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„Sag, dass ich mich verhört habe.“ Die Königin Marissa von Bell war entsetzt. Sie wollte nicht glauben, was ihr Gemahl von sich gegeben hatte. „Das kannst du unserer Tochter nicht antun!“
„Ich handle danach, wie es das Beste für uns ist“, seufzte der König von Bell genervt.
Eine Lüge, dachte sich die Königin, doch wagte es nicht auszusprechen. „Was das für Olivia zu bedeuten hat, scheint dir egal zu sein.“ Die Königin von Bell irrte ein paar nervöse Schritte im Zimmer umher, bis sie vor dem weinroten Sofa zum Stehen kam. Sie betrachtete das menschengroße Gemälde vor ihren Augen, wo ihre glückliche Familie zu sehen war. Wenn der König tatsächlich diese Entscheidung treffen sollte, dann würde es nie mehr so werden, wie auf diesem einen prachtvollen Gemälde, wo ihr drei wundervolle Töchter, ein zotteliger grauer Hund, der König und sie selbst entgegenlächelten.
„Warum Olivia?“ Sie drehte sich mit tränenden Augen zu ihrem Gemahl um, welcher aus dem Fenster blickte.
„Sie ist von starker Natur. Ida und Jutta sind da anders. Verletzlicher. Außerdem weißt du genauso gut wie ich, dass wir Jutta nicht mit einem Prinzen vermählen können. Wie oft sie sich schon mit dem Stallburschen getroffen hat, ist es ein Wunder, dass sie noch kein Baby unter dem Herzen trägt!“
„Isaak!“ Die Königin ging auf ihn zu und blieb direkt neben ihm stehen. „Es wird doch noch eine andere Möglichkeit geben.“
„Nein.“
„Doch. Er ist der Prinz von Schwarzenburg! Wir haben unseren Kindern gelehrt, dass sie zum Fürchten sind. Sie sind skrupellos und gemein. Was wird sie dort für eine Zukunft haben?“ Bei jedem Wort wurde sie lauter. Dass draußen die Sonne mit voller Kraft strahlte und die Welt zum Erleuchten brachte, interessierte sie nicht. Ihre Welt war momentan pechschwarz – vor dieser Dunkelheit konnte sie nicht flüchten, selbst dann nicht, wenn sie es noch so hart versuchte. Sie wusste, warum der König Olivia nahm, und sie wusste, dass ihn nichts auf der Welt umstimmen konnte.
„Ich werde sie wiederholen.“ Worte durchbrachen die Stille.
„Das glaubst du doch selbst nicht!“
„Ich habe einen Plan.“
„Na den will ich hören!“, spottete die Königin und erntete einen vernichtenden Blick von ihrem Gemahl.
„Ich habe einen Plan“, wiederholte er sich zornig.
„Du kannst sie nicht zweimal aus ihrer Umgebung reißen. Sie wird sich dort anpassen und dort zu Leben lernen.“
„Ich werde sie zurückholen.“
Die Königin schüttelte den Kopf und verließ wütend das Zimmer. Mit ihrem Gemahl war nicht zu sprechen. Wenn es um sein Land ging, und wie er es erweitern konnte, dann ließ er nicht mit sich reden. Er setzte alles in Bewegung, nur um mächtiger und angesehener zu werden. Manchmal hasste sie es, mit ihm verheiratet zu sein. Doch wie hätte sie sich helfen sollen? Auch sie war einst eine junge Frau gewesen, die nichts gegen die Entscheidungen ihres Vaters ausrichten konnte.
Die Königin seufzte als sie an ihre geliebte Tochter Olivia dachte. Sie würde den Prinzen von Schwarzenburg heiraten. Allein bei dem Gedanken seines Namens lief es ihr eiskalt über den Rücken. Was er in seinen jungen Jahren schon alles gemacht und durchlebt hatte, war einerseits erstaunlich, andererseits sehr beängstigend.
Die Königin lief die Gänge der Burg entlang, bis sie in ihrem eigenen Zimmer angelangt war. Die schwere Holztür flog lautstark zu, was der Königin nur recht war. Sollte doch jeder in dieser steinernen Burg ihre Trauer, Wut und Furcht spüren können. Sollten doch diese Mauern erzittern.
Tränen liefen ihr über die Wangen, denn sie konnte ihrer geliebten Tochter nicht helfen. Königin Marissa von Bell wusste ganz genau, weswegen der König ausgerechnet Olivia ausgewählt hatte, und sie selbst wusste es auch. Doch die Königin hatte Angst. Angst darum, was geschehen würde, falls Olivias Erbe eines Tages ans Licht kommen würde. Was es anrichten konnte. Wer sie beherrschen könnte.
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„Ich lache dir ins Gesicht, Mutter!“ Der Prinz von Schwarzenburg stand vor seiner Königin. Seine wütende Stimme hallte durch den Thronsaal. Wachen standen vor der Wand unter angezündeten Fackeln und bewegten sich nicht.
„Robin, so ist es das Beste. Du bist fünfundzwanzig Winter alt und hast noch keine anständige Frau in Aussicht. Mir blieb nichts anderes übrig, als dem einzuwilligen. Dein Vater ist schwer krank und liegt schon seit Wochen nur mehr im Bett. Ich kann nicht ohne ihn regieren. Das musst du übernehmen, und wenn es so weit ist, brauchst du eine Frau an deiner Seite!“
„Aber doch keine Bell!“ Fast schon klang er verzweifelt.
„Ihr Name ist Olivia, sie ist achtzehn Sommer alt und bald deine Vermählte.“ Die Stimme der Königin ließ keinen Widerspruch zu.
„Sie ist noch ein Kind.“
„Sie ist eine junge Frau in einem guten gebärfähigen Alter. Ihr werdet euch aneinander gewöhnen müssen.“
„Das sind ja großartige Aussichten. Ich bin sicher, sie freut sich mehr als alles andere mit einem Schwarzenburg vermählt zu werden.“ Der Prinz lachte, während er gleichzeitig den Kopf schüttelte. „Was das für das Mädchen zu bedeuten hat, daran hat wohl keiner gedacht.“ Danach verließ er, ohne weiters etwas zu sagen den Thronsaal.
Seine Mutter seufzte und erhob sich aus ihrem Thron. Zu ihrer rechten Seite stand der Thronsessel ihres Gemahls, welcher schon seit Wochen nicht mehr gesund wurde. Selbst der Heiler wusste nicht mehr viele Gegenmittel auszuprobieren. Es schien beinahe so, als würde er bald von ihnen gehen müssen, und da wollte die Königin vorbereitet sein. Sie konnte kein Land regieren, zumal es ihr nicht zustand. Der erstgeborene Sohn musste diese Verantwortung übernehmen, und Robin war nun einmal ihr einziges Kind. Die Königin wäre beinahe bei seiner Geburt verstorben, weswegen der König es bei einem Kind beließ und keine weiteren mehr zeugen wollte.
Die Königin wusste, dass sie geliebt wurde. Ihr Gemahl liebte sie wirklich, und dass nur, weil sie sich aneinander gewöhnt hatten. Sie hoffte wirklich, dass es ihrem Sohn mit diesem Bell Mädchen in ferner Zukunft auch so ergehen würde.
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