Die weiße Schlange und der goldene König

Bewegen wir uns weg und betrachten die Welt aus einer anderen Perspektive. Es ist nichts weiter als eine große Ansammlung, bestehend aus Leben und Tod, die sich gegenseitig bedrängen und ablösen. Irgendwo dazwischen findet der Alltag für die Sterblichen statt. Es gibt vereinzelte Ausnahmen. Darunter Wesen die etwas älter werden als andere und Gottheiten die, entgegen mancher Annahmen, tatsächlich über eine Unsterblichkeit verfügen. Das Geheimnis dieser Unsterblichkeit ist die Tatsache, dass sie unbewegte Wesen sind. In all den Äonen die sie überdauern können, erleben sie weder eine körperliche, noch eine geistige Veränderung. Es liegt daran, dass selbst wenn sie negative Merkmale aufweisen, als perfekte Wesen existieren. Sie brauchen nicht zu wachsen, sich nicht zu verändern, da sie schon so sind wie sie sein sollen. Da sie keine Sterblichkeit besitzen, gibt es auch nichts was sie dazu antreibt nach höherem zu streben.

So funktioniert die Welt. Das was ewig ist, bleibt auch ewig unverändert und das was vergeht, kann sich wandeln und wachsen.

Und doch sollten Wesen auftauchen die beides sein sollten: Unsterblich und nach Wachstum strebend. Denn als die beiden letzten Titanen, die schwarze und die weiße Schlange, ihre Körper verloren, begannen sie miteinander zu ringen, bis sie sich fast gegenseitig zerbissen. Ihre Körper fielen zur Erde hinab und ihr Blut floss in die Unendlichkeit des Universums. Es war ihr letztes fleischliches Zeugnis, bis ihr Leben die materielle Welt verließ und alles was von den letzten lebendigen Tropfen Blut kosten durfte, wurde mit ihrer Unsterblichkeit gesegnet.

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Ankamna dachte darüber nach, während sein lächelnder Begleiter sich geduldig zurücklehnte und darauf wartete, was man dazu zu sagen hatte. Tatsächlich machte die ganze Geschichte, wenn er seine Vergangenheit betrachtete, irgendwie Sinn. Das Blut der Titanen hatte sie unsterblich werden lassen und je länger sie lebten, desto mehr Willen und Intelligenz würden sie entwickeln. Ankamna konnte sich kaum an die ersten Jahrtausende erinnern, als er noch keine Gestalt hatte annehmen können, als er noch nicht Ren begegnet war.

„Deswegen hat unser Blut also diese Macht. Es macht uns unsterblich und wir können andere damit kontrollieren.", überlegte er laut. „Wir können es auch weitergeben."

„Das Ist Aber Schwieriger. Vielleicht Höchstens Wenn Jemand Lange Genug In Regelmäßigen Abständen Etwas Davon Zu Sich Nimmt, Oder Durch Vererbung.", bemerkte der Fremde. „Doch Was Mich Wirklich Wunderte, War Dass Ihr So Vieles Von Den Beiden Schlangen In Euch Aufgenommen Habt, Doch Nicht Ihre Kampfeslust Zueinander. Es Wäre Eure Einzige Schwäche Gewesen, Wenn Ihr Euch Wenigstens Selbst Zum Feind Wäret, Wie Bei Den Menschen. Doch Ihr Könnt Einander Nicht Ein Einziges Haar Krümmen. Dabei Ist Das Einzige Was Das Blut Der Schlange Erschlagen Kann, Das Blut der Schlange Selbst." Dann schwieg er und senkte langsam den Kopf, als er die Klinge von Ankamnas Schwert, das nur hier an diesem Ort seine Form halten konnte, an seiner Kehle spürte. Doch hatte er immer noch nicht aufgehört zu lächeln. „Ich Habe Wohl Zu Viel Verraten."

Ankamna blieb ruhig, nur die Spitze des Schwertes, das er innerhalb eines Augenblickes gezogen hatte, zitterte minimal. „Du bist keiner von uns!"

„Ja das steht fest. Aber alles was ich dir erzählt habe, entspricht der Wahrheit."

Ankamna stand auf, die Waffe immer noch an den Fremden gehalten. „Daran habe ich nicht gezweifelt.", zischte er. „Trotzdem will ich wissen was-"

Doch er wurde unterbrochen. Es war weder ein Geräusch das erklang, noch eine plötzliche Berührung. Es machte den Eindruck, als würde Ankamna plötzlich der Ton abgeschnitten. Er sprach immer noch, doch seine Worte waren in Stille getränkt. Der Fremde legte den Finger an den Mund und zwinkerte. „Sei Still. Ich Bin Schon Wütend Genug, Ich Wollte Nur Sehen Wer Du Bist."

„Ankamna, töte ihn.", Aurun trat aus einem Baum heraus. Es war die beste Beschreibung dessen, wie er plötzlich vor ihnen stehen konnte. Er hatte einen Schritt getan und war direkt vor dem Baum aufgetaucht, so dass es aussah, als wäre er aus diesem Gewächs erschienen. Ankamna beschlich der leise Verdacht, dass Aurun die ganze Zeit über hier gewesen war und ihnen zugehört hatte (es war nicht richtig davon auszugehen, dass Aurun gelauscht hatte, schließlich gehörte ihm dieser Ort und durfte sich aufhalten wo er wollte).

„Seht Nur Wer Sich Dazu Herabwürdigt Mir Entgegenzutreten" Der Fremde ignorierte das Schwert und stand einfach so auf.

Ankmana folgte nervös seiner Bewegung, unschlüssig was er jetzt tun sollte. Eigentlich sollte er genau das tun, was ihm gesagt worden war, doch er war zu neugierig um dem ganzen jetzt einfach ein Ende zu bereiten und außerdem fühlte sich sein Schwert nicht richtig an. Wenn man es gegen jemanden richtete, sollte man die betreffende Person irgendwie unter Kontrolle haben, ihr Leben sollte an der Klinge des Schwertes hängen. Doch Ankamna fühlte sich unangenehm ignoriert, oder eher geduldet. So als würde man es einer Fliege erlauben auf einem Platz zu nehmen, ohne sie sofort mit einer lässigen Handbewegung zu verscheuchen. „Was ist hier los?", brachte Ankamna hervor und merkte wie etwas Kaltes und Schreckliches von ihm Besitz ergriff. Es kroch langsam aus dem Boden zu ihm hinauf, stahl sich durch seine Knochen und bohrte sich in sein Herz, bis er keine Kraft mehr hatte und die Waffe dumpf zu Boden fiel. Jemand hatte sich dazu entschlossen die Fliege zu verscheuchen und es war nicht einmal eine Handbewegung erforderlich gewesen, nicht einmal ein Blick war nötig gewesen. Ankamna wich zurück, bis er mit dem Rücken gegen einen der vielen Bäume stieß und sich mit den Fingern daran festkrallte wie ein Ertrinkender.

Der Fremde lachte und stieß dabei das Schwert mit dem Fuß beiseite. Es war kein schönes Lachen wie bei Aurun. Es war kein Lachen das aus Freude zeugte. Es war eher das ironische Schicksal der Welt in ein paar Lauten zusammengefasst. Er machte sich nicht über Ankamna persönlich lustig, sondern über das Wesen der Dinge im Allgemeinen.

„Warum bist du hier?", fragte Aurun als das Lachen aufgehört hatte. „Ich dachte du wolltest dich aus allem heraushalten, ihr habt mir die Welt auf einem Silbertablett serviert."

Der Fremde hob ernst den Blick und Ankamna konnte von seiner Position aus erkennen, dass sich die vorher goldenen Augen komplett schwarz gefärbt hatten. „Ich. Konnte. Mich. Einfach. Nicht. Zurückhalten. Ich. Konnte. Spüren. Wie. Eines. Meiner. Kinder. Für. Kurze. Zeit. Verschwunden. War." Sagte er mit einer Stimme, bei der jede Silbe wie der letzte Laut der Geschichte erklang.

„Oh", ein perfides Lächeln huschte über Auruns Gesicht. Ein Ausdruck, den Ankamna noch nie bei ihm gesehen hatte. „Wer hätte gedacht, dass du so sehr an diesen kleinen Kreaturen hängst. Dabei haben wir doch schon eine deiner Kreationen unter unserer Kontrolle, aber die kleine Amelia scheint dir ja egal zu sein. Also, was habt ihr nur vor, Abaddon?"

Abaddon. Abaddon! Die weiße Schlange öffnete ihre Augen, die wie schwarze Tunnel alle Ebenen der Welt durchdrangen und alles Licht in sich hineinzogen. In der Gestalt des letzten Engels öffnete sie drei Flügelpaare, eines davon nichts weiter als schwarze Knochen, die anderen beiden weiß wie das Gefieder der ersten Boten. Abaddon öffnete den Mund, der niemals einen Laut hätte von sich geben sollen und sprach: „Ich. Werde. Warten. Bis. Diese. Welt. Ihren. Tribut. Verlangt. Und. Dann. Werde. Ich. Euch. Verschlingen."

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Tiamat verdrehte die Augen und klopfte ihrem Bruder auf die Krallen. „Wie konnte ich auch erwarten, dass du dich an unser Wort hältst? So gesehen ist es auch meine Schuld. Dein Hang zur Dramatik ist einfach viel zu hoch, aber ich hätte wirklich nicht erwartet, dass du dort auftauchst und dich noch einmal Aurun stellst." Sie hatte sich umgedreht und schenkte jedem von ihnen eine Tasse Tee ein. Sie reichte eine an Abaddon.

Er nahm sie entgegen und trank einen Schluck. „Eine. Sache. Fand. Ich. Heraus. Der. Handlanger. Kommt. Aus. Unserer. Welt. Vielleicht. Kannst. Du. Ihn. Dir. Zurückholen. Ich. Habe. Etwas. In. Ihm. Gesehen. Sehnsüchte. Und. Warme. Erinnerungen."

Sie hielt inne, die Kanne mit den blauen Blümchen immer noch in einer Hand. „Wäre es wert herauszufinden was er ist, oder wäre es doch lieber besser ihn gleich zu vernichten? Er könnte das Geheimnis sein, warum die anderen Blutträger sich in dieser Welt ansiedeln konnten."

Abaddon nickte und nahm sich einen Keks. 

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