~ 25 ~
Beschützt den König! Königin Ottilie gingen die Worte der jungen Prinzessin nicht mehr aus dem Kopf. Sie wollte eher, dass man den König beschützte, als sich selbst. Verzweiflung nagte an ihr und die Königin bangte um das Leben der Prinzessin.
„Sie wird es schaffen." Der König von Schwarzenburg versuchte sich aufzusetzen. „Sie ist stark."
„Sie ist eine Frau!" Viel zu hastig stand sie auf und ging nervös im Zimmer des Königs auf und ab. Etwas Schlimmeres als in den Händen der Familie von Eisenbach zu sein, hätte der Prinzessin nicht passieren können. In den Händen der Feinde zu landen, war nie gut. Was sie ihr alles antun würden! „Gnädige Göttin, ich hoffe so sehr, dass es ihr gut geht!" Die Königin ließ sich auf das Bett ihrs Gemahls sinken und griff nach seiner Hand. „Unser Sohn wird diese Schlacht nicht gewinnen können, wenn sie seine Gemahlin in Gefangenschaft haben. Er wird erpresst werden. Vielleicht kommt er nicht mehr zurück!" Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Wangen hinab. Schon seit Tagen konnte sie nicht mehr schlafen. In der letzten Woche hatte sie vielleicht ein paar Stunden geschlafen, doch sie musste ständig an Etliches denken. Was würde sie tun, wenn Robin von Schwarzenburg nicht mehr heimkehren würde? Wenn Olivia von Schwarzenburg sterben würde?
Ottilie griff sich an den Kopf und verstärkte den Griff um die Hand des Königs.
„Liebste, ich weiß, du bist besorgt. Aber Robin hat es immer geschafft. Auch er ist stark. Außerdem hat er den Wolf in sich und die Wölfe um sich. Wenn er klug ist, wird er sie für die Schlacht zu sich rufen."
„Du hast recht." Die Königin versuchte ihrem Gemahl zuzulächeln. „Ich muss nach frischer Luft schnappen. Ich komme am Abend wieder zu dir", verabschiedete sich die Königin und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer. Hinter der schweren Holztür lehnte sie sich an und rang um Atem.
Es lief alles schief. Nicht so, wie es eigentlich laufen sollte. Sie hatte Angst um sie alle.
Sie stand einige Atemzüge lang an der Tür, bis sie mit schnellen Schritten zu in den Thronsaal zurücklief, wo schon einige Männer auf sie warteten. Manche boten an, sofort die Burgmauern zu verlassen und sich auf die Suche nach der Prinzessin zu machen, doch die Königin lehnte jedes Angebot ab. Allein waren die Krieger den Männern der Eisenbachs weitaus unterlegen, vor allem nachdem die Königin gesehen hatte, wie viele Krieger es in das Burginnere geschafft hatten. Außerdem brauchte sie die Männer mehr denn je in der Burg und im Dorf. Sie mochte keinen der Männer mehr missen.
Ein Schlosser erklärte ihr, wie weit sie mit dem neuen Gitter für den Kanal waren, und dass sie ihn nun besser sicherten. Außerdem bauten sie auch direkt am Ende des Kanals ein weiteres Gitter ein, sowie mitten drinnen. Von nun an musste stets ein Wachmann, welcher Dienst hatte, das Gitter einmal am Tag überprüfen. Königin Ottilie von Schwarzenburg konnte sich nämlich nur vorstellen, dass es die Krieger der Eisenbachs deswegen ins Innere geschafft hatten, weil schon jemand in der Burg war. Vermutlich war er am Tag davor einfach in der Burg verschwunden, denn die meisten Menschen hatten nur auf den Prinzen selbst geachtet. Aber ansonsten waren auch der Königin die anderen Männer egal gewesen. Sie schauderte, wenn sie daran dachte.
Elende Bastarde!
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Wir waren seit Tagen unterwegs. Ab und zu gönnte der Prinz mir und den Pferden eine Rast. Hin und wieder auch länger, sodass die Männer ordentlich schlafen konnten. Ich jedoch schlief fast nie, was meinem Verstand nicht unbedingt guttat. Zu Essen bekam ich sehr wenig, doch zu trinken genug. Anscheinend hatte der Heerführer mit dem Prinzen gesprochen und seither kam immer mal jemand zu mir, um mir Wasser anzubieten. Doch mehr wagte niemand, weswegen ich auch sehr froh war. Vielleicht hatte die Männer der Tod von Konstantin abgeschreckt.
„Prinzesschen." Friedrich von Eisenbach kniete sich neben mich. Vögel zwitscherten aufgeregt und flogen von einem Baum zum anderen. „Ich freue mich auf das Gesicht, wenn Euer Gemahl bemerkt, dass Ihr die ganze Zeit in unserer Gewalt wart. Man sollte sich eben nicht mit uns anlegen. Womöglich muss er es auf die harte Tour lernen." Zwei Vögel schienen sich zu streiten und lieferten sich ein Singkonzert sondergleichen. Ich konnte sie sehen, sie waren fast direkt über uns.
Meine Augen formten sich zu Schlitzen, als ich den Prinzen ansah. Ich ersehnte mir Reißzähne, damit ich ihm drohen konnte, doch ich kräuselte nur die Nase.
„Ich wünsche Euch die Krätze!", spuckte ich ihm entgegen.
„Das ist nicht sehr nett von Euch, Prinzesschen." Er grinste mich an, als würde er mich nicht wie den letzten Dreck behandeln.
„Viele Läuse noch dazu!"
Der Prinz stand lachend auf und schaute von oben auf mich herab. „Ihr seid mutig, doch dieser Mut wird Euch nichts Gutes bringen!" Er rief einige Männer zu sich, und ich stand auf. Sie redeten miteinander und blickten immer wieder in meine Richtung. Die zwei streitenden Vögel waren davongeflogen, doch in der Ferne konnte ich ihr Konzert immer noch vernehmen.
Warum auch konnte ich meinen Mund nicht halten? Der Prinz war nun sicher nicht geneigt, mich netter zu behandeln. Mein Blick wanderte umher. Wir waren in einem lichten Waldstück angekommen. Die Sonnenstrahlen drangen zu uns durch und man konnte meterweit sehen. Vorher hatte ich einen braunen Hasen erkennen können, doch als dieser Männerstimmen gehört hatte, hatte er schnell das Weite gesucht.
Irgendetwas war anders. Etwas hatte sich die letzten Minuten verändert, ich konnte nur nicht genau sagen was es war. Die Luft schien auch anders zu sein und es roch seltsam.
Mein Herz hämmerte wild gegen meinen Brustkorb, als ich merkte, dass die Männer, mit denen der Prinz gesprochen hatte, auf mich zukamen. Meine Hände waren noch immer gefesselt, deswegen konnte ich sie schwer bewegen. Meine Beine waren schwach und sehnten sich nach einer länger andauernden Pause. Doch diese Männer sahen nicht so aus, als wollten sie mir einen meiner Wünsche erfüllen.
„Ich nehme sie von hinten."
„Ich von vorne."
„Soll ich sie etwa nur küssen, oder was?"
Ich stolperte ein paar Schritte zurück und flog über eine herausstehende Wurzel. Kein Vogelgezwitscher war weit und breit zu hören.
Nun lag ich mit dem Rücken auf dem Boden, wollte mich wieder aufrappeln, doch der erste Mann war schon bei mir angekommen. Ich kreischte laut auf und spuckte ihm ins Gesicht, doch er wirkte unbeeindruckt. Panik überkam mich und ich holte mit meinem Fuß so fest aus, dass er gezielt zwischen den Beinen des Mannes landete. Dieser zuckte vor Schmerz zusammen und betrachtete mich mit einem zornigen Blick.
Ein Zweiter war schon bei mir angekommen und drückte meinen Oberkörper zu Boden. Ich schrie so laut ich konnte.
„Haltet still, dann werden wir behutsamer sein!", lachte der Dritte und beugte sich zu meinen Lippen. Doch anstelle seinen Kuss zu erwidern, biss ich ihm schmerzhaft in seine Lippen, sodass ich Blut schmeckte.
Sollten sie doch alle im Fegefeuer krepieren!
Der erste Mann öffnete seine Hose und ich wurde immer wütender. Wie konnte man mich so behandeln? Und vor allem: wie konnte ich einfach nichts dagegen tun? Ich hasste es! Deswegen schrie ich noch lauter denn je und strampelte wild mit meinen Beinen. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch es gelang mir nicht. Panik und Wut überschwemmten mich, als mir plötzlich der Gestank von Tod in der Nase lag. Aufdringlich und stechend - etwas Fremdes, das ich so noch nie gerochen hätte.
Von einem Augenblick auf den nächsten war die Schwere, die meinen Oberkörper niederdrückte, fort. Ich setzte mich hastig auf und sah nur einen Meter neben mir das wohl unheimlichste Wesen, welches ich je zu Gesicht bekommen hatte.
Es war groß wie eine Kuh, ausgefranst und sah alles andere als lebendig aus - obwohl es sehr lebendig wirkte. Ich hatte sie in meiner Vision beim Teich schon einmal gesehen, doch nun, vor Ort, war es etwas anderes. Sie waren hier. Vor meinen Augen. Seelenstehler.
Unter den Männern herrschte plötzlich Chaos. Sie liefen wild durcheinander, sattelten ihre Pferde und schwangen sich auf deren Rücken. Die drei Männer, die bei mir gewesen waren, waren tot. Doch ob tot das richtige Wort war? Ihre Gedärme waren nicht mehr in ihren Körpern, der Waldboden war mit Blut besudelt und bei einem der Männer lag dessen Kopf mindestens eine Handlänge entfernt.
Mein Peiniger, welcher mich stets hinter seinem Pferd herschleppte, griff mich hastig an der Taille und schwang mich auf sein Pferd. Ich wehrte mich nicht, denn ich war zu benommen. Zum ersten Mal seit langem saß ich wieder auf einem Pferderücken, doch wir preschten so schnell voran, dass die Bäume nur an uns vorbeisausten.
In der Ferne hörten wir das Gebrüll eines Seelenstehlers. Es war dunkel, schrill und laut. Gut möglich, dass sich für die nächsten Minuten kein einziges Wildtier mehr zu bewegen wagte.
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„Was war das?" Der Prinz von Schwarzenburg und seine Männer waren stehen geblieben. Sie lauschten in den Wald hinein. Ein Brüllen, wie sie es noch nie zuvor vernommen hatten, hatte alles zum Stillstand gebracht. Selbst der Wind schien für einen Augenblick stehen geblieben zu sein.
Simon Reichenstein sah seinen Prinzen an. Dieser blickte zurück und es schien so, als hätten sie einen ähnlichen Gedanken. Seitdem seine Gemahlin ihm von den Seelenstehlern erzählt hatte, herrschte in ihm ein gewisses Unbehagen. Er wusste weder, wie sie klangen, noch wollte er es je herausfinden. Doch wenn es kein Seelenstehler war, was war es dann für ein Gebrüll gewesen?
„Ich würde vorschlagen, wir reiten weiter. Es kam von hinten, also sind wir dem Tier voraus. Es muss nicht sein, dass es uns folgt, es könnte in so viele verschiedene Richtungen gehen", meinte der Prinz zu seinen Männern, welche schweigend nickten. Also ritten sie im Schritt wachsam weiter.
Sie waren schon eine Woche unterwegs. Der letzte Vollmond war während ihrer Reise aufgegangen, weswegen der Prinz eine Pause eingefordert hatte und sich in den Wald zurückgezogen hatte. Er war frei gewesen. Frei - so frei wie noch nie. Er war durch das Dickicht des Waldes gesprintet und über Felsen und Büsche gesprungen. Zugegeben, er hatte sich etwas verausgabt, doch er hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich gelöst gefühlt. Er hatte die Wölfe nicht gesehen und er hatte auch nicht zu ihnen gesprochen. Doch Robin von Schwarzenburg hatte mehr als nur einmal über das Gesagte seiner Gemahlin nachgedacht. Was wäre, wenn ihm die Wölfe tatsächlich in die Schlacht folgen würden? Er sollte es vielleicht zumindest versuchen. Doch er wusste nicht, wie, und er hatte auch Angst davor. Was würden seine Männer wohl denken, wenn ein Rudel Wölfe Seite an Seite gegen den Feind kämpfen würde? Konnte er nur mit den Wölfen kommunizieren, wenn er selbst einer war, oder schaffte er es auch mit seinem menschlichen Körper?
Es wurde allmählich dunkler, doch in dieser Nacht würden sie weiterreiten. Keiner seiner Männer würde ein Auge zu tun. Das Gebrüll hatte sie alle in Schrecken versetzt und auch Robin ließ es nicht kalt. Es war besser, wenn sie heute keine Rast machen würden, die Pferde schafften das. Es waren gute Pferde, keine alten oder zu jungen, deswegen machte sich der Prinz keine Sorgen.
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