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Es war schon ein Tag vergangen und Robin lag in seinem Bett, starrte die Zimmerdecke an und fragte sich, ob sie ihn eines Tages tatsächlich mögen könnte. Sie – Olivia.
Sein Blick wanderte zu der jungen Frau, welche neben ihm schlief und dabei so friedlich aussah. Er musste stets daran denken, wie er ihr hatte wehtun müssen, doch sie hatte nur kurz gezuckt, die Zähne zusammengebissen und es über sich ergehen lassen. Dafür bewunderte er sie allerdings auch. Es gab so einiges, wofür er seine Gemahlin bewunderte. Sie besaß eine gewisse Stärke, was nicht jede Frau von sich behaupten konnte und sie nahm vieles einfach an. Vielleicht würde sie eines Tages auch ihn annehmen. Ihn, mit allem was er war und was ihn ausmachte.
Er seufzte und fuhr seiner Gemahlin durch das lange braune Haar. Wenn sie schlief, dann schlief sie gut. Das hatte er mittlerweile mitbekommen dürfen. In der Nacht als die Räuber einbrachen, hatte er dies einfach auf die Aufregung geschoben, doch nun schlief sie auch seelenruhig an seiner Seite.
Während sich Olivia gewaschen hatte, hatte Robin das Bett neu gemacht. Dafür hatte er keinen Diener holen lassen, denn er wollte nicht, dass irgendjemand sah, was sie gemacht hatten. Dass sie für ihn geblutet hatte. Dass sie nun offiziell Gemahlin und Gemahl waren.
Er setzte sich in seinem Bett auf und grübelte lange darüber nach, warum es ihm so wichtig war, dass sie ihn nicht hasste. Er hatte es so oft gefragt! Sie musste sicher denken, er sei verrückt!
Ein kehliges Knurren drang aus seiner Kehle und er schwang die Füße aus dem Bett. Der weiche Teppichboden war angenehm unter seinen Füßen und Robin konnte sich vorstellen, weswegen Olivia den Boden so gerne hatte. Dennoch, er hatte noch nie eine Adelige – gar eine Prinzessin! – auf dem Boden sitzen sehen. Vorgestern wollte er sie da einfach nicht allein damit lassen und hatte sich kurzerhand einfach dazu entschlossen es ihr nachzumachen.
Robin verdrehte die Augen über sich selbst und zog sich seine Kleidung an. Draußen war es zwar noch dunkel, doch er lag nur mehr wach im Bett. Er hatte besseres zu tun, als nur mit offenen Augen im Bett zu liegen und über Etliches nachzudenken, was ihm ohnehin nur Kopfschmerzen bereitete.
„Guten Morgen, mein Prinz!“ Simon war sofort neben ihm als er aus dem Zimmer trat. Ein anderer Wache behütete das Zimmer und Simon ging mit Robin mit.
„Guten Morgen.“ Robin führte seinen ersten Heerführer in die Bibliothek. Dort schloss er die schwere Tür und wandte sich an ihn. „Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Robin schnaubte aus und ging neben den Regalen auf und ab.
„Nun ja, es ist früh morgens. Der Mond erhellt anstelle der Sonne die Straßen und die Vögel zwitschern noch nicht. Ich würde einen Ausritt vorschlagen. Wir könnten der Morgensonne entgegenblicken.“
Robin knurrte seinen Heerführer an und schenkte ihm einen gelangweilten Blick. „Das meinte ich nicht.“
„Ich weiß.“ Simon lachte und setzte sich auf einen der Stühle. „Um was geht es dann?“
„Um sie. Um den Wolf. Um alles. Ich habe keine Ahnung mehr.“ Robin seufzte. „Sie ist so anders als ich es gedacht hatte und ich habe das Verlangen ihr einiges anzuvertrauen, doch das wird sie nicht aushalten können. Sie ist zwar stark, aber so stark auch nicht. Sie ist eine Bell. Sie hasste mich einst.“
„Natürlich – um welches Thema sollte es auch sonst gehen, wenn ein Mann nicht mehr weiterweiß. Thema Frauen.“ Simon setzte sich gemütlicher in den Stuhl und tat ganz interessiert. „Erzählt weiter!“
„Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Oh nein, doch – sie will in das Dorf! Und sie möchte den König kennenlernen!“ Jetzt schmiss er doch die Arme in die Luft. „Selbst ich war seit meiner Vermählung nicht mehr bei meinem Vater.“
„Sie scheint Euch ja mehr als nur Kopfschmerzen zuzufügen. Von Frauen, die einem so viel Kopfschmerzen bereiten, sollte man grundsätzlich viel Abstand halten, doch da sie nun Eure Gemahlin ist…“ Simon wippte mit den Händen auf und ab. „Würde ich sagen, die Wahrscheinlichkeit, dieses Krankheitssymptom noch öfter zu bekommen, liegt bei Euch sehr hoch.“
Abermals knurrte der Prinz seinen Heerführer an und ließ sich neben ihn auf einen freien Stuhl sinken. „Sie möchte, dass ich ihr zeige, wie sie sich verteidigen kann.“
„Das wird ja immer besser!“
„Ich hoffte, Ihr könntet mir hierbei unter die Arme greifen. Ich kann ihr nicht lehren, sich zu verteidigen, weil ich nicht glaube, dass ich ihr wehtun kann. Aber ohne jemanden Schmerzen zuzufügen, kann man ihm doch nicht lernen, wie man sich verhalten soll, wenn es zu brenzligen Situationen kommt.“
„Also soll ich derjenige sein, der ihr wehtut?“
„Nein! Ja! Nein.“ Robin griff sich an den Kopf. „Kann man das einer Frau nicht anders lernen? Irgendwie sanfter vielleicht.“
Simon von Reichenstein lachte, doch schüttelte dabei den Kopf. „Die Frau bringt Euch ja wirklich um den Verstand. Noch nie habe ich Euch so über Frauen sprechen hören.“
„Sie ist meine Gemahlin“, sagte Robin schlicht. Doch innerlich verbesserte er sich, denn er mochte Olivia tatsächlich. Ihre Art war eine andere, als sie die Frauen bisher hatten, mit welchen er zu tun hatte. Nun gut, vielleicht glich sie ein bisschen seiner Mutter.
Jetzt verglich er sie sogar schon mit seiner Mutter! Bei ihm stimmte etwas nicht, und zwar gewaltig.
Er hatte geplant, eine Bell zu heiraten und sie danach sich selbst zu überlassen. Er hatte geplant, Kinder mit dieser Bell-Prinzessin zu zeugen und nicht mehr Zeit als nötig mit ihr zu verbringen. Er hatte geplant, niemals neben seiner Gemahlin einzuschlafen oder sie dabei zu beobachten, wie sie schlief. Das hatte er alles geplant.
Doch dann hatte er ihr in der Kapelle in die Augen geblickt. In diese dunkelblauen Augen, die beinahe schon so dunkel wie ihre Pupillen waren. Dann hatte er zugehört, wie ihre Schwester über Vergangenes sprach und er hatte sich seine Gemahlin in Reiterklamotten vorgestellt. Dann hatte er ihr aus dem Hochzeitskleid geholfen, sie in der Bibliothek gefunden, sie über den Schwarzenburg Wolf lesen gewusst und war die Nacht davor mit ihr eins geworden. Er wusste, bei ihr würde dieser Plan nicht aufgehen, und er war froh darüber. Denn für ihn hatte es in seiner Vorstellung nichts Schrecklicheres gegeben, als seiner zukünftigen Gemahlin aus dem Weg gehen zu müssen.
„Wie dem auch sei.“ Sein erster Heerführer brachte ihn wieder auf andere Gedanken. „Wir müssen uns heute mit dem höheren Stand zusammensetzen. Die Familie von Eisenbach ist noch immer nicht gewillt uns das Landstück zu überlassen, welches unseres ist.“
„Elende Verräter.“ Robin war noch immer verärgert über den Packt, den sie mit den Eisenbachs geschlossen hatten. Frieden, solange sie am Umbauen der Burg waren, gegen ein Stück Land ihrerseits, welches an das Land der Schwarzenburgs grenzte. Robin zischte etwas Unverständliches und blickte zu Simon. „Nie hatten wir Frieden mit den Eisenbachs. Ständig arbeiten sie nach ihren eigenen Regeln. Ich werde in ein paar Wochen zum König von Eisenbach reiten und das klären.“
„Klären? Etwa mit Worten?“ Simon schenkte ihm einen vielsagenden Blick.
„Seht mich nicht so an! Ich kann nicht sofort einen Krieg anzetteln.“
„Ihr könntet eine Krähe schicken.“
„Damit sie sie behalten, braten und essen?“
„Besser als sie behalten, braten und essen Euch.“
„Sehr witzig.“ Robin verdrehte die Augen und stand auf. „Ihr habt Recht, heute ist ein guter Tag, um mit dem höheren Stand über unser Landstück zu sprechen. Die Familie von Eisenbach hat uns zu geben, was uns gehört.“
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Es war später Nachmittag und der höhere Stand würde bald eintreffen. Robin hatte seine Gemahlin den ganzen Tag nicht gesehen, weil er zu beschäftigt damit war, alles für das Treffen vorzubereiten. Vielleicht war das auch besser so, denn wenn er sie sah, dann wusste er nie wie er sich zu benehmen hatte. Dabei war sie seine Gemahlin! Er knirschte mit den Zähnen und rückte den Stuhl etwas zu heftig zurecht.
„Alles in Ordnung, mein Prinz?“
Robin schenkte dem ersten Heerführer einen Blick, der bedeuten sollte, dass er mit seinen Gedanken lieber allein wäre. Deswegen ließ ihn Simon in Ruhe und ging aus dem Saal, um dort den höheren Stand zu empfangen.
„Prinz Robin!“ Der Priester verbeugte sich vor ihm. „Wie geht es Eurer Gemahlin?“
„Ausgezeichnet.“ Der Prinz von Schwarzenburg versuchte zu lächeln. Eigentlich konnte er Zusammenkünfte mit dem höheren Stand nie leiden, denn sie dauerten immer so lange an und er mochte nicht alle Menschen des höheren Standes. Vor allem untersagten die Regeln, dass eine Frau anwesend sein dürfte, wenn sie über Geschäftliches sprachen. Das gab seiner Mutter, der Königin, einen weiteren Grund diese Herrschaften nicht allzu gern zu haben.
Den Grafen Albrecht von Schwarzenburg konnte der junge Prinz nicht wirklich leiden. Er war der Bruder seines Vaters, doch sie hatten nicht viel gemeinsam. War sein Vater ein guter Anführer und König, so konnte man das von seinem Bruder nicht behaupten. Dennoch war der Graf Albrecht von Schwarzenburg wichtig für den höheren Stand, da er für die Bevölkerung zuständig war. Er hatte dafür zu sorgen, dass es am Markt mit rechten Dingen zuging, keine Kämpfe in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurden und die Menschen zu ihm gehen konnten, wenn ihnen etwas nicht passte.
Dann gab es noch den Grafen Eberhard von hinter den großen Bergen. Niemand kannte seine Geschichte genau, doch er war als steinreicher Mann in das Land der Schwarzenburgs gekommen, als er noch sehr jung war. Mittlerweile war er alt und grau, doch sein Kopf war stets bei der Sache. Der Graf Eberhard war für Neuheiten aus den anderen Landteilen zuständig. Wenn sich ein Gerücht herumsprach, dann ging er dem auf der Stelle nach. Er wusste quasi über alle Burgen Bescheid und kannte deren Strategien.
Baron Wolfram war für Finanzielles zuständig. Mit ihm hatte der Prinz nicht allzu viel zu tun, doch er wusste, dass dieser den König oft besuchen ging und ihm über die finanzielle Lage Bericht erstattete.
Der Baron Leopold war für das Wohlergehen aller Menschen in ihrem Land zuständig. Er sorgte dafür, dass genügend Felder bepflanzt wurden, und erkundigte sich laufend bei den Bauern wie die Ernte ausfiel und wie viel Geld sie einnehmen konnten.
Selbstverständlich gab es auch noch den ersten Heerführer, der für die Sicherheit des Landes zuständig war, alle Wachen unter sich hatte und die Kriege anführte. Simon Reichenstein war einer der vertrautesten Personen, welche zu Robins Leben zählten und er wollte seinen Heerführer unter keinen Umständen missen. Zwar waren sie im gleichen Alter, doch Robin konnte von Simon noch so einiges lernen.
„Danke, dass ihr alle kommen konntet“, begann der Prinz sofort, als auch der letzte Mann des höheren Standes am Tisch Platz genommen hatte. Einzig und allein der König fehlte, ansonsten waren sie komplett.
„Ich hörte, Ihr wolltet über das Land der Eisenbachs reden“, kam Graf Eberhard gleich zur Sache.
„Das ist wahr. Sie wollen es uns nicht überlassen.“ Robin sah wie sich das Gesicht einiger Männer am Tisch zu einer wütenden Grimasse bildete.
„Das bedeutet Krieg.“ Sein Onkel sprach.
„Wir sollten noch einmal mit den Eisenbachs darüber reden“, verkündete der Prinz.
„Reden? Ich wäre für eine Belagerung.“ Der Baron Leopold sah dem Prinzen direkt in die Augen. „Mehr Land können wir immer gebrauchen und es ist nun einmal unseres. So war es abgemacht.“
„Wir hätten dieser Abmachung nie zustimmen dürfen“, seufzte Baron Wolfram. „Wir wissen doch wie hinterhältig die Eisenbachs sein können. Sie handeln nur nach dem, wie es ihnen gerade am besten passt.“
„So wie der König von Bell.“ Robin betrachtete seinen Onkel mit zusammengekniffenen Augen.
„Was wollt Ihr mir damit sagen?“
„Es war nicht klug, eine Bell zu heiraten. Sie sind genauso hinterhältig wie die Eisenbachs. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir dies zu spüren bekommen.“
„Der König von Bell gab mir seine Tochter.“ Nun wurde Robin zornig. „Ein Vater würde seinem Kind niemals schaden wollen.“
„Was in den Köpfen der Bells vor sich geht können wir genauso wenig beurteilen, wie was in den Köpfen der Eisenbachs von sich geht. Wir müssen vorsichtig sein, in beiderlei Hinsicht.“
„Sie ist keine Bell mehr. Sie ist meine Gemahlin und somit die Prinzessin von Schwarzenburg“, zischte der Prinz und betrachtete seinen Onkel, welcher nur mit den Schultern zuckte.
„Ich wollte Euch nur gewarnt haben.“
Kurz war es still im Saal, bis Simon Reichenstein seine Stimme erhob: „Wir laden Prinz Friedrich von Eisenbach zu uns ein. Ob er dieser Einladung nachkommt oder nicht, sei ihm überlassen, doch somit müssen wir ihr Land nicht betreten, müssen nicht grundlos einen Krieg anzetteln und auch nicht belagern. Wir sollten abwarten, was er uns zu sagen hat und danach entscheiden, wie es weitergeht.“
Robin war seinem Heerführer dankbar, dass er das Gespräch wieder in die Richtung lenkte, weswegen sie sich heute versammelt hatten.
„Was, wenn er der Einladung nicht nachkommen möchte?“, wollte Baron Wolfram wissen.
„Dann wäre ich für eine Belagerung des Landstücks“, sprach der erste Heerführer und schaute nun zu dem Prinzen.
„Das klingt nach einem Plan, welchem wir Folge leisten können.“
„Ich hätte gleich zu den Waffen gegriffen, aber sei es wie es sei“, seufzte Graf Albrecht von Schwarzenburg. Danach betrachtete er seinen Neffen und meinte: „Ich wäre dafür, noch etwas zu trinken und zu quatschen. Lasst doch die Frauen holen.“
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