~ 37 ~
Pirmin und Benjamin ritten seit Tagen nebeneinander her. Die beiden Männer sprachen kaum ein Wort miteinander, was wohl mehr an Pirmin lag. Denn Benjamin war sonst sehr gesprächig. Doch aus irgendeinem Grund genoss der ältere Magier die Gesellschaft des jüngeren dennoch. Warum auch immer.
"Die Magier kommunizieren untereinander", sagte Bejamin plötzlich. Es wurde langsam abends, die Sonne war nur mehr am Horizont zu erkennen.
"Ihr könnt sie noch hören?" Pirmin war erstaunt. Als er damals die Magierlichtung mitsamt den Männern hinter sich gelassen hatte, hatte er bis heute keinen einzigen der Magier mehr in seinem Kopf gehört.
Denn Magier konnten untereinander mit ihren Gedanken kommunizieren. Es war so etwas ähnliches wie wenn man einen Brief las. Nur, dass die Worte von jemandem gesprochen wurden, und dies absolut nur in den Gedanken ablief. Allerdings geschah es relativ selten, immer nur dann, wenn etwas richtig Weltbewegendes passierte.
"Ich verstehe die Wörter nur abgehakt, aber ja, ich höre sie." Benjamin musste sich scheinbar richtig anstrengen, doch kurze Zeit später grinste er Pirmin an. "Wollt Ihr wissen, was ich soeben herausgefunden habe?"
Er rollte mit den Augen, sodass Benjamin nichts davon mitbekam. "Ihr würdet es mir ohnehin sagen."
"Ich weiß, wer die dunkle Hexe ist. Leider wissen es jetzt aber auch alle anderen Magier."
Pirmin schaute den jungen Magier neugierig an. Widerwillig zeigte er doch Interesse. Eigentlich sollte er genau das Gegenteil verspüren. Das wäre zumindest zu seinem Besten.
"Die frisch vermählte Prinzessin von Schwarzenburg ist unsere dunkle Hexe." Benjamin grinste den älteren Magier viel zu freudestrahlend an.
"Ihr wollt vermutlich zu ihr", stellte Pirmin Malel fest. Zum Glück waren sie ohnehin in diese Richtung unterwegs, da Pirmin nicht allzu weit entfernt von der Burg wohnte.
Wenn er an seine Hütte dachte, dann kam Wehmut in ihm auf. Viel zu lange war er nicht mehr dort gewesen. Er sehnte sich die Tage zurück, wo er noch nichts von den Seelenstehlern gewusst hatte. Ihn ärgerte es, dass er sich überhaupt auf den Weg zur Magierlichtung gemacht hatte.
Was hatte ihm das gebracht? Nichts. Außer, dass er nun einen plauderfreudigen Gefährten an seiner Seite hatte. Prima.
"Ja. Ich muss zu ihr. Ich will sie kennenlernen."
"Sie ist die zukünftige Königin. Ich denke nicht, dass Ihr eine Chance bei ihr habt", stellte Pirmin nüchtern klar.
Benjamin fing schallend an zu lachen. Er hielt sich mit der rechten Hand an der Mähne seines Pferdes fest, und drückte die andere auf den Bauch.
Pirmin wiederum überdrehte nur die Augen. Hatte er vorhin noch mit dem Gedanken gespielt, dass er Benjamins Gesellschaft genoss? Hmpf.
"Ich bin nicht an der Prinzessin als ihr Liebhaber interessiert. Aber ich möchte sie trotzdem kennenlernen, und herausfinden, ob sie eine Gefahr für uns darstellt. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ich sie vor den anderen Magiern beschützen. Denn ich weiß, dass sie es auf sie abgesehen haben werden."
"Hm." Primin war in seinen eigenen Gedanken versunken, sodass er Benjamin nur mit halbem Ohr lauschte.
"Über was denkt Ihr so angestrengt nach?", wollte dieser schließlich von ihm wissen.
"Ich kenne die Königin Marissa von Bell. Sie hätte sich niemals dem Gesetz widersetzt, eine dunkle Hexe zu zeugen. Und der König Isaak von Bell ist alles andere, aber ganz bestimmt kein Magier."
"Interessant. Denkt Ihr etwa, dass die Heilhexe vergewaltigt wurde?"
Primin schüttelte den Kopf. Nickte jedoch wenig später nachdenklich. "Entweder das, oder der König zwang sie dazu. Olivia ist schließlich die Zweitgeborene. Vielleicht wurde die Königin mit ihrer ersten Tochter Ida erpresst."
"Vom König? Ihr denkt doch nicht, dass der König seinem eigenen Fleisch und Blut etwas angetan hätte?"
"Dem König von Bell traue ich viel zu. Er kann ziemlich skrupellos und kaltblütig sein. Vielleicht wollte er seine eigene dunkle Hexe haben. Sie großziehen und zu seiner persönlichen Waffe machen."
Primin war weiterhin in Gedanken versunken. Das alles würde Sinn ergeben. Anders konnte er es sich nicht vorstellen. Vermutlich hatte Marissa von Bell die Magie ihrer Tochter schlafen gelegt, sodass deswegen nie der Verdacht aufgekommen war, dass sie eine Hexe wäre. Und was den Magier betraf, nun, dieser war vermutlich schon lange tot.
"Begleitet Ihr mich zur Burg?"
Benjamins Worte rissen den älteren Magier aus seinen Gedankengängen.
Primin seufzte genervt auf. Doch er nickte schließlich. Er hatte ohnehin nichts besseres vor ... Sein weiches Bett in seiner Hütte konnte auch noch ein paar Monde länger warten.
~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~
"Robin!"
Ich lief auf meinen Gemahl zu, doch er ging schnurstracks geradeaus weiter.
"Robin!", rief ich erneut.
Ich hatte extra hier auf ihn gewartet, weil ich wusste, dass meine Wachmänner mit ihm wegen diesem einen Mann im Dorf sprechen wollten.
"Olivia. Ich habe versprochen, dass ich denjenigen Leid zufügen werde, die dir drohen. Dich verletzen. Dich töten wollen! Und du willst nicht, dass ich ihm eine Lektion erteile? Wie sieht das denn für die restliche Bevölkerung aus?"
Robin schien gereizt. Also hatten die Wachen wohl mehr erzählt, als ich gehofft hatte.
Seufzend schüttelte ich den Kopf. "Bitte mach es nicht. Nur dieses eine Mal. Dieser Mann stellt keine Gefahr für mich dar. Wirklich nicht."
Robin knirschte lautstark mit den Zähnen. "Olivia", zischte er einfach nur übellaunig.
"Bitte", flehte ich.
"Olivia." Er schloss die Augen und presste sie aufeinander.
"Bitte", bat ich ihn erneut inständig.
"Sollte er dir noch einmal blöd kommen, dann werde ich mich nicht mehr zurückhalten. Und auch bei sonst niemandem!" Er öffnete die Augen und starrte mich entschlossen an.
"Danke." Erleichtert stieß ich die angehaltene Luft aus und betrachtete meinen Gemahl.
Weiterhin gereizt stand er mir gegenüber. Seine eisblauen Augen bohrten sich in meine. Ich würde leugnen, wenn ich behauptete, dass mich seine Augen nicht magisch anzogen. Selbst jetzt, wo er verärgert war. Er betrachtete mich durch sein hypnotisierendes Blau, welches mit einem Silberglanz durchzogen war. Sie waren nicht nur einfach blau, oder schlicht grau. Nein, sie besaßen beide Farben und wirkten dadurch besonders. Einzigartig.
Seine pechschwarzen Haare standen in alle Richtungen ab. Vermutlich war er sich einige Male mit den Fingern aufgebracht hindurch gefahren.
Ich konnte ihn verstehen. Ich konnte ihn absolut verstehen. Ziemlich sicher machte er sich Sorgen um mich, denn er hatte mich gern. Dessen war ich mir sicher. Schon alleine wie geladen er nun war, zeigte mir dies deutlich. Außerdem brauchte ich nur an die ganzen vergangenen Ereignisse zurückdenken. Stets hatte er mich umsorgt und liebevoll behandelt.
Deswegen dachte ich nicht mehr länger nach, sondern stellte mich auf meine Zehenspitzen und presste meine Lippen gegen seine. Zuerst schien er überrascht, doch dann legte er seine warmen Hände an meine Taille und zog mich näher an sich heran.
Meine Augen schlossen sich, und ich gab mich ihm hin. Dem Kuss hin.
Robin küsste mich zurück. Und wie er mich küsste! Wie ein ausgehungertes Tier. Was er vermutlich auch war. Denn unser letzter Kuss lag schon eine Weile zurück. Auch ich hatte mich nach ihm gesehnt. Nach seinen weichen Lippen. Das wurde mir jetzt mit einem Schlag so richtig klar.
Unsere Münder bewegten sich aufeinander. Seine Zunge trennte meine Lippen, und dann drang er in mich ein. Ein berauschendes Gefühl machte sich in mir breit, und ich stöhnte leise gegen seine Lippen. Dieses Geräusch ließ ihn nicht unbeeindruckt, denn er zog mich noch enger an sich heran. Falls dies überhaupt möglich war.
"Ich habe dich vermisst", murmelte er, als er von mir abließ.
"Ich dich auch."
Ich schlug die Augen auf, und traf nun auf ein kristallblaues Augenpaar, in denen ein Sturm zu toben schien. Nun war es nicht mehr die Verärgerung, die aus ihnen herausblitzte, sondern pures Verlangen.
"Lass uns ins Schlafzimmer gehen", flüsterte ich. Seine Pupillen vergrößerten sich schlagartig und füllten beinahe die gesamte Iris aus.
"Bist du sicher? Fühlst du dich wieder bereit?" Ich wusste, welches Thema er ansprach, doch ich nickte. Alles was mir während meiner Gefangenschaft bei den Eisenbachs passiert war, galt der Vergangenheit. Ich würde es niemals vergessen können, doch mit der Zeit wurde es besser.
Was ich im Moment aber wollte, war Robin. Und ich wusste, dass er mich auch wollte. Deswegen nickte ich ein zweites Mal und legte meine Hand in seine.
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