so ich dir
Er ging zum Unterricht und tat so normal wie es eben ging für jemanden der normalerweise kaum zum Unterricht erschien. Doch in seinem Inneren brodelte es. Ankamna hatte Balgirs Eltern getötet. Ankamna quälte Ren. Ankamna hatte den namenlosen Traumfresser getötet, weil Shin Ren gerettet hatte. Ankamna hatte Dario den Kopf abgerissen. Wie hatte Shin jemals davon ausgehen könne, dass Ankamna eine normale Person war. Es musste an dem Ausdruck liegen, der immer so wirkte, als wäre Ankamna sich seiner Taten nicht bewusst. Aber eigentlich glaubte Shin nicht an diese Theorie. Er erinnerte sich, wie er sich abfällig gegenüber Dämonen geäußert hatte und wie leicht es ihm gefallen hatte den Traumfresser einfach zu zerfetzen. Ankamna sah sie nicht als ebenbürtig.
Nachdem er ein paar Unterrichtsstunden überstanden hatte und es langsam auf den Mittag zuging, entfernte er sich von den Klassenräumen. Auf gewissen Weise war er froh bisher weder Nell noch Balgir begegnet zu sein. Er wollte keinen von beiden in das reinziehen was er sich den Vormittag über zurechtgelegt hatte. Shin wollte den Eingang zu Ankamnas Welt suchen und Ren befreien. Es war kein ausgereifter Plan, eher ein Entschluss und Shin war überrascht, wie er immer überzeugter von sich wurde, obwohl er keine Ahnung hatte wo er suchen sollte. Er begann vor seinem und Rens Zimmer. Von hier waren sie losgelaufen, als Ren ihn in der Nacht zu Ankamna gebracht hatte. Shin lief nervös vor der Tür auf und ab und versuchte sich an die Richtung zu erinnern, doch er war zu der Zeit zu nervös gewesen. Den Mund voller Blut war er Ren hinterhergelaufen. Genau wie er in seinem Traum dem kleinen Fuchs hinterhergerannt war. Unbewusst fasste er sich immer wieder an den linken Unterarm, der mit einem Verband umwickelt war, um die frischen Wunden zu schützen. Es war kein Schmerz mehr zu spüren, doch immer wieder war es, als hätte ihn gerade jemand am Arm gepackt. Nie fühlte es sich an, als würde in diesem Moment jemand zugreifen, immer nur als hätte gerade jemand losgelassen. Es war kein gutes Gefühl.
Endlich fiel es ihm ein. Als der Traumfresser ihn gejagt hatte, waren sie auch auf dem Weg zu Ankamna gewesen. Erleichtert ließ er seinen Arm los und konzentrierte sich auf die vor ihm stehende Aufgabe. Den gleichen Weg wie an diesem Morgen zurückzulegen, war seltsam. War es wirklich erst vor ein paar Tagen gewesen? Bisher war alles so einfach gewesen. Ein wenig Mobbing da, ein paar flüchtige Liebschaften hier. Die herrlich langweiligen Nachmittage zusammen mit Lucy und ein paar anderen, die Shin nie wirklich als Freunde bezeichnet hatte, dem aber per Definition sehr nahe kamen.
Er hatte die Stelle erreicht, an der sich ihre Wege getrennt hatten. Schuldbewusst beschritt er den Weg, den Ren zurückgelegt haben musste, nachdem sie den Traumfresser weggelockt hatten. Er kam zu mehreren Kreuzungen, die immer seltsamer und sinnloser wurden, doch Shin ging einfach weiter, ohne sich verunsichern zu lassen. Wenn er nicht an der Sackgasse mit der entsprechenden Wand herauskam, musste er einfach zurückgehen und es noch einmal versuchen. Von außen hatte man erkennen können, welche Ausmaße die Loup Parole hatte, doch was Shin hier erlebte war zu viel unnötige Architektur. Gänge die wandten und kreuzten, Gänge die viel zu lang waren für ein solches Gebäude und manchmal war er sich nicht sicher, ob er noch über der Erde war. Denn manchmal waren keine Fenster da und manchmal gab es Fenster, obwohl Shin wusste, dass sich parallel dazu ein anderer Gang befand. So lief er eine Weile herum, zielstrebig und ohne die geringste Ahnung, wo er entlanggehen musste. Bei Ren war es so simpel gewesen, außerdem waren sie in der Nacht als sie zusammen hier gewesen waren, keinesfalls so lange unterwegs gewesen. Endlich fand er (zum dritten Mal), eine Abzweigung die ihm bekannt vorkam. Er nahm sie und stieß beinahe mit jemandem zusammen. Shin ging hastig einen Schritt zurück, bevor es zu einem Unglück kam. „Schüler dürfen sich hier nicht aufhalten.", sagte die Person vor ihm, ohne auch nur die geringste Form der Begrüßung von sich zu geben.
Shin starrte sie nur an. Zuerst hatte er sie nicht erkannt, nicht einmal an der Stimme. Erst als er den Kopf gehoben hatte, um die unfreundliche Person vor ihm zu mustern, hatte er sie bemerkt. „Lucy?", fragte er und konnte die Bestürzung in seiner Stimme nicht verbergen.
Sie runzelte die Stirn. „Woher kennst du meinen Namen?"
„Soll das ein Witz sein? Was machst du ...", doch er unterbrach sich. Dies hier war kein schlechter Scherz. Ihr Gesicht zeigte nichts als Leere und er starrte sie einfach nur an, in der Hoffnung dort etwas zu finden, dass auf ein Wiedererkennen hindeutete. Doch sie sah ihn an als würde sie ihn kaum kennen. Es war einschüchternder als Nells Wut und Auruns Arroganz zusammen. Und dann als Shin endlich den Mut gefasst hatte den Mund zu öffnen und mit ihr zu reden, erschien Ankamna neben ihr. Zum ersten Mal, bemerkte Shin sein Erscheinen, bevor es in Kraft trat und seine Miene verfinsterte sich bevor Lucy überhaupt wusste was los war.
Ankamna lächelte Shin gewohnt freundlich an und platzierte, zu Shins Ärger, eine Hand auf Lucys Schulter, was diese hingegen überhaupt nicht zu stören schien. „Shin, was möchtest du? Schüler dürfen sich in diesem Bereich nicht aufhalten."
„Ich...", er wusste nicht mehr was er tun sollte. Er zögerte und war verunsichert, doch dann riss er sich zusammen und dachte an sein Vorhaben: „Ich will zu Ren."
Ankamnas Augenlid zuckte, ansonsten zeigte sich keine negative Regung. „Er braucht im Moment Ruhe und möchte keine Fremden um sich haben. Du solltest wieder gehen und dich um andere Dinge kümmern."
Mit einer solchen Antwort hatte Shin gerechnet. Sein Blick hing an Lucy, als er sagte: „Das will ich von Ren persönlich hören und nicht von jemandem wie dir."
„Mein Wort ist soviel Wert, wie das seine.", sagte Ankamna und seine Hand auf Lucys Schulter verkrampfte sich.
Shins Hände begannen wieder leicht zu zittern, ebenso seine Stimme, als er sprach: „Bring mich zu ihm."
Es war ein winziges Zusammenzucken. Ankamnas Hand hatte sich immer fester in Lucys Schulter gebohrt und als diese die erste Regung aufgrund des daraus folgenden Schmerzes zeigte, hielt Shin es nicht mehr aus. Er machte einen Satz nach vorne, doch noch bevor er Ankamna erreichen konnte, griff Lucy blitzschnell zu und warf Shin geschickt zu Boden. Er keuchte auf, als sie seinen Arm hinter dem Rücken verdrehte. „Warum tust du das?", rief er.
Bevor Lucy antworten konnte, viel Ankamna ihr ins Wort: „Kannst du dir das nicht denken, Shin? Es liegt dir übrigens so gar nicht einfach jemanden anzugreifen. Lucy ist da viel durchdachter. Selbst mit meinem Blut in ihrem Körper ist sie noch in der Lage eigene Gedanken zu fassen und zu handeln."
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Es war für einen Augenblick so, als würde er fallen und bevor er verstand was geschah, stand er plötzlich wieder auf beiden Beinen. Lucy war erschrocken von ihm gewichen und Ankamna sah verängstigt aus. Doch weiter geschah nichts. Shin wollte nichts tun. Vielleicht war er stärker als Ankamna, es war sogar sehr wahrscheinlich, doch konnte er seine Kraft nicht kontrollieren und solange Lucy hier war, wollte er sich auf keinen Fall darin üben.
„Ich denke", begann Ankamna, als er diesen Schreck überwunden hatte, „dass du jetzt besser gehen solltest."
Shin lächelte trocken. „Was soll mich daran aufhalten, einfach weiterzugehen. Vielleicht werde ich dich nicht angreifen, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Angriff deinerseits etwas gegen mich ausrichten könnte.", es war hauptsächlich ein Bluff. Selbst Shin war sich nicht sicher, ob seine eigenen Worte der Wahrheit entsprachen.
„Ich kann es vielleicht nicht, aber sie schon.", sagte Anknamna und Lucy zog ein Messer aus der Innenseite ihrer Weste.
Shin zuckte zusammen. „Was willst du mit einem Messer gegen mich ausrichten?!"
„Das Messer ist nicht für dich.", die Worte kamen von Lucy, als sie die Klinge ohne Zögern gegen ihre eigene Kehle hielt und Shin herausfordernd ansah.
„Geh, oder sie muss es leider tun.", sagte Ankamna. „Sie ist zwar nur ein Mensch, aber ich glaube sie ist dir wichtig, vielleicht ein wenig so wie Ren mir wichtig ist. Deswegen kannst du verstehen, dass ich nicht möchte, dass du ihn mir wegnimmst. Geh, bitte."
„Wir sind nicht wie du und Ren. Wir sind Freunde und niemand von uns würde den anderen verletzen."
„Das sagst du und trotzdem hat ein wenig Blut ausgereicht, damit sie dich vollständig vergisst und unter meine Kontrolle fällt. Wir können keine gleichberechtigten Beziehungen mit den Wesen dieser Welt pflegen.", in Ankamnas Stimme war fast so etwas wie Bedauern herauszuhören. „Wir nehmen ihnen ihren Körper und dann ihre Seele. Es gibt nichts was an ihnen nicht uns gehören kann. Und jetzt geh."
„Gib sie frei.", presste Shin heraus.
„Noch nicht.", flüsterte Ankamna, bevor der Gang wieder leer wurde und Shin wieder am Anfang des Labyrinths der Flure stand.
Er zitterte. Dieses Mal nicht nur an den Händen, sondern am ganzen Körper. Er biss voller Wut die Zähne zusammen, unterdrückte einen Schrei und sank auf die Knie. Es war wieder das Gefühl zu fallen, doch dieses Mal bekam er mit was geschah. Wie in Trance sah er, wie sich goldene Adern durch seinen Körper zogen und in die Erde um ihn herum gruben. In die Tiefe und in die Weite. Woher nur kam diese ganze Magie. Es war der gleiche Strom, der wohl auch die Pflanzen im AG-Raum zum wachsen gebracht hatte. Wie viel Magie war nötig um sie auf diese Weise sichtbar zu machen? Shin sah auf und erkannte es. Die Magie kam von oben. Wie Adern oder Blitze griffen sie nach ihm, doch er nahm sie nicht einfach auf, er leitete sie weiter. Er brauchte keine Magie in seinem Körper, denn sie würde immer zu ihm kommen, wenn er sie brauchte. Er nahm sie auf, beanspruchte nichts für sich, ließ sie weiterziehen. Wie all die Personen die er bisher kennengelernt hatte. Doch zum ersten Mal, bekam er das Gefühl von Verlust voll und ganz zu spüren. Er wollte es Ankamna heimzahlen.
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Er wartete.
Er ließ den Tag über sich ergehen, verbrachte Zeit mit Nell, ohne zu zeigen, dass er gar nicht richtig im hier war. Am Abend war er wieder in seinem Zimmer. Allein. Er hatte eine leichte Ahnung was er tun musste. Er setzte sich auf die Kannte von Rens Bett und konzentrierte sich darauf alle Geräusche aus seinem Kopf zu verbannen. Er spürte die Verbindungen die er erschaffen hatte. Nell, Balgir, eine stechende Leere, die einst der Traumfresser gewesen war und als letztes Ren. Die Verbindung war nicht schlechter als die anderen, sie war nur überlagert von Netzen die nicht die seine waren. Shin konnte Rens Körper spüren, als würde er ihn von innen berühren, in ihm fließen. Er konnte das Blut von sich immer noch wahrnehmen, besser als das, was sich in seinem eigenen Körper befand. Er konnte sich auf eine abstrakte und unglaubliche Art umsehen und an den Ort versetzen, an dem Ren sich befand. Nicht wirklich direkt, aber er spürte, während er auf dem Bett saß, wie er gleichzeitig zusammengerollt auf festem Boden lag. Es war so befremdlich, dass Shin beinahe losgelassen hätte, doch im letzten Moment konnte er sich fangen. Neben seinem eigenen Blut, war da noch etwas anderes und er ahnte es mehr, als dass er es auf einem anderen Weg herausfand, und zwar dass es Ankamnas Blut sein musste. Es verdeckte ihn, versuchte seine Verbindung zu Ren zu überspielen, schaffte es jedoch nicht vollständig. Shin musste lächeln, als er feststellte, dass er genau das gleiche machen konnte, nur dass er selbst dabei Erfolg hatte und Ankamnas Bindung übernehmen und für sich beanspruchen konnte. Kaum war dies getan, brachen Rens Emotionen über ihm ein und wieder einmal hätte er beinahe losgelassen. Seine Finger klammerten sich so fest an die Kante des Bettes, dass sie anfingen wehzutun. Als er sich seiner wieder sicher war, begann er im Geiste nach Ren zu rufen. Leise, immer wieder. Bis er glaubte eine Art von Verständnis von Rens Seite zu erhalten und bis er es nicht mehr aushielt.
Erst als er fertig war und losgelassen hatte, merkte er, welch eine Anstrengung es für ihn gewesen war. Shin legte die Hände an den schmerzenden Schädel und kämpfte gegen eine erdrückende Übelkeit an. Schließlich gab er auf, legte sich zur Seite, eigentlich nur kurz um sich einen Moment der Ruhe zu gönnen, nickte jedoch weg.
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Ren war hier. Shin blinzelte voller Müdigkeit und war vor Schreck hellwach, als er plötzlich Rens Gesicht vor sich hatte. „Hallo.", sagte dieser in gelangweiltem Tonfall.
Shin setzte sich mit wild klopfendem Herzen auf. „Du hast mich bemerkt und bist entkommen!", stellte er erleichtert fest und versuchte so unauffällig wie möglich, Rens Erscheinung zu mustern. Er sah nicht direkt dünner aus als sonst, nur zerbrechlicher und an seinem Hals klebten Spuren von getrocknetem Blut. Der Anblick jagte Schauer über Shins Nacken.
„Ja...", Rens Blick wurde etwas glasig. „Was erwartest du, meinen Dank? Oh, vielen Dank und jetzt mach es bitte Rückgängig. Ich will das Ganze nicht noch einmal durchleben."
„Ich habe dir geholfen. Warum willst du dich ihm wieder freiwillig unterwerfen?", fragte Shin verwirrt.
„Weil ich hunderte Male vor ihm geflohen bin und er mich jedes Mal wieder eingefangen hat. Weil es jedes Mal geschmerzt hat, wenn ich mich zur Wehr gesetzt habe. Jedes Mal aufs Neue!", ereiferte Ren sich.
Shin schüttelte den Kopf. „Dieses Mal ist es anders, ich werde dir helfen."
Ren schnaubte. „Du benutzt mich nur als Druckmittel für deine Freundin."
Das tat weh und Shin senkte etwas schuldbewusst den Blick. Ren hatte die Sache mit Lucy also mitbekommen. Aber sie war nicht der einzige Grund, warum er Ren zu sich geholt hatte. „Ich habe ein Wesen mit schwarzen Augen getroffen und mich selbst mit den Narben, wie auch du sie trägst, gesehen. Ich helfe dir aus einem egoistischen Grund, ja, aber trotzdem will ich dich retten. Ich will auch Lucy retten, aber deswegen werde ich dich nicht fallen lassen." Und es gab noch die unaussprechliche Tatsache, dass er Ankamna verletzen wollte.
„Dann wird das was du bisher getan hast auf die Dauer nichts nützen.", schloss Ren nüchtern. Er fuhr sich mit Zeige- und Mittelfinger über den Hals, auf dem sich die blassen Narben und frischen Wunden von Ankamnas Bissen zeigten. „Denn diese Male werden im Zweifelsfall immer stärker sein, als Blut. Er wird mich immer finden."
Für einen Moment traute Shin sich nicht zu antworten und sie lauschten in den Abend hinein. Doch es waren keine Anzeichen von Ankamna zu hören. Nur die Geräusche der aufkommenden Nacht und das leise Rauschen des Meeres. „Ich habe keine Angst vor ihm.", flüsterte Shin. „Ich kann es mit ihm aufnehmen."
„Er ist um viele Jahrhunderte älter als du.", flüsterte Ren zurück. Er wirkte an diesem Abend hilflos und hatte fast gar nichts mehr von der Person an sich, die Shin einmal an Nell ausgeliefert hatte, oder ihn bedroht und geschlagen hatte.
„Das spielt keine Rolle.", zischte Shin und legte behutsam die Hand in Rens Nacken. Dieser hob unwillkürlich die Schultern kurz an, entspannte sich dann jedoch sofort wieder. Dann beugte er sich vor und küsste Shin. Dieser war überrascht, doch ging er darauf ein, es konnte ja nie schaden. Rens Zunge fuhr in seinen Mund, umspielte förmlich sein Innerstes, bis er über Shins Zungenrücken fuhr und die Stacheln sich instinktiv aufstellten. Sofort stieß Shin sein Gegenüber von sich und hielt sich die Hände vor den Mund. Dabei verletzte er sich wieder selbst und ärgerte sich, dass dies nun zwischen ihnen stand. Ren lächelte verständnisvoll und griff nach Shins Händen. Es sei alles in Ordnung, meinte er in einem beinahe summenden Tonfall.
„Shin."
Er hörte seinen Namen und starrte Ren unverwandt an.
„Dein Blut hat mich von seinem Blut befreit. Befreie mich doch auch hiervon.", sprach Ren, zog sich das Oberteil über den Kopf und warf es achtlos von sich. Sein ganzer Oberkörper war mit den Narben versehen, selbst die Arme und auch bei den Beinen war es nicht sicher, da er noch Hosen trug. Shin konnte ein aufkommendes Zittern nicht vermeiden. Der Anblick machte ihm Angst, doch gleichzeitig genoss er ihn. So wie Ren dort saß, hilflos und nun ihm ausgeliefert, wollte er über ihn herfallen. Ehe er es sich versah, lag er auch schon über ihm, hielt dessen Arme fest und drückte sie in die weiche Matratze des Bettes. Er biss ihn, wenn man es denn wirklich einen Biss nennen konnte, in der Höhe des Schlüsselbeins. Ren keuchte auf und wand sich halbherzig unter Shins Griff, als er spürte wie die Last von Ankamnas Schatten langsam von ihm abfiel. Während Shin noch über ihm lag und sich langsam von ihm löste, den Blick von der Wunde gefesselt, die er hinterlassen hatte, breitete sich auf Rens Gesicht ein Grinsen aus. Er hatte einfach so diesem Bann entkommen können.
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Ankamna bemerkte es sofort. Er hatte immer ein unsichtbares Auge auf Ren gerichtet. Mit einem Mal war seine Sicht vernebelt und bald darauf, war Ren voll und ganz verschwunden gewesen. Noch nie hatte der Fuchs es bisher geschafft sich völlig vor ihm zu verbergen. Ankamnas erster Gedanke war, dass Ren tot sein musste. Aber müsste er dann nicht immer noch dessen Seele spüren? Doch dort war nichts. Als wäre er an dieser Stelle blind geworden.
„Was ist mit dir?", fragte Aurun.
Ankamna versuchte dem selbst auf den Grund zu gehen, bis er anfing zu begreifen, was hier geschehen war. Mit einem Zittern in der Stimme, das gar nicht nach ihm selbst klingen wollte, vermutete er: „Jemand hat mir Ren weggenommen. Ich glaube es war dein Kind."
Von Aurun kam ein überraschtes Auflachen und er räusperte sich. „Na so was.", meinte er belustigt. „Nicht das es unerwartet ist, dass du ihm unterlegen bist. Ich frage mich nur, was ihn dazu gebracht hat den Fuchs zu markieren. Sag mir, Ankamna, bist du wütend? Möchtest du dagegen vorgehen?"
„Er ist dein Kind. Es ist mir nicht gestattet.", antwortete Ankamna ruhig.
Aurun nickte verständnisvoll und griff dann Ankamnas Kinn, um sein Gesicht zu sich zu ziehen. „Es ist mein dringlicher Wunsch, dass du tust wonach es dir verlangt und gegen Shin vorgehst. Es dürfte ihm eine Lehre bieten." Mit diesen Worten ließ er Ankamna wieder los und fuhr mit seiner Hand über dessen Hals. Eine kleine Narbe zeigte sich. Die Spur eines Bisses, auf Ankamnas reiner Haut. Dieser zitterte leicht, zeigte ein triumphierendes Lächeln und sprach:
„Was immer du möchtest."
„Noch etwas", Auruns Blick wanderte kurz zu Lucy, die an der Tür stand und das Geschehen unbeteiligt hinnahm. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck des Hohns. „Lange nicht mehr gesehen."
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn.
Er fuhr fort: „Ankamna, du solltest sie benutzen. Zeig sie ihm und töte sie falls nötig. Ich kann diese Person nicht noch einmal in seinem Leben gebrauchen."
Ankamna nickte, obwohl er die Andeutungen nicht verstand. Ein Blick auf Lucy verriet ihm, dass es ihr genauso erging.
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