~ 11 ~

Die Königin und ich wurden zu den Männern des höheren Standes gerufen. Ich wusste nicht was mich erwartete oder was ich mir von den Männern erwarten sollte, doch ich musste der Aufforderung meines Gemahls Folge leisten. Auch wenn sie über viele Ecken ging, denn ein Diener wurde geschickt, welcher dies meinem Wachen vor der Zimmertür verkünden sollte, welcher wiederum mich ansprach. Deswegen ließ ich Clementia zu mir holen, welche mir in ein anderes Kleid half und meine Haare schön machte.

Auf dem Weg zum Saal traf ich die Königin, welche ebenfalls mit einem Wachen ging. Ihre Augen suchten die meinen und sie blieb stehen.

„Olivia!“ Als ich bei ihr ankam, hakte sich sie bei meinem Ellbogen ein. „Ich hasse es, wenn sie nach den Frauen fragen“, flüsterte sie in mein Ohr, sodass nur ich es hören konnte.

„Sind sie nicht nett?“

„Nun ja, sie haben ihre Eigenheiten.“ Die Königin spazierte nun etwas langsamer. „Aber Ihr könnt selbstverständlich jederzeit aufstehen und gehen.“

„Es klingt beinahe so, als würde ich keinen Spaß haben.“

„Das werdet Ihr auch nicht.“ Ottilie seufzte. „Im Grunde reden sie über alles Mögliche und tun dabei so, als wären wir nicht anwesend. Wir Frauen sollen nur den Saal schmücken.“

Das klang nicht sehr vielversprechend, aber sie hatte mich ja schon einmal davor gewarnt, nichts Kluges vor dem höheren Stand zu sprechen. Frauen schienen bei den Schwarzenburgs nicht so emanzipiert zu sein wie bei den Bells, denn meine Mutter durfte bei jeder Sitzung dabei sein und wurde sogar von den Männern in die Gespräche integriert.

„Da sind sie ja, unsere Schönheiten!“ Ein Mann mittleren Alters, welchen ich bei unserer Hochzeit wahrgenommen hatte, kam auf uns zu und gab uns beiden einen Handkuss.

„Albrecht!“, säuselte die Königin und ließ in ihrem Unterton mitschwingen, wie wenig sie ihn mochte. Doch diesen Albrecht schien das nicht zu stören.

„Graf Albrecht von Schwarzenburg“, stellte er sich mir mit einer Verbeugung vor. „Euer werter Gemahl ist mein Neffe.“

Ich lächelte dem Mann zaghaft zu und suchte in der Menge das Gesicht des Prinzen. Zuerst konnte ich den ersten Heerführer entdecken, welcher mich genaustens in Augenschein nahm – oder war es Graf Albrecht von Schwarzenburg, welchen er nicht mehr aus den Augen ließ? – und dann blickte ich in Robins Gesicht. Dieser emotionslose Gesichtsausdruck machte mich irgendwann noch fertig. Ich kannte ihn noch nicht lange, doch jetzt schon nervte er mich. Nie konnte ich dabei wissen, was er fühlte oder gar was er dachte.

„Setzt Euch zu uns“, forderte mich mein Gemahl auf. Ich tat ihm den Gefallen und gleich neben mir nahm die Königin Platz.
Wie ich sehen konnte, machten es sich die Männer gemütlich, denn das Holz im Kamin war angezündet und mehrere Weinkelche zierten den langgezogenen Tisch. Zuerst quasselten sie tatsächlich über Gott und die Welt, wobei die Königin und ich nur ihre stummen Zuhörer waren. Keiner hatte je versucht uns in ein Gespräch zu verwickeln. Doch es hatte auch etwas Gutes, denn so bekam ich mit wie die Personen hießen und welchen Stand sie einnahmen. Selbst der Priester war anwesend.

Die Gespräche der Männer langweilten mich. Ich musste ein Gähnen unterdrücken, denn das wäre eher weniger gut angekommen. Erst als Robins Onkel meinem Gemahl eine Frage stellte, horchte ich auf.

„Ich frage mich schon seit Tagen, warum Ihr in der Hochzeitsnacht im Bordell wart. Kann Euch eine Bell nicht gut genug befriedigen?“ Erschrocken über so viel Dreistigkeit, starrte ich meinen Gemahl von der Seite aus an. Dieser zuckte nur kurz mit dem Auge, doch ansonsten regte sich rein gar nichts in seinem Gesicht. „Eure Gemahlin betrachtet Euch ganz entrüstet. Sagt bloß, sie hatte keine Ahnung davon.“ Ihm entkam ein bellendes Lachen, in welches einige der anderen Männer ebenso einstiegen.

Robin wandte seinen Kopf in meine Richtung und starrte mich für kurze Zeit einfach nur an. Er war wohl in einer Zwickmühle, was er sagen konnte, und eigentlich sollte es mir gefallen ihn in dieser Situation zu haben, denn er war tatsächlich einfach ins Bordell gegangen. Doch aus irgendeinem Grund war ich sauer. Nicht auf Robin. Sondern auf diesen Grafen, welcher sich sein Onkel nennen durfte.

Ich stand wohl viel zu schnell von meinem Stuhl auf, denn abrupt wurde es leise im Saal.

„Erstens“, begann ich mutiger, als ich es eigentlich war. „Ich bin eine Schwarzenburg und keine Bell mehr. Zweitens, was mein Gemahl tut, und was er nicht tut, soll seine Sache sein. Er trifft keine dieser besagten Damen, um mit ihnen zu plaudern oder gar, um mit ihnen zu essen, noch will und wird er eine von diesen Damen heiraten. Er hat Geld dafür bezahlt, so wie wenn er ein Stück Brot bei einem Bäcker kaufen würde!“ Ich schnaubte aus und merkte, wie meine Hände zitterten. Womöglich war es nicht klug von mir gewesen, das Wort zu erheben oder gar den Graf Albrecht von Schwarzenburg so anzufahren. Doch ich hätte die Worte, welcher mein Gemahl vermutlich verwendet hätte, möglicherweise nicht ertragen.

„Ihr geht also zum Bäcker, um Euer Brot zu bekommen?“, wollte sein Onkel von mir wissen, ohne auf die anderen Dinge, die ich angesprochen hatte einzugehen.

Ich wischte meine Hände an meinem Kleid ab, denn ich merkte, dass sie feucht wurden. Erst dann antwortete ich: „Man darf sich wohl auch den Geschmack eines anderen Brotes auf der Zunge zergehen lassen, anstelle immer nur das Brot der Burg zu speisen.“

„Hm.“ Er hob eine Augenbraue, während sein Kopf zu dem Prinzen wanderte. Ich jedoch, ich wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ohne meinem Gemahl in die Augen zu blicken, oder den ersten Heerführer anzuschauen, schob ich meinen Stuhl zurecht.

„Ihr entschuldigt mich, ich habe noch etwas zu erledigen.“ Dann raste ich so schnell wie möglich, ohne es dabei aber wie eine Flucht aussehen zu lassen, aus dem Saal und atmete hinter der Saaltür einmal tief ein uns aus.

Verfluchter Mist! Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zu beben begann, denn was ich soeben gemacht hatte, war definitiv nicht in Ordnung gewesen. Kein Mann mochte es, von einer Frau so angefahren zu werden und kein Mann mochte es, dass anstelle seiner seine Gemahlin antwortete. Noch dazu hatte ich vermutlich die Königin enttäuscht, welche mir geraten hatte, nicht zu klug rüberzukommen. Doch eine intelligente Frau hätte womöglich auch einfach den Mund gehalten.

Ich ließ von der Tür ab, an welche ich mich gelehnt hatte, und eilte mit großen Schritten meinem Zimmer entgegen. Nicht jenem Zimmer, in welchem ich die letzten Nächte verbracht hatte, sondern meinem Zimmer. Zwar war das Fester noch immer eingeschlagen und kühlte den Raum herunter, doch die Tür war wenigstens schon repariert worden, sodass ich sie hinter mir schließen konnte. Mein Wache positionierte sich vor meiner Zimmertür und ich schloss sie mit dem Schlüssel ab. Noch nie hatte ich den Schlüssel verwendet, doch aus irgendeinem Grund hatte ich nun Angst.

Was, wenn mich der Prinz anders behandeln würde? Immerhin hatte ich zu viel gesprochen und der höhere Stand mochte dies gar nicht. Außerdem hatte ich ihn den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekommen und als ich ihn vorhin gesehen hatte, hatte ich nichts aus seinem Gesicht herauslesen können.

Die letzten Tage war er nett zu mir gewesen und hatte sich bemüht, mir alles so angenehm wie möglich zu machen. Doch wenn ich mich als Dank blöd anstellte, dann konnte man es ihm wohl wenig verübeln, dass er mich eine Zeit lang nicht mehr zuvorkommend behandeln würde.

Ich kaute an einem meiner Fingernägel herum und ging zum Fenster. Ich wagte einen Blick nach unten und musste feststellen, dass es tatsächlich sehr viele Meter runter sein mussten. Der Räuber, welcher hinabklettern hatte wollen, konnte dies nicht überlebt haben. Falls doch, dann nur mit sehr schweren Verletzungen.

Ich schlang meine beiden Arme um den Körper, um mir Wärme zu spenden. Mit einem offenen Fenster im Zimmer, war es ziemlich kalt. Noch dazu war mein Kamin nicht beheizt und meine wärmeren Klamotten befanden sich nun auch schon in Robins Schlafgemach.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, als gegen die Tür geklopft wurde. Die Türklinke wurde betätigt, doch selbstverständlich ging sie nicht auf.

„Meine Prinzessin, öffnet die Tür!“ Es war eindeutig die Stimme des ersten Heerführers. Nun gut, vor ihm hatte ich sogar noch mehr Angst als vor meinem Gemahl. Ich hatte einfach schon zu viele Geschichten gehört. War er es nicht auch, welcher sich ständig Jungfrauen nahm und ihnen ihr Leben zerstörte?

„Meine Prinzessin, der Prinz möchte mit Euch sprechen!“ Sprechen, von wegen. Ich rechnete schon mit dem Schlimmsten. Was konnte er mir überhaupt antun? Würde er mir wehtun? Mich an den Haaren zerren? Zugegeben, ich hatte meinen Gemahl noch nie wirklich wütend erlebt. Vielleicht war er es gewesen, als wir von den Räubern überfallen wurden, doch dort ging seine Wut nicht gegen mich.

Ich vernahm wie sich Schritte von meinem Zimmer entfernten und seufzte erleichtert auf. Möglich, dass sie eine Ruhe gaben und mich allein ließen? Doch wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht, ob ich eine Nacht in diesem Zimmer überstehen würde, ohne mir eine Erkältung zuzuziehen.

Als es ein weiteres Mal an der Tür klopfte, konnte ich nicht mehr atmen.

„Olivia! Schließt die Tür auf!“ Robin. Eindeutig.

„Ich kann nicht“, flüsterte ich. Doch ich wusste, dass es niemand hören konnte.

„Doch Ihr könnt. Schließt sie auf!“, forderte er.

Doch Ihr könnt. Er hatte meinen Satz niemals hören können. Doch genau dieser Satz zwang mich ein paar Schritte vorwärtszugehen. Direkt vor der Tür blieb ich stehen.

„Olivia, schließt auf!“ Stille. „Olivia, ich möchte diese Tür nicht ein weiteres Mal ersetzen müssen!“

Er hatte doch nicht vor sie einzutreten? Jedoch … ich traute es ihm zu. Außerdem wurde es nur mit jeder Sekunde, in der ich den Schlüssel nicht umdrehte, schlimmer.

Meine zarten Finger umschlossen den Schlüssel und langsam drehte ich ihn im Schloss. Danach ging ich hastig ein paar Schritte rückwärts und wartete darauf, was als nächstes passierte.

Robin drückte die Türklinke nach unten und seufzte, als er mich ansah. Als er die Tür hinter sich schloss, wusste ich nicht was in mich gefahren war, doch ich tat es einfach. Ich glitt mit den Knien zu Boden und senkte meinen Kopf.

„Es tut mir leid. Bitte tut mir nicht weh.“

„Olivia, steht auf!“ Ich sah sein Schuhwerk direkt vor meinen Augen.

„Bitte.“

„Olivia!“ Er schien bald die Geduld zu verlieren.

Deswegen stand ich auf, wimmerte leicht, als er einen weiteren Schritt auf mich zukam und schaute weiterhin zu Boden.

„Bitte“, meine Stimme zitterte.

„Fast schon schrecklicher, als mich zu hassen, ist für mich die Tatsache, dass Ihr Euch vor mir fürchtet. Habe ich Euch je Anlass dazu gegeben?“

Meine Zähne klapperten aufeinander, als ich ihm nun doch in die Augen blickte. Langsam schüttelte ich den Kopf.

Robin von Schwarzenburg. Ich hatte schon viel von ihm gehört. Nicht zuletzt die Geschichte um die Schlacht um Mirofeld, sondern auch, dass er skrupellos war und alles und jeden abschlachtete, der ihm in die Quere kam. Er hatte keine Scheu vor Schmerzen, als Zeichen dafür trug er auch ein Brandmal mit dem Wappen der Schwarzenburgs an seiner rechten Schulter. Man erzählte sich, dass er die Wölfe im Griff hatte und sollte ihn jemand ärgern, dann ließ er sie auf einen los. Er war dafür bekannt, Schlachten zu gewinnen und lieber Taten anstelle von Worten herrschen zu lassen.

Ich schluckte, als er mich an den Armen berührte. „Olivia, ich kann nachvollziehen, dass Ihr Angst hattet, mit einem Schwarzenburg vermählt zu werden. Doch ich würde meiner Gemahlin niemals etwas antun, sollte sie mir nicht in den Rücken fallen.“

„Und was ist wegen dem was ich gesagt habe?“ Ich flüsterte.

Kurz verzogen sich die Lippen von Robin zu einem Lächeln, bis er wieder ernst wurde. „Ich mag meinen Onkel auch nicht sonderlich. Damit will ich nicht sagen, dass Ihr das ein weiteres Mal tun solltet, aber wie könnte ich Euch böse sein, wo er doch offensichtlich auch gegen Euch gesprochen hat? Ich sehe das so.“ Er kam mir noch ein Stück näher. „Ihr habt Euch nur selbst verteidigt.“

„So seht Ihr das?“

Anstelle mir zu antworten, zog mich mein Gemahl in eine Umarmung, was mich überraschte, denn damit hätte ich nicht gerechnet. Robin machte keine Anstalten dazu, mich wieder loszulassen, deswegen genoss ich seine Wärme einfach. Robins Haut schien immerzu warm zu sein, was ich in diesem Moment ausnutzen konnte. Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken und schloss zaghaft selbst meine Arme um ihn. Eine Weile verharrten wir so reglos.

Nach einiger Zeit stellte er fest: „Ihr friert.“

„Es ist auch nicht sonderlich warm in diesem Zimmer“, bemerkte ich. Vermutlich fiel ihm das gar nicht mehr auf, da er selbst immer eine erhöhte Körpertemperatur zu haben schien. Ich nahm mir vor, ihn irgendwann einmal darauf anzusprechen.

„Lasst uns in mein Zimmer gehen, welches eigentlich unseres ist.“

Ich hob den Kopf und schaute ihn an. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und er fasste mich an der Hand, um mich aus dem Raum zu führen.

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