Eine göttliche Tragödie

 Ein paar Jahrzehnte bevor Shin geboren wurde.

Irgendwo am Rand der Welt.

Es begann alles in einem sehr vollen und dadurch engen Zimmer. Es mochte eigentlich sehr groß sein, doch das Ausmaß der überladenen Regale und Schränke hatte ein unheiliges Niveau angenommen. Es würde sich als ein wahres Wunder herausstellen, wenn man sich auf diesen zwanzig Quadratmetern nicht verirrte. Bei den ausgestellten Gegenständen handelte es sich fast ausschließlich um Dinge die der belesene Betrachter als „okkult", „oh mein Gott! Fass das bloß nicht an das ist bestimmt verflucht" oder „Ich hab dir doch gesagt du sollst es nicht- Siehst du? Jetzt ist es passiert! Lauf! Es wird uns verschlingen!" bezeichnen würde. Außerdem gab es viele Bücher, man wurde einfach das Gefühl nicht los, dass sie einen beobachteten und einen ständig stumm daran erinnerten, dass man nicht so laut reden sollte. Ein Phänomen das bei vielen Büchern vorkommt wenn sie nur lange genug in einem Regal stehen. Man nehme nur eine Bibliothek als Beispiel.

Der große enge Raum wurde von einem riesenhaften alten Möbelstück beherrscht, das so platziert war, dass man es für eine Verkaufstheke halten musste. Die Person die dahinter saß konnte von ihrem Platz aus selbst die verwinkelten und chaotischsten Ecken des Zimmers im Blick behalten. Dies allein identifizierte dieses Zimmer wohl als einen Laden in dem etwas verkauft wurden. Die Besitzerin des Ladens saß in ihrem gemütlichen Sessel an genau diesem Platz und konnte theoretisch den Laden überblicken, doch es befand sich kein Kunde darin. Also hatte sie sich über die Theke gebeugt, auf der sich der einzige Gegenstand befand, der nicht so ganz in dieses Bild passen wollte. Der Kupferschmuck der Besitzerin klimperte fröhlich vor sich hin, als sie sich mit ihrem Ellenbogen abstützte und ihre Aufmerksamkeit dem Laptop vor sich schenkte. Gerade bot sie im Internet auf einen Gegenstand der sich „Tiamats Haarnadel" nannte.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals so etwas in meinem Besitz hatte, aber ich möchte es trotzdem haben.", summte die Frau vor sich hin, als plötzlich ein Klingeln die einsame Ruhe des Ladens zerstörte. In dem Bruchteil einer Sekunde hatte die Frau den Laptop unter dem Pult zum Verschwinden gebracht, ein paar Räucherstäbchen angezündet und ein altes abgenutztes Buch vor sich aufgeschlagen. „Komm doch herein.", sprach sie mit einer dunklen rauchigen Stimme, in der jetzt gar nichts mehr von dem Summton anklang, den sie gerade noch von sich gegeben hatte.

Jemand betrat den Laden und die Verkäuferin konzentrierte sich darauf ihn komplett zu ignorieren. Schüchtern sah sich der junge Mann die ausgestellte Ware an, hatte mit solchen Läden wohl schon so seine Erfahrungen gemacht, denn er achtete darauf nichts zu berühren oder allzu lange anzustarren. Nach ein paar Minuten hatte er die Verkäuferin entdeckt und räusperte sich höflich. „Entschuldigung...", brachte er hervor.

Die Frau hinter der Theke hob den Blick, als hätte sie gerade erst bemerkt, dass der junge Mann in ihrem Laden überhaupt existierte. Sie lächelte geheimnisvoll und hob ihre Schmuckbehangenen Arme. „Was kann ich für euch tun, junger Herr?", fragte sie.

„Das Grenzgänger-Ritual der sieben Pforten. Das Ziel ist die Unterwelt.", antwortete er sofort und beobachtete die Reaktion der Ladenbesitzerin genau. Ihr Lächeln verkrampfte sich unmerklich, ansonsten zeigte ihr Gesicht keinerlei Veränderung. Vielleicht, dachte der junge Mann, vielleicht habe ich dieses Mal Glück. „ich kann auch bezahlen.", fügte er sicherheitshalber dazu.

Die Frau dachte kurz nach, dann sagte sie: „Es kommen nur wenige Menschen hier her die von mir die echten Dienste verlangen. Woher weißt du von diesem Ritual?"

„Ein Priester hat mir davon erzählt, aber er nannte mir nicht seinen Namen.", antwortete er wahrheitsgemäß, denn er hatte es vor langem aufgegeben zu lügen. „Aber ich weiß wer du bist. Wenn du dieses Ritual kennst bist du einer von ihnen. Dein Name ist..."

„Keine Namen und ich werde dich auch nicht nach dem Grund fragen, warum du in die Unterwelt möchtest.", sagte sie schnell. Es war nicht ratsam manches auszusprechen.

„Oh, aber ich kann dir alles sagen. Ich werde in die Unterwelt gehen und meinen Liebsten von den Toten zurückholen und mein Name ist Dan.", sagte Dan und verbeugte sich höflich.

„Meinetwegen.", sagte die Ladenbesitzerin. „Aber beschwer dich nicht, wenn du dort unten nicht das vorfindest, was du dir erhoffst und du bezahlst im Voraus." Sie verhandelten den Preis und die Frau begann das Ritual vorzubereiten. Es sah gar nicht so mystisch aus wie Dan es sich ausgemalt hatte und bestand nur aus einem Ei und einem Teller voller Wasser. Die Ladenbesitzerin stellte den Teller zwischen sich und Dan auf den Tresen und legte das Ei hinein. Es blieb in der Mitte des Tellers und schwebte aufrecht im Wasser. Dan beobachtete verwundert das physikalisch unmögliche, während die Frau sich mit einer Nadel in den Finger stach und etwas von ihrem Blut auf das Ei tropfte. Dann hob sie in einer dramatischen Geste die Hand und schmetterte sie in den Teller und zerdrückte das Ei im Wasser. Dan sah etwas angeekelt zu, wie sie mit der bloßen Hand die Flüssigkeiten und Eierschalen vermengte und zu seiner Abscheu dann diese Hand mit dem Wasser-Ei-Gemisch in sein Gesicht schmierte. „Ist das wirklich notwendig?", fragte er anklagend, als sie von ihm abgelassen hatte.

„Ja.", sagte sie fest und tauchte ihre Hand noch einmal in die Flüssigkeit ein

„Was soll das jetzt?", fragte Dan skeptisch und bekam so langsam Zweifel an den Fähigkeiten dieser Person, die jetzt mit fast kindlicher Begeisterung in dem Gemisch herumspritzte.

„Jetzt werden wir die Pforte öffnen.", antwortete sie, hob in einer schnellen Bewegung die Hand und drückte sie gegen Dans Brust. Er kippte ohne Widerstand einfach nach hinten. Es war jenes Fallen das man im Traum erlebte, kurz bevor man erwachte. Doch Dan wachte nicht auf. Er fiel immer weiter, durch den Boden und wurde von der Dunkelheit verschlungen.

Während des Falls, der ihm unendlich lang erschien, wurde Dan von Erinnerungen heimgesucht. Und weil er zurück zu der Zeit strebte, in der sie sich ereignet hatten, gab er sich ihnen hin und sollte es auch nur bedeuten, dass er der Realität nur für wenige Sekunden entkommen konnte.

Dort drüben lag er auf einer Wiese, zwar hatte er die Augen geschlossen, doch spürte er das Gras unter sich und zwischen seinen Fingern und die Sonne drang bis unter seine Augenlider. Verschlafen blinzelte er in das grelle Licht der Nachmittagssonne. Dans Augen gewöhnten sich langsam an das Licht und er drehte sich auf die Seite. Dort saß er, mit dem Rücken zu Dan und sah zu den Bergen auf. Veils nackter Rücken war blass und durch das Licht, warf seine Wirbelsäule sanfte Schatten auf der hellen Haut. Dan lächelte bei diesem Anblick, hob die Hand und strich sanft über den Rücken seines Geliebten. Veil drehte sich zu ihm um, durch das Licht konnte Dan sein Gesicht nicht erkennen, doch er hörte seine sanfte Stimme: „Na, endlich ausgeschlafen?" mit diesen Worten beugte er sich über ihn und sie küssten sich in dieser ewigen Sonne aus Dans Erinnerung. Doch die Realität fand ihn wieder und ohne es bemerkt zu haben, war Dans Fall beendet. Er stand auf festem Grund, um ihn herum eine Welt aus dunklen Felsen und schleichenden Schatten. In der Ferne erkannte er in dem Dämmerlicht dieses Ortes Gebäude und irgendwoher kam das Geräusch eines Flusses. Er war in der Unterwelt angekommen.

Dan wusste, dass er tiefer gehen musste, da sich die Seelen der Toten nicht auf dieser Ebene befanden. Und Veil war schon seit über einem halben Jahr tot. Er hatte einfach viel zu lange gebraucht um herauszufinden wie er ihn retten konnte. Doch jetzt war diese Zeit zu Ende und endlich konnte Dan losziehen und ihn zurückholen und wenn dies nicht möglich wäre, so würde er hier bei ihm bleiben. Er hatte viel darüber nachgedacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass er lieber eine Ewigkeit mit Veil in der Dunkelheit verbringen würde, als noch ein ganzes Leben ohne ihn. Tapfer schritt er durch den unbekannten Ort, zwar konnte man keinen Himmel oder eine Decke sehen, doch er wurde von einem ständigen erdrückenden Gefühl begleitet, das ihm einzureden versuchte er würde sich unter der Erde befinden. Irgendwie traf dies auch zu, doch Dan verstand diese Welt soweit, dass er wusste dass es viel komplizierter war, als einfach nur „unterirdisch". Er ging also weiter, bis er an einen breiten Fluss kam und er wusste auch was jetzt kommen musste. Um seinen Weg fortzusetzen war es notwendig das Gewässer zu überqueren. Dan sah sich nach einem Boot um, konnte aber keines sehen. Das war äußerst ungewöhnlich, welcher Unterweltenfluss, besaß denn keine überteuerte Fähre? Er hatte extra genug Silbermünzen bei sich (für die Hin-und die Rückfahrt). Er trat demonstrativ ans Ufer und hustete, doch alles was er als Antwort bekam war sein eigenes Echo. „Hallo! Entschuldigung?", rief er nach einer Weile in das dämmrige Licht der höhlenartigen Landschaft. Weit hinten, dort wo der Fluss sich zwischen zerklüfteten Felsen verlor, leuchtete plötzlich ein blaues Licht auf. Ein Geräusch ertönte, das wie das zerschlagen von Wasser klang, und kam langsam näher. Bald schon konnte Dan erkennen was es war. Ein großes Boot aus schwarzem, verwittertem Holz, durchstieß das Gewässer. Die Gallionsfigur bestand aus dem Gerippe eines Engels, dessen drei Flügelpaare sich um den Bug der Fähre wandten. Die knöchernen, eingefallenen Hände des toten Himmlischen, waren nach oben hin ausgestreckt und in ihnen leuchtete das geisterhafte blaue Licht auf. Dahinter stand der Fährmann, eingehüllt in... Dan kniff skeptisch die Augen zusammen, als sein Gehirn sich weigerte diese unpassende Information zu verarbeiten. Der Fährmann, oder besser die Kreatur die auf der Fähre stand und sie steuerte, trug eine Trainingshose und ein altes fleckiges Shirt, seine langen unordentlichen Haare waren am Ansatz leicht fettig und an dem Mundwinkel im blassen eingefallenen Gesicht, klebten ein paar Krümel. Trotz allem wirkte die aufrechte große Gestalt noch bedrohlich (allerdings nicht mehr im Mindesten hoheitsvoll) und auf der Stirn des androgynen Gesichts, hatte es eine senkrechte Narbe, die im matten Licht glänzte. Dan wusste, dass es sich bei dem Wesen auf der Fähre um Charon, den Fährmann, handeln musste, doch wäre ihm diese Zuordnung ohne das große Boot unter der betreffenden Person niemals gelungen. Außerdem sollte ein Fährmann in der Unterwelt doch eine Kapuze tragen, das gehörte einfach dazu, es war allgemein bekannt. „du bist Charon?", fragte Dan vorsichtig.

„Was?", Der Fährmann sah ihn über den Bootsrand skeptisch an. „Ja, was willst du? Ich hab zu tun...", das Ende seines Satzes ging in einem dünnen Klang unter, als der Knochenengel am vorderen Teil der Fähre knarzend den Kopf drehte und Dan anschrie. Vielleicht war es auch ein Lied, doch mit eingetrockneten, oder kaum vorhandenen, Stimmbändern war man wohl nicht mehr im Stande zu singen. Charon verdrehte die dunkel umrandeten Augen und schlug mit seinem Ruder gegen den Rand der Fähre. „Kannst du nicht mal still sein? Ich hab keine Lust mir immer dein Gejammer anzuhören." Der Engel verstummte und schaffte es trotz seiner erstarrten Mimik, beleidigt auszusehen.

„Ich möchte auf die andere Seite.", sagte Dan mit dramatischer Stimme, woraufhin Charon sich sogleich zu ihm umwandte und kritisch ihn musterte.

„Warum das denn?!", fragte der Fährmann.

Dan sah sich ein wenig aus dem Konzept gebracht. So sollte dieses Gespräch nicht funktionieren, Charon benahm sich falsch. Die Erwiderung sollte so etwas wie: Dies ist die Heimat der Toten, lauten oder: Was sucht ein Lebender im Land der Verstorbenen? Stattdessen wurde nur mäßig interessiert nach einem Grund gefragt. Dan sah irritiert auf, nur um zu bemerken, dass Charon ihn schon gar nicht mehr beachtete und sich lieber am Ohr kratzte (oder besser im Ohr, Details lasse ich mal aus). Der junge Reisende verzog das Gesicht und legte sich die Worte weise zurecht. „Weit her kam ich aus dem Land der Lebenden, auf der Suche nach meinem Liebsten bin ich hier, denn er verstarb in meinen Armen. Nun werde ich ihn zu mir zurückholen."

Charon schwieg, sah kurz zur anderen Seite des Flusses und schüttelte langsam den Kopf. „Wenn du meinst. Steig ein."

„Moment!", Dan blieb wo er war. „Du kannst mich doch nicht einfach einsteigen lassen. Ich bin noch am Leben, ich sollte gar nicht hier sein!"

Charon zuckte mit den Schultern. „Ist nicht mehr mein Problem."

„Ist nicht mehr mein...?", Dan schnappte nach Luft. „Was soll das heißen? Du bist der Fährmann, du kannst doch nicht einfach jeden über den Fluss lassen und warum sind hier überhaupt keine Wächter oder Dämonen die meine Seele stehlen wollen?"

Charon seufzte. „Die Zeiten haben sich etwas geändert und der Wächter ist schon lange nicht mehr hier. Also möchtest du jetzt rüber oder nicht?"

Dan zögerte kurz, trat dann aber einen Schritt näher an das Ufer des Totenflusses und fragte: „Die Seelen der Verstorbenen sind doch noch hier, oder?"

Der Blick der Fährmanns trübte sich unmerklich und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Alles was ich sagen kann, ist dass ich schon seit einiger Zeit keine Toten mehr über den Fluss gebracht habe. Ich bin bedeutungslos geworden, für immer hier gefangen und ich habe keine Vorstellung davon wie es auf der anderen Seite aussieht." Mit diesen Worten wies er auf die andere Seite, die man trotz der flachen Landschaft nur um ein paar Meter überblicken konnte.

Es galt also eine Entscheidung zu treffen.

Dan schluckte. „Es ist also so, dass er nicht hier sein kann?"

Charons Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an, den man wohl als Mitleid bezeichnen konnte. Es wirkte bei diesem Gesicht sehr unpassend und trotzdem schüttelte er langsam den Kopf. „Ich brachte keine Seele mehr über diesen Fluss. Lange Zeit nicht."

Etwas regte sich in Dan. Er war so weit gekommen. Wer konnte schon von sich behaupten, dass er die Unterwelt lebend erreicht hatte? Noch dazu hatte er einen Vertrag mit einer sehr mächtigen Kreatur geschlossen und somit seine Rückkehr gesichert. Doch jetzt stand er hier, fast am Ziel und griff ins Leere. Niemand würde hier sein. Veil war nicht hier. Dan schluckte bei dieser Erkenntnis. „Aber... wo sind sie dann? Wo sind die Toten, wenn sie nicht über den Fluss gebracht werden?" Es bewegte sich. Das Engelswesen das mit dem Boot verwachsen war, reckte langsam einen Arm und wies Flussaufwärts, dabei gab es einen melodischen Klang von sich. Das Geräusch verstarb sehr schnell und der Engel ließ den Kopf hängen. Charon und Dan sahen beide in die Richtung. „Du weißt etwas?", fragte Dan den Engel, doch er bekam von ihm keine Antwort mehr.

„Wenn du in diese Richtung gehst", sagte Charon und endlich klang er so wie ein Geschöpf der Unterwelt klingen sollte. Tief und kalt. „wirst du an die Quelle des Flusses kommen. Dort haben Sie sich angesiedelt und vielleicht wirst du dort auch deinen Freund finden. Aber es ist ein langer und verlorener Weg und ohne richtiges Ziel wirst du niemals ankommen."

„Ich habe ein Ziel.", sagte Dan mit fester Stimme und ging los in die gewiesene Richtung. Er musste einfach an das glauben, was er sich die ganze Zeit über erhofft hatte: Veil zu finden und mit ihm zusammen zu sein. Flussaufwärts zu gehen konnte sich ja nicht als so schwer herausstellen. Er musste einfach am Ufer entlang gehen. So dachte er jedenfalls, doch dies war die Welt der Toten und nichts würde so sein wie man es sich erhoffte.

Charon sah dem jungen Reisenden nach, wie er stromaufwärts am Ufer des Flusses entlanglief. Der Fährmann sah zu wie der Junge langsam im Nebel der Finsternis verschwand, dann senkte er nachdenklich den Kopf. „Du hättest ihm nicht den Weg weisen sollen." Einem unbemerkten Beobachter wäre zunächst nicht klar gewesen, mit wem er da sprach, doch dann hob das Engelswesen mit einem Knarzen den Kopf und seufzte anklagend. „Das letzte Mal als du etwas getan hast, was sie nicht wollten, haben sie dir deine Stimme genommen. Was erhoffst du dir jetzt aus dieser Tat. Ich werde mich nicht wieder für dich hinhalten." Mit einer unbewussten Geste, hob Charon die Hand und fuhr sich mit einem Finger über die dünne Narbe. Doch er wusste innerlich, dass er den Engel nicht im Stich lassen würde. Das geflügelte Wesen, das auf ewig mit der Fähre verbunden war, wusste dies ebenfalls und es versuchte sich zu Charon umzudrehen und streckte eine Hand nach ihm aus. Charon kniete sich an den Rand des Bootes und nahm die dürre Hand des toten Engels entgegen. Einer der verdorrten Finger strich über die Narbe an Charons Stirn. „Ich habe dir schon gesagt es ist ok.", flüsterte er. „Es ist etwas das wieder heilen kann. Ich brauche nur Zeit. Es ist nicht so schlimm wie bei Cerberus, es wird mich nicht in den Wahnsinn treiben. Es ist nur ein einziges Auge und kein ganzer Kopf." Er spürte wie sich sein Griff um den Rand des Bootes verkrampfte und ein leichter Schwindel ihn überkam. Es war mehr als nur ein Auge. Es hatte ihn mit der Zeit, dem Fluss, dieser Welt und jener Welt verbunden. Natürlich würde es wieder heilen, aber wie lange würde dies dauern? „Bis der Thron der Unterwelt eine neue Blutlinie findet.", sprach er in die Dunkelheit.

Dan lief.

Es gab keine Worte die seinen Umstand besser beschreiben als das Laufen. Es war das einzige, das er für lange Zeit tat und er vergaß darüber alles. Irgendwann konnte er sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen erinnern. Es war auch nicht mehr wichtig. Was er tun musste, war dem Verlauf des Flusses zu folgen. Es gab nur einen kurzen Moment in dem er einmal stehen blieb und sich vollkommen aufgelöst fragte, ob er überhaupt in die richtige Richtung lief. Doch sehr schnell überzeugte er sich davon, dass dies nicht wichtig sei, Hauptsache er kam voran, Hauptsache er lief. Also lief er weiter.

Der Fluss wurde breiter und schmäler, verlor sich in Verzweigungen und kam immer wieder zusammen. Der Namenlose, dessen Aufgabe es geworden war zu laufen, kam an verlassenen Städten und unwirklichen Landschaften vorbei. Alles um ihn herum war tot und leer und wenn er noch Zeit auf Gedanken verschwendet hätte, hätte er sich gefragt, ob die Städte jemals dafür gebaut worden waren um Leben in sich zu tragen.

Einmal war es, dass er fast ein zweites Mal stehen geblieben wäre. Am Ufer des Flusses, auf der anderen Seite, saß ein Kind. Es hatte seine Hände in das fließende Wasser gestreckt und sich wie im Schlaf darüber gebeugt „Hier.", flüsterte es, doch das Echo trug seine Worte bis zu dem Laufenden und aus Neugier, wurde er langsamer und beobachtete es. Etwas fiel ihm dabei auf. War der Fluss schon immer rot gewesen? Das Kind hob die Hände aus dem Wasser und Dan, der plötzlich wieder einen Namen hatte, gab einen erschrockenen Laut von sich. Denn die Hände die es aus dem Wasser zog, hatten eine pechschwarze Farbe. Als es den Laut von Dan hörte, hob das Kind den Kopf und offenbarte zwei ebenso tiefschwarze Augen. Es war nicht ein einziger Schimmer von Farbe oder Licht zu erkennen, sie saugten alles auf wie dunkle Löcher. „Was. Möchtest. Du. Am. Rand. Der. Welt.", die Stimme des Kindes klang anders als vorher, verzerrt und eine dunkle Flüssigkeit tropfte ihm aus dem Mund, als es begann zu sprechen. Dan wandte sich ab und zum ersten Mal seit er hier unten war, verspürte er echte Angst, als würde sich ein Loch vor ihm öffnen und ihn unvermeidbar in die Tiefe saugen. Er rannte und ließ die schwarzen Augen hinter sich. Doch sie waren noch lange auf ihn gerichtet, bis das Wesen mit den schwarzen Augen das Interesse verlor und sich wieder über den Fluss beugte.

Er hörte irgendwann auf zu rennen, wusste gar nicht mehr wovor er geflohen war und er wurde langsamer bis er endgültig stehen blieb.

Er hatte die Quelle des Flusses erreicht.

Das Wasser kam aus der Tiefe, quoll aus einer Felsspalte, die sich zwischen zerklüfteten Felsen auftat. Dahinter erstreckte sich das erste Leben, das er an diesem Ort vorfand. Es war ein Wald der bis in seine Wurzeln so lebendig wirkte, dass es aussah, als würde er wie ein einziges Geschöpf atmen und den Fremden ansehen. Dan starrte zurück, dann schluckte er und lief ohne ein weiteres Zögern in das erschreckende Grün hinein. Er wusste nicht wie ihm geschah, es war als würde er verschlungen werden. Was Dan nicht wusste war, dass er mit dem Betreten dieses Waldes gewaltsam in eine fremde Welt eingedrungen war. Das Wesen des Waldes atmete langsam ein, beobachtete jeden Schritt des ungeliebten Eindringlings und schrie schließlich stumm nach seinem Herrn. Dan bemerkte von all dem nichts, sondern lief weiter, immer auf der Suche nach Veil. Er lief durch die Lücken zwischen den riesigen Bäumen, die ihm mit jedem Schritt enger vorkamen. Das Blätterdach war so weit über ihm, dass es zu einem grünen Himmel verschwamm. Mit einem Mal wurde Dan klar, warum ihm das alles so seltsam vorkam, woher dieses unangenehme Gefühl kam. Von außen hatte der Wald so winzig gewirkt, doch jetzt war es, als wäre er in einer riesigen Stadt. Er schluckte und sah sich um. Ohne es zu merken war er so tief in das üppige Grün hineingewandert, dass er nicht mehr wusste wie er herauskommen sollte. Aber es ist egal, sagte er zu sich selbst, ich werde hier erst wieder versuchen herauszukommen wenn ich Veil gefunden habe. Und dann geschah es, dass sein Blick auf das Wurzelwerk von einem der Bäume fiel. Es schlang sich wild um etwas das aussah wie ein seltsamer Stein. Dan machte einen Schritt darauf zu und sah es sich genauer an. Fast sofort taumelte er erschrocken davon weg, als er feststellen musste, dass es sich dabei um einen Menschen handelte. Er sah lebendig aus und es ging ein leichter Schimmer von ihm aus, doch die festen Wurzeln hatten sich gnadenlos in das Fleisch gebohrt und den Menschen so am Boden begraben. „He!", sagte Dan, doch der Fremde schien zu schlafen. Man konnte erkennen, wie sich seine Brust langsam hob und wieder senkte. „Veil...", murmelte Dan leise, als ihm klar wurde welches Schicksal auch ihm widerfahren sein musste und dann schrie er laut: „Veil!" und rannte los. Unter jedem Baum fand er sie begraben, doch nirgendwo konnte er seinen Liebsten entdecken. So lange, bis er ohne Vorwarnung mit etwas zusammenstieß und hart auf dem erdigen Boden landete. Sofort wandte sich eine Wurzel um seinen Arm und Dan versuchte verzweifelt sich loszureißen.

„Was bist du denn?", fragte eine Stimme, die so süß klang wie Honig und das Versprechen einer warmen Sommerbrise schenkte. Sie gehörte zu einem Gesicht, das seltsam erwachsen und trotzdem kindlich wirkte und dessen Züge es zu einer zeitlosen Schönheit machten. Es sah aus gnadenlos goldenen Augen auf Dan hinab und als es daraus erblickte, wie Dan von noch einer Wurzel umschlungen wurde und er vor Schmerz das Gesicht verzerrte, da kam aus dem Mund des Wesens ein liebreizendes Lachen.

Dan schaffte es irgendwann sich loszureißen und sich keuchend aufzurichten. Er schreckte vor dem Lachen der Kreatur vor ihm zurück, ihr wundervoller Klang alarmierte ihn aus irgendeinem Grund. „ich bin ein Mensch und du?"

Das Wesen hörte auf zu lachen und musterte Dan mit kaltem Blick. „Wenn du ein Mensch bist, dann ist dein Platz dort unten.", es deutete auf den Boden vor sich und sofort schossen Wurzeln daraus hervor und wickelten sich um Dans ganzen Körper, drückten ihn schmerzhafter als zuvor zusammen. Als er schließlich auf die Knie sank, beugte das Wesen sich mit einem wieder sanften Gesichtsausdruck über ihn. „Mein Name ist Aurun, der Herr dieses Waldes. Du wirst uns eine gute Nahrung sein."

Es waren die letzten Worte die Dan vernahm, bevor die Wurzeln ihn in die erdrückende Finsternis des Erdreichs zerrten. Dan schnappte verzweifelt nach Luft und versuchte sich irgendwo festzuhalten, doch die Kraft der Bäume war gnadenlos und er hatte keine Möglichkeit zu entkommen. Als er komplett von der Dunkelheit verschlungen war, spürte er wie sich etwas schmerzhaft in seinen Hals bohrte. Er zerrte an seinem ganzen Selbst, erschütterte ihn und raubte ihm den letzten Willen sich am Leben zu halten. Und mit einem Mal war es vorbei, Dan spürte wie er sich nicht mehr wehren konnte, nein, wollte. Er wurde schwach und müde. Alles fühlte sich warm und weich an, bis er schließlich in eine Welt der leeren Bewusstlosigkeit glitt.

„Ist es wirklich das was du willst?"

Dan hielt inne und sah hoch in die Augen von Veil. „Was, du etwa nicht? Oh man, ich wollte jetzt wirklich..." Etwas geknickt ließ er davon ab Veils Hose zu öffnen und stand auf.

„Nein, nein. Nicht das!" Veil wurde ganz rot im Gesicht und griff nach Dans Hand. „ich meine das alles. Ich hab dir doch alles erzählt und ich verstehe einfach nicht was du dir daraus erhoffst."

„Was meinst du?", irgendwie wollte er heute nicht ganz verstehen was sein Freund meinte.

Veil lächelte traurig. „Diese Beziehung ist doch vollkommen ohne Zukunft, ich bin ohne Zukunft und das weißt du auch."

Dan mochte es nicht, dass er immer dieses Thema ansprach. Nicht die Krankheit machte ihn wütend, sondern dass Veil alles daran setzte ihn davon zu überzeugen, dass es besser wäre ihn allein sterben zu lassen. Gerade wollte er wieder einen Streit deswegen anfangen, als er den Blick von Veil bemerkte. Dan biss die Zähne zusammen und spürte die Last des Ganzen viel stärker als in den letzten Tagen. Doch es würde viel schlimmer für ihn sein, wenn er Veil im Stich lassen würde. Warum konnte dieser es einfach nicht begreifen? „Dann lass uns doch einfach nicht in der Zukunft leben, sondern jetzt.", er wusste, dass es sinnlose und dumme Worte waren. Trotzdem drangen sie ihm jetzt über die Lippen und Dan spürte wie die Verzweiflung in ihm sich langsam einen Weg an die Oberfläche bahnte. Er hielt den Kopf gesenkt, damit Veil nicht sah, dass er mit den Tränen kämpfte.

„Dan.", kam es von ihm. Veil griff unter das Kinn seines Freundes und hob dessen Kopf an. Dans Augen und die Nase waren rot unterlaufen und Tränen rollten langsam über sein Gesicht. „Du siehst wirklich komisch aus wenn du weinst.", stellte Veil fest, lächelte dann wieder. „Aber so grausam wie es klingen mag, ist es in diesem Moment für mich der schönste Anblick." Er schloss Dan in seine Arme und dieser konnte das Zittern in Veils Körper spüren.

Er hat Angst gehabt, bemerkte Dan, jedes Mal wenn er mich danach fragt hat er schreckliche Angst, dass ich gehen könnte. „Ich bleib bei dir bis du stirbst und meine Welt endet.", flüsterte Dan.

„Danke.", hauchte Veil zurück.

Doch Dans Welt endete nicht mit Veils Tod. Sie ging mit jedem Tag und jeder Nacht gnadenlos weiter. Und er hatte sich auf die Suche gemacht.

Und jetzt bin ich hier.

Sieht ganz danach aus als hätte ich versagt.

Wonach habe ich noch einmal gesucht?

Er dachte nach, doch es wollte ihm nicht einfallen.

Egal.

Er konzentrierte sich wieder auf das ruhige Abdriften, das Gleiten in der Leere. Ohne jedes Ziel, einfach nur Stille und Frieden.

Ein plötzlicher Schmerz zerstörte die Ruhe, erfüllte sie mit einem schrillen Klang, der Dan seinen ganzen Körper spüren ließ. Er hatte keine Zeit für Gedanken, alles bestand nur noch aus diesem Klang. Dan spürte seine Arme, hob sie hoch.

Etwas zerrte an seinem Hals.

Dan konnte ihn spüren und hob die Hände schützend davor.

Etwas schlug sie grob beiseite.

„Lass mich.", brachte Dan hervor, doch auch das half nichts.

Ein Arm legte sich um seine Taille und zog ihn aus seinem Nest aus Wurzeln hervor.

Er spürte wie sie an ihm zogen, den Schmerz als sie aus seinem Körper gerissen wurden. Doch mit jeder Verbindung zum Baum die so gewaltsam verloren ging, spürte er wie er mehr und mehr zu Bewusstsein kam.

„Komm mit", sagte eine Stimme die so sanft und wundervoll Klang, dass Dan sofort seinen Schmerz vergaß, nach einer ausgestreckten Hand griff und sich weg von den Wurzeln führen ließ. „Es tut mir leid, dass es so wehtat, doch wir müssen uns beeilen sonst bemerken sie uns.", erklärte die schöne Stimme.

Dan nickte einfach nur. Er war immer noch benommen, seine Beine liefen wie von allein, wie sie es die ganze Zeit schon getan hatten. Bis sie aufhörten sich zu bewegen und sein Retter sich zu ihm umdrehte. Sie standen sich für eine ganze Weile einfach nur gegenüber und Dan überlegte was er sagen sollte. So sollte es eigentlich nicht laufen, er hatten ihn retten wollen. Stattdessen stand er jetzt hier und suchte nach den richtigen Worten. Schließlich entschied er sich für: „Veil-"

Doch Veil ließ keinen weiteren Laut zu, sondern fragte einfach: „Was machst du hier?"

„Was?", Dan ging einen Schritt zurück, als er den kalten Blick seines Geliebten auf sich ruhen spürte. Warum musste er sich jetzt rechtfertigen? Wo war das romantische Wiedersehen das er sich so erhofft hatte? „Ich hab nach dir gesucht, was denn sonst?"

„Was denn sonst? Was denn sonst?! Warum hast du nicht einfach ein normales Leben geführt und die Toten in Frieden gelassen?!", Veil zuckte beim Sprechen plötzlich zusammen und sah sich gehetzt in dem engen Erdreich um. In dem matten Licht konnte Dan feine Narben und halb verheilte seltsame Wunden erkennen. Sie stammten von nichts was er zuordnen konnte, nicht einmal die Wurzeln konnten dafür verantwortlich sein.

„Veil, ich hab alles versucht. Ich wollte-", begann er eingeschüchtert, doch wieder einmal wurde er unterbrochen, indem Veil plötzlich die Hand hob und ihn so zum Schweigen brachte.

„Schnell.", zischte er, packte Dans Arm und zog ihn grob hinter sich her.

Keuchend blieben sie stehen und Dan spürte wie es seinen Blick immer wieder zu den Narben auf Veils nackter Haut zog. Veil war tot und besaß keinen richtigen Körper mehr. Egal wie sehr er auch verletzt werden würde, sein jetziger Körper sollte immer wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren. Was hatte die Macht einem Toten so etwas anzutun? Nichts schien hier zu stimmen, gar nichts. Dan hob die Hand und berührte Veil leicht am Ellbogen. Sofort zuckte er zusammen und duckte sich vor Dan weg. „Veil. Was ist mit dir?", fragte Dan verzweifelt.

„Du warst nicht der Einzige der versucht hat mich unter die Lebenden zurückzubringen. Ich hab immer geglaubt hier könnte ich so etwas wie Frieden finden, aber diese Welt ist bis in ihre Tiefen verrottet." Veil senkte den Kopf und hatte immer noch die Hand am Ellbogen den Dan berührt hatte. „Immer wenn ich es geschafft hatte zu entkommen haben sie mich gejagt, bestraft und wieder hierher zurückgebracht. Ich verstehe diesen Ort nicht, ich will nicht für den Rest meiner Existenz einem Baum als Nahrung dienen. Ich will zurück zu dir." Seine Stimme wurde weicher und Dan erkannte wieder den alten Veil.

Vorsichtig hob er die Hand, ganz langsam als könnte Veil unter der Berührung zerbrechen, berührte er mit den Fingern sein Gesicht. „Aber ich bin jetzt da und wir können zusammen fort von hier."

Veil lächelte. „Ja."

„Das ist es was mir seltsam vorkam: Du bist noch am Leben." Die Stimme erklang genau an Dans rechtem Ohr. Ohne den Kopf drehen zu müssen, ahnte er wer es war. In Veils Augen zeigte sich nackte Angst und alle Hoffnung die sich bis eben darin aufgebaut hatte, war mit einem einzigen Schlag ausradiert.

„Aurun.", sagte Dan und war überrascht, dass seine eigene Stimme so ruhig klang.

„Ja.", antwortete Aurun. „und ich würde sagen, hier ist deine kleine Reise zu ende. Gehe dorthin zurück wo du hergekommen bist."

„Nur zusammen mit Veil.", Dans Worte gingen fast auf halbem Weg verloren, als er spürte wie sich etwas durch seinen Rücken bohrte. Es waren nicht direkt Schmerzen wie er sie kannte, das Gefühl löste eine schreckliche Leere in ihm aus, die sich bis in die tiefsten Abgründe seiner Seele zogen. Als er den Kopf senkte und an sich herabsah, erblickte er Auruns Hand die aus seiner Brust ragte. Die langen dünnen Finger hatten sich um Dans herausgerissenes Herz geschlossen. „Ich bin doch gar nicht wirklich hier, so kannst du mich nicht töten.", brachte er mit zitternder Stimme hervor, während Blut aus der Wunde tropfte.

„Du klingst nicht so, als wärst du dir da ganz sicher." Aurun legte den freien Arm um Dan und hauchte ihm die Worte wie eine Liebeserklärung entgegen.

Veil kam auf sie zu. Voller Panik und Angst und Hass. „Lass ihn sofort los!", doch er tat nichts. Kurz bevor er Aurun erreichte, blieb er zitternd stehen und flehte ihn an: „Bitte tu ihm nicht noch mehr weh."

Aurun lachte. „Du hast Angst. Es ist so schön zu sehen, was deine Erziehung und all die Jahre hier mit dir angestellt haben. Hier ist deine letzte Lektion." Mit einer einzigen Bewegung zerdrückte er Dans Herz und zog seine Hand aus dessen Brust. Blut spritzte an die dunklen Wände. Dan verlor das Gleichgewicht und kippte nach vorne, wo er von Veil aufgefangen wurde. Sie sanken zusammen zu Boden.

„Nein, nein, nein. Du darfst nicht verschwinden, nicht jetzt. Du hast gesehen was hier mit mir passiert, ich bin nicht mehr ich selbst.", rief Veil und hob Dans Gesicht am Kinn an, so wie früher.

Dan lächelte schwach, sprach mit letzter Kraft: „Ich komm dich retten, das ist mein Versprechen." Und alles um ihn herum verschwamm, wurde dunkel, er konnte nicht einmal Veils letzte Worte hören, auch nicht Auruns Lachen.

Der Schmerz kehrte zurück. Der echte weltliche Schmerz.

Dan war mit dem Stuhl auf dem er gesessen hatte nach hinten gekippt und lag unbequem auf dem Fußboden. Er sah an eine Zimmerdecke die mit allen möglichen und unmöglichen Dingen behangen war. Ach ja richtig, er war in diesem Laden. Er hob die Hand und wischte sich über das Gesicht. Neben dem Ei-Wasser Gemisch und vereinzelten Eierschalen, blieb auch Blut daran hängen. Der stechende Schmerz in seiner Brust bestätigte seine Befürchtung. Ich kann jetzt nicht einfach sterben, dachte er und wollte sich aufrichten. Jemand drückte ihn mit sanfter Gewalt auf den Boden zurück. Es war die dubiose Ladenbesitzerin. „Du wirst sterben.", stellte sie überflüssigerweise fest. „Möchtest du es noch einmal versuchen? Dieses Leben ist verloren, aber ich kann dir ein neues schenken. Natürlich gibt es Bedingungen und Regeln, aber..."

„Ja.", keuchte Dan mit aller Kraft.

„Möchtest du dir nicht erst anhören was ich zu sagen habe?", fragte sie ruhig.

„Es ist mir egal, ich muss ihn retten. Irgendwie...", seine Stimme versagte, als Blut aus seinem Mund quoll und er anfing schwach zu husten.

Sie sah ihm ein paar Sekunden dabei zu, dann huschte ein Grinsen über ihr Gesicht. „Es wird mir eine Freude sein."

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