens.

Schattenfeen lebten in Gemeinschaften. Es gab keine dieser Feen, die alleine als Einzelgänger herumirrte. Denn nur zusammen waren sie stark.

So wie eben. Die Feen waren schon wieder dabei Plätzchen zu backen. Sie hatten es sich mittlerweile zur Aufgabe gemacht, der neuen Prinzessin von Schwarzenburg früh am Morgen welche neben ihr Bett zu stellen. Zwar wusste die Prinzessin nicht, dass es die Schattenfeen waren, doch diese wollten sich mit ihr gutschließen.

Immerhin wussten die Feen, dass sie eine Hexe war. Eine Dunkle noch dazu. Sie wussten das schon so lange, denn sie hatten es spüren können. Und Schattenfeen stellten sich nun einmal gerne auf die Seite der Mächtigen.

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Robin trat zu mir ans Bett. Er berührte mich an der Stirn, und zischte irgendetwas, als er mitbekam, wie heiß ich mittlerweile war.

Ich fühlte mich auch so. Heiß. Glühend. Meine Haut stand in Flammen.

Alles schmerzte. Ich konnte mich kaum bewegen, weil jeder Knochen weh tat. Doch gleichzeitig wusste ich nicht, wie ich mich am besten im Bett drehen sollte, damit eben nichts weh tat.

Als Robin weg war, hatte ich mich von einer Seite zur anderen gewälzt. Ich war immer wieder kurz weggedöst, sodass ich absolut nicht sagen konnte, wie lange Robin im Gesamten fortgeblieben war.

Doch ich bekam mit, dass er nicht alleine war. Die Heilhexe gesellte sich neben mein Bett, ging in die Hocke und betrachtete mich. Sie verzog den Mund zu einer komischen Grimasse. Danach wandte sie sich an meinen Gemahl. Sie sprach leise, dennoch verstand ich jedes Wort.

"Ihr solltet einen Badezuber bringen lassen. Mit kaltem Wasser. Eiskaltem Wasser."

Robins Augen verengten sich. Dem Anschein nach konnte er der hellen Hexe nicht komplett vertrauen. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn mir ging es mit der alten Frau nicht anders. Sie war irgendwie seltsam.

"Eure Gemahlin wird von Minute zu Minute heißer. Ihr Körper wird bald nicht mehr wissen, wohin mit dieser Hitze. Es ist nicht vergleichbar mit einem normalen hohen Fieber. Vergesst nicht, dass sie eine dunkle Hexe ist. Sie ist kein Mensch. Genausowenig wie Ihr. Wenn Ihr ihr helfen wollt, dann sorgt dafür, dass sie nicht zu brennen beginnt."

Ihre Worte machten etwas mit mir. Sie ließen mich nervös und innerlich absolut panisch werden.

Ich hatte schon angenommen, dass es nicht mehr normal war. Auch die Tatsache, dass es keine alltägliche Erkältung war, war zu mir durchgesickert. Robin hatte recht, das wusste ich. Es hatte etwas mit der dunkeln Hexe von heute Morgen zu tun.

Ich erinnerte mich an die unscheinbare Berührung unserer Hände zurück. Und wie sie danach dieses Wort gesagt hatte. Faszinierend.

Draußen war es zwar noch dunkel, und nur der Mond konnte die Nacht ein bisschen erhellen. Es war finster und leise draußen. Eigentlich. Bis jetzt.

Denn ich hörte sie.

Jeder hörte sie. Da war ich sicher.

Sie hatten versprochen, mich nicht alleine zu lassen, wenn sie annahmen, dass ich in Lebensgefahr schwebte. Einerseits sorgte diese Erkenntnis für noch mehr Unruhe in mir, andererseits war ich erleichtert.

Serafina und Erlinda stießen ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, das das komplette Dorf erzittern ließ. Selbst mich ließ es nicht kalt. Wüsste ich nicht, dass es meine beiden Seelenstehler waren, dann bekäme ich jetzt sowas von Angst. Stattdessen beruhigte mich dieses Brüllen.

Ich wusste, sie waren auf direktem Weg zu mir. Am besten es stellte sich ihnen niemand in den Weg. Denn das würde für den Gegner nicht gut ausgehen. Das würde es niemals.

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Ich habe gestern eine eigene Instagramseite für meine Geschichten hier auf Wattpad erstellt, wo ich euch auch immer wieder auf dem Laufenden halte. Es würde mich freuen, wenn der ein oder andere dort mal vorbeischaut.

Profil: violetcrowautorin

Ich wünsche euch noch einen schönen letzten Februartag! :)

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