~ 13 ~

Robin von Schwarzenburg schrak schweißgebadet von seinem Schlaf hoch und saß kerzengerade in seinem Bett. Wieder einmal hatte er von der Schlacht um Mirofeld geträumt und jedes Mal war es grausam. Diese Erinnerungen würden ihn auf ewig verfolgen, doch heute war es schlimmer und intensiver gewesen als sonst. Vielleicht lag es aber auch an der Tatsache, dass er seinen Vater besucht hatte.

Sein Blick schweifte den schlanken Körper von Olivia. Sie schlief seelenruhig weiter, während in ihm ein Gefühlschaos sondergleichen herrschte. Er war seiner Gemahlin dankbar gewesen, dass er sich endlich dazu überwinden hatte können, seinen Vater zu besuchen, denn von allein hätte er vermutlich noch Wochen gebraucht.

Es war schwer, seinen Vater so krank zu sehen, doch es war genauso schwer zu verstehen, weswegen er seinen einzigen Sohn nach Mirofeld geschickt hatte. Nie hatte er ihn dies gefragt, doch Robin hätte es zu gerne gewusst.

An Schlaf war im Moment nicht mehr zu denken, weswegen der Prinz aufstand und zu seinem kleinen Tischchen hinüberging. Seine Gemahlin hatte den Tisch zum Glück noch nie näher in Betracht gezogen, denn hätte sie es getan, hätte sie das Buch gefunden. Jenes Buch, welches sie schon vor etlichen Tagen in der Bibliothek gesucht und nicht gefunden hatte. Die Legende des Schwarzenburg Wolfes war noch eine dieser Geschichten, welche sein Leben erschwerten. Konnte nicht irgendetwas einmal einfach sein? Selbst seine Gemahlin war es nicht, denn auch sie hatte ihren eigenen Kopf. Nicht, dass es nicht gut wäre, denn genauso mochte er sie. Doch manchmal wünschte er sich einfach ein bisschen Normalität. Doch was war schon normal? Er wusste nicht, was es hieß normal zu sein, denn er war es sein ganzes Leben nie gewesen.

Er trat aus seinem Zimmer und gab dem Wachen vor der Tür zu verstehen, dass er auf seine Gemahlin achten sollte. Doch Robin wusste, dass er sie mit seinem Leben verteidigte, denn dies hatte er schon einmal bewiesen. Erst seit einigen Stunden war der Wache wieder so weit genesen, dass er abermals vor ihrer Tür stehen konnte. Es war jener Mann, welcher bei dem Überfall der Räuber die Prinzessin mit allem was er hatte verteidigt hatte. Nur leider war er dabei selbst verletzt geworden, doch nun ging es ihm wieder besser.

Robin steuerte einen Raum an, in welchem er Papier und eine Schreibfeder zur Verfügung hatte. Dort setzte er sich bis zum Morgengrauen an einen Brief, welcher für die Familie von Eisenbach bestimmt war. König Utz von Eisenbach sollte seinen ersten Sohn und Thronfolger Friedrich von Eisenbach nach Schwarzenburg schicken, um auszuhandeln, was noch zu verhandeln war. Ansonsten würde die Familie von Schwarzenburg abermals zeigen müssen, dass sie keine Späßchen verstanden.

~ ♡ ~ ♡ ~ ♡ ~

Zwei Tage waren seit dem Besuch beim König vergangen und mein Gemahl ging mir aus dem Weg. Zwar sah ich ihn täglich im Speisesaal und merkte es, wenn er frühzeitig aus dem Bett stieg und sich den ganzen Tag ansonsten nicht blicken ließ, doch ich wollte etwas erleben. Ich wollte nicht jeden Tag in der Burg herumsitzen und Däumchen drehen, nur um darauf zu warten, dass Robin endlich zu mir zurückkehrte. Noch dazu war ich mir nicht einmal sicher, was Robin überhaupt wollte. Manchmal dachte ich, dass er mich mögen könnte, doch dann gab es wieder diese Tage, an denen ich mich einfach nur verachtet fühlte.

„Heute sehe ich mir die Pferde an.“ Clementia hielt inne und ließ die Haarbürste sinken.

„Weiß denn Euer Gemahl von dieser Idee Bescheid?“

„Nein, und es ist mir herzlich egal. Wenn er den Tag außerhalb der Burg verbringt, dann kann ich das auch. Ich warte schon so lange auf den Moment, die Pferde endlich zu sehen. Zuhause war ich sie fast täglich besuchen.“

„Meine Prinzessin, Ihr seid nun hier Zuhause.“

„Ich meinte mein altes Zuhause“, ich seufzte und schaute Clementia vom Spiegel aus an. „Werdet Ihr mir helfen in den Stall zu gelangen, oder werde ich ihn von allein suchen müssen?“

„Ich begleite Euch, wohin Ihr auch immer wollt“, meinte meine Zofe, war aber von meiner Idee alles andere als begeistert.

„Macht nicht so ein Gesicht.“ Ich verdrehte die Augen und forderte sie dazu auf, mit dem Bürsten weiterzumachen. Erst als mein langes Haar zu einem Zopf geflochten wurde, war ich bereit aufzubrechen, um die Pferde zu sehen.

Die Wachen schauten uns nur hinterher, als wir aus der Burg traten. Ich sog die Luft ein uns genoss für einen Augenblick die Wärme der Sonne. Seit Tagen hatte ich die Sonne nur durch das Fenster betrachten können, doch nun stand ich endlich wieder direkt in ihrem Weg.

Die Blätter färbten sich langsam bunt und der Herbst war gekommen, so schnell, dass ich es beinahe nicht gemerkt hätte. Die Vögel zwitscherten an einem Baum und ich schaute glücklich zu ihnen hinauf.

„Manchmal wäre es schön, ein Vogel zu sein“, flüsterte ich, sodass es nur Clementia hören konnte.

„Wenn man gerne das Gehirn in der Größe einer Erbse hätte, dann ja.“

„Clementia“, ich kicherte. „Ich meine, weil sie frei sind, weil sie dorthin fliegen können, wo auch immer sie wollen und weil sie wunderschöne Geschöpfe sind.“

„Ihr seid auch ein wunderschönes Geschöpf“, Clementia lächelte mich verschmitzt an und forderte mich auf weiterzugehen.

Wir gingen die Burgmauer entlang. Ich konnte den Pferdestall zuerst riechen, bevor ich ihn sah. Der Duft von Heu, Pferdemist und einfach Pferd lag mir in der Nase und erinnerte mich daran, wie sehr ich es geliebt hatte zu reiten. Ich hatte oft stundenlang damit verbracht durch das Dorf zu reiten, ab und zu hatte ich die sicheren Burgmauern auch verlassen, doch das hatte mein Vater nicht wissen dürfen. Wenn er dies jemals herausgefunden hätte, dann wäre ich von ihm aus wohl nie wieder auf einem Pferderücken gesessen.

„Ich kann es nicht glauben, wir sind da.“ Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich die Stallungen betrat. Einige der Pferde standen in den Boxen, andere wiederrum durften auf einer Wiese grasen.

„Meine Prinzessin.“ Ein Wache verbeugte sich vor mir. „Ich habe die Anordnung, Euch auf Schritt und Tritt zu begleiten, solltet Ihr jemals den Pferdestall betreten.“

Ich verdrehte die Augen, doch ich grinste. Das hieß, Robin von Schwarzenburg hatte schon damit gerechnet, dass ich mich eines Tages einfach auf den Weg machen würde, um die Pferde zu sehen.

„Welches Pferd darf ich reiten?“, fragte ich. Clementia betrachtete mich entrüstet und der Wache zog eine Augenbraue nach oben.

„Von Reiten war nicht die Rede gewesen“, zischte mir meine Zofe zu, doch ich zuckte nur mit den Schultern.

„Ich vermisse es aber.“ Ich drehte mich zu Clementia um und dann sah ich sie. Eine wunderschöne helle Stute, die ihren Kopf über die Box legte. Sie betrachtete mich mit ihren großen, dunklen Augen und ich ging einfach auf sie zu. Sie sah gepflegt und wunderschön aus. Einzelne Sonnenstrahlen ließen ihr Fell glänzen und golden schimmern.

„Das ist Goldie“, vernahm ich eine raue Stimme, die mir nur allzu gut bekannt war. Ich drehte mich zu meinem Gemahl um, welcher nun direkt hinter mir stand. „Mittlerweile darf sie ihren Ruhestand genießen. Sie hat in ihrem Leben schon Großes geleistet.“

„Sie ist wunderschön.“ Langsam wandte ich mich wieder von meinem Gemahl ab und streichelte über den Kopf der Stute. Wie sehr ich die Wärme eines Pferdes doch vermisst hatte. Es war herrlich, den warmen Atem von Goldie auf meiner Haut zu spüren. Ich setzte der Stute einen Kuss auf die Nüstern und sog den Duft in mich ein – sie roch wunderbar.

„Da Ihr schon einmal hier seid, werden wir in das Dorf reiten. Heute ist das Wetter ausgezeichnet dafür.“

Mit großen Augen starrte ich Robin an und konnte mein Lächeln nicht verbergen.

„Danke!“ Ich wollte ihn umarmen, doch ich ließ es. Meine Freude war auch so gut erkennbar.

„Wache, sattelt Goldie und Feuerherz!“

„Verstanden, mein Prinz.“

„Wartet.“ Ich hielt den Wachen auf und schaute Robin an. „Darf ich das Pferd, welches ich reite, selbst satteln?“

„Könnt Ihr das denn?“ Er hob fragend eine Augenbraue.

„Natürlich!“ Was war das für eine Frage? Ich wollte ihm beweisen, wie gut ich darin war.

Also führte mich der Wache zu der Sattelkammer, ließ es sich aber nicht nehmen mir den Sattel bis zu Goldie zu führen. Dem Anschein nach durfte ich diese wundervolle Stute tatsächlich reiten.

Erst als wir direkt neben Goldie standen, übergab mir der Wache den Sattel. Doch er war allzu bereit, ihn mir auch sofort wieder abzunehmen, sollte er mir zu schwer werden. Nur weil ich von zarter Natur war und schon seit Wochen keinen Sattel mehr getragen hatte, hieß das aber noch lange nicht, dass ich es nicht noch immer schaffte.

Ich überraschte sowohl den Wachen als auch meinen Gemahl damit, dass ich es schaffte Goldie den Sattel auf den Rücken zu legen. Noch dazu, ohne ihn hinüberzuwerfen, sodass er auf ihren Rücken plumpste. Ich legte ihn sachte darüber und streichelte ihren Hals, als sie brav neben mir stehen blieb.

„Sie ist so brav“, meinte ich, als ich mich zu Robin umdrehte, welcher mich eigenartig musterte. Er hatte wohl tatsächlich nicht damit gerechnet, dass ich mich mit diesem Thema auskannte. Innerlich grinste mein Ich über diesen kleinen Erflog.

„Meine Prinzessin.“ Auch Clementia war beinahe sprachlos und klatschte plötzlich in die Hände. „Noch nie habe ich eine Frau beobachtet, wie sie ein Pferd sattelt.“ Sie kam ein paar Schritte näher. „Ich muss gestehen, einem Pferd auch noch nie so derart nah gewesen zu sein. Im Dorf besitzt fast niemand Pferde, eher Esel und Kühe.“ Sie streckte ihre Hand aus und berührte zaghaft die Nüstern der Stute. Clementia war ganz erstaunt darüber, wie weich sie waren.

In der Zwischenzeit ließ Robin sein Pferd Feuerherz zu sich holen, welcher tatsächlich aussah wie es sein Name vermuten ließ. Man konnte es nicht einmal bestreiten, doch dieser Hengst war von gewaltiger Schönheit und Anmut. Er war ein dunkler Rapphengst, dessen Mähne in der Sonne rötlich schimmerte. Sein hinterer linker Fuß hatte ein weißes Abzeichen, was aber auch schon der einzige weiße Farbkleks auf diesem dunklen Pferd war.

Ich war sprachlos, als ich dem Hengst näherkam. Meine Hand streckte sich wie von selbst aus, denn ich wollte dieses Pferd berühren, doch Robin stellte sich mir in den Weg.

„Lasst ihm noch etwas Zeit. Ihr dürft ihn nach dem Ritt berühren, doch Feuerherz ist etwas speziell.“

„Wie alt ist er denn?“, wollte ich von ihm wissen.

„Mittlerweile hat er schon sieben Winter überlebt.“

„Wie alt ist Goldie?“

„Sie hat schon zwanzig Jahre auf dem Rücken. Sie ist tapfer, mutig und unerschrocken. Sie wird Euch heute ein gutes Pferd sein, so wie sie auch mir stets ein gutes Pferd war. Gut, dass Ihr sie heute reitet, vielleicht kann man sie dann doch noch verwenden. Der Fleischer hätte sich nämlich schon über sie gefreut.“ Der Prinz verzog sie Lippen zu einem seltsamen Grinsen, doch ich starrte ihn nur mit weiten Augen an.

„Wenn ich sie also öfter reite, wird die nicht getötet?“

„So ist es.“ Der Prinz zwinkerte mir zu und schwang sich auf sein Ross. Er betrachtete mich von oben und lächelte mich an. „Wenn Ihr ein Pferd satteln könnt, wisst Ihr bestimmt auch, wie man auf eines hinaufkommt.“

„Wie recht Ihr habt!“ Der Wache hielt Goldie am Zaumzeug fest, während ich in den Steigbügel stieg und mich auf den Pferderücken schwang. Einen kurzen Moment lang saß ich nur da und konnte mein Glück kaum fassen. Erst dann ergriff ich die Zügel und nickte dem Wachmann dankend zu.

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