3-Meine Attacke

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, blendete mich helles Licht. Schnell kniff ich sie wieder zusammen und blinzelte einige Male, bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte.
Dann setzte ich much langsam auf.
Ich trug noch immer weiss, doch irgendjemand hatte mir eine warme Decke über den Körper gelegt. Ich sass noch immer auf derselben Couch wie gestern.
Auf der Couch neben mir lag Damian, der noch immer schlief und auf dem Sessel neben ihm der dritte von uns „Geretteten."
Ich blickte mich langsam um.
Wir waren wohl im Wohnzimmer.
Denn vor mir lag ein flauschig aussehender Teppich, und weiter davor loderte ein fröhliches, oranges Feuer im Kamin, der schwarz im hölzernen Raum stand.
Einige Gemälde hingen an den Wänden, doch ansonsten war der grosse Raum nur vollgestopft mit Sitzgelegenheiten und einem grossen Vollbildfernseher. Sah eigentlich ganz normal aus. Wie ein Heim für Ferienlager.
Und einige Stufen hinaufgestiegen, war der Eingang zum Haus, neben dem sich ein Haufen von Jacken an den Haken an den Wänden häuften. Sie wohnten wohl alle hier.
Das Tageslicht flutete den freundlich gestalteten Raum, hinter mir führte eine Holztreppe, geschmückt mit einem grünen, abgenutzten Teppich, in die oberen Stockwerke.
Es war ruhig, wahrscheinlich schliefen noch alle.
Ich blickte auf eine laut tickende Wanduhr. Acht Uhr Morgens, kaum zu glauben dass ich so wenig geschlafen hatte, nach der gestrigen Nacht.
Doch das war gut.
Meine Augen huschten über die Möbel im Raum.
Nachdem ich mich vergewissert hatte nahm ich allen Mut in mir zusammen und lief langsam auf die Türen zu.
Das war der Moment um abzuhauen.
Mein Herz pochte laut, doch ausser meinen knarrenden Schritten konnte ich nichts hören.
Immer näher kam die Türklinke, die mich wie magisch anzog.
Schritt für Schritt näherte ich mich meiner Freiheit. Und noch immer wurde ich nicht aufgehalten. Freude machte sich in mir breit und ich konnte endlich die Finger auf die kühle Klinke legen.
In diesem Moment wurde sie von Aussen runter gedrückt und ich zuckte zurück.
Die knarrende, schwere Flügeltür schwang auf und ich blickte direkt in ein markantes, bekanntes Gesicht. Die schwarzen Locken waren noch ungekämmt und die grauen Augen beobachteten mich spöttisch aber aufmerksam.
„Na. Da wollte Jemand wohl einen Morgenspaziergang machen."
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, wobei man seine weissen Zähne gut sehen konnte. Einer seiner Eckzähne war länger als der andere.
Ich schluckte und machte einen Schritt zurück, während ich die Hand langsam sinken liess.
„Nein, ich wollte nur..."
Eine Frauenhand legte sich auf Nicks Schulter. Da war wieder die Frau von gestern. Seine Mutter.
„Ach lass doch das arme Mädchen in Ruhe Nick. Komm meine Liebe, du kannst mir helfen den Salat zu waschen." meinte sie dann wissend lächeln und scheuchte mich wieder ins Haus.
Scheisse.
Nick folgte ihr und Schloss die Türe hinter sich. Er wirkte nicht sonderlich interessiert und verzog sich nach Oben, alsbald er sah dass ich seiner Mutter auch wirklich in die Küche folgte.
Jetzt bloss nichts dummes machen, es würden andere Gelegenheiten kommen.
„So Alana. Da du schon mal wach bist, lass uns reden."
Ich schluckte und sie wies mich an, mich neben sie zu stellen und meine Hände ins Wasser zu stecken und die Salatblätter zu waschen. Das Wasser war kalt. Schweigend arbeitete ich, während sie mich von der Seite beobachtete.
„Du weisst was du bist, nicht wahr?"
Ich liess die Hände im kalten Wasser hin und her wandern und beobachtete die feinen Wellen, die sie ausschlugen.
Ich nickte.
„Gut, dann fragst du dich bestimmt wieso du nicht wieder einfach in dein altes Leben zurück gehen kannst."
Jetzt wurde ich hellhörig.
„Du musst wissen, unsere Gesetze sind sehr streng. Wie du bestimmt verstehst würdet ihr gejagt werden wie Tiere, wenn die Menschen jemals erfahren sollten was ihr seid. Deshalb ist Geheimhaltung eine wichtige Regel."
„Ich kann auch schweigen, und nie wieder ein Wort darüber reden."
Sie seufzte. „Ich glaube dir das du es wollen würdest. Aber Wölfe die Gebissen wurden haben eine viel schlechtere Selbstkontrolle als geborene Wölfe. Deshalb würdest du dich ohne Training von uns hier in diesem Haus früher oder später in einer emotionalen Situation selbst verraten.
Und das dürfen wir nicht riskieren. Denn jeder Mensch, der bisher von uns erfahren hat, wurde entweder zu einem Wolf oder wurde getötet."
Ich schluckte. Scheisse waren die hier etwa alle durchgedreht?
„Du sprichst die ganze Zeit von euch, ohne dich mit ein zu schliessen. Bist du etwa kein..."
Ich zögerte, das unrealistische Wort auszusprechen.
„Wolf?" sie lächelte und fischte den Salat aus dem Wasser und schüttelte ihn aus.
Feine Tröpfchen flogen durch die Luft und auf meine Arme.
„Nein, ich bin keine Werwölfin. Weibliche Werwölfe sind sehr selten, wieso ist niemandem so richtig klar. Frauen die als Kinder von Wölfen oder einem Wolf und einem Menschen geboren werden sind meist ohne das Wolfsgen. Und tragen sie es doch in sich, sind sie bei der Geburt sehr schwach. Nur wenige Überleben. Und bei gebissenen Frauen ist die Sterberate noch höher. Deshalb war es auch ein kleines Wunder, dass du überlebt hast."
Ich runzelte die Stirn. So absurd.
„Aber du sagtest jeder Mensch der von uns weiss muss sterben. Wieso also lebst du noch?"
Sie lächelte und liess das Wasser ablaufen, hielt mir ein Tuch hin um meine Hände zu trocknen.
„Das ist eine gute Frage. Weibliche Wölfe sind sehr selten und auch ein männlicher Wolf sehnt sich nach einer Gefährtin. Geborene Werwölfinnen suchen sich meist einen Alpha aus, da ihre Kinder dann die grössten Chancen haben, auch als Mädchen zu überleben.
Und jeder andere Wolf, manchmal auch Alphas wie Anthony, kann sich in einen Menschen verlieben."
Ich schluckte.
„Und dann erzählen sie ihnen was sie sind?"
Margrit nickte und packte eine gläserne Schüssel aus einem Schrank und stellte sie schwungvoll auf den Tisch.
„Ja. Wenn die Frauen es verkraften werden sie ein Teil des Rudels so wie ich es bin. Nur eben ohne Wolfsgen. Und wenn nicht, wenn sie durchdrehen dann werden sie...eliminiert."
Ich starrte sie an. Das konnten sie doch nicht einfach tun!
„Aber so zerstört ihr Leben von Leuten, die sich nicht aussuchen konnten, ob sie von euch wissen wollten oder nicht! Das ist unfair!"
Sie nickte etwas betrübt.
„Ja. So mancher Wolf der seine Geliebte töten musste, folgte ihr kurz daraufhin in den Tod. Doch so sind die Gesetze, Alana. Nur so überleben wir. Das mag für dich noch völlig fremd und barbarisch wirken, doch du wirst es bald verstehen."
Ich glaubte nicht dass das so sein würde. Ich würde hier weg gehen und diesen Abschnitt meines Lebens einfach wieder vergessen.
„So, die anderen sind wach, du kannst wieder ins Wohnzimmer, vielen Dank für deine Hilfe, Liebes."
Sie lächelte mich freundlich an.
Wie konnte eine so gutmütige Frau so ein Leben nur befürworten.
Ich drehte mich um um die Küche zu verlassen und prallte beinahe in den Schrank von Mann.
„Hoppla, nicht so stürmisch."
Grinste Julian und fuhr sich durch das blonde Haar.
Er lächelte mich zwar freundlich an, trotzdem zog ich es vor, mich schweigend an ihm vorbei zu drücken.
Vielleicht hätte ich aber lieber in der Küche bleiben sollen. Denn als ich wieder das Wohnzimmer betrat, wurde ich von 23 Augenpaaren angestarrt. Die restlichen sieben Frauen hatten sich alle zusammen auf eine Couch gequetscht und eine hatte den Kopf auf die Schulter der anderen gelegt oder das Bein halb über den Schoss der anderen geschlagen. Die mussten ja wohl alle ziemlich eng miteinander sein.
Mich starrten sie allerdings ziemlich feindselig an. Na toll.
Ich blickte zu meinen beiden ehemaligen Mitgefangenen, die wie zwei Häufchen Elend auf der zweiten Couch sassen.
Ich schluckte.
„Alana, setz dich doch."
Anthony, der sich mit nachdenklichem Blick durch den krausen Bart strich, wies mit der anderen Hand auf die Couch. Mein Blick wanderte zu Nick, der neben seinem Vater an der Wand lehnte und eine lockere, verwaschene Jeans und ein weisses Shirt trug. Er war schlank aber trotzdem trainiert. Einige seiner Locken hingen ihm in die Stirn und seine Augen verfolgten mich mit brennendem Blick, auf meinem Weg zum Sitzplatz.
Dann setzte ich mich unwohl.
„Gut, ihr alle seid bereits über unsere Gesetze aufgeklärt worden. Deshalb mache ich es kurz. Ihr habt nun die Wahl euch unserem Rudel anzuschliessen, oder aber nicht."
Ich kniff die Augen zusammen.
Als ob das jetzt so einfach war.
Die Mitglieder sassen auf dem Boden oder Stühlen und beobachteten das Verfahren interessiert aber mucksmäuschenstill. Niemand sprach, wenn der Alpha sprach. Ausser ich natürlich, deren Mundwerk wieder mal schneller war als der Verstand.
„Und was passiert, wenn man beschliesst zu gehen?"
Anthonys Augen trafen direkt meinen Blick und ich spürte eine unglaubliche Dominanz, die mich tief drinnen traf. Kein Wunder, ich war ein Wolf und musste wohl spüren, was er für einen Rang inne hatte.
„Wenn sich Jemand von euch entschliesst, nicht bei uns zu bleiben ist das sein gutes Recht. Dann wird er zum Einzelläufer degradiert. Das sind Wölfe ohne Rudel, die ständig überwacht werden von uns, solange sie sich in unserem Revier aufhalten. Bei einem Fehler werden sie ausgelöscht, und ein Mensch der vielleicht davon betroffen ist ebenfalls. Es empfiehlt sich, als Einzelläufer die Stadt und das ganze Umfeld zu verlassen.
„Aber ich habe doch eine Frau und einen Job hier.."
Meinte der Wolf, dessen Namen ich noch nicht kannte.
„Dann solltet ihr alle beide Verschwinden, ausser du bleibst hier. Also, trefft eure Entscheidung."
Er hob einen Finger.
„Solltet ihr aber hier bleiben und euch den Rudelgesetzen fügen, so werdet ihr trainiert bis ihr euch perfekt beherrschen könnt. Ihr werdet mit unseren Kindern und Jugendlichen zur Schule gehen können und im Familienunternehmen arbeiten können. Ihr findet in uns eine treue Familie die sich niemals gegenseitig den Rücken kehrt."
Der Wolf dessen Namen ich nicht kannte sprang auf, ein etwas verrücktes Glitzern in den Augen. Ich war mir nicht sicher, ob sein Gehirn nicht vielleicht von der Verwandlung beschädigt war.
„Ich verschwinde hier, lasst mich bloss in Ruhe ihr verrückten!"
Er rauschte an Anthony vorbei und kurz danach hörte man das Schloss einrasten. Niemand hielt ihn auf, tatsächlich.
Interessant.
Jetzt war Damian an der Reihe, der neben mir zitterte wie Espenlaub. Ich gab ihm einen Stoss in die Seite.
„Reiss dich zusammen, ich kann deine Angst schon riechen."
Und das stimmte wirklich.
Es roch ekelhaft.
„Ich...ich bleibe hier. Aber nur wenn ich mein Studium fortsetzen kann."
Anthony neigte leicht den Kopf.
„Natürlich, sobald du genug Selbstbeherrschung antrainiert hast, kannst du zusammen mit den anderen eine Uni besuchen, den Wechsel organisiere ich schon."
Damian nickte eilig und senkte dann wider den Kopf.
Okay, ich durfte jetzt nicht meinem unglaublichen Verlangen nachgeben und schnell hier weg gehen. Denn dann würde ich mich früher oder später in Gefahr bringen und somit auch Lucy.
Aber wenn ich solange blieb bis ich alles gelernt haben würde, was ich können musste, dann konnte ich ja gefahrlos abhauen. Dann hätten sie ja keinen Grund mehr, mich überwachen zu müssen.
Aber konnte ich mir selbst das antun? Einfach so in ein neues Leben schreiten und danach erwarten das in meinem Alten Dasein als die menschliche Alana noch alles gleich bleiben würde? Nein...
Verdammt.
„Alana, was ist mit dir?"
Vielleicht kam es mir nur so vor, aber alle wirkten auf einmal noch interessierter.
Ich schwieg und blickte dann Anthony aus kühlen Augen an. Der Grund wieso ich bleiben würde war eiskalte Berechnung. Und er musste nichts anderes denken. „Ich bleibe hier. Aber nicht für immer, nur so lange wie es nötig ist, damit ich keine Gefahr für andere bin."
Anthonys Miene war undurchschaubar, ob er es gut fand oder ob er sowieso nicht vorhatte, mich jemals wieder gehen zu lassen, wusste ich nicht.
Aber mein Leben war sowieso schon so auf den Kopf gestellt worden, unterdessen hatte ich meinen Vorrat an Angst aufgebraucht.
„Das ist schön zu hören. Wenn ihr euch also entschieden habt, ein Teil dieses Rudels zu werden, wird es jetzt zeit euch aufzunehmen."
Anthony hob feierlich die Arme und vor meinen inneren Augen erkannte ich schon ein blutiges und ekliges Aufnahmeritual, durch das ich jetzt durch musste. Ich wappnete mich emotional und setzte mich gerade hin. Ich versuchte die stechenden Blicke von allen Seiten her zu ignorieren und weiterhin stark auszusehen. Furchtlos.
„Damian stell dich vor mich."
Wies der grosse, bärtige Alpha den dünnen jungen Mann neben mir an und dieser sprang sofort auf und beeilte sich, seinem Befehl Folge zu leisten.
„Da wir nicht wissen ob dir wirklich zu trauen ist und du kein eingeborenes Rudelmitglied bist, wirst du deine Rolle im Rudel zuerst als Omega starten. Du wirst uns helfen wo es dir möglich ist und keine Privilegien verlangen, die einige hier vielleicht besitzen. Wenn die Zeit reif ist, wirst du allerdings ein vollständiges Mitglied unseres Rudels."
Damians Schultern sackten nach vorne und er nickte nur Kampflos.
„Alana, stell dich neben deinen Freund."
Verdammt. Er war immernoch nicht mein Freund.
Ich kannte Wölfe aus dem Bio-Unterricht gut genug um zu wissen das ein Omega nichts andere als der schwächste in Wurf war. Der Fussabtreter der anderen, an dem sie ihren Frust auslassen konnten.
Ich musste also mit Damian erstmal unten durch. Na super.
Ich erhob mich und stellte mich langsam neben den klein gewachsenen Jungen.
„Alana, du wirst hiermit als vollwertiges Mitglied dieses Rudels aufgenommen, du musst dich an dieselben Gesetze halten wie wir alle, ansonsten wirst du in uns eine liebende und treue Familie finden."
Moment.
Verwirrt blickte ich hoch. „Was?"
Entfuhr es mir. Ich war entrüstet. Wieso wurde ich nicht zu einem Omega degradiert, ich war schliesslich unter denselben Bedingungen hierher gelangt wie Damian.
Wieso also sollte er eine schlechtere Behandlung bekommen als ich.
Damian hielt den Blick gesenkt.
„Möchtest du uns was mitteilen?"
Meinte Anthony und wies mit der Hand auf mich, einladend als wolle er mich ermutigen, mir das Leid von der Seele zu reden.
Ich schluckte und reckte dann den Kopf.
„Ja. Ich verstehe nicht wieso Damian nicht auch ein normales Rudelmitglied sein kann, ich aber schon."
Margrit, die leicht hinter ihrem Mann stand, verkniff sich ein schelmisches Lächeln. Sie war erstaunlich kindlich für eine betagte Frau.
„Es steht dir eigentlich nicht zu, die Entscheidungen deines Alphas zu hinterfragen Alana."
Ermahnte mich der Bärtige, während er mich streng von oben herab ansah.
Ich kniff die Augen zusammen.
„Also erwartest du blinden Gehorsam? Wir leben hier in einer Demokratie, wieso sollte man das wieder für eine Diktatur aufgeben?"
Stiess ich hervor. Mir war bewusst dass das Frech war, doch ich konnte sowas nicht einfach hinnehmen. Das Volk musste die Regierung hinterfragen können und von ihr Erklärungen für ihre Entscheidungen verlangen, wieso sollte ich hier also anders Leben.
Das war ein Schritt zurück in der Geschichte.
Anthonys Augen färbten sich eisig blau, sie leuchteten unnatürlich Hell und
Er stiess ein tiefes, unheimliches Knurren hervor.
Ich spürte wie gross die Autorität war, die von dem grossen Mann her ausströmte. Ich spürte dasselbe Verlangen wie alle anderen, die den Kopf senkten und den Blick zu Boden richteten. Instinktiv hatte das sogar Damian gemacht.
Doch so komisches es auch klingen mochte, ich schaffte es irgendwie, dem Drang zu widerstehen.
Vielmehr löste das Knurren in meinem Innern einen Widerstand aus, ähnlich kindlichem Trotz.
Nein, ich war zu stolz dafür.
Wut und Stolz brodelten in meinem Innern wie Lava die endlich aus der Erdkruste ausbrechen wollte.
Ich konzentrierte mich so sehr den Blick nicht zu senken und Anthony stur in die Augen zu sehen, dass ich gar nicht merkte, dass auch meine Sicht sich veränderte.
Erst als ich das lilafarbene in seinen Augen spiegeln sehen konnte, wurde mir bewusst dass meine Augen zu meinem wölfischen Ich geworden waren.
Sofort blinzelte ich einige Male und weg war es wieder.
Doch Anthony hatte es sehr wohl bemerkt und kurz konnte ich erstaunen in seinen, unterdessen ebenfalls wieder menschlichen Augen, aufblitzen sehen.
Ja da schaute er wohl, wenn mal jemand nicht alles gehorsam hinnahm wie er es sich gewohnt war.
„Nun."
Seine Stimme klang ruhig, als ob er sich nie aufgeregt hätte.
„Ich kann dir das so erklären. Jedes Rudel ist gewissermassen auf die seltenen weiblichen Mitglieder angewiesen, wieso also sollten wir eine Frau nicht so schnell wie möglich aufnehmen."
Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Ich bin aber nicht anders als Damian auch. Das ist unfair."
Anthony senkte den Kopf und lächelte durch seinen Bart.
„Es steht dir frei, die Position des Omegas ebenfalls zu wählen, wenn du das lieber magst als ein vollwertiges Mitglied zu sein."
Ich biss mir auf die Lippe. Na super. Sollte ich jetzt Damian zuliebe, einem Jungen den ich nicht einmal kannte, meinen Vorteil aufgeben und riskieren, vielleicht weniger schnell hier weg zu kommen?
Was brachte es ihm auch, aus meiner Position konnte ich ihm besser helfen als wenn ich auch wine Omega geworden wäre.
Ich schwieg. Innerlich entschuldigte ich mich bei Damian, und nahm mir vor, ihn
Ab jetzt mit allen Mühen zu schützen und für ihn da zu sein.
„Gut. Dann kniet nieder und akzeptiert mich als euren Alpha."
Ich hob die Brauen. Das war hier doch verrückter als in einer Sekte.
Damian sank sofort auf die Knie, als hätte er bur darauf gewartet.
Ich wollte eigentlich nicht arrogant klingen oder hier eine Szene machen um
Irgendwelche Aufmerksamkeit einzuhaschen.
Aber mein unglaublicher Stolz liess auch jetzt wieder nicht zu, dass ich dem Anführer gehorchte. So machte ich mich ja super beliebt.
„Ich knie nicht, vor Niemandem."
„Das werden wir heute Abend in
Meinem Zimmer doch gleich mal
Herausfinden!"
Grölte irgend eine männliche Stimme hinter mir und alle lachten.
„Schweigt!"
Zischte Margrit plötzlich sehr verärgtert. Und sofort war es wieder still. Ich dankte ihr mit Blicken und sie schien es zu verstehen.
Ich war kein Püppchen das dankbar sein würde wenn einige dahergelaufene Kerle sie auf so eine eklige Art anmachten. Ich war eine bodenständige erwachsene Frau die verdammt nochmals nicht vor irgend einem Mann kniete.
„Trotz bringt dich hier nicht weiter Alana. Wenn du ein Teil des Rudels werden willst musst du dich mir unterwerfen. So sind die Regeln."
Ich knirschte mit den Zähnen und spürte wieder diese Hitze in meinem Innern, die damals aus mir heraus gebrochen war, als ich mich in einen Wolf verwandelt hatte.
„Na schön."
Es war ein kleiner Preis zu zahlen, dafür dass ich hier alles lernen würde was ich brauchte und danach wieder zurück in mein Leben konnte. An diesen Plan dachte ich ununterbrochen, während ich mich langsam auf die Knie fallen liess. Doch in meinem Kopf schlug alles Alarm und mein Stolz brachte mich beinahe um.
Aber es war kein menschlicher Stolz, er war stärker und beinahe schon schmerzhaft. Aber ich wusste nicht woher er sonst kommen sollte. Hatte mein Wölfisches Ich vielleicht auch Gefühle, separiert von mir? Keine Ahnung.
„Dann heisst unsere Beiden neuen Rudelmitglieder willkommen!"
Anthony hob feierlich die Arme und Applaus ertönte. Ziemlich gemässigt, die Begeisterung schien sich in Grenzen zu halten.
Pha, ich war hier sowieso bald wieder weg. Unfreundliches Pack.
Dann hielt mir Anthony die breite Hand entgegen und half mir wieder auf die Füsse.
„So Alana, dann lass uns mal als allererstes deinen Biss versorgen, nicht dass er sich noch entzündet."
Seine strenge Autorität war plötzlich einer väterlichen Fürsorge gewichen, die ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen konnte. Vielleicht so ein Wolf-Ding.
„Okay."
Meinte ich.
„Setz dich, Melanie! Holst du bitte den Verbandskasten und kümmerst dich darum?"
Rief er einer grossen, schlanken jungen Frau zu, deren Blick sich auf seine Aufforderung hin verdunkelte. Sie tat aber sofort was er verlangte und kehrte einige Minuten später mit einem grossen Roten Koffer, auf dessen Oberseite ein weisses Kreuz prangte, zu mir zurück.
Die Rudelmitglieder verteilten sich und schienen ihrem normalen Alltag nachzugehen. Das Interesse an mir und Damian war also schon verflogen.
Melanie, wie die hübsche Brünette hiess setzte sich im einigem Abstand neben mich und begann wortlos, den Verband von meiner Schulter abzuwickeln.
„Vielen Dank."
Versuchte ich freundlich das Eis zu brechen.
Sie hielt kurz inne in ihrem Tun, blickte mir kühl und herablassend in die Augen und wandte dann wortlos den Blick wieder ab.
Na toll, was war denn ihr Problem, sie kannte mich nicht einmal.
Ich schwieg leicht angesäuert.
Während sie meine Wunde desinfizierte schwang von hinten schwungvoll ein dunkelhäutiger, sportlich gebauter Junge mit kahlem Kopf und breitem Lächeln den Arm um sie. „Na na na, was ziehst du denn für eine Schnute. Sei doch etwas freundlicher zu der neuen."
Melanie atmete kurz tief ein und dann stand sie abrupt auf und warm die Wattetupfer auf die Couch.
„Soll ich ihr den goldenen Teppich ausrollen am besten? Sie sollte nicht mal hier sein, sie ist ein Labor Wolf, keine von uns und das ändert sich auch nicht!"
Ihre Stimme war laut, sie erinnerte mich trotz ihrer sanften Gesichtszüge an eine Zicke, die sich offensichtlich aus unerfindlichen Gründen von mir bedroht fühlte.
Dann stapfte sie mit wütenden Schritten davon.
Die paar die gerade zu Morgen assen, hatten das alle mitbekommen und grinsten verhalten oder tuschelten unter sich.
„Frauen." Meinte einer und die anderen pflichteten ihm nickend bei, bevor sie wieder ihre Brote mit Fleisch belegten.
Ich schwieg nur und hob langsam den Wartetupfer wieder auf, doch Kilian riss ihn mir euphorisch aus der Hand.
„nein warte, ich mach das schon."
Meinte er freundlich und setzte sich schwungvoll neben mich.
Wow hatte der Kerl Energie.
„Danke." murmelte ich und beobachtete, wie Nick, der Sohn des Alphas die aufgewühlte Melanie in den Arm nahm und sie sich fest an ihn klammerte. Er redete ihr irgendwas zu und daraufhin beruhigte sie sich nickend.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
„Mach dir wegen Melanie keinen Kopf, sie ist selbst keine Wölfin. Sie mag auch die anderen beiden Wölfinnen nicht. Und sie bildet sich was drauf ein dass sie mit dem Sohn des Alphas zusammen ist. Auf die musst du wirklich nicht hören."
Ich leckte mir über die Lippen.
„Also sind von jetzt allen frauen nur drei Wölfinnen?"
Er nickte.
„Ja, schade oder? Aber so ist es. Und glaub mir Lia und Kaya haben es auch nicht leicht, die menschlichen Frauen schliessen sie immer aus. Sie fühlen sich halt bedroht von ihnen."
Er zuckte die Schultern.
„Aber ich persönlich finde es super dass
Du hier bist. Du bist etwas...anders als die anderen hier und ich glaube das könnte etwas Schwung in die Bude bringen."
Er grinste breit. Wieso war er so freundlich zu mir.
„Sie sagte ich sei ein Labor Wolf. Was meinte sie damit?"
Er leckte sich über die Lippen, während er meine leicht brennende Schulter ein bandagiert.
„Naja du bist keine geborene Wölfin. Du wurdest zwar gebissen aber niemand weiss was dir in dem Labor vielleicht sonst noch verabreicht wurde. Deshalb sehen dich die Meisten hier nicht als etwas natürliches an. Aber mir spielt das keine Rolle."
Fügte er schnell hinzu. Wie beruhigend.
Ich dachte an die Spritze, die mir vor der Verwandlung und dem Biss verabreicht wurde und schwieg. Deshalb mochte man mich hier also nur so ungern sehen.
„Danke für die Infos und deine Hilfe. Es ist schön dass wenigstens Jemand freiwillig mit mir spricht."
Ich lächelte leicht, der junge Mann war mir wirklich ehrlich sympathisch.
„Keine Ursache! Ich bin übrigens Kilian."
Er strahlte.
„Soll ich dich gleich mal im Haus rum führen?"
Ich suchte mit den Augen nach Damian, sah ihn aber nirgends. Also nickte ich zögernd.
„Ja, sehr gerne."
Er sprang auf und lief zum Tisch, wo er sich zwei dampfende Semmel schnappte und warf mir eins davon zu.
Am Tisch wurde gemurrt aber dann in Ruhe weiter gegessen. Jeder schien Kilian zu akzeptieren.
Während ich in die weiche Kruste biss, verliessen wir das enorme Wohnzimmer und liefen die Treppe neben der Küche hinauf.
„Also, hier im ersten Stock befinden sich unsere Trainingsanlagen und alle Badezimmer."
Die Gänge waren Schmal und Hölzern aber führten in grosse, lichterfüllte Räume.
Ich folgte Kilian und beobachtete die Bilder von strahlenden Gesichtern und Zeichnungen von Kindern.
„Hier trainiert zum Beispiel grade Julian. Er und seine Jungs sind eigentlich immer hier. Er ist nämlich ziemlich eifersüchtig auf Nick und versucht jetzt wohl, irgendwas zu kompensieren."
Erklärte er mir leise, während ich in den
großen Raum linste, der mit Matten ausgekleidet war und allerlei Kraftgeräte beinhaltete.
Eigentlich einfach ein Fittnessraum.
„Und wieso ist er eifersüchtig auf ihn?"
Kilian gluckste.
Ich beobachtete Julian, sein blondes Haar klebte verschwitzt an seinem Kopf und er lag gerade auf einer Bank, von der er eine riesige und wirklich schwer aussehende Hantel mit beiden Händen in die Luft stiess.
Sein Gesicht lief dabei rot an und er atmete lauft und stossend ein und aus.
An seinen breiten Armen traten die Adern hervor und seine beiden Kumpanen stützten ihn von der Seite her. Im Raum stank es.
„Naja, Nick ist nunmal der Sohn
Des Alphas. Die Mädels fliegen alle auf ihn, schliesslich wäre er hier die beste Partie für jede. Aber er ist schon seit über einem Jahr mit Melanie zusammen, die können das also alle vergessen. Und Julian sucht schon lange nach einer Freundin die ein Wolf ist."
Ich lief ihm hinterher die zweite Treppe hoch. Es knarzte bei jedem Schritt.
„Und wieso ist er dann nicht mit einer der beiden Wölfinnen zusammen, wenn er unbedingt keinen Menschen will?"
Fragte ich und Kilian grinste.
„Naja, Kia und Kaya stehen nicht so auf Typen. Sie haben ihre Partnerin schon gefunden."
Oh. Ich wurde verlegen. Ich hatte überhaupt keine Abneigung gegenüber Homosexuellen, aber mir wurde jetzt klar, dass ich die einzige heterosexuelle Wölfin in diesem Haus war.
„Richtig gedacht meine Liebe. Also wappne dich, Julian wird hundert Prozent hinter dir her sein. Und wahrscheinlich wird er nicht der Einzige sein."
Ich verzog das Gesicht. Na super.
„Und hier sind die Schlafzimmer."
Er wies auf einen langen, mit Teppichen verschiedenster Farben verzierten Gang, an dem sich die Zimmertüren nur so reihten.
„Ja der Platz ist etwas knapp, du musst dir wohl vorerst ein Zimmer teilen."
Ich runzelte die Stirn.
„Mit wem?"
Er stiess eine Türe ziemlich weit vorn in dem mit Wandlampen beleuchteten Gang auf.
„Mit Melanie. Juhe, was für eine Freude."
Ironisch grinste er mich an.
„Ist das dein Ernst?"
Ich starrte auf die beiden Betten in den verschiedenen Zimmerhälften, das eine war leer.
Das andere voll davon mit flauschigen Kissen und quer übereinander gelegten Kleidungsstücken.
Oh nein.
„Tut mir leid aber du musst wohl damit vorlieb nehmen."
Entschuldigend wies er in das geräumige Zimmer mit den beiden Schränken und Schreibtischen. Die beiden Zimmerhälften sahen eigentlich  aus wie gespiegelt.
„Weiss Melanie das schon?"
Er nickte und kratzte sich am Hals.
„Jep, wieso denkst du war sie so fies zu dir?"
Ich zuckte die Schultern und grinste ihn an.
„Ich nahm an pure Charakterstärke."
Er prustete leise los und nickte.
„Ja, das wird es wohl sein."
Ich atmete tief ein. So sehr hatte sich mein Leben verändert...mein Blick schoss hoch.
„Kilian, ich habe eine Frage."
Meinte ich dann und meine Gedanke kreisten um meine beste Freundin, die bestimmt schon krank vor Sorge war. Ich hatte ja nicht mal mehr ein Handy, um
Sie zu erreichen. Doch in diesem Moment stoben zwei Frauen wie ein Wirbelwind die Treppe hoch und hielten knapp vor mir an.
Mit wilden Locken, eine rothaarig die andere schwarzhaarig, lächelten mich zwei Schönheiten breit an.
Sie waren etwas breiter gebaut und wirklich riesig, doch hatten zärtlich die Arme um die Hüfte der anderen geschlungen.
„Hallo Alana! Schön dich kennen zu lernen!"
Riefen sie beinahe synchron. Die beiden strahlten solch eine Energie und Lebensfreude aus, da musste ich einfach lächeln.
„Ich bin Kia!"
„Und ich Kaya! Cool noch eine Wölfin hier zu haben!"
Kaya hob ihre grosse Hand um mich abzuklatschen und Kias rote Haare wippten auf und ab, als sie lachte.
Ich schlug ein.
„Vielen Dank, wenigstens zwei die sich freuen mich hier zu haben."
„Hey!"
Protestierte Kilian lachend und ich schmunzelte.
„Aber klaro! Lass dich nicht unterkriegen Süsse! Und jetzt entschuldigt uns wir haben was sehr wichtiges zu erledigen."
Kaya und zog ihre Freundin weiter in die Richtung ihres Zimmers.
Ich hob grinsend eine Braue und blickte zu Kilian.
„Schlimmer als Kaninchen, ich sags dir."
Ich prustete los und schlug ihn auf den Arm.
„Gehts noch?"
„Was?"
Er hob entschuldigend die Arme.
„Was wolltest du nochmals fragen?"
Mein Lächeln verschwand langsam. Es war keine Idee das irgendwem zu erzählen. Ich wollte Lucy auf keinen Fall in Gefahr bringen.
Ich strich eine Strähne mines zerzausten Haare hinter mein Ohr.
„Nichts, es ist nichts. Ich wollte mich nur mal frisch machen."

Gesagt, getan. Nach einer ausgiebigen, warmen und dampfenden Dusche hatte ich von Kilian einige Mädchenklamotten bekommen und mich für eine kurze Hose entschieden, und eine lockere Bluse. Es war sogar in dem ungeheizten Haus noch heiss. Die Sonne schien prall vom Himmel auf die Bäume, die ihre Schatten auf die Lichtung warfen, auf der das Anwesen stand.
Ich kämmte meine Haare, streunte etwas im
haus herum und wich den Einwohnern aus so gut es ging.
Als es Abend wurde und alle zusammen an dem langen, wirklich langen, Tisch sassen und sich an den leckeren Speisen bedienten, die ausnahmslos von Frauen gezaubert waren, ass ich schweigend, um möglichst nicht aufzufallen. Ich hatte mich am Tischende neben Damian gesetzt, der schweigend die Suppe löffelte, die er bekam. Fleisch, von dem es mehr als genug hatte, bekam er nicht ab. So eine Frechheit. Während alle in ihre Gespräche vertieft waren, beschloss ich mein stummes Versprechen ihm gegenüber gleich mal umzusetzen.
Ich griff über den Tisch und angelte mir eine Hühnchenkeule. Sie triefte vor Fett und die Kruste war wunderbar braun angebraten.
„Hier."
Flüsterte ich leise und liess es unauffällig auf Damians Teller gleiten.
Er sah mich aus grossen, verschreckten
Augen an. Irgendwie tat er mir einfach leid. Er hatte sich diese beschissene Situation genauso wenig gewünscht wie ich. „Danke, Alana."
Murmelte er dann und ich konnte einen kleinen Funken Leben in seinen matten Augen entdecken, als er in das saftige Fleisch biss.
Ich musste lächeln und setzte zufrieden damit fort, Kartoffelstock in mich hinein zu schaufeln.
Doch es ging nur einige Sekunden.
„Was soll das?"
Ein Mann, ich schätzte ihn auf Anfangs Dreissig erhob sich erzürnt von seinem Stuhl mir gegenüber und blickte Damian an.
„Woher hast du das? Hast du nicht kapiert dass du das nicht anfassen sollst!"
Seine Stimme war voller Herablassung und Missgunst. Der breite Kiefer mahlte und die braunen Haare hatte er zurück gegelt.
Das rege Treiben hielt inne und alle blickten zu dem Mann.
Damian liess die Keule sinken und schluckte.
„Simon; was ist das Problem?"
Meldete sich Anthony vom Ende des Tisches her.
Der Angesprochene deutete anschuldigend auf Damian, der in sich zusammen gesunken war.
„Der Omega hat sich das Hühnchen genommen obwohl ich es wollte! Es steht mir zu nicht ihm!"
Ich starrte ihn baff an. Ein erwachsener Mann der irgendwie seine Macht einem verschreckten Jungen gegenüber zu beweisen versuchte.
„So ein Blödsinn!"
Fuhr es aus mir heraus und ich sprang ebenfalls auf.
Ich hatte das Gefühl, Damian beschützen zu müssen. Das alles war ihm gegenüber einfach so unfair. Und wenn ich etwas mehr hasste als alles andere, dann war es eine unfaire Behandlungen für jemanden, der absolut nichts getan hatte.
„Alana setz dich! Damian steht es nicht zu, sich das Essen Höhergestellter zu nehmen!"
Meinte Anthony mit ruhiger aber bestimmter Stimme.
Kurz blickte ich trotzig zu ihm, dann fiel mein Blick auf Nick, der mich schweigend und eindringlich beobachtete. Melanie hatte sich am seinen Arm
Geschmiegt. Sein Blick brannte auf meiner Haut.
„Er hat es auch nicht genommen. Ich habe es ihm gegeben weil ich es nicht brauchte. Das ist ja wohl erlaubt, oder?"
Wieder Geflüster.
Anthony musterte mich aufmerksam und nickte dann. „Wenn du dafür auf deine Portion Fleisch verzichtest, dann ist das deine Entscheidung und durchaus in Ordnung."
Er wies auf den Berg von Hühnchenkeulen.
„Nimm dir doch ein anderes Stück, Simon."
Mein Blick wanderte zu dem kleinen, gedrungenen Mann.
Dieser starrte mich fassungslos an und ballte die Hände auf dem Tisch zu Fäusten.
Mein Mundwinkel zuckte triumphierend. Dem hatte ich es gezeigt. Gut so, vielleicht kapierten jetzt die anderen, dass sie mit einem von ihnen nicht so umgehen durften.
„Das ist unglaublich, das lasse ich mir doch nicht bieten."
Keifte Simon und schob den Stuhl an den Tisch und machte Anstalten, den Tisch in Richtung Küche zu verlassen.
Aber in meinem Innern spürte ich, dass jetzt Vorsicht geboren war. Es fühlte sich an, als ob mein Instinkt um das tausendfache gewachsen
War.
Und er behielt recht.
Gerade als er an Damian vorbei lief, der die Hände im Schoss gefaltet hatte, fuhr Simon herum.
Ich reagierte blitzschnell und ohne nachzudenken.
Es war eindeutig der Wolf in mir, der sich blitzschnell vor Damian stellte.
Meine Haut prickelte und meine Arme pulsierten vor Kraft, als Simon noch immer auf Damian zustürzen wollte, um ihm zu packen.
Meine Augen leuchteten und ich konnte jedes Staubkorn auf Simons Hemd ausmachen.
Als würde mein Instinkt mich leiten nahm ich meine Kraft zusammen und sammelte sie in meinem Arme.
Das ganze ging nur wenige Sekunden.
Mit einem tiefen Knurren zog ich die Arme zurück und bevor der bremsende Simon in mich hinein knallen konnte, stiess ich meine Hände mit voller Kraft gegen seine Brust. Er wurde nicht nur abgebremst, nein, der Schlag war so stark gewesen dass er zurück geschleudert wurde und mit dem Rücken gegen die Wohnzimmerwand knallte. Nur knapp schaffte er es, auf den Beinen zu bleiben.
Ich kapierte selbst erst, was ich getan hatte. Es fühlte sich wahnsinnig gut an.
Fassungslos richtete sich Simon wieder auf als müsste er zuerst verarbeiten, dass ich das getan hatte.
„Jeah!"
Kam es hinter mir von Kia.
„Halt doch die Klappe." zischte daraufhin Melanie.
Doch ich hatte nur Augen für den massigen Mann, der jetzt wie ein Berg aus Fleisch auf mich zu stapfte.
Ich wich keinen Zentimeter. Angst hatte ich keine, vielmehr war ich wütend.
„Lass ihn in Ruhe, er hat dir nichts getan."
Zischte ich.
„Du..."
Mit vor wut brodelnden Augen streckte Simon die Hand aus und packte mich am Hals.
Seine Hand schloss sich fest darum und drückte mir die Luft ab, während er mich hoch hob als wäre ich eine Feder.
Er drückte mich an die Wand und meine Füsse baumelten hilflos in der Luft.
Ich öffnete den Mund um rettende Luft in meine Lungen zu pumpen, doch es gelang mir nicht. Jede Zelle meines Körpers schrie nach Sauerstoff und ich schien innerlich zu verbrennen.
Ich japste.
„Du bist noch nicht mehr als ein dummer Welpe! Ich sollte dir Respekt einprügeln!"
Brüllte mich Simon am und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen.
„Lass sie runter!"
Hörte ich Nicks Stimme und daraufhin wurden einige Stühle zurückgeschoben. Meine Kehle schmerzte und einige meiner Glieder wurden fast taub.
Ich spürte wie ich langsam drohte, das Bewusstsein zu verlieren. Er drückte mir nicht nur die Luft, sondern auch das Blut ab.
Und das war der Moment, in dem sich mein Hirn ausschaltete. Wie damals im Käfig. Meine Sicht und mein Gehör veränderten sich, ich nahm wieder alles um mich herum wahr als würde es den Sauerstoffentzug gar nicht geben.
Dann schmerzten meine Hände, es war wieder dieser glühende Schmerz, doch dieses mal wollte ich ihn unbedingt.
Ich sah aus geröteten Augen an mir hinunter wie ich schlaff in der Luft hing und gleich mehrere Personen auf uns zu rannten. Alles wie in Zeitlupe.
Meine Fingernägel hatten sich zu langen Krallen an menschlichen Fingern verändert. Doch anstatt mich zu ekeln oder zu erschrecken blitzten meine
Augen auf. Ich nahm jedes bisschen Kraft dass sich in meinem ausgelaugten Körper befand zusammen und lenkte sie in meine Arme. Ich spürte wie die Kraft pulsierte, wie die Wellen auf dem Meer gegen eine Felswand krachte sie gegen meine Haut als wollte sie endlich raus.
Ich strengte mich an und mit einem Stummen Schrei riss ich den linken Arm hoch, zog ihm meine Krallen übers Gesicht. Ich spürte wie die Spitzen Wolfsklauen Haut und Fleisch von seinem Gesicht schälten. Dann roch ich Blut. Die fünf Schnitte liefen direkt von seiner Augenbraue bis nach unten zu seinem Kinn.
Mit einem Aufschrei liess er meinen Hals los und ich sank an der Wand zu Boden, meine Beine hatten nicht die Kraft, mich zu halten.
Jetzt erreichten uns die anderen, das ganze ging so schnell und war mir so unglaublich langsam vorgekommen.
Was mit Simon passierte, der schmerzhaft und voller Wut brüllte wusste ich nicht.
Ich konnte nur das Blut riechen, den Geschmack an meinen Händen schmecken.
Ein unglaublicher Drang zu töten kam in mir auf, als wäre irgendwie ein Jagdinstinkt in mir erwacht.
In meinem Körper begann sich die Energie langsam zu verteilen und Schmerzen machten sich in meinen Gliedern breit. Ich würde mich wieder verwandeln, wie damals.
Ich kniete zitternd am Boden und dann spürte ich plötzlich wie zwei warme, starke Arme sich um mich schlangen. Ein Körper drückte sich gegen meinen und ich atmete ein. Nick, den Geruch erkannte ich sofort.
„Alana du bist stärker als das. Ich weiss es ist unglaublich schwer den Drang zurück zu halten, aber versuch es."
Hörte ich seine ruhige, bestimmte Stimme in meinem Ohr.
Ich atmete pfeifend ein, mein Hals schmerzte noch immer. Ich wollte töten, Simon töten.
Ich stöhnte vor Schmerz und spürte wie sich die Knochen an meinem Körper zu verschieben begannen.
Schnaubend wand ich mich, um Nicks fester Umarmung zu entkommen und mich verwandeln zu können.
Doch er liess nicht locker, fixierte mich auf dem Boden, eng an sich gedrückt.
„Lass mich los.."
Knurrte ich und blickte ihm mit glühenden Augen ins Gesicht.
Ich konnte es in seinen Augen spiegeln sehen. Gespenstische, Lila Augen so grell wie die Sonne. Fand ich.
„Nein."
Meinte er und egal wie ich mich wand und wehrte, er blieb hartnäckig, redete mit ruhiger und selbstbewusster Stimme auf mich ein.
Irgendwann liess der Drang nach, die heisse Energie zog sich langsam zurück und verbarg sich wieder tief in meinem Innern.
Das Leuchten in meinen Augen erlosch und mit ihm meine Kraft.
Ich fühlte die pochenden Schmerzen in meinem Hals und meiner Lunge und meine Hände schmerzten als hätte ich mir die Nägel abgerissen.
„Gut gemacht."
Hörte ich Nick sprechen, dann löste er sich von mir und liess sich von Melanie weg ziehen, die einen Schwall aus Schimpfwörtern auf ihren Freund niedersausen liess. Eine sehr emotionale Frau. Es liess ihn kalt, selbst als sie sagte er hätte mich doch nicht so fest im Arm halten zu brauchen.
Dann spürte ich Kia und Kaya neben mir.
„Hast du gut gemacht, Süsse."
Die andere nickte.
„Ja so ist es! Echt starke Leistung. Hier kommt man nur mit Stärke weiter."
Ich murmelte etwas, verstand aber selber nicht, welche Wörter aus meinem Mund kamen.
„Alles okay, zu Beginn ist sowas immer ermüdend. Wir bringen dich ins Bett, keine Sorge, Süsse."
Hörte ich dann noch ihre Stimmen und dann döste ich weg. Ich war so, so erschöpft und müde.

Und was haltet ihr von ihrer Aktion? Schreibt eure Gedanken in die Kommis und bis im nächsten Kapitel
Alles liebe
Angora77

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