17-Verrat

Und Anthony behielt Recht. Zacharia kam wirklich.
Ich hatte vermutet, dass er einen grossen Auftritt hinlegte. Dass er mit all seinen zusammen gekratzten Einzelläufern hier auftauchen würde, die sich so verzweifelt nach Zugehörigkeit und einem eigenen Rudel sehnten, dass sie sich sogar jemandem wie Zacharia anschlossen. Ich hätte sogar gedacht, dass er die Jäger als Verstärkung antanzen liess. Obwohl ich erst seit sehr kurzer Zeit von ihrer Existenz wusste, konnte ich fühlen, dass sich das Rudel vor ihnen fürchtete. Und das machte mir Angst.
Nein, wie gesagt, Zacharia kam. Aber kam alleine. Und mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein.
Ich roch ihn bereits, als er das Anwesen betrat. Er hatte einen beissenden, ätzenden Geruch an sich. Er roch fast nach Essig, wenn man so wollte.
Bevor ich an der Tür war, hatte sie Anthony schon geöffnet. Er trat hinaus und das ganze Rudel folgte ihm. Wie gesagt. Wir waren bereit. Und es hatte gar keine grossen Anweisungen gebraucht damit wir wussten, was zu tun war.
Ich trat heraus und konnte nur einen knappen Blick auf Zacharia erhaschen, denn mit gestrafften Schultern alleine einige Meter von uns weg stand, bevor Nick mich am Arm packte und hinter sich schob.
„Autsch, was soll das?"
Zischte ich und riss mich von ihm los. Sein breites Kreuz versperrte mir die Sicht auf den verrückten Herausforderer. Seine Grauen Augen zogen meine in den Bann in dem Augenblick als sich unsere Blicke trafen. Der Beschützerinstinkt hatte übernommen.
„Bleib hinter mir."
Ich hatte jetzt keine Lust auf sein Macho gehabe, nachdem wir uns die letzten Tage so gut wie ignoriert hatten.
„Was soll das, er ist alleine hier, denkst du ich kann nicht auf mich aufpassen?"
„Ich meine es ernst.„
Dann drehte er sich wieder um.
Zwischen den Schultern der Mitglieder versuchte ich, Zacharia im Blick zu halten, der nun langsam auf und ab ging.
Er schien nicht wirklich beunruhigt zu sein. Er war also doch nicht allein.
Er und Anthony begannen zu reden, unser Alpha stand natürlich an vorderster Front.
Ich aber versuchte, im Unterholz um uns herum irgendeinen Geruch oder eine Bewegung wahrzunehmen. Doch da war absolut gar nichts. Nur der gewohnte, erdige Geruch.
„Ich mache es euch leicht. Ihr müsst nicht um euer Leben kämpfen. Das ist gar nicht mein Ziel."
Zacharia sprach jetzt so laut, dass wir alle ihn hören konnten. Seine Stimme hörte sich in meinem Kopf an, als würde jemand mit einem Nagel über eine Wandtafel kratzen.
„Ihr wisst, dass ich nur eines will. Nur jemanden."
Nicks Oberarme spannten sich an, mein Herz schlug höher.
„Meine Kreation. Du kannst das alles beenden, wenn du beschliesst, dich mir anzuschliessen."
Er hob die Arme feierlich, als würde er davon ausgehen, dass ich seine Umarmung erwidern würde. Mich in seine dünnen Arme schmeissen würde. Ich wollte gar nicht wissen, wie verrottet der graue, löchrige Anzug roch, oder sich anfühlte.
Ich stiess Nick trotz seines warnenden Blickes beiseite, sodass mich Zacharia sehen konnte.
„Du bist nicht mein Erschaffer. Alles was du warst, war ein gefangener Wolf, der den Willen irgend eines verrückten Mannes befolgte! Du warst nie ein Alpha und wirst auch keiner werden!"
Knurrte ich und ballte die Hände zu Fäusten.
Zacharias vernarbtes, eingefallenes Gesicht färbte sich rot.
„Du hast mir zu gehorchen! Du bist meins!"
Während er schrie, flog sein Speichel in alle Richtungen. Mit seiner Hand schlug er sich gegen die abgemagerte Brust. So fest, dass ich schon dachte, sie würde brechen. Tat sie aber nicht.
Ich spürte, wie eine warme Hand sich auf meinen Rücken legte und mich sofort ein Kribbeln durchfuhr. Ich wusste, wer es war, der mich sanft etwas zur Seite drängte und liess es zu.
Nick stellte sich zur Hälfte vor mich und fixierte Zacharia. Sein Blick war undurchdringlich und hart. Fast schon bedrohlich.
„Sie gehört dir nicht. Sie gehört niemandem. Aber sie gehört zu mir. Sie ist meine Gefährtin."
Zacharia schnaubte und verwarf die langen Arme.
„Du willst sie doch gar nicht. Ihr alle wollt sie nicht. Ich mache es euch doch leicht."
Ruhe. Ich schluckte, denn ein kleiner Teil in mir stimmte Zacharia zu. Nick hatte nicht gewollt, dass wir uns näher kamen. Aufgrund dieser blöden Verbindung konnten wir einander nicht widerstehen, aber wie viele echte Gefühle waren da dabei? Ich wusste es nicht.
„Ich weiss, dass du das auch weisst Alana."
Seine Blicke schienen mich zu löchern. Mein selbstbewusster Panzer war wie weg geblasen.
„Du bist ein Laborwolf. Sie werden dich nie akzeptieren. Ich schon."
Er lächelte und seine Züge wirkten verrückt. Als würde er die Märchen, die er sich selbst und allen erzählte, tatsächlich glaubte.
„Das reicht. Wir werden dir Alana nicht geben. Sie ist Teil unseres Rudels. Basta. Und wir stehen dir als vereinte Front gegenüber."
Anthonys stimme war kraftvoll. Er wirkte entschlossen. Ich war froh, dass er das sagte. Auch wenn seine Worte wahrscheinlich auch nur deswegen ausgesprochen wurden, weil ich die tatsächliche Gefährtin seines Sohnes war.
Zacharia kicherte. Ich wusste nicht, wie viel von seinem Gehirn der verrückte Dok zerstört hatte, aber ich war mir sicher dass Zacharia sie nicht mehr alle Hatte.
„Ach ja? Jemand aus deinem Rudel gehört doch schon zu mir, Anthony. Und ihr wart nicht mal in der Lage, die oder denjenigen zu finden."
Spott klang in seiner Stimme mit. Das stimmte. Wir konnten nicht ein wirkliches Team sein, wenn wir uns nicht alle gegenseitig aufeinander verlassen konnten. Wir misstrauten jedem, zumindest ein kleines Stück weit. Er liess die Worte wirken und legte die Fingerspitzen aneinander, bevor er seufzte und weiter sprach.
„Wie dem auch sei. Ich habe euch den einfachen Weg gezeigt. Wenn ihr den nicht haben wollt, dann wird es wohl Zeit, ein Geheimnis zu lüften, nicht wahr?"
Er lächelte wölfisch.
„In euren Reihen befindet sich nämlich nicht bloss ein Verräter, sondern auch ein wahrer Alpha!"
Jetzt waren wirklich alle sprachlos.
„Was für einen Mist der doch verzapft. Machen wir ihn endlich alle."
Knurrte Julian, der schräg hinter mir stand. Ich stimmte ihm zu. Ich wusste, dass er Nicks Geheimnis ausplaudern würde, und das wollte ich nicht. Da es Nick anscheinend so wichtig war, es geheim zu halten, wollte ich ihm helfen. Aber ich konnte nichts sagen.
„Dein Sohn, Anthony, hat wirklich eine menge Talente. Aber ein wahrer Alpha? Du musst doch wirklich sehr stolz auf ihn sein."
Ich sah Anthony an, dass er es nicht war. Weil er es nicht gewusst hatte.
Sein Blick ging zu Nick.
Nick starrte geradeaus. Ich blickte zu Margrit, sie schien nicht überrascht. Wusste sie es etwa?
Es war auch egal, denn jetzt wussten es alle.
Und das mit dem wahren Alpha war anscheinend eine echt grosse Sache. Auf jeden Fall sahen die Gesichter der anderen Rudelmitglieder so aus, als wäre es eine grosse Sache.
„Und weisst du, Anthony. Es gibt immer sehr viele Interessenten, wenn irgendwo ein wahrer Alpha aufgespürt wird."
Zachariah hatte kaum den Satz zu Ende gesprochen, als wie aus dem Nichts ein feines Zischen ertönte.
Ein Pfeil, schmaler als ein Blatt Papier flog auf Nick zu. In letzter Sekunde schnellte seine Hand vor, packte ihn mit zwei Fingern und hielt ihn so davon ab, sich in seinen Hals zu bohren. Ich sah, wie sich seine Augen veränderten, wie sie zu leuchten begannen. Ein tiefes, tierisches Grollen kam aus seiner Kehle und er warf den Pfeil weg.
„Scheisse."
Hörte ich Julian neben mir sagen.
Dann brach die Hölle los.
Die Einzelläufer hechteten vor, genauso wie die Wölfe meines Rudels. Auch ich zögerte nicht eine Sekunde. Ich schlüpfte in meine Wolfsgestalt wie in eine Rüstung. Mit ihr kam auch diese starke innere Kraft, die mir jegliche menschlichen Zweifel raubte.
Ich sprang einen Jäger an, der gerade auf Kaya zielte und bohrte meine Zähne in seinen Arm. Er schrie so laut, dass ich ihm am liebsten das Maul gestopft hätte. Stattdessen schüttelte ich den Kopf und riss den klagenden Mann zu Boden. Dann war sein Freund zur Stelle und versetzte mir einen harten tritt, der mich von ihm zurück warf. Kurz winselnd kam ich wieder auf die Pfoten und schüttelte angriffslustig den Kopf. An mir schoss Nick vorbei, wie ein Pfeil, er warf den Jäger um wie eine Granate und erstickte seinen schrei mit einem wütenden Knurren. Ich leckte mir über die Lefzen und dann stieg mir der Geruch in die Nase. Der Einzelläufer aus dem Keller. Der, welcher Lucy und mich damals angegriffen hatte. Ich legte die Ohren flach an und suchte nach ihm. Bis ich ihn entdeckte, wie er gerade mir der Pfote nach Julians Schnauze hieb.
Ein Grollen kam aus meinen Mund. Er war meine Priorität. Er war es, den ich büssen lassen wollte. Für Lou.
Ich stiess mich vom Boden ab und schnellte vor. Ich segelte durch die Luft und knallte seitlich mit voller Wucht gegen das grosse Tier.
Ich spürte seine Wärme und hörte seine Krallen über den Boden scharren, als er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Aber dieses Mal würde ich mich nicht abhalten lassen. Dieses Mal musste er bezahlen.
Ich bellte einmal laut und das war seine Einzige Warnung. Sein Blick traf den meinen. Er wusste genau wen er vor sich hatte. Dann zog ich ihn meine Krallen über die Schnauze. Blut quoll aus den rosa striemen, die ich hinterliess und der Einzelläufer jaulte laut auf. Ich stürzte mich auf ihn und stiess meine Reisszähne tief in seine Schulter. Ich durchtrennte Sehnen und schabte an einem Knochen. Sein jaulen war schaurig. Doch er war nicht hilflos. Er schüttelte sich kräftig, sodass ich von ihm hinunter rutschte und griff mich an. Ich wich zurück und entkam nur knapp einem kräftig zubeissendem Kiefer. Mein Sichtfeld beschränkte sich ganz auf diesen einen Wolf. Das Tier in mir tobte, es wollte freigelassen werden, ohne jegliche Kontrolle. Und ich liess es zu. Ein Impuls von Stärke rauschte durch meine Adern und ich hechtete vor. Unsere Oberkörper schlugen gegeneinander und er biss mich irgendwo. Den Schmerz spürte ich, doch er ging unter im Vergleich zum herrlichen Geschmack des Blutes auf meiner Zunge. Ich schnappte nach seiner Kehle und biss mich durch das dicke Fell. Er jaulte und zerkratzte mir die Schulter, im Versuch von mir weg zu kommen. Doch in diesem Moment war ich wie ein Fels. Meine Pfoten waren halb in der aufgewühlten Erde vergraben, während ich meinem kräftigen Kopf nach links und rechts riss. Ich hörte ihn heulen, voller Schmerz und Angst, aber ich hörte nicht auf, bis ich das Fleisch aufgerissen hatte und Blut durch sein Fell rann und es dunkel verfärbte.
Der Wolf röchelte und liess von mir ab, er taumelte und versuchte, auf seinen vier Pfoten Halt zu finden. Aber ich hatte kein Erbarmen. Mit gefletschten Tränen trat ich näher zu ihm und rammte ihn mit der Schulter an. Er brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus und legte winselnd den Kopf aug das Gras. Sein Blut sickerte in die Erde.
Das ist für Lucy.
Ich wusste, dass er mich hörte, auch wenn er mir nicht antwortete. Denn er blickte zu mir, aus seinen violetten Augen. Er atmete ein, es klang gurgelnd und sein Körper zuckte unkontrolliert beim verzweifelten Versuch, Luft in seine Lungen zu pumpen.
Ich wandte den Blick nicht von seinen Augen ab, in denen die Angst tobte. Dann wurden seine Atemzüge kürzer, ruhiger, sein Winseln verstummte. In seine Augen trat der Ausdruck der Akzeptanz. Er hatte aufgehört zu kämpfen. Und ich entdeckte auch so etwas ähnliches wie Bedauern. Dann versiegte der Blutstrom und das übernatürliche, violette Leuchten in den Augen des Wolfes verblasste. Zurück blieben leere, glasige Augen, die mich noch immer ansahen, jedoch nicht mehr mit Leben gefüllt waren. Er war gestorben. Ich hatte ihn getötet.
Langsam trat ich etwas zurück und blickte auf den toten Wolf vor mir. Ich hechelte und spürte das Blut auf meiner Zunge, der Blutrausch drohte kurz erneut die Überhand zu nehmen, doch ich beherrschte mich. So wie ich es gelernt hatte. Es fühlte sich komisch an, zu wissen, dass ich jemanden getötet hatte. Aber ich fühlte mich nicht schlecht. Zumindest noch nicht. Alles woran ich denken konnte war, dass einer der beiden Verantwortlichen für Lucys Tod jetzt zur Strecke gebracht worden war. Das beige Fell des Wolfes wurde langsam kürzer, und die kräftige Schnauze formte sich langsam zurück. Das Tier schrumpfte und die kräftigen Läufe wurden zu dünnen, behaarten Gliedmassen. Vor mir lag der Mann, den wir lange im Keller festgehalten hatten. We war nicht mehr ein Wolf, sondern nur ein Mensch. Ich wollte ihn nicht ansehen. Mein geschärfter Blick wandte sich ab und fixierte stattdessen das umliegende Geschehen, dass ich völlig aus den Augen verloren hatte.
Jetzt konnte ich es sehen. Wir würden gewinnen.
Die Jäger waren zahlenmässig unterlegen, einige von ihnen schleppten sich bereits blutend zurück in den Wald. Und die Einzelläufer, die sich wie wild auf die Mitglieder des Rudels gestürzt hatten, wurden in der Luft zerfetzt. Sie hatten keine Chancen. Was die Jungs und Kaya mit ihren Klauen und Zähnen anrichteten, das machten die menschlichen Frauen mit ihren Waffen wett. Melanie zielte mit der riesigen Schrotflinte auf die Brust des Wolfes, der sie blutlustig ansprang und zersiebte dessen Brust noch im Sprung mit Schrot. So ungern ich es auch zugab, das war beeindruckend. Das ganze Rudel kämpfte zusammen. Und wir waren drum und dran, zu gewinnen. Als ich das erkannte, wich die Kraft aus meinen Gliedern. Ich hatte mich völlig verausgabt und spürte, wie sich bleischwere Gewichte auf meinen Körper legten. Wie damals, als einige der Einzelläufer unsere Grenzen überschritten hatten und ich mich auf sie gestürzt hatte. Ich spürte, wie ich die Wolfsgestalt nicht mehr aufrecht halten konnte und wieder zu einem zerbrechlichen Menschen wurde.
Meine Beine gaben nach und ich sackte auf die Knie, wo ich schwer atmend meine Hände auf den Blut getränkten Boden legte. Es schmatzte, als ich meine Finger bewegte. Selbst als Mensch konnte ich das Blut noch schmecken. Fast wurde mir schlecht.
Dann entdeckte ich Damian, der besorgt auf mich zukam. In seiner menschlichen Form schlängelte er sich zwischen den Tumulten durch und zuckte jedes Mal zusammen, wenn Blut durch die Luft spritzte.
Dann erreichte er mich.
„Damian, hilf mir aufzustehen."
Keuchte ich ausser Atem und streckte die Hand nach seiner aus.
Damian liess sich neben mich sinken und sah mich aus traurigen Augen an.
„Schon okay, wir gewinnen. Es passiert dir nichts."
Versuchte ich ihn zu beruhigen, doch er wirkte immernoch bekümmert.
„Es tut mir sehr leid."
Meinte er dann leise und schluckte. Ich runzelte die Stirn. Dann war er plötzlich flink wie er war hinter mir. Ich war so geschwächt, dass ich meine müden Glieder gar nicht gross bewegen konnte. Und dann spürte ich plötzlich ein Messer an meinem Hals. Mein Blick schoss hoch und es lief mir eiskalt den Rücken runter.
„Damian...", hauchte ich. „Was tust du."
Ich hörte seine unsichere Stimme an meinen Ohr.
„Es tut mir leid Alana. Ich will dir nichts tun. Wirklich nicht. Du bist die Einzige hier, die ich wirklich mag."
Seine Finger zitterten und das geschärfte Messer schabte leicht an meiner Kehle. Ich bewegte mich nicht. Ich hatte eigentlich auch die Kraft dafür nicht mehr, selbst wenn ich wollte.
„Aber er versprach mir, dass ich kein Omega mehr sein muss, wenn ich in sein Rudel wechsle. Du weisst ja nicht wie das ist, von allen als Fussabtreter behandelt zu werden. Ich kann nicht in mein altes Leben zurück, aber dieses hier hasse ich wie die Pest.  Darum musste ich das tun."
Ich schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf.
Damian war der Verräter. Er hatte intelligent gehandelt. Er hatte gewartet, bis ich mich durch een Kampf verausgabt hatte. Und da er genau wusste, wie kraftlos ich sein würde, hatte er auf den einzigen Moment gewartet, in welchem er stärker war als ich. Wir alle hatten ihn unterschätzt. Und das hatten wir jetzt davon.
„Deinetwegen ist Kia tot, Damian."
Ich spürte, dass es ihn mitnahm. Dass er keine Freude daran verspürte, zu tun was er tat. „Und es tut mir so leid. Ich wusste nicht, dass er sie umbringen würde."
Ich nickte langsam.
„Das glaube ich dir. Aber du kannst noch aufhören. Tu das nicht."
Er winselte. Er konnte das selbst in seiner menschlichen Gestalt.
„Ich bin nicht dumm Alana. Sobald die anderen wissen, dass Kia meinetwegen tot ist, werden sie mich umbringen wollen. Nein, Zacharia ist meine einzige Hoffnung. Es tut mir leid."
Ich verzog das Gesicht. Ich hatte ihm immer geholfen. Ich war für ihn da gewesen und hatte mich so gut ich es konnte für ihn stark gemacht. Und trotzdem fiel er mir in den Rücken. Die Menschen hier waren nicht meine Freunde.
„Stop! Sofort aufhören! Oder sie stirbt!"
Schrie Damian aus voller Kehle. Es erschreckte mich fast, wie laut er sein konnte. Ich kannte seine Stumme meist nur als leises Flüstern oder Nuscheln.
Das rege Getriebe um uns kam langsam zum Stillstand. Die Wölfe, die noch auf der Wiede kämpften, hielten Inne und verwandelten sich zurück in Menschen. Die Waffen der Jäger und unseres Rudels blieben weiterhin aufeinander gerichtet, aber niemand wusste so genau, was jetzt zu tun war.
„Nick!"
Rief Damian erneut aus und der junge Mann, der gerade einen zurückverwandelten Einzelgänger von sich stiess, drehte sich langsam um.
Sein Blick blieb am Messer an meinem Hals hängen und ein tiefes, schauriges Grollen verliess seine Kehle. „Hör auf dich zu wehren Nick. Oder ich schneide ihr die Kehle auf."
Verächtlich hob mein Gefährte die Oberlippe und sagte nichts. Der schwarze Pulli klebte an seinem Oberkörper. Ich konnte sehen, wie angespannt er war.
„Glaub nicht, dass ich spasse. Ich habe nichts mehr zu verlieren! Wenn du nicht tust, was Zacharia will, dann schwöre ich bei Gott, ich bringe sie um."
Ich glaubte ihm. Damian war vielleicht ein Feigling und ein Angsthase, aber wenn es um sein Überleben ging, dann konnte selbst er gefährlich werden.
Nick starrte uns nur an und dann wanderte sein Blick langsam zu meinem. Wut loderte darin. Eine unglaubliche Wut. Aber ich konnte auch Hilflosigkeit darin entdecken. Einen Ausdruck den ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Ich schluckte und versuchte, das kalte Metall an meiner Kehle zu ignorieren.
„So, junger Mann. Wie entscheidest du dich?"
Zacharia trat lächelnd etwas näher und wischte sich mit der blutverschmierten Hand durch die Haare.
„Er würde doch niemals zulassen, dass ihr etwas passiert, Nick."
Hörte ich Kilian rufen.
„Lass es uns raus finden, junger Wolf." Zacharia hörte sich an, als wäre er wild darauf. Ich traute ihm alles zu.
Nick sah mich unentwegt an. Er schien mit sich zu kämpfen. Damian drückte das Messer näher an meinen Hals und ich presste die Lippen zusammen. Ob ich Angst hatte, zu sterben. Schon, ja. Aber ich hatte noch mehr Angst um Nick.
Schliesslich hob er langsam die Arme.
„Okay. Was willst du?"
Meine Augen weiteten sich. Er zog es wirklich in Erwähnung? Was auch immer Zacharia von ihm wollte, er durfte es nicht tun.
Der selbsternannte Alpha sah ziemlich zufrieden aus. Er deutete auf das halbe dutzend Jäger, die sich unterdessen wieder in Stellung gebracht hatten.
„Ich habe ihnen einen wahren Alpha versprochen. Wenn du mit ihnen gehst, dann passiert ihr nichts. Und deinem Rudel auch nicht. Darauf gebe ich dir mein Wort."
„Tu das nicht, auf keinen Fall!"
Schrie Melanie alarmiert und ich musste ihr ausnahmsweise zustimmen. Wir hätten beinahe gewonnen, wir hätten sie alle in die Flucht schlagen können. Aber ich hatte es vermasselt.
Und jetzt sollte Nick dafür den Kopf hinhalten? Das würde ich nicht zulassen. Ich dachte daran, was er mir selbst gesagt hatte. Wegen dieser Verbindung konnte er nicht anders als alles zu tun was er konnte um mich zu beschützen. Aber er würde doch nicht...
„Okay."
„Mach keinen Scheiss."
Hörte ich Kilian laut murmeln und mein Blick huschte zu Anthony, auf dessen Brust einige Waffen gerichtet waren. Er sah aber ziemlich danach aus, als würde er damit schon fertig werden.
„Nick, hör gar nicht auf ihn. Wir finden einen anderen Weg."
Sprach er ruhig mit seinem Sohn. Auch Margrit schaltete sich ein, bald redeten alle wirr durcheinander und eine nervöse Angespanntheit kam auf. Niemand wusste genau, ob der andere angreifen würde, bevor Nick sich entschieden hatte.
Ich hörte den Stimmenwirrwarr nicht zu.
In mir breitete sich etwas ganz anderes aus. Angst. Etwas, dass ich seit Lucys Tod nicht mehr so gespürt hatte. Nicht mehr hatte spüren wollen.
Aber ich erkannte, dass ich Angst hatte, Nick zu verlieren. Ich konnte nicht zulassen, dass er mit den Jägern mitging. Das hätte seinen Tod bedeutet.
Ich schloss die Augen und suchte verzweifelt in mir nach dem Rest meiner Kraft.
Den kleinen Funken den ich fand, nährte ich mit Wut und Verzweiflung. Und dann spürte ich es. Das Feuer, das sich entfachte.
Es brodelte in mir und breitete sich langsam in meinem lahmgelegten Körper aus. Ich öffnete langsam die schimmernden Augen. Ich roch Damians Angst, ich roch auch meine eigene. Und ich hörte den Wind, der mir um die Ohren pfiff und die vielen aufgewühlten Stimmen weit von mir fort trug.
Das Denken hatte ich aufgegeben, ich vertraute blind dieser unbekannten, mächtigen Kraft in meinem inneren.
Langsam hob ich den Kopf und mein Blick traf genau auf den des Jägers, dem ich kürzlich noch die Türe aufgehalten hatte. Seine Brauen zuckten, doch er wirkte interessiert. Ich verzog die Lippen und atmete tief ein. Ich wusste nicht genau, was ich tat. Aber ich liess zu, dass diese Macht in mir die Überhand gewann. So wie ich es in dem Zimmer getan hatte; als Melanie mir den Streich mit der Spritze hatte spielen wollen.
Die Kraft staute sich in mir an und spürte, wie es immer schwerer wurde, sie zu halten. Ich atmete aus.
Und dann brach eine Druckwelle aus mir heraus.
Sie rauschte aus meiner Brust und erfasste sowohl das Messer als auch Damian. Unglaublich schnell rauschte die unsichtbare Kraft durch die Luft und schleuderte den Omega weit durch die Luft. Er krachte auf dem Boden auf und das Messer landete irgendwo weit neben ihm. Der Luftstoss erfasste sogar Zacharias Haare, deren Spitzen leicht hin und her flatterten.
„Wahnsinn", Mr. Cutter blickte mich noch immer an, in seinem Gesicht prangte ein zufriedenes Grinsen. Aber nur für eine Sekunde. Denn in dem Moment als den anderen aus dem Rudel klar wurde, dass ich nicht länger in Gefahr war, griffen sie an.
Wutentbrannt stürzte sich Anthony gleich auf zwei der Jäger. So emotional hatte ich ihn noch nie erlebt. Wenn es um seinen Sohn ging, verstand er wohl keinen Spass. Nur Nick nahm den Kampf nicht wieder auf. Stattdessen bewegte er sich blitzschnell und stand direkt vor mir. Gerade rechtzeitig, weil ich nämlich langsam zur Seite kippte. Die Kraft, die aus mir heraus gerauscht war, war wirklich das letzte bisschen gewesen, dass ich hatte zusammen kratzen können. Jetzt fühlten sich meine Lieder so schwer an, dass ich die Augen kaum offen halten konnte.
„Hab dich."
Murmelte er und stützte mich. Ich konnte nichts sagen, war aber froh, dass er da war.
Und der Kampf war auch entschieden. Die Einzelläufer ergriffen einer nach dem anderen die Flucht, während Zacharia fluchend und zeternd versuchte, sie zum weiterkämpfen zu zwingen.
Und auch die Jäger, die erstaunlicherweise nur schwach aufgestellt waren, mussten das bemerkt haben.
Auf ein Zeichen von Cutter hin zogen sie sich rückwärts zu ihrem Anführer zurück, die Waffen zwar nich gezückt, aber gesenkt.
„Das reicht."
Befahr Cutter und das Rudel rückte näher zusammen.
„Nein! Nein!"
Schrie Zacharia und raufte sich das Haar. Er schien es sich förmlich auszureissen.
„Ihr wolltet den wahren Alpha, da ist er! Ihr habt mir versprochen, das Rudel zu eliminieren!"
Sein Gesicht war verzerrt und er fuchtelte mit den Händen durch die Lift. Er war ausser sich.
„Also worauf wartet ihr! Macht schon!"
Brüllte er aus vollem Hals, währebd er auf Cutter zu schritt. Aggressiv, bedrohlich.
„Der Plan hat sich geändert."
Der blonde Mann schien nicht im geringsten Betroffen zu sein.
„Nein hat er nicht, ich verlange..."
Setzte Zacharia an. Cutter zog aus seinem Gürtel eine Pistole und richtete sie ohne zu zögern auf den verrückten Wolf.
Noch bevor dieser in seiner Rage reagieren konnte, zischte ein Pfeil aus dem Lauf und bohrte sich in seine Brust.
Er öffnete fassungslos den Mund. Mit dem Verrat hatte er nicht gerechnet. Doch dann verdrehten sich seine Augen gruselig und er sackte in sich zusammen wie ein Sack Kartoffeln.
Cutter nickte zwei seiner Männer zu.
„Den hier nehmen wir mit. Zu den Autos", lautete sein knapper Befehl, woraufhin sich sofort zwei Männer daran zu schaffen machten, den bewusstlosen Zacharia hinter sich her zu ziehen.
„Gute Idee", murmelte Simon. Cutter warf einen Blick zurück zu Anthony.
„Wir sehen uns wieder."
Anthony erwiderte den Blick des Jägers eisig, sagte jedoch kein Wort. Dann wandte sich der Mann ab und verschwand mit seinem Team zwischen den Baumstämmen. Weg von uns. Wir hatten gesiegt.

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