16-Hunters

Die nächsten Tage vergingen in dem ständigen Wissen, dass Zacharia irgendwo da draussen lauerte und auf seinen nächsten Schlag hoffte.
Nach Kias Ermordung war auch Anthony vorsichtiger geworden. Jede Nacht schoben die älteren Mitglieder des Rudels abwechslungsweise Wache. Gejagt wurde nur noch in Gruppen die gross genug waren, sich zu verteidigen, und wir jüngeren Wölfe durften fast gar nicht mehr raus. Stattdessen trainierten wir. Und zwar echt viel. So viel, dass ich danach gerade noch Margrits leckeres Essen in mich hinein stopfen konnte und danach ins Bett fiel und einschlief. Und zwar auf der Stelle. Die Prüfungsphase hatte für diejenigen begonnen, die studierten oder zur schule gingen. Deswegen sah man Nick, Melanie, Killian und Julian immer weniger häufig. Kaya ging nicht zur Uni.
Trotz dem Stress versäumte keiner sein tägliches Training.
Wir lernten, wie man mit Waffen umging. Messer und sogar alte Gewehre. Das war hauptsächlich für diese Mitglieder des Rudels gedacht, die keine Klauen hatten. Aber auch ich nutzte die Gelegenheit, um mich darin zu üben. Man wusste ja nie, wann man das mal brauchen konnte.
Julian und ich trainierten regelmässig Nahkampf, und unterdessen durfte ich sogar schon meine Krallen einsetzen.
Wie man in Wolfsform kämpfte, war eigentlich Instinktsache, deshalb wurde das auch nicht gross besprochen.
Heute war wieder so ein Tag, an dem mich Julian zum dritten Mal in Folge auf dem Boden festnagelte und mich angrinste.
„Du wirst besser."
Ich schnaubte, als er mir die Hand reichte und zog mich daran hoch.
„Ach ja? Ich habe nicht das Gefühl."
Zerknirscht wischte ich mir über die Leggins. Dabei waren sie nicht dreckig, da wir ja im Trainingsraum auf Matten trainierten.
„Doch, doch. Irgendwann kannst du mich fertig machen."
Mit gehobener Braue blickte ich den Muskelprotz vor mir an, dessen Bizeps zu Platzen drohte, wenn er noch eine Bewegung machte.
„Ja, ganz sicher." merkte ich ironisch an und er grinste.
„Okay, nochmal?"
Ich stöhnte und wollte das meinen schmerzenden Gliedern eigentlich nicht nochmals antun. Doch der junge Mann vor mir, strich sich die blonden Haare zurück und nahm seine Kampfstellung ein. Die Hände hatte er hochgehalten. Sah aus, wie beim Boxen. Nur hatte er seine Krallen ausgefahren.
„Na gut. Aber das ist das letzte Mal, danach brauche ich echt eine Pause."
Ich stellte mich so hin, wie Julian es mir gezeigt hatte.
Plötzlich legten sich zwei grosse, warme Hände auf meine Hüfte und mein ganzer Körper begann zu kribbeln. Ich wusste sofort wer das war. Denn nur einer hatte diesen unkontrollierbaren Effekt auf mich.
„Du musst dein Gewicht mehr nach vorne verlagern", hörte ich Nicks ruhige Stimme hinter mir. Ich schluckte und war für einen Moment unfähig, irgendetwas zu tun, geschweige denn zu denken. Seine Hände wanderten langsam zu meinen Beinen hinunter, das eine Rückte er langsam etwas nach vorne. „Genauso."
Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, als er sich so zu mir vorbeugte und spürte, wie mein Herzschlag sich verschnellerte.
„Ich hab das schon im Griff, Nick. Dich braucht es hier nicht."
Unterbrach dann Julian gereizt die intime Atmosphäre, die sich für einige Sekunden zwischen uns aufgebaut hatte. In seiner unglaublich schnellen Wolfsgeschwindigkeit stand Nick vor mir.
„Ach ja? Sieht nicht so aus, ich denke sie könnte einen besseren Lehrer vertragen. Mich zum beispiel."
Er hatte die Hände locker in den Taschen vergraben, doch die Dominanz in seiner Stimme entging mir nicht. Na ganz toll, Nick lebte wohl in Extremen. Entweder er wollte gar nichts mit mir zu tun haben, oder aber jeden Schritt den ich machte überwachen.
„Okay, cool down Jungs."
Merkte ich etwas genervt an. Die anderen Trainierenden guckten schon rüber. Und Melanie liefen schon wieder salzige Bäche über die Wangen. Mit der täglichen Menge an Tränen, die sie vergoss hätte man glatt einen neuen Ozean erschaffen können.
„Ich mag es nicht, wie er die ganze Zeit an dir klebt", Nicks Stimmen war nicht mehr als ein unverständliches Knurren und sein eisiger Blick war auf Julian gerichtet, der sich ziemlich aggressionslustig vor ihm aufgebaut hatte.
Das war dann wohl dieses Gefühl, dass er nicht mochte. Den Zwang, die ganze Zeit auf mich aufzupassen und bei mir zu sein. Sowas hörte sich eigentlich toll an. Aber gerade jetzt war es das nicht.
„Jetzt erhebst du Besitzansprüche auf sie? Sorry aber nachdem was du alles abgezogen hast, kann sie dich ja har nicht mehr wollen."
Ich hob die Brauen. Redeten sie etwa gerade über mich als wäre ich abwesend? Nein Danke, das war mir genug Testosteron.
„Genug jetzt!"
Schnauzte ich und stampfte mit einem Fuss auf die Matte. „Keiner hat irgendwelche Besitzansprüche oder so einen scheiss! Ich kann ja wohl selbst entscheiden, mit wem ich trainiere und ich habe dich nicht darum gebeten, jetzt stress zu machen."
Das war an Nick gerichtet, der sich mit finsterem Blick zu mir wandte.
„Ich raste noch aus Alana, ich kann ihn nicht so nahe an dir sehen..das macht mich verrückt."
Innerlich schmolz ich dahin. Aber dann wurde mir wieder bewusst, dass Nick diese Gefühle ja nicht mal mochte. Wir konnten und wegen dieser blöden Gefährten Verbindung nicht gegen diese starken Gefühle wehren, aber er wollte sie ja eigentlich gar nicht. Sie machten ihm Angst. Also war das nicht wirklich ehrlich, was er sagte. Das war nur sein Instinkt, der mit seiner Persönlichkeit rein gar nichts zu tun hatte. „Geh. Jetzt."
Ich sah ihm fest in die Lodernden Augen und blieb standhaft. Er mahlte mit dem Kiefer, dann drehte er sich abrupt um und war verschwunden, ehe ich auch nur Einatmen konnte.
Ach verdammt.
„Danke." Julian richtete sein schweissgertränktes Trainingsshirt und lächelte zufrieden.
„Ich hab keine Lust mehr." Murrte ich und liess den verwirrten jungen Mann einfach stehen. Unter den Blicken der übrigen Anwesenden verliess ich den Trainingsraum. Ich kam mit diesen Stimmungsschwankungen von Nick einfach nicht klar. Er hatte mich häufig verletzt, weil er mich von sich stiess und stattdessen immer wieder zu Melanie zurück ging. Aber jetzt, wo wir uns eine Chance geben wollten, war er plötzlich herrisch und dominant. Als wäre er eine völlig andere Person. Ausserdem wollte ich nicht, dass er für mich nur etwas wegen dieser Verbindung empfand. Ich wollte dass die Gefühle echt waren. Aber herausfinden was der Fall war, war schier unmöglich. Ziemlich frustriert tappte ich in die Küche, um mir einen tiefgekühlten Smoothie zu holen.
„Oh, hallo Alana."
Ich zuckte fast zusammen. Margrite stand da, mit einer Peperoni in der Hand, deren Kerne sie geschickt entfernte und dabei nur mich ansah. Die Frau hatte ja echt talent. Mir wären längst die Finger abgetrennt worden.
„Hallo. Entschuldigung, ich wollte nicht stören."
Murmelte ich und starrte überall hin, nur nicht zu ihr, während ich zum Kühlschrank huschte.
„Aber nein, ich freue mich immer über etwas Gesellschaft. Momentan sind ja alle so beschäftigt."
„Mhm."
Machte ich und steckte ein Röhrchen in den dickflüssigen Erdbeer-Smoothie. Die Kühlschranktür knallte zu.
„Ich habe mitbekommen, was da vorhin passiert ist."
Merkte sie ganz unauffällig an, während sie konzentriert die Peperoni zerhackte.
Ich erstarrte und sah verunsichert zu ihr. „Und wie?"
Das waren grade mal paar Minuten gewesen. Hatte sie etwa Wolfsohren, von denen ich nichts wusste?
„Wölfe reden viel."
Sie zuckte nur die Schultern und strich sich eine graue Strähne zurück, die aus ihrem ordentlichen Dutt gefallen war.
„Ahso."
Machte ich etwas ratlos. Was sollte ich auch dazu sagen? Nick war ihr Sohn und ich hegte den grössten Respekt vor ihr. „Weisst du Alana, ich habe mich über die Verbindung von Gefährten informiert. Schliesslich ist mein Sohn davon betroffen und wir Mütter wissen eben gerne alles."
Ich verzog die Lippen und schlürfte etwas Smoothie. Einfach damit ich nicht nur trottelig und reglos dastand.
„Das was ihr da habt ist eine unglaublich starke Verbindung. Die für euch beide völlig neu und ungewohnt ist. Das ist klar. Und ich weiss, es geht mich nichts an, aber ich kenne meinen Sohn. Und ich glaube, ich kann deinem Gedankenchaos vielleicht etwas weiterhelfen."
Vielsagend blinzelte sie mir zu und ich trat etwas näher.
„Und wie?"
das Interesse in meiner Stimme war kaum zu überhören. Wie peinlich. Sie musste mich wohl für eine verrückte Stalkerin ihres Sohnes halten oder sowas. Keine Ahnung wieso sie immer so nett zu mir war, wo doch die meisten anderen mich nun neben einem dreckigen Laborwolf auch noch für eine Verräterin hielten.
„Ich denke, Nick ist von diesen neuen, wahrscheinlich ziemlich intensiven Gefühlen etwas überfordert. Er war schon immer der Typ, der enge Bindungen vermieden hat. Er weiss nicht, wie er mit diesem plötzlichen Beschützerinstinkt dir gegenüber umgehen soll."
Das hörte sich in der Tat ziemlich logisch an.
„Du solltest ihm etwas Zeit lassen, sich daran zu gewöhnen. Ihr seid jung, ihr müsst nichts überstürzen."
Sie lächelte sanft und ich stellte das Glas schwungvoll auf die Platte.
„Es ist auch für mich neu. Trotzdem verhalte ich mich nicht wie ein..."
Ich unterbrach den Satz und lief rot an. Hallo? Sie war immernoch die Luna des Rudels und Nicks Mutter. Ich musste meine Worte echt besser wählen.
Sie seuftzte.
„Es ist unfair, aber wir Frauen verfügen in solchen Situationen generell über mehr Köpfchen. Deswegen ist es unser hartes Schicksal, mit krassen Veränderungen besser umzugehen als es unsere Männer tun."
Ich musste ab ihren schelmischen Worten grinsen.
Aber sie blieb ernst und schüttete die Peperoni in eine lecker vor sich hin brodelnde Tomatensauce.
„Er mag dich wirklich sehr. Ich merke es an der Art, wie er dich ansieht. Sowas habe ich bei ihm noch nie gesehen."
Ich schluckte und senkte den Blick. Ich wünschte das würde er mir sagen. Dumme Kuh, das hatte er doch getan! Du hast es nur wieder für leere Worte gehalten.
„Danke." meinte ich und versuchte mich an einem Lächeln. Sie grinste verträumt.
„Du bist wirklich etwas spezielles, Alana."
Nicht wissend, was ich mit diesem Kommentar anfangen sollte, verliess ich die Küche.

Die nächsten Tage verliefen immer noch ereignislos.
Von Zacharia war nichts mehr zu hören, zu riechen oder zu sehen. Es war merkwürdig, da wir eigentlich längst mit einem Angriff gerechnet hatten. Und wir waren bereit. Ich fühlte mich bereit. Mehr als jemals. Ich strotzte nur so vor Kraft und Energie, hatte mittlerweile die einigermassen Kontrolle über meine Verwandlung und war auch sonst psychisch in einer relativ stabilen Verfassung.
Ich hatte mich mit den Blicken der anderen abgefunden. Ich wusste, dass noch immer viele dachten, ich wäre für Kias Tod verantwortlich und hätte Zacharia die Tür geöffnet. So war es aber nicht. Es war jemand anderes gewesen und Anthony und die älteren Wölfe suchten verzweifelt nach Hinweisen. So ruhig wie es aber momentan im Haus war, hatten sie wohl noch keine Gefunden.
Heute war Samstag und die ganze Meute hielt sich im Haus auf. Alleine raus gehen lag nicht drin, also sassen wir meist den ganzen Tag aufeinander. Das konnte schonmal zu der ein oder anderen Spannung führen.
Zum Beispiel jetzt.
Nick sass mir auf dem anderen Sofa gegenüber. Wir waren damit beschäftigt, uns anzustarren und niemand schien willig zu sein, zuerst den Blick abzuwenden. Nick trug einen schwarzen, lockeren Pulli und graue Trainerhosen. Meine geheime Schwäche. Seine gelockten, schwarzen Haare kräuselten sich an seinem Nacken und das sah verdammt heiss aus.
Ich musste an die Nacht am See denken. Wie Nahe wir uns damals gekommen waren. In dem Moment hatte ich keinen Zweifel daran gehabt, dass Nick der Richtige war. Dieses Gefährten-Ding hin oder her. Aber dann hatte er wieder alles zunichte gemacht, indem er mich nicht nahe genug an sich ran liess, es dann aber nicht ausstehen konnte, wenn jemand wie Julian sich mir näherte.
Ich grub die Nägel in das Polster des Sofas und Nick verengte die Augen leicht.
Er beobachtete jede Bewegung von mir. Mir wurde heiss.
„Was tut ihr denn da?"
Fragte Killian, während er sich schwungvoll neben mich aufs Sofa fläzte.
Ich wandte den Blick nicht von Nick ab.
„Gar nichts."
Antworteten wir synchron und ich hörte den dunkelhäutigen Sportler leise lachen.
„Na dann. Macht ruhig weiter, ich störe euch nicht."
„Ich schon."
Eine zierliche Figur schob sich zwischen Nick und Mich, sodass ich gezwungen war, den Blick von seinen grauen Augen zu lösen, was mir gar nicht gefiel.
Melanie. Die Zicke hatte ich sowas von über. Ich hatte sie gewarnt. Ich würde sie nicht mehr mit Handschuhen angehen, wenn sie sich mit mir anlegte.
Das wusste sie, denn sie achtete darauf, ja ausser Reichweite meiner Hände zu stehen. Besser so.
„Was willst du?"
Fragte Nick wenig sensibel und ich verkniff mir ein zufriedenes Lächeln. Klar freute es mich zu sehen, dass er sich mit seiner Ex nicht gerade gut verstand. War ich jetzt ein schlechter Mensch? Womöglich.
„Können...kann ich mit dir reden?"
Fragte Melanie leise und wirkte scheu und zahm wie ein Reh. Rehe waren meine Lieblingsbeute.
„Okay."
Machte Nick und stützte die Ellbogen auf die Knie.
„Alleine..."
Fügte sie hinzu und nickte mit dem Kopf in meine Richtung.
Ich hob die Braue.
Killian blickte mich warnend von der Seite an. Meine Streiteslust schien er wohl zu riechen oder so.
„Schon kapiert."
Machte ich und erhob mich schwungvoll vom Sofa. Melanie und ich waren fast gleichgross und kurz sah ich ihr direkt in die Augen. Meine Abneigung versuchte ich gar nicht erst zu verstecken.
Sie sagte nichts und nachdem ich sie lange genug böse angestarrt hatte, wandte ich mich ab und entfernte mich von der Sitzecke.
Einige sassen noch am Esstisch, da sich Simon aber auch dort aufhielt wollte ich mich nicht dazu setzen. Seine Narben im Gesicht sah man noch immer. Ich war mir sicher, dass er mit mir noch nicht fertig war. Deswegen musste ich mich vorsehen.
Es klopfte laut an der schweren Eichentür.
Normalerweise bekamen wir keinen Besuch. Einige hoben den Kopf.
„Ich geh schon."
Ich stand ja schon fast neben der Tür.
Also zog ich kräftig daran, sodass sie einen grossen Spalt weit auf schwang.
Vor mir stand ein gross gewachsener, schlanker Mann mit gegeltem blonden Haar und schaurig kalten blauen Augen. Er lächelte und zeigte perfekte weisse Zähne.
„Ehm, hallo."
Machte ich und musterte ihn eingehend. Er roch sehr stark nach Parfüm, sodass jegliche anderen Gerüche untergingen. Automatisch rümpfte ich die Nase. Sein Blick verfolgte das Aufmerksam.
„Hallo. Entschuldigen Sie die Störung. Ich bin vom Fortstamt, ich bin Wildhüter. Dürfte ich wohl mit dem Hauseigentümer sprechen?"
Er war freundlich. Und sehr ruhig. Wie die meisten Menschen, wenn sie nicht wussten, dass sie einem Wolf gegenüber standen.
Ich kniff die Augen zusammen und ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.
„Ich werde sehen, ob er da ist."
Meinte ich und er nickte.
„Sehr freundlich. Dürfte ich wohl drinnen...."
„Nein."
Sagte ich und lächelte genauso freundlich zurück.
In seinen Augen blitzte etwas zufriedenes auf. Das gefiel mir gar nicht. Aber ich konnte sonst niemanden in der Nähe riechen. Er schien wirklich alleine zu sein. Er konnte also keine grosse Gefahr darstellen.
Bevor ich Anthony überhaupt rufen konnte, war er bereits zur Stelle und schob mich bestimmt beiseite.
„Wie kann ich helfen?"
Seine stimme war tief und dominant. Ein Alpha halt.
Der Wildhüter legte langsam den Kopf schief und musterte den stämmigen Mann, der ihm gegenüberstand.
„Guten Tag. Mein Name ist Mr. Cutters, ich bin Wildhüter und wurde kürzlich informiert, dass sich in diesem Waldgebiet vermehrt Wölfe aufhalten sollten."
„Aha."
Machte Anthony wenig beteiligt. Mr. Cutters schien es anscheinend nicht zu gefallen, dass mein Alpha ihn unterbrochen hatte.
Er räusperte sich kurz, bevor er fortfuhr.
„Ja. Und da in einem Fluss in der Nähe kürzlich eine Leiche gefunden wurde, die auf einen Tierangriff hin deutet, wurde ich geschickt um dem nachzugehen. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?"
Anthony machte sich nicht mal die Mühe, freundlich zu sein.
„Ich fürchte nicht. Guten Tag."
Er machte Anstalten, die Türe zu zu machen, doch der Wildhüter stellte einen Fuss dazwischen.
Den hätte er locker mit der schweren Türe zerquetschen können, doch er tat es nicht.
„Ich wollte Sie nur warnen. Wölfe sind eine ernsthafte Plage, um die man sich kümmern muss. Wir gehen davon aus, dass Sie im Falle einer Wolfsichtung sich an uns wenden."
Er wirkte höflich; doch so als würde er dahinter mit einem Messer versteckt warten.
Ich hatte automatisch einen Schritt vor gemacht. Bei einer Bedrohung war mein erster Gedanken nunmal angriff.
„Natürlich werden wir das. Einen schönen Tag noch."
Mr. Cutters warf mir noch einen wissenden Blick zu.
„Den wünsche ich Ihnen auch."
Dann drehte er sich um. Die Türe fiel zu.
„Verdammt!"
Hörte ich Anthony fluchen und kurz darauf rief er das Rudel zusammen.
Ich huschte zum Fenster und beobachtete, wie der Mann sich mit ruhigen Schritten vom Grundstück entfernte. Er telefonierte. Dann, bevor er in seinen Truck stieg, drehte er sich nochmals um und lächelte.
Mir lief es kalt den Rücken runter.
„Wer war das?"
Fragte Simon und liess die Knöchel knacksen.
Ich wusste dass er ihm sofort folgen würde, wenn Anthony das wollte. Simon war sich für dreckige Arbeit nicht zu schade.
Ich gesellte mich zu den anderen und erblickte Anthonys besorgtes Gesicht. Das war nicht gut.
„Das war ein Jäger."
Im ganzen Raum wurde alarmiert ausgeatmet.
Ich blinzelte verwirrt, als einige besorgt zu tuscheln begannen.
„Bist du dir sicher? Wie können sie auf uns gekommen sein? Das hatten wir doch seit Jahren nicht mehr!"
Margrit knetete besorgt ihre Schürze und Nick, der noch immer auf dem Sofa sass beobachtete sie genau.
„Wieso Jäger? Er sagte doch er sei Wildhüter."
Platzte es aus mir heraus, da ich die allgemeine Besorgtheit nicht nachvollziehen konnte.
Jäger gab es in den Wäldern doch immer wieder. Wenn man ihnen aus dem Weg ging klappte das doch ganz gut.
Anthony wandte sich mir zu.
„Das sind keine normalen Jäger, die hier ab und zu Rotwild erledigen. Sie sind Wolfs-Jäger. Das heisst sie jagen Menschen wie uns."
Meine Augen wurden gross.
„Es gibt also Menschen, die über uns Bescheid wissen?"
Der Alpha nickte langsam.
„Ja. Es sind nicht viele, aber sie bilden ein Netzwerk über die ganze Welt verteilt. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, uns zu jagen und zu töten. Damit wir aussterben."
Ich schluckte.
„Und dieser Mann...wenn er ein Jäger ist, wieso kam er genau hierher?"
„Das frage ich mich auch", stimmte mir Nick zu.
„Wir haben es schliesslich lange genug geschafft, unentdeckt zu bleiben, wieso sollte also genau jetzt einer hier rum schnüffeln?"
Anthon verschränkte die Arme.
„Womöglich wegen der Leiche? Man sah ja deutlich, dass es ein Tierangriff war."
Mein Herz stach. Sie redeten von Lucys Leiche.
Die sie bewusst in den Fluss geworfen hatten, damit sie weg gespült wurde.
„Das denke ich nicht. Solche Unfälle gibt es immer wieder."
Meldete sich Simon. Da hatte er recht. Erst kürzlich war ein Mann beim Klettern von einem Berglöwen angefallen worden. Also war nichts unmöglich.
„Nein. Ich glaube dass jemand sie ganz bewusst zu uns geführt hat."
Meinte Nick und lehnte sigh auf dem sofa zurück. Melanie sass neben ihm. Worüber sie wohl geredet hatten?
„Du meinst, derselbe, der auch für Kias Tod verantwortlich ist?"
Hauchte Kaya, die aussah als hätte sie seit Jahren nicht geschlafen. Ihre Dreads waren unordentlich und ihr Gesicht wirkte fahl und eingefallen. In dem riesigen Pulli den sie trug wirkte sie verloren. Nichts mehr ürig von der selbstebwussten Kämpferin.
„Vielleicht auch diejenige. Kann ja auch eine Frau gewesen sein."
Murmelte Melanie und linste in meine Richtung.
„Willst du mir was sagen?"
Zischte ich und straffte die Schultern.
Melanie schwieg und zuckte nur die Schultern.
„Ich sags ja nur, Melanie hat vielleicht recht. Es ist schon merkwürdig, dass kurz nach Alanas Ankunft plötzlich alles so schief läuft? Und wie du sagtest, die Jäger hatten uns schon seit Jahren nicht mehr im Blickfeld. Ist also schon verdächtig."
Meinte Simon und musterte mich.
„Ich habe euch nicht bei den Jägern gemeldet! Ich wusste ja bis eben gar nicht, dass es sie überhaupt gibt!"
Fauchte ich.
Ich war es langsam echt leid. Immer dieses Misstrauen, diese Feindseligkeit zu mir, das machte mich traurig. Auch ich konnte damit nur bis zu einem begrenzten Grad umgehen.
„Alana war es nicht. Fertig."
Machte Margrit und sie klang erstaunlich verärgert.
Nick wirkte überrascht und auch der Rest des Rudels hatte mit ihrer starken Stellungnahme wohl nicht gerechnet.
Ich genauso wenig.
Mit trockener Kehle starrte ich sie an.
„Ich kann es nicht mehr mitansehen, wie eine junge Frau, deren einziger Fehler es war entführt und gegen ihren willen Verwandelt zu werden von euch so schlecht behandelt wird. Sie ist eine von uns und ich glaube ihr mit vollem Herzen, wenn sie sagt sie war es nicht."
Ich war zu Tränen gerührt. Dass Nicks Mutter sowas sagte, das hatte Gewicht. Immerhin war sie die Luna des Rudels.
Ich bekam weiche Knie und einige der Rudelmitglieder wirkten betroffen oder schienen sich zu schämen. Andere nicht.
Ich fing Margrits Blick auf und hoffte, dass sie darin die Dankbarkeit erkannte, die ich empfand.
„Margrit hat Recht. Wir sollten uns auf den wirklichen Feind konzentrieren. Zacharia. Er weiss gut genug, wie es auf der Welt läuft. Er will uns die Jäger an den Hals hetzen, damit sie die Arbeit für ihn erledigen."
Simon runzelte die Stirn.
„Aber wenn sie wissen, und das hätten sie bestimmt rausgefunden, dass er auch ein Wolf ist, dann wäre er doch genauso am arsch?"
Nick zuckte die Schultern.
„Nicht unbedingt. Wenn er ihnen ein ganzes Rudel liefert, lassen sie ihn im Gegenzug vielleicht laufen. Einer für 20 ist ein guter Deal."
Da hatte er recht.
„Dieser Mistkerl."
Murmelte Kaya und ballte die Hände zu Fäusten.
„Du sagst es. Aber wir müssen ruhig bleiben und abwarten. Schauen, ob sie wieder auftauchen, ob sie rum schnüffeln und vor allem, ob sie Fallen aufstellen!"
Bestimmte Anthony und das Rudel schien damit einverstanden.
„Und das wichtigste, vergesst nicht, dass Zacharia auch noch da draussen ist. Ich bin mir sicher, dass er jetzt kommen wird."

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