Wiedersehen
Shin war so erleichtert, so glücklich Nell wieder zu sehen. Er war sogar ein wenig froh, dass Balgir und Cian dabei waren. Er war wieder zurück und anscheinend hatte er genug Glück gehabt an einem Ort zu landen, wo er bekannte Gesichter wiedersah. Alle drei starrten ihn jedoch irritiert an. Na gut, vielleicht war es etwas seltsam, dass er im Gartenteich stand, aber das war noch kein Grund so seltsam auf ihn zu reagieren. Shin lächelte und wollte die Hand zum Gruß heben, als Nell plötzlich neben ihm im Wasser stand. Noch dazu hielt der Shin eine Klinge an den Hals. Shin erstarrte.
„Sag.", Nells Stimme klang sehr wütend und kompromisslos. „Bist du allein gekommen? "
Shin sah Nell verwirrt an, doch in den Augen seines Freundes konnte er nur Hass erkennen. Das Schwert das er ihm an den Hals drückte, war unnatürlich schwarz und schien das Sonnenlicht in sich aufzusaugen.
„Antworte!", rief Nell.
„Ja. Ich bin allein.", sagte Shin laut. Was war hier nur los?
Nell grinste böse und holte mit dem schwarzen Schwert aus.
Panik.
Shin hatte keine Zeit auszuweichen, stattdessen blickte er auf die Klinge die sich seinem Hals näherte. Er sah die Magie die es in sich aufsaugte, die Struktur der Wellen die von ihm ausgingen. Und dann kam ihm der Gedanke, dass das Schwert ihm gar nichts anhaben konnte. Es war aus Magie geformt. Also löste er sie einfach auf. Bevor das Schwert ihn traf, oder vielleicht genau in dem Moment als es ihn traf, zersplitterte die Klinge in tausend kleine Scherben. Shin hatte kaum Zeit zu sehen, wie die schwarzen Scherben auseinanderstrebten und dann unwirklich in der Luft stehen blieben. Er stolperte durch das Wasser und wäre fast über einen Stein gefallen, als er auch schon zwei weitere Klingen am Hals spürte.
„Das war ja ein niedlicher Trick.", sagte Cian belustigt, der jetzt hinter ihm stand und Shin mit seinen zwei Kurzschwertern in den Schwitzkasten genommen hatte.
„Das ist auch noch nicht passiert.", Nell untersuchte die in der Luft schwebenden Reste seines Schwertes und sah dann wütend zu Shin. „Cian, schneid ihm endlich den Kopf ab."
„Ja doch.", sagte Cian genervt und Shin spürte, wie der erste Tropfen Blut an seinem Hals herunterlief. Wie wollte er sich gegen echte Schwerter verteidigen? Etwas sagen konnte er nicht mehr, da das Metall gegen seine Kehle drückte. Nicht einmal ein ‚warte!' brachte er hervor. Während er fieberhaft überlegte, überfiel ihn eine andere Erkenntnis: Sie wussten nicht wer er war. Sie erkannten ihn nicht und für einen Scherz trieben sie es zu weit. Aber erst einmal musste er sich aufs Überleben konzentrieren. Ihm fiel ein, wie er einmal Ren mit einem Zauber zur Seite geschoben hatte, richtig! Damit würde es bestimmt klappen. Einfach die Magie ansammeln und von sich aus ausdehnen. Doch bevor er zur Tat schreiten konnte, rief jemand anderes:
„Warte!"
Cian hielt inne und auch Shin unterbrach seine wirren Gedanken und sah auf. Vor dem Teich stand Balgir, der Einzige von ihnen, der sich nicht im Wasser des Teiches befand. Er musterte die Szene mit einem seltsamen Gesichtsausdruck und zeigte dann plötzlich auf Shin.
„Du.", sagte Balgir und seine Stimme zitterte ein wenig. „Wie ist dein Name?"
Shin konnte immer noch nichts sagen und brachte nur ein gequältes Lächeln zustande.
„Cian, lass ihn bitte etwas sagen.", bat Balgir den Elfen und Shin merkte, wie der Griff der Klingen lockerer wurde.
„Shin Balor.", sagte Shin sofort und war erschrocken, wie verloren seine eigene Stimme klang.
Balgir schien kurz nachzudenken, legte den Kopf kurz schief und murmelte etwas vor sich hin. Zu Shins Überraschung, warteten die anderen beiden geduldig, behielten Shin aber weiter im Auge.
„Ok," fuhr Balgir fort. „Weißt du meinen Namen?"
„Was soll das...", begann Nell, sagte aber sonst nichts weiter.
Shin runzelte verwirrt die Stirn. Was sollte diese Frage? Natürlich wusste er wer Balgir war und auch wer die anderen waren. Sollte er vielleicht lieber nicht antworten? Was wenn es die ganze Sache nur noch schlimmer machte? Trotzdem ... er wollte nicht lügen. Auch wenn es vielleicht dumm war, antwortete Shin: „Du bist Balgir."
Er merkte wie Cians Hände, die immer noch die Schwerter festhielten sich leicht verkrampften. „Woher kennst du seinen Namen?", flüsterte der Elf mit einem Lächeln (aber auch ein wenig Unsicherheit in der Stimme).
Balgir hob kurz die Hand um die anderen zum Schweigen zu bringen und jetzt trat ein Grinsen auf sein Gesicht, das Shin gar nicht so von ihm kannte. „Dann sag mir doch bitte auch meinen Familiennamen.", forderte der Dämon.
Shin war jetzt irritiert. Erstens: Immer noch wegen der Fragerei und zweitens: Er wusste nicht wie Balgir mit Nachnamen hieß. Verunsichert sah er zu Nell, den die Fragen genauso zu verwirren schienen. Dann wandte er den Blick wieder zu Balgir. „Ich kenne deinen Familiennamen nicht."
„Oh wirklich?", Balgirs Grinsen verschwand. „Cian ich glaube wir haben nichts-"
In dem Moment hallte ein Schrei durch den Garten: „NELL BELLEFLEUR!!! SOFORT RAUS AUS MEINEN KOI-KARPFEN!!"
Aus einem benachbarten Baum stoben erschrocken ein paar Vögel in den Himmel und davon. Nell lief ein panisches „Mist!" von sich hören. „Raus, schnell raus!"
Shin sah sich um, während sie hastig aus dem Teich kletterten. Zu seiner Überraschung war Nell es, der seine Hand nahm und mit Leichtigkeit aus dem Wasser zog. Shin suchte seinen Blick, doch Nell sah zum Haus hinüber, aus dessen Richtung jetzt ein sehr wütend aussehender Mann auf sie zukam.
Der Mann war fast zwei Meter groß, hatte dichtes schwarzes Haar und eine hellbraune natürliche Hautfarbe. Er war vielleicht in seinen dreißigern, aber seine Gesichtszüge und sein Gebaren während er wütend über den Rasen stapfte erinnerten so sehr an Nell, dass Shin daran dachte, dass es ein Verwandter von Nell sein musste. Etwa sein Vater? Außerdem waren da noch die schwarzen Krallen anstelle seiner Hände. Krallen, groß, muskulös und gefährlich. Das einzige was dieses Bild ein wenig trübte war, dass der Mann einen roten Morgenmantel mit rosa Herzchen-Muster trug, der jetzt wie wie ein Cape hinter ihm flatterte, während er auf sie zuschritt. Rechts und links wurde er von zwei Bediensteten flankiert. Sie trugen beide schwarze Anzüge und sahen fast aus wie echte Menschen.
Aber das sind keine Menschen, dachte Shin. An ihnen haftete eine seltsame Art von Magie, die hinter ihnen hängen blieb wie eine Rauchfahne. Außerdem waren sie leer. Das waren keine Lebewesen, sondern von Magie erschaffene Kreaturen. Seit wann achtete er auf diese Dinge? Shin fragte sich wie viel er an der Loup Parole erkannt hätte, wenn er dort mit dem gleichen offenen Blick unterwegs gewesen wäre wie jetzt. Magie war schon immer da, aber er hatte nie auf sie geachtet. So wie man vielleicht nicht auf die Wolken achtete, aber wenn man sich auskannte das Wetter voraussehen konnte. Dann fiel ihm etwas auf. Die Erinnerungen an sein altes Leben... Veil hatte die Magie nicht sehen können. Das war seltsam. Außerdem war es ihm bis jetzt nicht aufgefallen und vielleicht war es dieser Perspektivwechsel der dafür sorgte, dass ihm die Eigenschaften der Magie jetzt mehr ins Auge stachen.
Der Mann war schließlich bei ihnen angekommen. „Das sind Zuchtfische!", sagte er etwas außer Atem. „Weißt du wie lange es gedauert hat dieses Muster hinzubekommen?!" Er deutete mit einer Kralle aus einen dreifarbigen Karpfen der sich in Shins Augen nicht groß von den anderen Fischen unterschied. „Fünf Generationen!", sagte der Mann nach einer kurzen Pause, so als hätte er eine Antwort erwartet.
Nell sah verdrossen zu Boden. „Tut mir Leid, Vater."
„Gut. Es ist ja schön dass du Gesellschaft mitbringst, aber wir haben zwei Außenbäder und eine Therme. Wenn ihr im Wasser spielen wollt, tut es gefälligst dort."
„Ja, Vater.", murmelte Nell und sah immer noch zu Boden.
Nells Vater nickte zufrieden und wandte sich dann an die anderen. „Und wer seid -" sein Blick fiel sofort auf Shin.
Nell sah auf. „Wir haben alles unter Kontrolle."
Sein Vater gab ein mitfühlendes Lächeln von sich. „Sieht wirklich nicht danach aus.", sagte er und machte eine kurze Bewegung mit der Kralle. Die beiden Bediensteten sprangen nach vorne und packten Shin. „In den Keller.", sagte Nells Vater mit kalter Stimme.
Shin erschrak, leistete jedoch keinen Widerstand. Es klang danach, als sollte er erst einmal eingesperrt werden. Das war immer noch besser, als einen Kampf anzufangen oder sich versuchen so schnell wie möglich zu erklären.
Während die beiden unechten Menschen ihn zum Haus führten, hörte er Nell hinter sich sagen: „Das ist so unnötig!"
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