~ 12 ~
Dieses Kapitel fällt wieder etwas länger aus. Daher: Viel Spaß! :)
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„Ich habe ein Abkommen mit der Familie von Eisenbach.“ Die Königin von Bell ließ ihr Besteck sinken und betrachtete ihren Gemahl entsetzt.
„Wirst du mich auch mit einem Prinzen unserer Feinde vermählen?“, wollte die älteste Tochter der Königin hoffnungsvoll wissen.
„Ida, schweig!“ Die Königin Marissa von Bell betrachtete weiters ihren Gemahl und wartete darauf, was er ihr zu sagen hatte.
„Ich sagte doch, ich habe einen Plan, wie wir unsere Tochter wiederholen.“
„Indem du dich mit den Eisenbachs verbündest?“ Fassungslos legte sie ihr Besteck zur Seite und rührte ihr Essen nicht mehr an.
„Heißt das, Olivia kommt wieder?“, mischte sich nun auch Jutta ein. In ihren Augen blitzte Hoffnung auf.
„Jutta, Liebling, ich denke nicht.“ Die Königin stand auf und forderte ihre Kinder dazu auf, den Speisesaal zu verlassen. Auch Otto, deren Hund, torkelte auf seinen alten Knochen den beiden Prinzessinnen hinterher.
„Was heißt hier, du denkst nicht?“ Eine Zornesfalte legte sich auf die Stirn des Königs.
„Du wirst den Pakt, den du mit den Schwarzenburgs geschlossen hast, nicht brechen. Nur ein Herrscher ohne Ehre würde so etwas …“ Weiter kam sie nicht, denn die Hand des Königs klatschte unverzüglich auf ihre Wange. Diese färbte sich knallrot, doch der Königin schien es egal zu sein. Sie war diese Wutausbrüche ihres Gemahls schon gewohnt.
„Nenn mich nie wieder so.“
„Wie soll ich dich denn sonst nennen? Was glaubst du denn, werden sie mit unserer Tochter anstellen, wenn sie von deinen Plänen Wind bekommen? Was sagt dir so sicher, dass die Eisenbachs auf deiner und nicht auf deren Seite stehen? Was macht dich so sicher?“ Marissa von Bell wurde mit jedem Wort lauter.
„Weil wir ein gemeinsames Ziel verfolgen.“
„Und das da wäre?“ Die Königin griff sich an die Wange, welche langsam zu schmerzen begann.
„Das Ende der Familie von Schwarzenburg.“
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„Seid Ihr bereit?“, fragte mich mein Gemahl, als wir vor einer verschlossenen Tür standen.
„Natürlich.“
„Ich bin es nämlich nicht“, gab er leise zu, sodass es nur ich hören konnte.
Meine Augen wanderten zu meinem Gemahl, welcher tatsächlich nervös aussah. Zaghaft streifte meine Hand seine und ich umschloss mit ihr seinen kleinen Finger. Nun schaute er mich an und schenkte mir ein kleines Lächeln. So weilten wir für einen Augenblick, welcher mir wie eine Ewigkeit vorkam, ehe sich der Prinz dazu überwinden konnte, die schwere Holztür zu öffnen.
„Mein Sohn!“, die heisere Stimme des Königs ließ keinen Zweifel daran, wie erfreut er war. „Und seine bezaubernde Gemahlin Olivia von Schwarzenburg.“
Ich machte einen Knicks und hob meinen Blick erst dann, als mich der König dazu aufforderte.
„Ihr müsst Euch nicht vor mir verbeugen. Ihr seid Familie“, er hustete, ehe er sich aufsetzte und seinem Sohn deutete, dass er zu ihm kommen sollte. „Warum hast du so lange gewartet?“
Robin wusste sofort, welches Thema sein Vater anschnitt. Er senkte schuldbewusst seinen Kopf und nahm die Hand seines Vaters. Diese war knochig, so, als würde er seit Tagen schon nichts mehr essen.
„Es tut mir leid, Vater. Ich konnte nicht.“
„Nun ja, deine Mutter hat mich ja mit ausreichenden Informationen versorgt.“ Der König versuchte zu lachen, was allerdings in einem Hustenanfall unterging. „Eure Hochzeit soll sehr schön gewesen sein.“
„Das Essen war sehr gut und Wein gab es zu Genüge. Also ja, die Hochzeit hat wohl allen gefallen.“ Der Prinz stand vom Bett auf und ging zum Fenster hinüber. „Vater, hast du mitbekommen, dass wir von den Räubern angegriffen wurden?“
„Ja, das habe ich. Ihr müsst vorsichtig sein, sie scheinen immer wieder ein Schlupfloch zu finden. Außerdem weißt du, wer der Räuberhauptmann ist. Er kennt die Burg so gut wie sonst kaum etwas. Sie dürfen nicht noch einmal in das Dorf gelangen, oder gar in die Burg.“ Der König seufzte.
„Wer war denn der Räuberhauptmann?“, wollte ich zaghaft wissen.
Der König blickte zu mir und schenkte mir ein warmes Lächeln. „Einst war er mein Heerführer. Einer von den Guten. Einer von den Ehrenvollen.“ Ein Niesen durchbrach seine Rede. „Doch dann hat er seinen König – mich – hintergangen. Seither irrt er draußen umher und versucht uns das Leben so schwer wie nur möglich zu machen. Ich dachte, ich hätte ihn einmal gekannt. Doch da scheine ich mich geirrt zu haben.“
Ich blickte in das Gesicht des Königs und musste zweimal hinsehen, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht geirrt hatte. Der König besaß ein oranges Augenpaar, welches mich nun fragend musterte.
„Gibt es etwas, das Ihr mich fragen möchtet?“ Die Frage des Königs ging an mich. Hastig schaute ich zu meinem Gemahl, welcher eine Augenbraue hochzog. Doch ich schüttelte den Kopf und beließ dieses seltsame Augenpaar einfach dabei.
„Ich denke, ich sollte euch beide für einen kurzen Augenblick allein lassen. Es hat mich gefreut, Eure Bekanntschaft zu machen.“ Ich verbeugte mich vor dem König, denn wenn ich es nicht täte, käme ich mir unwohl vor. Danach schenkte ich meinem Gemahl ein zaghaftes Lächeln und verließ den Raum.
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„Sie haben unsere Pferde vergiftet!“ Der König konnte nicht länger sitzen und erhob sich aus seinem Thron. Der höhere Stand hatte sich versammelt, darunter auch sein Sohn Robin von Schwarzenburg. Eines Tages würde er regieren müssen, deswegen war es gut, ihn bei den Besprechungen dabeizuhaben.
„Wir haben einen Verräter unter uns.“ Graf Albrecht von Schwarzenburg trat seinem König entgegen.
„So ungern ich dem Grafen beipflichte, doch ich denke, er hat recht.“, meldete sich Graf Eberhard von hinter den großen Bergen zu Wort. Er kannte die gegnerischen Burgen so gut wie sonst keiner.
„Wie finden wir den Verräter? Wie zeigt er sich uns?“ Der König zog die Unterlippe gefährlich nach oben.
Sewolt Ochsenstein, der erste Heerführer des Königs, schüttelte den Kopf und trat ebenso hervor. „Denkt Ihr wirklich, dass die Familie von Hengsttal so weit gehen würde?“
„Wann gingen sie schon einmal mit fairen Mitteln vor?“ Der König verneinte. „Der König von Hengsttal wird mir dies büßen. Man lässt nicht feige einen der Unseren vorgehen, um die Tränken der Pferde zu vergiften!“
Sewolt Ochsenstein zuckte mit seinem Auge und glaubte sich ungesehen. Doch als sein Blick den jungen Prinzen traf, zog dieser überraschend die Augenbraue nach oben. Erst als der erste Heerführer die Augen wieder auf den König richtete, tat es ihm der Prinz gleich. Nur das dieser die leichte Nervosität des Heerführers nahezu spüren konnte, als sei es seine eigene.
Die darauffolgenden Tage vergingen nur schleichend. Das gesamte Dorf war benachrichtigt worden und sollten sie eine Spur finden, müssten sie dies unverzüglich dem König mitteilen. Selbstverständlich würden sie gut belohnt werden, sollte sich diese Nachricht als Wertvoll herausstellen.
„Herr Sewolt!“ Prinz Robin von Schwarzenburg traf den ersten Heerführer im Pferdestall. „Habt Ihr schon etwas herausgefunden?“
„Nein, weiterhin nichts.“ Der Prinz spürte, dass ihn der Heerführer loswerden wollte, doch ignorierte es gekonnt, als er einfach neben ihm herging, um zu den Pferden zu gelangen. Sewolt blieb vor der Box seiner Fuchsstute Samira stehen.
„Ihr könnt von Glück sprechen, dass Eurer geliebten Stute nichts passiert ist!“
Sewolt knirschte mit den Zähnen und drehte sich abrupt zum jungen Prinzen um, welcher gerade einmal achtzehn Jahre auf dem Rücken trug.
„Wenn Ihr mir etwas vorwerfen wollt, dann nur zu. Was habt Ihr mir zu sagen?“ Abermals zuckten Sewolts Augen seltsam. Noch nie war es dem Prinzen aufgefallen, doch dies geschah vermutlich immer nur dann, wenn er nervös war. Robin konnte es deutlich spüren: Der erste Heerführer war mehr als nur nervös.
„Ich wollte Euch nur beglückwünschen. Leo hat es nicht geschafft, er verstarb heute Nacht.“ Robin biss die Zähne hart aufeinander, denn er war stolz auf seinen Rapphengst gewesen. Er hatte ihn aufgezogen, großgezogen und selbst ausgebildet. So ein gutes Pferd würde er so schnell nicht mehr bekommen.
„Mein Beileid.“
„Wir müssen uns nicht bemitleiden oder beglückwünschen. Immerhin sind es nur Pferde.“ Eine Lüge. Leo war mehr als das gewesen. Fast täglich hatte er sich um sein Pferd gekümmert, dass etwas Großes aus ihm werden würde. Nie war er von seinem Rücken geflogen, denn Leo reagierte auf seinen Reiter äußerst wachsam und vorsichtig.
„Da stimme ich Euch zu. Dennoch bin ich froh darüber, dass es meiner Stute gut geht.“
„Das will ich Euch glauben. Doch es gibt eine Sache, die glaube ich Euch nicht.“
Sewolts Blick huschte zu dem Prinzen. In seinen Augen hatte sich für einen kurzen Augenblick die Angst gespiegelt und nun konnte der Prinz es auch wieder fühlen – dieses wilde Gefühlschaos, welches durch Sewolts Körper floss.
„Wenn Ihr mir etwas sagen wollt, dann sprecht es aus. Ich hatte es Euch schon einmal gesagt.“
„Ich war mir nur immer unsicher. Doch je mehr Zeit ich in Eurer Gegenwart verbringe, desto sicherer werde ich mir.“ Der Prinz bäumte sich etwas mehr seinem Gegenüber auf. „Ihr wisst etwas über den Verräter. Dem König nichts davon zu berichten, ist Hochverrat. Besser Ihr sprecht jetzt.“
Sewolt wurde blass im Gesicht, schüttelte aber zeitgleich den Kopf. „Ich weiß nichts“, zischte er, wandte sich von seinem Prinzen ab und verschwand aus dem Stallgebäude. Der Prinz jedoch war sich noch nie so sicher gewesen, dass mit dem ersten Heerführer etwas gewaltig nicht stimmte.
„Vater!“ Robin von Schwarzenburg betrat den Thronsaal ohne Erlaubnis.
„Robin!“ Der König erhob sich. „Du siehst aufgebracht aus. Was ist passiert?“
„Sewolt Ochsenstein verbirgt etwas und ich bin mir ziemlich sicher, dass er verschwinden wird.“
„Der erste Heerführer?“ Der König versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. „Mein Sohn, der erste Heerführer hat uns die Treue geschworen. Keinem Heerführer kann man so sehr vertrauen, wie ihm.“
„Vater, du weißt mit welcher Gabe ich verflucht wurde, auch du trugst sie einst. Vertraue mir, wenn ich dir sage, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung ist.“
Der König seufzte laut auf, schaute zu seiner Gemahlin, welche ihn schulterzuckend anlächelte und er wusste was zu tun war. „Wache!“
„Mein König.“ Ein junger Wache in Robins Alter verbeugte sich vor dem König.
„Wie ist Euer Name?“, wollte der König von Schwarzenburg von dem jungen Mann wissen.
„Simon Reichenstein, mein König.“
„Simon Reichenstein, ich befehle Euch, mir den ersten Heerführer in den Thronsaal zu holen. Ist er nicht gewillt Euch zu folgen, dürft Ihr ihn an jeglicher Weiterbewegung hindern.“
„Ich habe verstanden, mein König.“
So schnell der Wache aus dem Thronsaal gewesen war, mindestens genauso schnell war er auch wieder da. Aufgebracht teilte er dem König und dem Prinzen mit, dass die Fuchsstute und der erste Heerführer, laut Angaben eines Dorfbewohners, die Burgmauern verlassen hatten.
„Ich kann es nicht glauben!“, zischte der König aufgebracht, als er wenig später den Rest des höheren Standes zu sich gerufen hatte. „Dem Mann, dem ich so viel anvertraut hatte – genau dieser Mann hintergeht mich?“
„Ich wusste doch, dass man keinem Mann vertrauen kann, der aus dem Land der Hengsttals stammt.“ Graf Albrecht von Schwarzenburg rümpfte die Nase und blickte seinem Bruder tief in die Augen. „Wir sollten ihnen eine Lektion erteilen. Wie lange schon wollen wir Mirofeld haben? Wie lange schon zögern wir, weil wir keinen Krieg mit der Familie von Hengsttal führen wollten? Wie lange werden wir noch zusehen, bis sie nicht nur unsere Pferde, sondern auch unser Volk vergiften?“
„Albrecht“, der König seufzte. „Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. Wir dürfen nicht einfach angreifen. Das haben die Menschen, die auf diesem Stück Land leben nicht verdient.“
„Sie sind doch alle dem Teufel verdammt. Wenn dem nicht so sei, werden sie es überleben oder Ihr Gott wird erbarmen zeigen.“
Baron Leopold trat ebenso hervor. „Ich bin für das Wohlergehen des Volkes zuständig und auch ich bin der Meinung, dass wir etwas tun müssen. Wir können nicht einfach nichts tun. Sie haben mehr als die Hälfte der Pferde vergiftet!“
Auch der Priester meldete sich zu Wort: „Der Herr im Himmel wird mit all den Seelen erbarmen haben, die reinen Herzens sind. Doch der Heerführer hat uns alle hintergangen. Was er nicht alles über uns erzählen könnte. Die Familie von Hengsttal wird über all unsere Geheimnisse Bescheid wissen. Wenn Ihr mich fragt, schlägt in dem Heerführer kein reines Herz mehr. Er wird im Fegefeuer brennen.“
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Am nächsten Tag, als der Morgen graute, war es so weit. Der Prinz von Schwarzenburg trat vor seinen König und nickte ihm zu.
„Mein Sohn, du wirst die Schlacht um Mirofeld anführen. Du wirst sie büßen lassen, für all das was sie getan haben. Du wirst ihnen zeigen, zu was wir fähig sind. Du wirst ihnen klarmachen, dass man sich mit uns nicht anlegen sollte. Du wirst mich nicht enttäuschen.“ Ein oranges Augenpaar blickte in ein Silberblaues. Der Prinz nickte seinem Vater ein weiteres Mal zu, ehe er auf sein neues Ross stieg, welches von dem Gift nicht umgekommen war. Es war eine Stute, dessen Fell im Sonnenlicht golden schimmerte. Robin von Schwarzenburg hatte sie kurzerhand Goldie genannt.
„Wache! Ihr da!“ Der Prinz ritt zu jenem Wachen, welcher gestern in den Diensten des Königs gehandelt hatte.
„Mein Prinz.“ Er begrüßte ihn mit einer knappen Verbeugung.
„Wollt Ihr an meiner Seite kämpfen? Mit mir in die Schlacht ziehen und hoffen, lebend nach Schwarzenburg zurückzukehren?“
„Ich habe kein Pferd, mein Prinz.“
„Wohl, Ihr habt eins.“
Der Prinz konnte den Funken an Glück und Freude in dem jungen Wachmann spüren, als er tatsächlich sein erstes Burgpferd bekam, mit welchem er in die Schlacht ziehen durfte. Es war ein Dunkelfuchswallach, der einem gleich ins Auge stach.
„Ich hoffe, Ihr seid gut im Sattel.“
„Als ich jünger war, ritt ich auf unserem Esel. Ein Pferd muss wohl ähnlich zu führen sein.“
Robin lachte leise in sich hinein, übergab dem Wachen den Wallach und sagte: „Ihr habt ein paar Tage Zeit, Euch an den Pferderücken zu gewöhnen. Ich bin mir sicher, Ihr seid ein guter Reiter.“
Robin von Schwarzenburg hatte sich nicht getäuscht, denn Simon Reichenstein wusste sich tatsächlich im Sattel zu halten und mit dem Zaumzeug umzugehen. Er lernte in den dreißig Tagen, an denen sie ritten, seinen Wallach zu lenken, von ihm aus ein Schwert zu führen und seinen Prinzen zu verteidigen. Er hatte zwar erst gelernt, wie man richtig ritt, doch wie man mit einem Schwert umzugehen hatte, das lag definitiv in seinem Blut – oder auch an den unzähligen Stunden, die der junge Wache dafür im Laufe der Jahre geopfert hatte.
Es vergingen Tage und Wochen, in denen der Prinz und der Wache immer mehr voneinander wussten. Tagein, tagaus ritten sie nebeneinander. Ihre Pferde leisteten gute Arbeit, doch Goldie spürte, dass der junge Prinz mit jedem Tag unruhiger wurde.
Einerseits fühlte er sich geehrt, dass ihm diese Aufgabe zugeteilt wurde, doch andererseits war er nicht bereit dazu ein ganzes Dorf abzuschlachten, nur weil die Familie von Hengsttal es nicht anders verdient hatte. Sollten sie nicht lieber der Familie selbst Schade zufügen, anstelle es an deren Untertanen auszulassen? Doch was konnte der Prinz schon dagegen sagen? Wenn es um Mirofeld ging, dann war das ein heikles Thema.
Mirofeld gehörte einst zu dem Land der Schwarzenburgs. Doch bei einem unfairen Kampf seitens der Familie von Hengsttal wurde ihnen dieses Landstück genommen. Schon seit Jahrzehnten gehörte dieses Landstück nicht mehr der Familie von Schwarzenburg, doch der König wollte immerzu Rache. Er hetzte nach diesem Stück Land, welches bald nur mehr ein Stück verkohlter Erde sein würde.
Als sie Mirofeld näherkamen und sie die Warnhörner vernehmen konnten, wusste Robin, dass es kein Zurück mehr gab. Es hatte auch nie eins gegeben.
„Kämpft, rächt euch und bleibt am Leben!“, rief Robin, als er mit seiner Stute im Galopp vor all den anderen nach Mirofeld ritt.
Pfeile flogen über ihn hinweg und trafen die Dorfbewohner. Frauen und Kinder schrien und flohen in alle Richtungen, während die Männer zu den Waffen griffen und Mirofeld mit allem was sie hatten und was sie ausmachte, verteidigten.
Der junge Prinz galoppierte in die Menschenmenge, achtete nicht auf die Menschen, die vor ihm zu Boden gingen und von Goldies Hufen getroffen wurden. Beinahe hatte er einen älteren Mann übersehen, welcher mit seiner Axt seine Stute verletzten wollte, doch sein Begleiter, der junge Wache, war schneller. Mit einer gezielten Bewegung des Schwertes in den Bauchraum, sackte der Mann in sich zusammen, ließ die Axt fallen und goss den Erdboden mit seinem roten Blut.
Robin kam nicht dazu, sich bei Simon zu bedanken, denn das Dorf verteidigte sich mit vereinten Kräften. Wenn ihm nicht bald eine glorreiche Idee in den Sinn käme, dann würden sie diese Schlacht nicht gewinnen. Doch warum hatte sein Vater ihn dann kämpfen lassen? Er hätte doch wissen müssen, dass es so enden könnte. Schon seit Tagen gingen ihm diese Gedanken nicht mehr aus dem Kopf. Sein Vater war in der Burg geblieben, mit ihm einige der besten Soldaten, während sich der junge Prinz mit einigen Wachen und neu ausgebildeten Soldaten durchschlagen musste – und das wortwörtlich.
Es war laut, furchtbar laut. Stahl traf auf Stahl. Die Schwerter klirrten, Äxte zersplitterten die Knochen der Männer der Schwarzenburgs. Pfeile trafen die Dorfbewohner von Mirofeld.
Robin verteidigte sich gegen einen Dorfbewohner. Er konnte nicht älter sein als der Prinz selbst, wenn nicht sogar jünger. Doch in seinem Ausdruck lag so viel Entschlossenheit, so viel Angst zu sterben und so viel Unverständnis. Doch die Menschen hätten nicht in Mirofeld bleiben sollen – nicht wo sie doch wussten, wie umstritten dieses Landstück war. Robin trug Reue im Herzen, als er dem Jungen die Kehle durchschnitt und dieser mit erschrockenem Gesichtsausdruck zu Boden glitt. Sein Gehirn wurde zu einem mechanischen Instrument, zu etwas, was nicht mehr er selbst war. Denn er wollte genauso überleben, wie es auch dieser Junge gewollt hatte.
Als er aufsah, trafen seine Augen ein Lagerfeuer. Ein gespanntes Schwein hing darüber und verkohlte beinahe. Verkohlen … Mirofeld musste brennen. Diese Gedanken waren Robin zuerst zu hässlich, um sie in die Tat umzusetzen, doch als er mitansehen musste, wie einer seiner Wachen durch die Hand eines Untertanen der Hengsttals starb, galoppierte er auf das Feuer zu.
Die Dächer der Häuser waren aus Stroh. Die Wände der Häuser waren aus Holz. Die Heuballen der Tiere standen überall herum. Die Erde war trocken, denn es hatte die letzten Wochen kaum geregnet. Kein Bach war in der Nähe und der Brunnen würde nicht genügend Wasser vergeben. Robins Idee war grausam und brutal, doch es war seine einzige Chance, diese Schlacht noch zu gewinnen.
Robin schnappte sich einen Ast, zündete ihn im Feuer an und ritt von einem Strohdach zum nächsten. Ehe die Dorfbewohner wussten, wie ihnen geschah und was passierte, brannte schon vieles lichterloh.
Kinder schrien und kreischten nach ihren Müttern. Ein Esel dessen Schweif Feuer gefangen hatte, flüchtete an Robin vorbei. Das Kleid einer Frau brannte, als sich diese zu Boden warf, in der Hoffnung das Feuer zu ersticken. Selbst das Schwein vom Lagerfeuer war in Flammen aufgegangen und verteilte den unangenehmen Geruch von verbranntem Fleisch. Doch das Schwein war nicht das einzige Lebewesen, welches brannte.
Robin wandte sein Pferd und galoppierte zu seinem jungen Wachen, welcher sich weiterhin mit seinem Schwert durchkämpfte. Als er Robin auf sich zureiten sah, erkannte er erst im zweiten Moment, was dieser vollbracht hatte.
Ein Dach stürzte in sich zusammen und ließ Rauch über Mirofeld aufsteigen.
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